c. Das Denkmal als Grabmal: Die Beisetzung der historischen Wahrheit
An der Stelle des in praesenti casu brisant empirischen Fundaments, das die professionelle Geschichtswissenschaft als einen gegen die Realabstraktionen der bürgerlichen Gegenwart geltend zu machenden konkreten Vermittlungspunkt und solidarischen Bestimmungsgrund wirklicher Historie nicht wahrhaben darf und von dem sie mit dem Resultat einer Verklärung der wirklichen Historie zur falschen Unmittelbarkeit und trügerischen Autonomie einer aus hypostatisch eigenen Stücken wahren Geschichte sich absetzt und abstrahiert – an der Stelle des solcherart aktiv-empirischen Fundaments präsentiert sie nun also der Verklärten das passiv-trophäische Postament jener früheren Empirie im Restbestand. Diese Ersetzung des umwälzend empirischen Fundaments durch ein erhebend ästhetisches Postament oder des – historisches Perfekt hervorbringenden – repräsentativ wirklichen Mittels durch ein – originale Vergangenheit bergendes – reproduktiv wahres Gefäß erscheint mit Rücksicht auf den Vergangenheitstopos, den gleichermaßen in formeller Anerkennung und materieller Verleugnung des praesenti casu augenscheinlichen Erfordernisses einer "empirisch abgefassten" revolutionären Historie die professionelle Geschichtswissenschaft verficht, bei näherem Zusehen nicht allein technologisch vertretbar, sondern darüber hinaus auch ideologisch konsequent. In der Tat nämlich verbindet jene restbeständig frühere Empirie mit der technisch-funktionellen Tauglichkeit, die an und für sich seiende Vergangenheit der professionellen Geschichtswissenschaft aufzubewahren und für sie einzustehen, die strategisch-reelle Fähigkeit, diese Vergangenheit unter Verschluss zu halten und ihr den Rest zu geben. Ein und derselbe totale Mangel an aktiv-präsentativer Funktionalität und zielstrebig-prozessualer Gemeinsamkeit mit der Gegenwart, der die causa sufficiens dafür bildet, dass jene restbeständig frühere Empirie der an und für sich seienden Vergangenheit der professionellen Geschichtswissenschaft in aller Form sich eröffnet, ganz gehört und rückhaltlos zur Verfügung steht, erweist sich bei näherem Zusehen zugleich als causa efficiens dafür, dass sie nun aber auch diesen ihren an und für sich seienden Inhalt mit Haut und Haar verschlingt, rücksichtslos vereinnahmt und restlos sich vorbehält.
Wenn die als Unvoreingenommenheit, Empfänglichkeit und Selbstlosigkeit wohlverstandenen Eigenschaften der Uninteressiertheit, Intentionslosigkeit und Desorientiertheit jene frühere Empirie im Restbestand subjektiv dazu vermögen, der im Anundfürsichsein unmittelbar genuiner Bestrebungen und unbestimmt ureigner Regungen verhaltenen Vergangenheit der professionellen Geschichtswissenschaft als ein aufnahmebereites Gefäß und ein willfähriger Zufluchtsort zur Verfügung zu stehen, so sind es nun aber auch exakt die gleichen Eigenschaften, die jene frühere Empirie im Restbestand objektiv dazu disponieren, die also trophäisch Aufgefasste und empirisch in Schutz Genommene in ihrer eigenen Zuflucht zum Verschwinden zu bringen und dem gefäßspezifisch umfassendsten Vergessen auszuliefern. Aller präsentativen Funktionalität bar und ganz der Aufgabe einer Reproduktion des ontologisch-hypostatisch Verschiedenen im Modus empirisch-trophäischer Verschiedenheit geweiht, ist jene restbeständig frühere Empirie für diese verklärt zeitlose Vergangenheit der professionellen Geschichtswissenschaft nicht weniger ein in Isolierhaft nehmendes Verlies als ein Existenzrecht gewährendes Asyl, nicht weniger ein zu Grabe tragender Katafalk als ein ins Gedächtnis hebendes Postament, und ist sie am Ende den unmittelbar genuinen Bestrebungen und unbestimmt ureigenen Regungen dieser Vergangenheit ebenso verderblich, wie sie sich den vermittlungsträchtig herrschenden Interessen und den bestimmungsmächtig leitenden Intentionen der Gegenwart unzugänglich zeigt.
Aber damit wahrt nun die restbeständig frühere Empirie in der Tat nur eben die innere Konsequenz und eigentümliche Logik, der schon die zum Anundfürsichsein genuiner Bestrebungen und ureigener Regungen hypostasierte Vergangenheit selbst und als solche ihre abstraktive Entstehung und ihr verklärtes Bestehen verdankt. Was, wie zu sehen war, die professionelle Geschichtswissenschaft mit diesem ihrem hypostatischen Vergangenheitstopos anstrebt und durchzusetzen bemüht ist, ist die Verflüchtigung und Enthistorisierung des akuten Desiderats einer – spezifisch anders als die historiographische Scheinproduktion der bürgerlichen Gegenwart – durch die Interessen und Intentionen des revolutionären historischen Subjekts vermittelten und bestimmten wirklichen Historie zum gespenstischen Revenant einer – absolut anders als die historiographische Scheinproduktion der bürgerlichen Gegenwart – im hypostatischen Vollgefühl ihres Anundfürsichseins aller praesenti casu interessenmäßigen Vermittlung und intentionsförmigen Bestimmung schlicht überhobenen wahren Geschichte. Ist so aber die das Tun der professionellen Geschichtswissenschaft dirigierende Logik die als Trennung des Affekts von der Sache beschreibbare und im Topos wahrer Geschichte vollbrachte, materielle Ablösung und Purifikation der Historie von eben den in praesenti casu wirklichen Interessen und tragenden Intentionen, die formell mit diesem Topos die professionelle Geschichtswissenschaft zu wahren und zu historiographischer Geltung zu bringen unternimmt, so kann ein Sein wie das der restbeständig früheren Empirie, dessen objektiv ausschließlicher Sinn am Ende darin besteht, die zum Topos wahrer Geschichte Purgierte und vielmehr Entleibte nun mehr noch als solche dingfest zu machen und in empiricis nämlich eines als Alibi neuer Verkörperung figurierenden Scheinleibs zu internieren und sich vollends verlieren zu lassen, jener Logik schwerlich zu widerstreiten scheinen. Der für die wahre Geschichte der professionellen Geschichtswissenschaft entscheidende Beweggrund ist die stricto sensu sezessionistische Abtrennung aller Historie von dem ihr als Vermittlungspunkt und Bestimmungsgrund bevorstehenden empirischen Fundament des die bürgerliche Gegenwart kompromittierenden sozialistischen Präsens. Eben deshalb aber ist jene wahre Geschichte auf dem Postament einer Empirie, deren wesentliches Charakteristikum gerade ihre fundamentale Abgeschnittenheit von und absolute Isolation in allem praesenti casu empirischen Fundament ist, bestens aufgehoben und höchst angemessen retabliert. Was die professionelle Geschichtswissenschaft zu einem in excelsis der reinsten Wahrheit frei flottierenden Schemen gleichermaßen abstrahiert und hypostasiert hat, das trägt sie nun in extensis jener früheren Empirie im Restbestand mit allem Pomp auch zu Grabe. Was sie als wahre Geschichte der lebendigen Empirie und praesenti casu festen, historischen Erde entrissen hat, das erstattet sie jener restbeständig posthumen Empirie als einem perfecto modo verknöcherten Erdreich und natürlichen Beinhaus zurück. Schließlich ist diese, in den Himmel der gespenstischsten Hypostase erhobene wahre Geschichte oder originale Vergangenheit ja nichts anderes als die von der professionellen Geschichtswissenschaft höchstpersönlich produzierte und eigenhändig im Keller einer allgegenwärtigen historiographischen Scheinproduktion angesiedelte Leiche eben der – im Vermittlungspunkt und Bestimmungsgrund eines revolutionären Präsens möglichen – wirklichen Historie, der die die Scheinproduktion als solche realisierende professionelle Geschichtswissenschaft pro forma das Wort redet, nur um ihr durch eine auch und gerade ihren empirischen Vermittlungspunkt und historischen Bestimmungsgrund ereilende epochale Skepsis pro materia den Garaus zu machen. Muss unter diesen Umständen nicht als einfach nur konsequent erscheinen, dass jene als privilegierter Erscheinungsort für die solcherart wahre Geschichte ausgesuchte frühere Empirie im Restbestand nun ebenso sehr als eine in Wahrheit solche Geschichte heimsuchende letzte Ruhestätte, die feierliche Investitur und höchste Epiphanie ebenso sehr und vielmehr als funebre Bestattung und als letztes Geleit sich herausstellt. Wenn das, was jene restbeständig frühere Empirie als für diese wahre Geschichte passende empirische Grundlage und geeigneten physischen Aufbewahrungsort empfiehlt, ein und dieselbe fatal-unmittelbare Abstraktheit und diskret-bestimmungslose Verschiedenheit ist, der bereits die wahre Geschichte selbst ihr im Widerspruch zu aller wirklichen Historie hypostatisch-gespenstisches Bestehen verdankt, so ist in der Tat nur logisch, dass in völliger Äquivokation das mit jener restbeständig früheren Empirie der wahren Geschichte errichtete Postament sich ebenso sehr als Katafalk, das der letzteren mit ersterer gesetzte Denkmal und Monument sich ebenso sehr als Grabmal und Mausoleum enthüllt.
Von dieser sachimmanenten Konsequenz und objektiven Logik will nun allerdings die professionelle Geschichtswissenschaft selbst ganz und gar nichts wissen. Für sie, die im bewusstlos-zwanghaften Kompromiss zwischen professoraler Unbestechlichkeit und professionellem Verrat fixierte Wahrheitssucherin, bleibt der als Kompromissbildung resultierende Topos einer im Anundfürsichsein genuiner Bestrebungen und ureigener Regungen verhaltenen originalen Vergangenheit eine aller abstrakt-hypostatischen Falschheit bare gediegen-realistische Voraussetzung und keiner gespenstisch-schematischen Flüchtigkeit verdächtige lebendig-idealische Größe. Und für sie, die auf den solcherart kompromissbildnerischen Topos ihre ganze, kompromittierte Existenz gründende Wahrheitsforscherin, bleibt deshalb auch die Darstellung und Realisierung dieser an und für sich seienden Vergangenheit in corpore jener – naturgemäß weniger als Fundament denn als Postament figurierenden – restbeständig früheren Empirie ein mit allen Konnotationen einer quellpünktlich reproduktiven Darbietung und urkundlich originalen Wiedergabe befrachteter veritabler Akt der Verkörperung. Wenn dieser Verkörperungsakt misslingt und mit unfehlbarer Regelmäßigkeit als Beseitigungs- und Bestattungsunternehmen sich entpuppt, so ist die professionelle Geschichtswissenschaft weit entfernt davon, hierin ein ihren Vergangenheitstopos als solchen ereilendes immanent-konsequentes Verdikt, ein der Logik der Sache selbst entsprechendes vernichtendes Grundsatzurteil über ihren Begriff von wahrer Geschichte überhaupt zu erkennen. Weil sie vielmehr an ihrem Konzept einer als die wahre Geschichte reproduzierbaren an und für sich seienden Vergangenheit unerschütterlich und mit jener Immunität gegen alle Erfahrung, die der – Existenz und Erkenntnis verzweifelt verschränkende – Kompromisscharakter des Konzepts ihr verleiht, festhält, bleibt für sie schuld an dem in actu der restbeständig früheren Empirie notorischen Misserfolg bei der Realisierung des Konzepts, schuld an dem in corpore des Reproduktionsmittels ausgemachten Scheitern des Verkörperungsakts immer nur das mit der restbeständig früheren Empirie erkorene Corpus und reproduktive Medium als solches. Dessen als Tücke des Objekts begriffene Eigenmächtigkeit und Treulosigkeit, nicht etwa ein als Negation des Negativen begreiflicher Offenbarungseid und Konkurs des zur Realisierung gebrachten Konzepts, der reproduzierten Sache selbst, ist es, was die professionelle Geschichtswissenschaft für das permanente Nichts an Realisierung verantwortlich macht und was nach ihrer Ansicht den unverbrüchlich originalen Zweck unaufhörlich im reproduktiven Mittel zugrunde richtet. Diese – ihrer vorurteilskräften Überzeugung nach – in corpore der restbeständig früheren Empirie virulente Tücke des Objekts näher zu bestimmen und in den rechten Zusammenhang einzuordnen, fällt dabei der professionellen Geschichtswissenschaft ganz und gar nicht schwer. Schließlich hat im Rahmen ihrer – für sie als Wissenschaft konstitutiven – Epoché die professionelle Geschichtswissenschaft als den einen, entscheidenden Gegner aller qua Anundfürsichsein originalen Vergangenheit und also als den einen, geschworenen Feind ihres Konzepts einer jeglicher historiographischen Scheinproduktion überhobenen wahren Geschichte längst und definitiv den Erfahrungszusammenhang der Gegenwart im Allgemeinen, die mittels gegenwartsspezifischer Interessen und kraft gegenwartsrelativer Intentionen praesenti casu bestehende Empirie als solche, dingfest gemacht. Was liegt unter diesen Umständen näher, als die in specie vernichtende objektive Tücke, mit der sie hier die restbeständig frühere Empirie ihrem Vergangenheitstopos mitspielen sieht, in eine sei's assoziative, sei's systematische Verbindung mit eben der in genere verheerenden kategorischen Feindseligkeit zu bringen, die – ihrer epochalen Einsicht nach – dort der als Totalität präsente Erfahrungszusammenhang ihrem Vergangenheitstopos beweist. Als eine die restbeständig frühere Empirie durch die Löcher und Lücken ihres fragmentarischen Überlebens unaufhaltsam infiltrierende, akzidentiell-historische Umfunktionierungsveranstaltung ist es der als Totalität präsente Erfahrungskontext überhaupt, der nach der fixen Überzeugung der professionellen Geschichtswissenschaft die ihm entzogene und von ihm separierte restbeständig frühere Empirie ebenso wohl wieder heimsucht und zum Schaden der ihr eingeräumten aparten Reproduktionsfunktion und beispiellosen Wiedergabequalität redintegriert. Nichts sonst als dieser, von den Interessen der Gegenwart geradezu durchtränkte und mit ihren Intentionen förmlich geladene, überwältigend allgemeine und unentrinnbar umfassende Erfahrungskontext ist es, der demnach der restbeständig früheren Empirie – unter Ausnutzung angeblich der defizienten Modalität, des desolaten Zustands, worin die letztere sich präsentiert – jene akzidentiell-historische Hermeneutik eingibt und notfalls beibiegt, die von der professionellen Geschichtswissenschaft für das unselige Scheitern beziehungsweise den unverzeihlichen Verrat der restbeständig früheren Empirie an der ihr übertragenen besonderen Reproduktionsaufgabe und für ihre im Verlauf ihres historiographischen Einsatzes fatale Dysfunktionalisierung beziehungsweise todsichere Umfunktionierung verantwortlich gemacht wird.
Indem dergestalt die professionelle Geschichtswissenschaft das Reproduktionsmedium als solches, die restbeständig frühere Empirie in specie, zu dem Haupt- und Alleinschuldigen an dem ihrem Vergangenheitstopos in actu seiner Präsentation stereotyp widerfahrenden Unglück erklärt, gelingt ihr in der Tat, den letzteren des Verdachts einer ihm vielleicht zuteil werdenden objektiven Widerlegung und eines ihn bloß ereilenden empirischen Offenbarungseids zu überheben und im Ansehen eines ebenso unkompromittierten wie unbeteiligten Opfers sich zu erhalten. Indes muss diese Auslösung und Salvierung ihres – in corpore der restbeständig früheren Empirie, wie man will, in Konkurs gehenden oder in die Grube fahrenden – Schutzbefohlenen von der professionellen Geschichtswissenschaft teuer bezahlt werden. Was sie de jure ihrer eindeutigen Schuldzuweisung aus dem Zusammenbruch seiner empirischen Präsentation herausreißt und rettet, das verflüchtigt sie de facto eben dieses abstraktiven Rettungsversuchs vollends zum Schatten seiner selbst und wesenlosen Schemen. Selbst noch des als Denkmal getarnten Grabes beraubt, in dem sie ihre mit empirischer Realisierung äquivoke letzte Ruhe finden sollte, und quasi an der Stelle, an der sie auf die Zinne ihres haltlos katabolischen Tempels gestellt war, nach dessen Zusammenbruch freischwebend fixiert, verliert sich die an und für sich seiende Vergangenheit der professionellen Geschichtswissenschaft endgültig im Nebel gespenstischer Unbehaftbarkeit, wird sie vollends zum privatissime hypostasierten Unding und nicht einmal mehr des Revenierens fähigen Spuk. Sie wird zur idiosynkratischen Reservation oder vielmehr melancholischen Reminiszenz einer Wissenschaft, die im ganzen Übrigen als nämlich in die Länge und Breite ihres – durch die Konkursmasse einer systematisch subversiven Empirie bestimmten – faktischen Daseins dem totalen historischen Relativismus verfällt. Empirisch-praktisch eben das Ideal einer wahren Geschichte aus dem Auge verlierend, an dem sie hypostatisch-theoretisch eisern festhält, und praktisch-materiell eben die historiographische Scheinproduktion als universales Schicksal sanktionierend, die sie theoretisch-formell als fatales Schicksal verabscheut, erreicht die professionelle Geschichtswissenschaft den aus Melancholie und Zynismus amalgamierten Indifferenzpunkt eines ebenso sehr als pauschales Verdikt erscheinenden, wie zur offiziellen Doktrin erklärten totalen historischen Relativismus. Das heißt, die professionelle Geschichtswissenschaft erreicht jenen, nachträglich als das Endstadium ihrer Pathologie erkennbaren Indifferenzpunkt, von dem ihr erst wieder die als Krisis unschwer verständliche Reflexion einer "analytischen" Geschichtsphilosophie herunterzuhelfen verspricht.
Eine Reflexion nämlich, die in stricto sensu "analytischer" Manier durch die beherzte Austreibung und vielmehr Annullierung des von der professionellen Geschichtswissenschaft nicht eigentlich mehr am Leben erhaltenen, sondern bloß als memento mori noch reminiszierten Vergangenheitstopos und an und für sich seienden Spuks dies Amalgam aus Melancholie und Zynismus aufzulösen versteht, um teils die erstere der Elimination durch Trauerarbeit zugänglich zu machen, teils den letzteren seines moralischen Anstrichs zu entkleiden und auf den nackten Realismus einer historiologisch selbstverständlichen Vorgehensweise sich reduzieren zu lassen.