IV. Postmoderne
Mangels alternativer Wirklichkeit wäre der Künstler dazu verurteilt, sich als Designer und Formgeber in den Dienst der verwertungsprozessualen Realität zu stellen, käme ihm nicht letztere mit der Reklame zu Hilfe. In der Reklame erzeugt die verwertungsprozessuale Realität den schönen Schein einer von ihrer Zielsetzung dispensierten und insofern zu ihr alternativen Wirklichkeit. Zwar handelt es sich dabei um eine bloße Fiktion, aber der Künstler braucht, um den schönen Schein als Kunst reklamieren zu können, nichts weiter zu tun, als den Schein ernst, die Fiktion beim Wort zu nehmen. Indem er die ihm von der verwertungsprozessualen Realität frei Haus gelieferte Reklame für unmittelbare Wahrheit nimmt, sprich, sie ent- oder dysfunktionalisiert, reklamiert er sie als sein Eigen, als Kunst.
Wegen der durch die Nachstellungen und kompromittierenden Avancen der verwertungsprozessualen Realität erzwungenen und auf schiere Provokation und Effekthascherei hinauslaufenden zunehmenden Partikularisierung und Privatisierung seiner Kunst, die seinen Anhang, seine durch Kunstsinn ihre personale Exklusivität und soziale Distinktion unter Beweis zu stellen bemühte Klientel, in immer größere Glaubens- und Loyalitätsnöte stürzt und zahlenmäßig immer weiter schrumpfen lässt, scheint so denn der reduktionistisch-konstruktivistische Künstler ans Ende seines künstlerischen Lateins gelangt und zur Kapitulation genötigt. Will er weiterhin seine artistische Profession ausüben und sich damit seinen Lebensunterhalt verdienen, so scheint ihm gar nichts anderes übrig zu bleiben, als jenen Nachstellungen und Avancen der verwertungsprozessualen Realität stattzugeben und unter Preisgabe allen traditionellen Anspruchs auf die Beschwörung und Wiedergabe einer den exklusiv-distinkten Kunstsinn zu befriedigen geeigneten alternativen Wirklichkeit sich und seine Kunst in den Dienst der herrschenden Realität zu stellen, sprich, sich in die ihm vom Verwertungsprozess zugedachte Rolle eines industriellen Designers und Formgebers, eines professionellen Trendsetzers und Modemachers einzufinden.
Und tatsächlich bliebe ihm wohl auch nichts anderes übrig, käme ihm hier nicht ausgerechnet die verwertungsprozessual herrschende Realität zu Hilfe und böte ihm aus ebenso freien wie eigenen Stücken Ersatz für eben die alternative Wirklichkeit, die sie ihm als eine ihr reduktionistisch-konstruktivistisch abzutrotzende kraft ihrer Umarmungstaktik und Integrationsstrategie so erfolgreich verweigert und verschlägt. Entstehungs- und Erscheinungsort dieser von der verwertungsprozessualen Realität höchstpersönlich kreierten alternativen Wirklichkeit ist die Reklame, die das Kapital als Lösung für eine den Verwertungsprozess im fortgeschrittenen Stadium chronisch heimsuchende und hartnäckig begleitende Krise konzipiert und mit ebenso zunehmender Regelmäßigkeit wie wachsender Intensität praktiziert.
Heraufbeschworen wird diese die Reklame auf den Plan rufende chronische Krise durch den Duktus des Verwertungsprozesses selbst, genauer gesagt, durch die permanente Beschleunigung und zur unendlichen Spirale geratende Eskalation, die der kapitale Verwertungsdruck, zusätzlich verstärkt und angeheizt durch den Wettbewerb, zu dem ein überfüllter Markt die einzelnen Kapitalien antreibt, dem Prozess verleiht. Zu einem solchen Schweinsgalopp eskaliert der durch den Konkurrenzkampf um prekäre Marktanteile verstärkte kapitale Verwertungszwang den Produktionsprozess, in solch rascher Abfolge und kurzem Abstand zwingt er dazu, neue Artikel oder alternative Angebote zu produzieren und auf den Markt zu werfen, dass die einander überstürzenden Neuheiten und sich gegenseitig Konkurrenz machenden Angebote teils in der Flut, in der sie über den Markt hereinbrechen, unterzugehen, teils von der Masse, als die ihresgleichen erscheint, verdrängt zu werden und mit ihrem aus Sicht der kapitalen Verwerter einzigen Zweck, ihrem Verkauf und der darin beschlossenen Realisierung des in ihnen verkörperten Werts, der Verwandlung ihrer gebrauchsgegenständlichen Materialität in klingende Münze, zu scheitern drohen.
Dieses Scheitern zu verhindern dient die Reklame, als eine Methode, das verwertungsprozessuale Procedere ständiger Neuerung und überstürzter Veränderung gewissermaßen anzuhalten oder gar umzukehren und für den jeweiligen Artikel oder materialen Wertträger hinlänglich Beharrungsvermögen und Unveränderlichkeit in Anspruch zu nehmen, genug Bestand und Beständigkeit zu reklamieren, um ihn aus der Flut und Masse von seinesgleichen herauszuheben und ihm, dem durch seine Exponiertheit den Blick Fesselnden beziehungsweise das Bedürfnis Arretierenden, die Zeit und Gelegenheit zu sichern, sich an den Mann und die Frau zu bringen, sprich, durch Verkauf seinen Wert zu realisieren.
Sei's dass sie den Wertträger, den sie zur Schau stellt und anpreist, als durch keine Neuheit oder Alternative zu ersetzenden und aus dem Feld zu schlagenden unvergänglich echten Gebrauchsgegenstand, sei's dass sie ihn umgekehrt als alle Gebrauchsgegenständlichkeit seiner Art übertreffenden und obsolet werden lassenden unübertrefflich neuen Gebrauchsgegenstand, sei's auch dass sie ihn als all seine Konkurrenten und Alternativen wie das Wesen seine Erscheinungen in den Schatten stellenden und von Grund auf entwertenden unvergleichlich einzigen Gebrauchsgegenstand vorstellt, so oder so dient die Reklame dazu, gegen die vom Verwertungsprozess verfolgte Tendenz, Gebrauchsgegenstände in Modeartikel, Befriedigungs- in Suchtmittel, sprich, feste Wirklichkeit in flüchtige Erscheinung, Materiales in Phänomenales, Objekte in Phantasmen aufzulösen – gegen diese Tendenz also der Mode wieder den Modus einer bleibenden Gebräuchlichkeit zu vindizieren, sprich, den Erscheinungen wieder den Anschein von Wirklichkeit zu attestieren, die phänomenalen Gebilde und artefiziellen Phantasmen wieder als materiale Gestalten und substanzielle Objekte zu suggerieren und damit eben das zu leisten, was, wie durch die Rede von Bestand und Beständigkeit schon signalisiert, traditionell Aufgabe der Kunst ist – den schönen Schein einer Wirklichkeit zu erzeugen, die sich als durch Gebrauch reaffirmiert, durch Gewohnheit sanktioniert darbietet und, dem kapitalen Verwertungsprozess und seiner imperativischen Forderung nach chronisch-fortlaufender Veränderung und kursorisch-ständigem Wechsel, kurz, nach Austausch im seriellen nicht weniger als kommerziellen Sinn trotzend, dem, der sie für sich in Anspruch nehmen kann, Stabilität und Kontinuität, substanzielles Sein und erfüllte Gegenwart, Ethos und Kairos bedeutet.
Dabei übertrifft die Leistung, die die Reklame zu erbringen dient und durch die sie sich als Erbin der in der Sackgasse ihrer reduktionistisch-konstruktivistischen Willkür und Beliebigkeit gelandeten traditionellen Kunst ausweist, sogar noch die der letzteren! Schließlich kann die traditionelle Kunst, um ihren schönen Schein zu erzeugen, sich ja allemal auf etwas draußen Vorhandenes berufen, hat sie ihren Referenzpunkt in der empirischen Welt, egal, ob dieser Referenzpunkt im Wohlstand und in der Gutsherrlichkeit der neuzeitlich-vorrevolutionären Oberschicht besteht oder in der romantisch zum Relikt verklärten Zurückgebliebenheit und Desolatheit einer vom kapitalen Verwertungsprozess abgehängten Region oder Nation oder auch in der topischen Besonderheit einer von der verwertungsprozessual herrschenden Realität ausgegrenzten oder marginalisierten naturalen, sozialen oder kolonialen Sphäre oder gar nurmehr in der durch Reduktion und Verfremdung bewirkten artefiziellen Revision und Umdeutung der verwertungsprozessual herrschenden Realität selbst, wohingegen die Reklame als gleichermaßen Subjekt und Objekt ihres Beginnens nichts hat als die verwertungsprozessual herrschende Realität als solche und deshalb in einem ebenso kurzentschlossen wie rückhaltlos fiktiven Akt, einer Schöpfung, die sich weder auf ein empirisches Äußeres stützen noch wenigstens auf ein genialisches Inneres berufen kann, kurz, einer creatio ex nihilo stricto sensu, dieser ihr A und O bildenden Realität den schönen Schein einer anderen Wirklichkeit abgewinnen, besser gesagt, diese Realität als andere Wirklichkeit setzen, im schönen Schein einer anderen Wirklichkeit vorstellen muss.
In der Tat besteht die Reklame ja eben in dieser reinen Fiktion, dass sie die herrschende Realität als andere Wirklichkeit erscheinen lassen, sie, die ihrer ganzen Verwertungslogik nach ephemer und verschwindend, in einem permanenten Entwirklichungs- und Entwertungsprozess begriffen ist, als das genaue Gegenteil ihrer selbst, als stabil und beständig, von wirklichem Gehalt und bleibendem Wert ausgeben muss. Sie fingiert also im Doppelsinne des Wortes, ist trügerisch nicht weniger als erfinderisch, vorspiegelnd nicht weniger als vorstellend, simulierend nicht weniger als abbildend. Wenn sie nach Art der traditionellen Kunst schönen Schein erzeugt, so geht es ihr anders als der letzteren nicht mehr ums erscheinende Schöne, sondern nurmehr um den Schein des Schönen, nicht mehr darum, eine zur verwertungsprozessualen Realität alternative Wirklichkeit als vorhandene, sinnenfällige, geschaute, kurz, schöne geltend zu machen, sondern eben bloß darum, die verwertungsprozessuale Realität so darzubieten, dass sie als die Wirklichkeit, die sie nicht ist, als sich und ihre Allgegenwart vergessen machende Alternative zu sich, als vor Augen Stehendes, Geschautes, statt bloß in Rechnung Gestelltes, Kalkuliertes, als substanziell und schön, auf die Erfahrung und Erhaltung des Daseins konzentriert, statt bloß funktionell und zweckmäßig, auf die Verwertung und den Umsatz der Dinge fixiert, erscheint.
Und anders als fiktiv im Sinne von simulierend und trügerisch kann die Reklame auch gar nicht sein, da ihr Mäzen und Auftraggeber ja nicht die um des Anspruchs auf personale Exklusivität und soziale Distinktion willen, dessen Befriedigung sie sich davon erhoffen, auf den materialen Bestand und die epochale Beständigkeit einer zur verwertungsprozessualen Realität alternativen Wirklichkeit setzenden Kunstsinnigen sind, sondern vielmehr die verwertungsprozessual herrschende Realität selbst ist, die nach wie vor um ihres kapitalen Zwecks willen eine ständige Entwirklichungs- und fortlaufende Entwertungsstrategie betreibt, auf eine in materialiter transitorischen Veränderungen und ephemeren Neuerungen bestehende realiter unendliche Selbstnegation dringt und ergo mit einer im Sinne von Bestand und Beständigkeit alternativen Wirklichkeit eigentlich nicht das Geringste zu schaffen hat.
Wenn diese Realität per Reklame von ihrem eigentlichen Zweck abweicht und materialen Bestand und temporale Beständigkeit hochhält und propagiert, sprich, auf eben jene zu ihr, der herrschenden Realität, alternative Wirklichkeit schwört, so nicht, weil sie klammheimlich konvertiert wäre, einen radikalen Gesinnungswandel, eine Umkehr vollzogen hätte, sondern weil sie sich anders nicht mehr zu helfen weiß, weil sie, um ihren unverändert verbindlichen Zweck einer als materialiter schlecht unendliche Selbstvermittlung erscheinenden Selbstverwertung überhaupt weiterverfolgen zu können, auf jene alternative Wirklichkeit als quasi moderierendes Moment, als das Uhrwerk der Selbstverwertung in geregeltem Gange haltende Hemmung rekurrieren muss.
In Verfolgung ihres akkumulativen Zwecks hat nämlich die verwertungsprozessuale Realität den Verwertungsprozess mittlerweile so sehr eskaliert und totalisiert, dass er sich selber ein Bein zu stellen droht, weil er den für den Kauf der durch ihn auf den Markt geworfenen Produkte, sprich, für die Realisierung des Werts der Produkte in Form von allgemeinem Äquivalent zuständigen Konsumenten gar nicht mehr die Zeit und Gelegenheit lässt, ein ausreichendes Bedürfnis nach den Produkten und eine hinlängliche Vertrautheit mit ihnen zu entwickeln, um ihres Amtes walten, sprich, sich als Wertrealisierer betätigen zu können. Allein dieses ihres selbstverschuldeten Dilemmas wegen nimmt die verwertungsprozessuale Realität ihre Zuflucht zur Reklame als zu einer Technik, den kapitalen Verwertungsprozess durch Skandierung beziehungsweise Akzentsetzung scheinbar zu verlangsamen beziehungsweise stillzustellen und die einzelnen Prozessmomente oder Wertverkörperungen so demonstrativ aus dem Prozess herauszulösen und suggestiv in ihrer Körperlichkeit herauszustellen, dass sie von den Konsumenten eindrücklich und lange genug wahrgenommen und festgehalten werden können, um überhaupt ein Bedürfnis nach ihnen und eine Gewöhnung an sie zu ermöglichen, sprich die motivationale Grundlage für ihren Erwerb, ihren Kauf zu gewährleisten.
Keine Frage, dass durch die reklamatorische Technik der Eindruck einer dem Duktus der verwertungsprozessualen Realität widerstreitenden Gegenläufigkeit entsteht, dass es so scheint, als sei die Realität darauf aus, ihren eigenen Zweck Lügen zu strafen und das, was sie hervorbringt, statt als flüchtiges Durchgangsmoment und kursorischen Umschlagsplatz ihres Verwertungsstrebens, vielmehr als hierzu alternative, weil auf Bestand und Beständigkeit, Substantialität und Kontinuität dringende Wirklichkeit zu realisieren! Keine Frage freilich auch, dass dieser Eindruck trügt, dass es sich hierbei um schieren Schein handelt, weil ja die Substantialität und Kontinuität, die die verwertungsprozessuale Realität reklamatorisch beschwört, in Wahrheit nur dazu dient, ihr genaues Gegenteil sicherzustellen beziehungsweise zu befördern, weil mit anderen Worten der Anschein von Substantialität dem Ausarten des phänomenalen Gestaltenreigens zum schwindsüchtigen Schweinsgalopp wehren, die Suggestion von Kontinuität dem Umschlagen des raschen Wechsels in eine heillose Fluchtbewegung vorbeugen soll.
Nicht sich selbst widerspricht die verwertungsprozessuale Realität durch den reklamatorischen Rekurs auf eine zu ihr angeblich alternative Wirklichkeit, sondern die letztere wird durch die ganz und gar im Rahmen verwertungsprozessualer Logik verhaltene Funktion, die sie zu erfüllen dient, Lügen gestraft. In der Reklame simuliert die verwertungsprozessuale Realität eine zu ihr alternative Wirklichkeit einzig und allein zu dem Zweck, gibt sie sich den Anschein, anderes als sich selbst zu betreiben, ausschließlich in der Absicht, sich ihrer durch das eigene Tun bedrohten Sichselbstgleichheit zu versichern, im scheinbar anderen nichts als das im Zuge ihrer Veränderungs- und Neuerungswut katabolischer Haltlosigkeit verfallende Eigene wiederzufinden.
Mag aber auch die durch ihre eigene Entwicklungsdynamik den Halt, sich selbst, zu verlieren drohende verwertungsprozessuale Realität, wenn sie, um wieder Halt zu finden, um zu sich zu kommen beziehungsweise bei sich zu bleiben, das als ihre Wahrheit reklamiert, was sie nicht ist: eine zu ihr alternative Wirklichkeit – mag sie da bloß simulieren, mag sie jene alternative Wirklichkeit bloß vortäuschen, bloß ihr Trugbild an die Wand malen, sie tut es immerhin, malt sich von sich aus als alternative Wirklichkeit an die Wand, und genau hierin liegt für den in der Sackgasse reduktionistisch-konstruktivistischer Partikularität und Privatisierung gelandeten Künstler die Chance, sich aus der Sackgasse zu befreien. Wie nämlich, wenn er jene von der verwertungsprozessualen Realität simulierte alternative Wirklichkeit ernster nimmt, als sie gemeint ist, wenn er den schönen Schein von Substanz und Kontinuität, den die Realität im Zuge des nach Maßgabe ihrer imperativen Verwertungsabsicht von ihr verfolgten schlecht unendlichen Veränderungs- und Neuerungsprozesses und in vorgeblicher Gegenläufigkeit zu ihm reklamiert, beim trügerischen Wort nimmt und als die Wahrheit gelten lässt, als die im folgenden, durch die Reklame provozierten Kaufakt er, der schöne Schein, sich doch eigentlich umgehend zu dementieren bestimmt ist? Wie, wenn der Künstler die alternative Wirklichkeit, die ihm die verwertungsprozessuale Realität per Reklame frei Haus liefert, als unverhofftes Geschenk dankbar annimmt, statt sie als offensichtlichen Lug und Trug zu denunzieren und zu verwerfen, und wenn er eben damit der verwertungsprozessualen Realität ein Schnippchen schlägt und ihre wahre Absicht konterkariert?
Schließlich gehört es ja zu dieser wahren Absicht und steht und fällt der Erfolg der Reklame damit, dass die alternative Wirklichkeit, als die sich die verwertungsprozessuale Realität reklamatorisch simuliert, für bare Münze oder, besser gesagt, für schiere Materie genommen wird, weil nur unter der Camouflage beziehungsweise hinter dem Rücken dieser Sinne und Bedürfnis erregenden und fesselnden schieren Materie die wahre Absicht, sprich, das allgegenwärtige Verwertungsinteresse, unverändert zum Zuge kommen und sich, wie gehabt, in die Tat umsetzen kann. Der Künstler verhält sich also, wenn er die ihm per Reklame vorgegaukelte alternative Wirklichkeit für das, was sie in Wahrheit nicht ist, eben für Wirklichkeit nimmt, geradeso, wie es die verwertungsprozessuale Realität von ihm und allen Bewohnern ihres Universums erwartet. Würde sie ihm seine affirmative Unmittelbarkeit als Naivität oder Kritiklosigkeit zum Vorwurf machen, würde sie ihm einen Strick daraus drehen wollen, dass er sich von der Reklame hinters Licht führen lässt und der von ihr beschworenen alternativen Wirklichkeit als in Wahrheit bloß einem arglistigen Schein und heteronomen Trugbild auf den Leim geht, sie würde sich selber in den Rücken fallen und nämlich jene reklamatorische Technik, die sie doch braucht, um ihr Verwertungssystem aufrecht zu erhalten, diskreditieren beziehungsweise desavouieren.
Der verwertungsprozessualen Realität sind also die Hände gebunden, und sie muss ohnmächtig zusehen, wie der durch sie in die Sackgasse reduktionistisch-konstruktivistischer Gegenstandslosigkeit und Nichtigkeit getriebene Künstler die von ihr selbst ins Spiel gebrachte Welt der Reklame als Ersatz für jene ihm verloren gegangene alternative Wirklichkeit, die er vormals in fremden Sphären auftat oder dann aus eigenen Stücken schuf, aufgreift, um sie für seine ästhetischen Zwecke zu nutzen, sie als neuen Inhalt und Gegenstand seiner künstlerischen Produktion zur Geltung zu bringen. Dabei schlägt der Künstler, wenn er die per Reklame simulierte alternative Wirklichkeit aufgreift und als seinen eigenen Inhalt und Gegenstand übernimmt, sie gleichermaßen zum Fundament und Objekt seiner Kunstschöpfung macht, der verwertungsprozessualen Realität ein Schnippchen ja nicht bloß in dem Sinne, dass er sie dazu bringt, ihm aus eigener Produktion frei Haus zu liefern, was er sich bis dahin in Opposition zu ihr und ihrer erdrückenden Dominanz zum Trotz hat suchen oder schaffen müssen, sondern auch und mehr noch in dem Verstand, dass die verwertungsprozessuale Realität, eben weil sie ihm jene alternative Wirklichkeit ja aus eigener Produktion frei Haus liefert, ihm die Arbeit des Kunstschaffens praktisch abnimmt, ihm das Kunstwerk fix und fertig serviert beziehungsweise ihm ermöglicht, es sich so, wie sie es ihm serviert, einfach nur selber vorzulegen, sprich, es als die von ihr gefertigte und fixierte Vorlage kurzerhand zu übernehmen und zu reproduzieren.
Jene Arbeit und Tätigkeit, die der Kunstschaffende traditionell selber vollbringen muss, die Arbeit und Tätigkeit, die alternative Wirklichkeit so wiederzugeben und darzustellen, dass sie dem für alle neuzeitliche Ästhetik grundlegenden Anspruch, Bestand und Beständigkeit, Substanz und Kontinuität zu verkörpern und zu repräsentieren, entspricht – sie vollzieht ja nun in der Reklame die verwertungsprozessuale Realität an seiner Statt, indem sie sich als das, was sie nicht ist, als alternative Wirklichkeit setzt oder, besser gesagt, suggeriert, um sich dann als solche mittels der reklamatorischen Wiedergabe- und Darstellungstechniken zu simulieren und erscheinen zu lassen. Dass die verwertungsprozessuale Realität ihm als Ersatz, als alternative Wirklichkeit zwar eigentlich nur sich selbst darzubieten vermag, dabei aber sich selbst in der Weise reklametechnisch bearbeitet und umgestaltet, dass sie sich als das Gegenteil ihrer selbst, als die alternative Wirklichkeit, die sie nicht ist, simuliert, sich als der schöne Schein, der seiner Wahrheit spottet, offeriert, eben dies eröffnet erst dem Kunstschaffenden die Möglichkeit, die von der verwertungsprozessualen Realität ins Feld geführte Reklame als Ersatz für die ihm kraft der Totalität und Ubiquität der verwertungsprozessualen Realität verloren gegangene und abhanden gekommene alternative Wirklichkeit zu übernehmen und zur Geltung zu bringen.
Eben weil ja in Wahrheit gar keine alternative Wirklichkeit mehr und nachgerade nichts weiter als die verwertungsprozessuale Realität existiert, sind in diesem Fall, dem aus der Verwertungsnot der letzteren geborenen Fall der Reklame, die alternative Wirklichkeit und ihre künstlerische Wiedergabe, ihre ästhetische Darstellung koinzidentiell ein und dasselbe oder präsentiert sich, anders gesagt, die per Reklame beschworene alternative Wirklichkeit als alternative Wirklichkeit erst dann, wenn, und nur in dem Maße, wie sich die verwertungsprozessuale Realität einer hinlänglichen quasikünstlerischen Bearbeitung und Umgestaltung unterzogen hat, kraft deren sie aufhört, als sie selbst zu erscheinen, und sich als ihr genaues Gegenteil simuliert und dem Betrachter insinuiert. Angesichts einer alternativen Wirklichkeit, die, weil sie in Wahrheit nichts anderes ist als die sich reklametechnisch als ihre eigene Alternative simulierende verwertungsprozessuale Realität, überhaupt bloß in quasikünstlerischer Gestaltung, in ästhetisch gefertigter Form existiert, das heißt, draußen Vorhandenes oder natürlich Vorausgesetztes gar nicht mehr wirklich ist, sondern bloß im Spiegelreflex oder in der Rückprojektion ihrer artefiziellen Erscheinung oder selbstreferentiellen Setzung zu sein vorgibt – angesichts einer solchen alternativen Wirklichkeit kann sich der Künstler die künstlerische Arbeit und ästhetische Gestaltung sparen und sich darauf beschränken, das, was ihm die Reklame vorsetzt, als ihm in den Schoß fallendes Kunstwerk anzunehmen und praktisch unverändert zu reproduzieren.
Allerdings bleibt dem Künstler, damit jene ihm von der verwertungsprozessualen Realität ebenso fix und fertig wie frei Haus gelieferte alternative Wirklichkeit wirklich sie selbst, sprich, ein im Gegensatz zur verwertungsprozessualen Realität Bestand und Beständigkeit verkörperndes Sein ist, damit also das Reklameobjekt als das ästhetische Eigen des Künstlers, als Kunstwerk ohne Wenn und Aber dasteht, etwas Entscheidendes noch zu tun: So gewiss er das ihm von der verwertungsprozessualen Realität als alternative Wirklichkeit präsentierte Reklameobjekt empirisch-reell einfach übernehmen und kurzerhand reproduzieren kann, so gewiss muss er es doch aber systematisch-funktionell dem verwertungsprozessualen Kontext, in dem es ihm präsentiert wird, entreißen und abspenstig machen.
Schließlich hat es mit der qua Reklameobjekt präsentierten alternativen Wirklichkeit ja die besagte und unschwer als der Grund, warum die verwertungsprozessuale Realität selbst und in simulierter Selbstverleugnung sie beziehungsweise sich selbst als sie präsentiert, erkennbare Bewandtnis, dass sie, aller Simulation und allem schönen Schein zum Trotz, letztlich nur dazu dient, das System der verwertungsprozessualen Realität aufrecht zu erhalten und weiter zu treiben beziehungsweise zu entfalten. Das heißt, jene qua Reklameobjekt von der verwertungsprozessualen Realität simulierte und als schöner Schein präsentierte, alternative Wirklichkeit erfüllt letztlich nur die Funktion, die Camouflage beziehungsweise das Transportmittel für den fortdauernden Verwertungsprozess zu liefern, und straft insofern sich selber Lügen, hebt sich in actu ihrer Setzung gleich wieder auf.
Der Künstler indes will, was er der verwertungsprozessualen Realität als alternative Wirklichkeit abnimmt, auch als solche geltend machen und bewahren. Schließlich besteht ja, wie gesagt, darin das Schnippchen, das er der verwertungsprozessualen Realität schlägt, und die Rettung seiner künstlerischen Profession, die Legitimierung seines Tuns als Kunstschaffens, dass er den schönen Schein von alternativer Wirklichkeit, den ihm die verwertungsprozessuale Realität aus eigenen Stücken präsentiert, so ernst nimmt, wie von ihr zum Schein suggeriert, oder vielmehr noch ernster, als von ihr in Wahrheit intendiert, dass er ihn für bare Münze beziehungsweise schiere Materie nimmt und ihn also, indem er ihn im Reklameobjekt aufgreift, um ihn als Kunstwerk zu reproduzieren, aus dem schönen Schein, der in Wahrheit nur Schein ist, weil er pro domo der verwertungsprozessualen Realität erzeugt wird, in das erscheinende Schöne überführt, das selbstgenügsame Wirklichkeit ist, weil sein ausschließlicher Zweck es selbst ist. Dies erreichen, sprich den schönen Schein ins erscheinende Schöne verwandeln, das Reklameobjekt als Kunstwerk geltend machen kann der Künstler nur, wenn er die von der verwertungsprozessualen Realität simulierte alternative Wirklichkeit eben dem, was sie zur bloßen Simulation macht, nämlich der auf Aufrechterhaltung des Verwertungsprozesses zielenden Funktion, die sie reklamatorisch erfüllt und durch die sie sich Lügen straft, entzieht, um sie als funktionslose Kreation, als jeglichen Sinnes und Nutzens, der über sein planes Dasein hinausweist, bares Artefakt zu setzen und zu behaupten.
Darin besteht die entscheidende Leistung und das Geheimnis des Erfolgs des postmodernen, nach dem Scheitern seiner modernen, reduktio- nistisch-konstruktivistischen Bemühungen um eine alternative Wirklichkeit sich an dem unverhofften Ersatz, den ihm die verwertungsprozessuale Realität aus eigenen Stücken präsentiert, an der Reklamewelt, schadlos haltenden Künstlers, dass er diesen von der verwertungsprozessualen Realität gelieferten Ersatz, diese qua Reklame erscheinende und in Wahrheit bloß simulierte alternative Wirklichkeit dem verwertungssystematischen Funktionszusammenhang, in dem sie simulatorisch figuriert, entreißt, sie ent- oder dysfunktionalisiert und damit aus einer Simulation in ein Original, aus einem Pseudos in einen Protos transformiert. Durch jene Ent- oder Dysfunktionalisierung nämlich beraubt er die qua Reklame ihm von der verwertungsprozessualen Realität selbst präsentierte alternative Wirklichkeit dessen, was sie als Schein, als bloßes Mittel zum sie widerlegenden Zweck entlarven könnte, und vindiziert ihr eine Zusammenhanglosigkeit und Kontextunabhängigkeit, eine Unmittelbarkeit und Ursprünglichkeit, die, so sehr sie von Haus der verwertungsprozessualen Realität aus Simulation und Schein sein mag, doch aber einfach dadurch, dass alles, was sie in Frage stellen und diskreditieren könnte, vom Künstler kategorisch dementiert und revoziert, negiert und ausgeschlossen erscheint, sich als scheinloses Sein und als truglose Kreation zu behaupten und mithin dem ästhetischen Anspruch, eine durch Substanz und Stetigkeit, Selbstgenügsamkeit und Sichselbstgleichheit als solche ausgewiesene Alternative zur verwertungsprozessualen Realität darzustellen, Genüge zu tun vermag.
Dabei kann diese für die Überführung der Reklameschöpfung in eine künstlerische Kreation entscheidende Ent- oder Dysfunktionalisierung des von der verwertungsprozessualen Realität aus eigenen Stücken und frei Haus gelieferten und vom Künstler eigentlich nur übernommenen und reproduzierten Reklameobjekts, wie schon die Präfixe andeuten, der Form beziehungsweise dem Grad des künstlerischen Eingriffs nach unterschiedliche Gestalt annehmen und passiver oder aktiver, regressiver oder aggressiver ausfallen. Der Künstler kann sich darauf beschränken, das der verwertungsprozessualen Realität in der Absicht, es ihr zu entziehen, entnommene Objekt als schlichtweg funktionslos vorzuführen, es von aller Funktionalität zu abstrahieren – etwa wenn er Models, Coca-Cola-Dosen oder Küchengeräte einfach dadurch, dass er sie von den Reklamewänden abnimmt und in Bilderrahmen bannt, in Kunst überführt. Oder er geht über die bloße Revokation der Funktion des Reklameobjekts, seine einfache Entfunktionalisierung, hinaus und dysfunktionalisiert es, indem er entweder mit der Technik der Verfremdung oder mit dem Mittel der Zerstörung arbeitet, sprich, das ihm von der verwertungsprozessualen Realität gelieferte und übernommene Objekt entweder alterativ in einen mehr oder minder deplatzierten Kontext stellt und ihm eine mehr oder minder absurde Bewandtnis zuweist, oder es destruktiv um seine Funktionstauglichkeit bringt, es missbraucht, misshandelt, beschädigt oder gar in Trümmer schlägt.
Die der Reklamesphäre abgewonnene Kunst löst allererst das Kantische Konzept der ästhetischen Erfahrung als interesselosen Wohlgefallens ein. Bei der aristokratisch-patrizischen Oberschicht der Neuzeit geht der Kunstgenuss Hand in Hand mit der Reaffirmation der den Kunstsinnigen eigenen Lebenswelt und Lebensweise – das Wohlgefallen ist ein interessiertes. Der Wechsel zur impressio- nistisch-genialischen Kunst ist zwar Resultat des Untergangs jener ständischen Lebensweise, und insofern verliert die ästhetische Schöpfung den praktisch-materialen Bezug, den sie bis dahin hatte, und reduziert sich auf jene rein ideolo- gisch-soziale Bedeutung, die die Rede vom interesselosen Wohlgefallen auf den Begriff zu bringen sucht. Aber weil aus Angst vor der eigenen Courage und in Anlehnung an das romantische Vorbild der genialische Künstler auf Wirklichkeiten rekurriert, die die verloren gegangene ständische Lebenswelt und Lebensweise zu substituieren dienen, impliziert er in seinem Werk doch wieder so etwas wie einen praktisch-materialen Bezug der Kunstsinnigen zu dem, was die Kunst ihnen präsentiert, sprich, ein interessiertes Verhältnis zum ästhetischen Gegenstand. Erst die der Reklame abgeschaute Kunst beseitigt jene objektiv-referenzielle Dimension und macht aus dem Kunstwerk ein absolutes Objekt, das einen allen Interesses baren Genuss ermöglicht.
Ent- oder Dysfunktionilisierung, egal ob abstraktiv, alterativ oder destruktiv geübt, ist die Methode, um das von der verwertungsprozessualen Realität präsentierte Reklameobjekt als Kunstwerk zu übernehmen und zu reproduzieren, sprich, es als die von jeglichem heteronomen Interesse, jeglicher privativen Absicht befreite alternative Wirklichkeit zu manifestieren, als die es die verwertungsprozessuale Realität bloß simuliert, bloß zum Schein geltend macht, weil sie es in Wahrheit, der Wahrheit ihres Verwertungskalküls, ihrem heteronomen Interesse raschestmöglich aufzuopfern, nach Maßgabe ihrer privativen Absicht ungehend zu verwenden trachtet. Wenn man so will, kommt hier erst der von Kant geprägte und dem ästhetischen Verhalten, dem Verhältnis zum Kunstwerk, als konstitutives Merkmal zugesprochene Begriff eines interesselosen Wohlgefallens zu seinem Recht und zu seiner vollen Entfaltung.
Kant zielt mit diesem Begriff auf die oben beschriebene, den Übergang von der neuzeitlich-absolutistischen zur modern-bürgerlichen Gesellschaft markierende, grundlegende Umorientierung der Kunst, ihre Entbindung von der traditionellen, praktisch-material begründeten Funktion eines genrebildlichen Realismus und Betrauung mit der neuen, ideologisch-sozial motivierten Aufgabe eines geniekultlichen Impressionismus.
Als Domestik einer sich als ständisch exklusive, qualitativ distinkte gesellschaftliche Gruppe wissenden Oberschicht ist der Kunstschaffende traditionell damit betraut, deren Lebenswelt und Lebensweise ästhetisch zu verklären und zu verewigen, sprich, sie in einer dem kapitalen Verwertungsprozess trotzenden Substantialität und Kontinuität zu repräsentieren. Im Zuge der industriegesellschaftlichen Unifizierung der Lebensverhältnisse und Egalisierung der Konsumansprüche büßt nun aber die Oberschicht ihre ständische Absonderung und qualitative Differenz von der übrigen Gesellschaft im Allgemeinen und dem bürgerlichen Mittelstand im Besonderen ein und sieht sich in den Zusammenhang der bürgerlichen Gesellschaft und des von ihr ausgebildeten konsumgesellschaftlich-modernen Bewusstseins integriert, welche Integration in der Ergänzung und Erweiterung der aristokratischen Oberschicht um bourgeoise Gruppen ihren demographisch redenden Ausdruck findet.
Diese neue, erweiterte Oberschicht betraut, wie oben dargelegt, den Künstler in der veränderten Rolle eines freiberuflichen Dienstleisters mit der Aufgabe, durch sein Kunstschaffen nicht etwa die ständisch-aristokratische Lebenswelt und Lebensweise zu reaffirmieren und als solche zu repräsentieren – die nämlich ist mit dem Übergang von der neuzeitlich-absolutistischen zur modern-bürgerlichen Gesellschaft unwiederbringlich verloren! –, so doch aber das mit jener Lebenswelt und Lebensweise traditionell verknüpfte Gefühl personaler Exklusivität und sozialer Distinktion zu bewahren und weiterhin zu befriedigen. Dem Künstler fällt mit anderen Worten die Aufgabe zu, anstelle der unwiederbringlich verloren gegangenen ständisch-aristokratischen Wirklichkeit eine Wirklichkeit aufzutun, die so viel Bestand und Beständigkeit beweist oder zumindest anzeigt, dass sie dem kapitalen Verwertungsprozess und der phänomalen Entwirklichung und seriellen Verflüchtigung des Daseins, die er mit sich bringt, Trotz zu bieten und zu widerstehen vermag, und die eben darin ihre Tauglichkeit für ästhetische Zwecke, ihre Eignung, der Kunst das Objekt zu liefern, besitzt.
Weil der Künstler wegen der zunehmenden industriegesellschaftlichen Ubiquität und Totalisierung der verwertungsprozessualen Realität solch eine der letzteren trotzende und in diesem Sinne zu ihr alternative Wirklichkeit, als die sich die Lebenswelt und Lebensweise der vormodernen Oberschicht behauptete, draußen nicht mehr vorfindet, geht er in sich und entdeckt einen Ersatz für das Verlorene in seiner Seele, in dem Eindruck, den die äußere Empirie in seiner Innenwelt hinterlässt, der subjektiven Idealität, zu der sich die objektive Realität in seinem Geiste verdichtet. Diese innere Welt, in die er die äußere Realität überführt und transformiert, macht der Künstler zum Gegenstand und Material seines künstlerischen Schaffens und kreiert daraus ein Kunstwerk, eine ästhetische Wirklichkeit, die sich in ihrem Anspruch auf Substantialität und Kontinuität, auf Geltung und Dauer hinlänglich von der äußeren, dem Verwertungsprozess ausgelieferten Realität unterscheidet, um dem traditionell an diesen Vorweis repräsentativer Geltung und reaffirmativer Erhaltung geknüpften Bedürfnis nach personaler Exklusivität und sozialer Distinktion Befriedigung zu verschaffen.
Dass in Ermangelung der vom industriekapitalen Verwertungsprozess okkupierten und assimilierten Lebenswelt und Lebensweise der traditionellen Oberschicht der Künstler von der mit der verwertungsprozessualen Realität weitgehend deckungsgleichen Außenwelt auf seine eigene Innenwelt als auf die andere Wirklichkeit rekurriert, als die sich die Außenwelt kraft Einverleibung, besser gesagt, Einverseelung durch ihn heraus- oder vielmehr einstellt, macht das, was er fortan kreiert, die moderne Kunst, empiriologisch, also seinem Erfahrungscharakter nach ebenso sehr zum Impressionismus, wie es ontologisch, also seiner Seinsbeschaffenheit nach das Kunstschaffen zur Sache eines in den Begriff des Genies gefassten absoluten Subjektivismus macht. Er, der Künstler, ist es, der die in ihrer verwertungsprozessualen Haltlosigkeit für ästhetische Zwecke unbrauchbare äußere Realität so von Grund auf transformiert, so grundlegend neu setzt, dass sie in einer Art Transsubstantiation zu einer Wirklichkeit sui generis wird, einer Wirklichkeit, deren Genus ein als ihr Schöpfer firmierendes singulares Subjekt, eben das Genie, ist. Er, der Künstler, steht als ein wahrer Creator, wenn schon nicht ex nihilo, so jedenfalls doch ex altero für eine im Unterschied zur verwertungsprozessualen Realität kunsttaugliche Wirklichkeit ein, die, weil sie allein seine Welt, eine von ihm zur Innenwelt im Doppelsinne von Negation und Salvation aufgehobene, sprich, von Grund auf umgeschaffene Außenwelt ist, ohne ihn, ohne seine geniale Subjektnatur, gar nicht existierte.
Damit aber zeigt sich natürlich nun das Verhältnis der als Auftraggeberin beziehungsweise Mäzenin des Künstlers firmierenden Oberschicht zu dem, was er für sie schafft, das Verhältnis mithin der Kunstsinnigen zum Kunstwerk, der Kunst Konsumierenden zu dem ihnen offerierten ästhetischen Befriedigungsmittel ebenso gründlich verändert. Bis dahin ist ja, was der Kunstschaffende den Kunstsinnigen als Kunstwerk vorführt und darbietet, nichts anderes als ihre eigene materiale Lebenswelt und reale Lebensweise. Die Gegenstände und Motive seiner Kunst entnimmt dieser neuzeitlich-realistische Kunstschaffende einer Außenwelt, die die höchsteigene Welt seiner Klientel, der Kunstsinnigen, ihr angestammtes Milieu ist. Seine Kunst repräsentiert ihnen ihr Milieu so, wie sie es sich wünschen und wie es ihnen wohlgefällt, als dem kapitalen Verwertungsprozess, der es für sie hervorbringt, doch zugleich entzogene und gegen ihn immune Wirklichkeit von Bestand und Beständigkeit und versichert sie damit zugleich der personalen Exklusivität und sozialen Distinktion, die der Besitz und Genuss solch einer der Fremdbestimmtheit und Kursorik der verwertungsprozessualen Realität trotzenden und sich letzterer gegenüber als ebenso bei sich bleibend wie in sich ruhend behauptenden Wirklichkeit verleihen.
Die Kunstsinnigen sind also durch die Wirklichkeit, die dem neuzeitlich-realistischen Kunstschaffenden seine Stoffe liefert und die er im Produkt seiner Arbeit, im Kunstwerk, für sie als substanziell beschwört und als kontinuierlich reaffirmiert, nicht bloß ästhetisch gratifiziert und ideologisch eleviert, lassen sie sich nicht bloß gefallen und sich von ihr erheben, sondern sie sind zugleich auch an ihr empirisch interessiert und in ihr praktisch engagiert, sind, weil diese Wirklichkeit ja ihre eigene Lebenswelt und Lebensweise ist, in ihr zugegen und zugange, wohnen ihr im Wortsinne von inter-esse bei und nehmen an ihr teil.
Das aber ändert sich nun mit der Wirklichkeit, aus der der modern-impressionistische Künstler seine Kunstwerke schöpft, um sie seiner Klientel, den Kunstsinnigen, darzubieten und für ihren ästhetischen Gebrauch zur Verfügung zu stellen. So gewiss diese neue Wirklichkeit nichts anderes ist als die normale, zur durchgängigen Norm gewordene verwertungsprozessuale Realität, sie aber überführt und transformiert in den Eindruck, den sie im künstlerischen Subjekt, in seiner Seele hinterlässt, nichts weiter ist als das die Außenwelt spiegelnde und dabei kraft absoluter Subjektivität, kraft Genie, in ein Sein sui generis verwandelnde Innenleben des Künstlers selbst, so gewiss haben die Kunstsinnigen zu dieser neuen Wirklichkeit im Innern des Künstlers keinen direkten Bezug, nehmen keinen praktischen Anteil an ihr, verbinden mit ihr kein eigenes Interesse, kein persönliches Engagement.
Ihre ständische, in personaler wie in sozialer Hinsicht privilegierte und garantierte Lebenswelt und Lebensweise, die bis dahin Hauptgegenstand und zentraler Stoff aller künstlerischer Bemühungen war, ist verschwunden, und der Ersatz, den der Künstler für das Verschwundene schafft, der alternative Gegenstand und Stoff, den er aufbietet, um seinen ästhetischen Auftrag weiterhin erfüllen zu können, ist als solcher für die Kunstsinnigen ohne jedes Interesse, fordert ihnen keinerlei Anteilnahme ab, bleibt ihnen so fremd und gleichgültig, wie das Innenleben eines Menschen seinen Artgenossen nur sein kann – zumal, wenn es das Innnenleben eines Menschen ist, der ja, wie hier der Fall, als Genie figuriert, also ein Sui generis, ein generisches Monstrum, ein Exemplar ist, das über die Stränge seiner Spezies, kurz, aus der Art schlägt.
Bedeutung gewinnt diese neue Wirklichkeit, die der Künstler, der Not einer verwertungsprozessualen Realität, die sich totalisiert hat, gehorchend, in seinem eigenen Inneren auftut, für die Kunstsinnigen nur und erst dann, wenn der Künstler seinen ästhetischen Auftrag erfüllt und seine innere Wirklichkeit für sie hervorgebracht und sinnenfällig gemacht, sie ihnen im Kunstwerk vorgestellt und mitgeteilt hat. Dann nämlich gewinnt sie für die Kunstsinnigen jenen Charakter von – der Kursorik und Phantasmagorik der verwertungsprozessualen Realität trotzender – Stabilität und Kontinuität, Substanz und Dauer, den auch schon das traditionelle, genrebildlich-realistische Kunstwerk als seine zentrale Leistung behauptete und dessen Manifestation beziehungsweise Demonstration den Kunstsinnigen erlaubt, sich wenigstens das habituell mit seiner Erfahrung und Betrachtung verknüpfte Gefühl personaler Exklusivität und sozialer Distinktion zu sichern und zu erhalten.
Auf diesen Effekt eines den Kunstkonsumenten vermittelten Bewusstseins personaler Auszeichnung und sozialer Erhebung hat ja, wie oben erläutert, die mangels ständischer Lebenswelt und Lebensweise ihres genrebildlichen Realismus verlustig gegangene und in den geniekultlichen Impressionismus geflüchtete Ästhetik ihre Funktion reduziert! Das Kunstwerk hat mit anderen Worten die repräsentative, objektiv-referenzielle Dimension, die es bis dahin besaß, vollständig eingebüßt und ist nur noch reaffirmativ, behält nichts weiter als das ursprünglich mit jener repräsentativen Dimension verknüpfte und auf sie verweisende Moment subjektiver Relevanz zurück. Jener praktische, ihr materiales Dasein betreffende Bezug, den das Kunstwerk zu der von ihm repräsentierten Wirklichkeit eröffnete, weil diese Wirklichkeit ja die Lebenswelt und Lebensweise der Kunstsinnigen selber war, ist verschwunden, und geblieben ist nichts als die ideologische, ihren sozialen Status signifizierende Bedeutung, die der Künstler einer Wirklichkeit, die unmittelbar und als solche den Kunstsinnigen fremd und gleichgültig ist, durch seine künstlerische Bearbeitung, seinen Schöpfungsakt vindiziert.
Weit entfernt davon, dass die Wirklichkeit, aus der der Künstler genie- kultlich-impressionistisch schöpft, die Kunstsinnigen noch als empirische Menschen, nämlich als herrschaftlich situierte, durch ihre materiellen Lebensumstände privilegierte Personen von Stand und Ehre tangierte und nach Art der von der genrebildlich-realistischen Kunst beschworenen Wirklichkeit involvierte, erschöpft sich ihre Bedeutung und Relevanz nunmehr darin, in der ästhetischen Form, in die der Künstler sie per Schöpfungsakt überführt, die Kunstsinnigen als ideologische Wesen, nämlich als gesellschaftlich distinguierte, durch ihre spirituelle Haltung zum Leben ausgezeichnete Personen mit Kultur und Bildung anzusprechen und zu bestätigen.
Und das Verschwinden des praktisch-materialen Bezugs der ästhetischen Schöpfung und ihre Reduktion auf die ideologisch-soziale Bedeutung, die sie allein noch beansprucht, verändert nun natürlich auch, wie den Stellenwert des Kunstwerks selbst, so die Stellung der Kunstsinnigen zu ihm. Ist das Kunstwerk für die Kunstsinnigen bis dahin nur ein repräsentatives Instrument oder relatives Mittel zum Zweck, das ihnen ihre Lebenswelt und Lebensweise, kurz, ihre eigene Wirklichkeit dergestalt vorführt und vor Augen stellt, dass diese ihnen das standesgemäße Gefühl personaler Besonderheit und Bewusstsein sozialer Auszeichnung vermittelt, so ist es nun ein absolutes Objekt oder regelrechtes Ding-an-sich, das, weil es sich ja auf nichts weiter mehr bezieht als auf die, für sich genommen, aller ästhetischen Qualität bare verwertungsprozessuale Realität, die allererst und allein durch das Innen- und Seelenleben des Künstlers, durch sein Genie in eine für ästhetische Zwecke taugliche und insofern zur verwertungsprozessualen Realität, ihrem Alterego, alternative Wirklichkeit transformiert, um nicht zu sagen, transsubstantiiert wird, diese den Kunstsinnigen das Gefühl personaler Besonderheit und Bewusstsein sozialer Auszeichnung vermittelnde Wirklichkeit per se verkörpert und sichselbstgleich ist. So gewiss jetzt die für ästhetische Zwecke taugliche Wirklichkeit kein dem Tun des Kunstschaffenden in Gestalt einer bestimmten Lebenswelt und Lebensweise vorausgesetztes Datum und gegebenes Faktum mehr ist, sondern erst in actu des Kunstschaffens wird und in effectu des Kunstwerks Gestalt annimmt, so gewiss erweist sich letzteres als ununterschieden von jener Wirklichkeit und in der Tat identisch mit ihr und ist also für die Kunstsinnigen der ebenso referenzlose Quell- wie ausschließliche Zielpunkt, kurz, das A und O des Gefühls personaler Besonderheit und Bewusstseins sozialer Auszeichnung, die es zu speisen und zu befriedigen beansprucht.
Genau diese Absolutsetzung des Kunstwerks, seine Herauslösung aus dem Referenz- und Vermittlungszusammenhang der gesellschaftlichen Empirie und Praxis, die Folge der Substitution der durch die industriegesellschaftliche Totalisierung der verwertungsprozessualen Realität verdrängten und als solche verloren gegangenen realistisch-ständischen Wirklichkeit durch eine impressionistisch-genialische Wirklichkeit ist, die der Künstler aus seiner eigenen Seele, seinem Innenleben hervor und zur Geltung bringt – genau diese Absolutsetzung des Kunstwerks, das die zur verwertungsprozessualen Realität alternative Wirklichkeit, die es repräsentiert und darstellt, eben nicht mehr repräsentiert und darstellt, sondern nurmehr verkörpert und ist – genau diese Erhebung des Kunstwerks zu einem absoluten Objekt oder, wenn man so will, Ding-an-sich versucht Kant mit seinem Begriff vom interesselosen Wohlgefallen auf den Punkt zu bringen.
Wohlgefallen erweckt demnach das Kunstwerk in dem explizierten Verstand, dass es durch die der Kontingenz und Flüchtigkeit, die der kapitale Verwertungsprozess der äußeren Realität vindiziert, widerstreitende Substantialität und Kontinuität, die ihm das künstlerische Genie verleiht, das personale Selbstgefühl und den sozialen Geltungsanspruch derer befriedigt, die einen Sinn für es haben und es zu schätzen wissen. Und interesselos ist dieses in der Befriedigung des Verlangens nach personaler Exklusivität und des Anspruchs auf soziale Distinktion bestehende Wohlgefallen der Kunstsinnigen, weil es einzig und allein durch das Kunstwerk selbst erzeugt wird und ausschließlich der in ihm verkörperten und in seiner Unmittelbarkeit präsenten Wirklichkeit entspringt und sich auf nichts sonst mehr erstreckt, sich auf keine äußere Wirklichkeit, keine gesellschaftliche Empirie mehr bezieht, die das Kunstwerk etwa repräsentierte und darstellte und mit der es die Kunstsinnigen als mit ihrer eigenen Lebenswelt und Lebensweise, mit etwas also, was sie faktisch angeht und praktisch betrifft, kurz, sie involviert und interessiert, zusammenschlösse. Interesseloses Wohlgefallen ist der deskriptive Begriff, mit dem Kant jene Entbindung der Kunst von allem lebenspraktisch-materialen Bezug und Reduktion auf eine bloß noch geltungsideologisch-soziale Bedeutung erfasst, die Folge der Totalisierung der verwertungsprozessualen Realität und des Verlusts der gegen letztere sich verwahrenden aristokratisch-patrizischen Lebenswelt und ständischen Lebensweise sind und als deren Vollzugsorgan und Durchführungsmodus der an die Stelle des genrebildlichen Realismus oder malerischen Objektivismus der traditionellen Neuzeit tretende geniekultliche Impressionismus oder schöpferische Subjektivismus der industriellen Moderne firmiert.
Freilich propagiert Kant damit ein ästhetisches Programm, das tatsächlich noch gar nicht recht auf der Tagesordnung steht, bringt er mit anderen Worten ein Verständnis von der Funktion der Kunst auf den Begriff, das zu seiner Zeit und die nächsten anderthalb Jahrhunderte lang in dieser Zuspitzung oder Reinkultur noch gar nicht zum Zuge kommt. Der Grund für die Unbereitschaft der impressionistisch-modernen Kunst, dem avantgardistischen Kantischen Begriff von Anfang an Folge und Genüge zu leisten, ist, wie oben expliziert, die im Übergang von der traditionellen Neuzeit zur industriellen Moderne erfolgende Befrachtung des zum absoluten Subjekt, zum Genie erhobenen Künstlers mit einer Traglast und Verantwortung, die ihn überfordert und sei's zur Hybris, sei's zum Scheitern, sei's zu beidem zu verurteilen droht und angesichts deren er nach einer ihn als schöpferisches Subjekt entlastenden, weil der verwertungsprozessualen Realität, all ihrer Totalisierung zum Trotz, nach wie vor widerstreitenden äußeren Wirklichkeit fahndet, die ihm erlaubt, sein Innenleben in einem zur verwertungsprozessualen Realität alternativen Stück Außenwelt zu verankern und also sein genialisches Schaffen empirisch zu fundieren.
Diese alternative Wirklichkeit, auf die er, um sich vor der Überforderung durch seine geniekultliche Vereinnahmung zu schützen, nicht verzichten will, findet der impressionistisch-moderne Künstler, wie gezeigt, in der Ungleichzeitigkeit der von der verwertungsprozessualen Realität abgehängten beziehungsweise mit ihrer Entwicklung nicht Schritt haltenden Gesellschaften oder Regionen und in deren romantischer Verklärung durch die in ihnen beheimateten Kunstschaffenden, wobei er allerdings, um jene der Romantik entlehnte alternative Wirklichkeit mit der verwertungsprozessualen Realität zwar nicht etwa empirisch kontinuierlich, wohl aber systemisch kompatibel zu machen und damit der Tatsache Rechnung zu tragen, dass er selbst ja in letzterer zu Hause ist und ihrem Erfahrungszusammenhang angehört, die chronische Ungleichzeitigkeit in topische Gleichzeitigkeit, die desolat-relikthafte Rückständigkeit in resistent-konflikthafte Randständigkeit übersetzt, sprich, als Erscheinungsformen der alternativen Wirklichkeit die oben erwähnten gegenweltlichen Sphären naturaler Marginalität, sozialen Dissidententums und kolonialer Exotik auftut und ins ästhetische Feld führt.
Sieht sich so aber der impressionistisch-moderne Künstler, um dem Schicksal geniekultlicher Überforderung zu entrinnen, genötigt, an die Stelle der durch die industriell-verwertungsprozessuale Realität verdrängten beziehungsweise aufgehobenen traditionell-ständischen Wirklichkeit nicht einfach nur sein die verwertungsprozessuale Realität spiegelndes Seelenleben, den inneren Eindruck, zu dem sich ihm die äußere Realität mutiert und aufhebt, als Gegenstand und Motiv seines künstlerischen Schaffens treten zu lassen, sondern vielmehr in der Außenwelt nach etwas zu fahnden, was ihm als objektives Substitut der verloren gegangenen ständischen Wirklichkeit dienen und worauf als auf ein entlastendes fundamentum in re, einen haltgebend dinglichen Stoff er seinen andernfalls haltlos genialischen Impressionismus oder hybrid heroischen Subjektivismus beziehen und gründen kann, so fällt er hinter den mit der Rede vom interesselosen Wohlgefallen erhobenen Kantischen Anspruch offenkundig zurück beziehungsweise wird diesem der unmittelbaren Intention der impressionistisch-modernen Kunst in letzter Konsequenz gemäßen Anspruch gar nicht erst gerecht.
Statt Kunstwerke zu kreieren, die, weil sie nichts wiedergeben und darstellen als die der äußeren Realität ebenso sehr entzogene wie entnommene, ebenso sehr entrückte wie abgewonnene seelische Befindlichkeit und innere Wirklichkeit des genialischen Kunstschaffenden selbst, auch nur als Ausdruck oder Äußerung dieser seiner inneren Wirklichkeit, das heißt, nur als solche, nur durch die Wirklichkeit, die sie unmittelbar sind und verkörpern, auf die Kunstsinnigen wirken und sie ansprechen, schafft demnach der impressionistische Künstler Kunstobjekte, die sich, aller genialischen Prätention ungeachtet, doch zugleich als Repräsentanz und Darstellung einer in der Außenwelt vorfindlichen, wenn auch zu ihr, insofern sie verwertungsprozessuale Realität ist, alternativ sich behauptenden Lebenswelt und Lebensweise zu verstehen geben und die von daher die Kunstsinnigen doch wieder nach Art der traditionell-neuzeitlichen, genrebildlich-realistischen Kunst auf eine gesellschaftliche Empirie und Praxis beziehen, die, weil sie als die äußere Quelle beziehungsweise der objektive Fundus der als Kunstwerk erscheinenden ästhetischen, sprich, für die Befriedigung des Bedürfnisses nach personaler Exklusivität und sozialer Distinktion geeigneten Wirklichkeit vorgeführt wird, die Kunstsinnigen nolens volens von der interesselos wohlgefälligen Betrachtung des Kunstwerks selbst ablenkt und dazu bringt, sich für sie, die den Stoff zur Wirklichkeit des Kunstwerks liefernde äußere Empirie und Praxis, in irgendeiner, wie sehr auch aller existenziellen Dringlichkeit beziehungsweise habituellen Natürlichkeit baren Form praktisch zu interessieren, wo nicht gar empirisch in ihr zu engagieren.
Indem der Künstler aus Angst vor der Scylla der Überhebung und der Charybdis des Scheiterns seinen genialischen Impressionismus, statt ihn aus nichts als der durch seinen seelischen Spiegel, sein Innenleben transfigurierten verwertungsprozessualen Realität zu speisen, vielmehr in Analogie zum traditionellen Realismus doch wieder in einer eigenen Außenwelt, einer zur verwertungsprozessualen Realität alternativen, aber im Unterschied zu ihr als eo ipso oder von Natur aus kunsttauglich erscheinenden Wirklichkeit zu verankern sucht, manifestiert er seine Schöpfung, sein Kunstwerk, als ein nach Maßgabe seiner Repräsentativität referenzielles Objekt, das, statt gemäß dem modernen Kantischen Kunstbegriff die Kunstsinnigen bloß auf sich und seine ideologisch-soziale Bedeutung zu fixieren, sie vielmehr in einen praktischen Bezug zu der von ihm, dem Kunstwerk, repräsentierten Außenwelt setzt, sie auf irgendeine, wie sehr auch immer weit hergeholte Weise mit jener als Alternative zur verwertungsprozessualen Realität behaupteten außenweltlichen Sphäre als mit einer sie als wirkliche Personen und gesellschaftliche Wesen angehenden, wo nicht gar anziehenden materialen Lebenswelt und realen Lebensweise zusammenschließt, und das damit nolens volens das von Kant propagierte interesselose Wohlgefallen an ihm, dem Kunstobjekt als solchem, die reine Konzentration also auf das von ihm, dem Kunstobjekt als solchem, zu befriedigende Gefühl personaler Exklusivität und sozialer Distinktion, zur interessierten Anteilnahme an dem vom Kunstobjekt repräsentierten äußeren Dasein, sprich, zur Extension des Bedürfnisses auf die mit jenem äußeren Dasein, das vom Kunstobjekt repräsentiert wird, verknüpft erscheinende Befriedigung materialer Lebensansprüche und Einlösung praktischer Erfüllungsversprechen alteriert.
Und an dieser Rückbindung des auf nichts als auf die geltungsideo- logisch-soziale Bedeutung des Kunstwerks fixierten interesselosen Wohlgefallens an eine darüber hinaus auf die lebenspraktisch-materiale Bewandtnis dessen, was das Kunstwerk repräsentiert und darstellt, bezogene interessierte Anteilnahme, an dieser Befrachtung des von Kant propagierten reinen Kunstsinns oder Sinnes für die dem Kunstsinnigen qua Kunstwerk gewährte personale Identität und verliehene soziale Auszeichnung durch eine mittels dessen, worauf das Kunstwerk sich bezieht und woraus es schöpft, dem Kunstsinnigen induzierte Anschauung von der Außenwelt und Einstellung zum praktischen Leben – an dieser Unterfütterung also des nichts als die Person und ihr soziales Selbstverständnis intendierenden Kunstsinns durch eine die Person in ihrer historischen Perspektive und in ihrer politischen Haltung tangierende weltanschauliche oder lebenspraktische Sinngebung ändert sich auch nichts, wenn der impressionistische Künstler nun jene der romantischen Erfahrung nachgebildete beziehungsweise nachempfundene und in den Sphären naturaler Marginalität, sozialen Dissidententums und kolonialer Exotik vorgefundene alternative Wirklichkeit, an die er sich klammert und auf die er pocht, der galoppierenden Expansion und unaufhaltsamen Totalisierung der verwertungsprozessualen Realität zum Opfer fallen und erliegen sieht und mit dem Ergebnis eines Richtungswechsels von der naturalistisch-impressionistischen zur surrealistisch-abstrakten Kunst jene alternative Wirklichkeit in der totalisierten verwertungsprozessualen Realität selbst aufzuspüren sucht – und zwar in der Weise, dass er letztere durch die Techniken der verdinglichenden Reduktion und verfremdenden Rekonstruktion, sprich, durch ihre Reduktion auf primäre Sinneseindrücke, Farben und Formen, und durch eine Rekonstruktion, die sie in Phantasmen und Surrealismen verwandelt, ihrem Funktionszusammenhang entreißt und in kunsttaugliche, ästhetisch brauchbare Stoffe, Motive und Gegenstände verwandelt.
Weil der Künstler auch für diese aus der verwertungsprozessualen Realität selbst reduktionistisch-konstruktivistisch extrahierten beziehungsweise ausgefällten Stoffe, Motive und Gegenstände noch den Anspruch erhebt, dass es sich bei ihnen um eine unabhängig vom Künstler und seinem Wirken gegebene, objektive Alternative zur verwertungsprozessualen Realität, eine mit der letzteren draußen konkurrierende, ihr in der Außenwelt Trotz bietende Wirklichkeit handelt, setzt er die Kunstsinnigen in einen wie auch immer weit hergeholt praktischen Bezug zu dieser der verwertungsprozessualen Realität abgetrotzten alternativen Wirklichkeit, fordert sie wie auch immer folgenlos heraus, sich für letztere lebensweltlich beziehungsweise lebensartlich zu interessieren oder gar in ihr zu engagieren, stellt sie vor die wie auch immer unernst gemeinte Wahl zwischen den beiden für gleichermaßen empirisch angesehenen Weisen von Wirklichkeit, animiert sie wie auch immer letztlich vergeblich und fruchtlos dazu, in irgendeiner Form, politisch, anarchistisch, sensualistisch, sektiererisch, lebensreformerisch, milieugestalterisch, anthroposophisch, psychotherapeutisch und so weiter, gegen die verwertungsprozessuale Realität und für die ihr auf dem artefiziellen Weg entdinglichender Reduktion und verfremdender Rekonstruktion abgetrotzte alternative Wirklichkeit Partei zu ergreifen.
Beim Kunstwerk als postmodern absolutem Objekt ist jeder lebenspraktisch-materiale Bezug verschwunden. Ihm eignet ausschließlich geltungsideologisch-soziale Bedeutung. Dass das Kunstwerk nun nichts weiter präsentiert als entfunktionalisierte Reklame, ist kein Einwand dagegen, weil Entfunktionalisierung ja eben heißt, dass das ästhetisch reklamierte Reklameobjekt dem praktischen Kontext, dem es entstammt, radikal entrissen wird. Vom genialischen Kunstschöpfer, auf dessen Standpunkt er in gewisser Weise zurückkehrt, unterscheidet den postmodernen Künstler, dass er das Kunstwerk, eben weil er es de facto, wenn auch nicht de jure, der Reklame schuldet, zwar aus eigener Kraft, nicht aber auch aus eigenen Stücken hervorbringen muss.
Diese Rückkoppelung der das Kantische interesselose Wohlgefallen erregenden rein geltungsideologisch-sozialen Bedeutung an einen die Kunstsinnigen zur interessierten Anteilnahme verhaltenden lebensprak- tisch-materialen Bezug, die das Kunstwerk so lange impliziert, wie der impressionistisch-moderne Künstler anfangs naturalistischer und später dann konstruktivistischer Spielart in Anlehnung an das Vorbild des romantischen Kunstschaffenden sich für seine Schöpfungen ein fundamentum in re zu sichern und seine genialisch-absolute Subjektivität durch eine empirische Objektivität, aus der er schöpfen kann, zu relativieren und zu moderieren bemüht ist – diese vom Kunstwerk automatisch hergestellte Verknüpfung zwischen der ideologischen Bedeutung, die es als solches verkörpert, und dem praktischen Bezug auf eine andere Wirklichkeit, die es zu repräsentieren beansprucht, hört erst in dem Augenblick auf, in dem die verwertungsprozessuale Realität durch ihre vereinnahmenden Nachstellungen, dadurch mit anderen Worten, dass sie jegliche gegen ihre Allgegenwart und Allmacht gerichteten reduktionistisch-konstruktivistischen Bemühungen um eine alternative Wirklichkeit immer wieder durchkreuzt und in ihren eigenen Zwecken dienliche Anstrengungen, in ihr geleistete Hilfestellungen umfunktioniert, den modernen Künstler endgültig in den Ruin treibt und zum Offenbarungseid einer in seinem Kunstschaffen Raum greifenden gegenstandslos subjektiven Eitelkeit und nichtssagend privativen Willkür nötigt.
Wie gezeigt, zwingt die verwertungsprozessuale Realität dadurch, dass sie die mittels reduktionistisch-konstruktivistischer Techniken ihr abgetrotzten anderen Welten in eigene, ihrem Verwertungsinteresse botmäßige Domänen verwandelt, den Künstler zu ständigen Ausweich- und Rückzugsmanövern beziehungsweise Fluchtbewegungen, die ihn einem zunehmend idiosynkratischen Manierismus und einer haltlos privatisierenden Eigenbrötelei in die Arme treiben, bis am Ende sein Reduktionismus auf das Bild als tabula rasa hinausläuft und sein Konstruktivismus sich in dem die tabula rasa umschließenden Bilderrahmen erschöpft und ihm gar nichts anderes mehr übrig bleibt, als sein künstlerisches Metier an den Nagel zu hängen und vor der verwertungsprozessualen Realität zu Kreuze zu kriechen, sprich, sich ihr und ihrem Verwertungsunternehmen als Designer und Formgeber, Modemacher und Trendsetzer anzudienen.
Oder vielmehr bliebe ihm nichts anderes übrig, wäre da nicht, wie oben ausgeführt, die qua Reklame erscheinende alternative Wirklichkeit, die die verwertungsprozessuale Realität selbst dem Künstler aus eigenen Stücken und frei Haus liefert und mittels deren er seinen Anspruch auf eine der Kursorik und Negativität der verwertungsprozessualen Realität entzogene und das Bedürfnis der Kunstsinnigen nach personaler Identität und sozialem Status zu befriedigen geeignete Substantialität der Erfahrung und Kontinuität des Wahrnehmens aufrechtzuerhalten, sprich, sein gewohntes ästhetisches Schaffen fortzusetzen vermag. Dass ausgerechnet der qua Reklame von der verwertungsprozessualen Realität selbst dem Künstler zur Verfügung gestellte Ersatz für die ihm durch die verwertungsprozessuale Realität zuvor verschlagene alternative Wirklichkeit fremder, naturalistisch-impressionistischer Provenienz und später dann eigener, reduktionistisch-konstruktivistischer Produktion das Zeug dazu haben soll, den über die geltungsideologisch-soziale Bedeutung, in der sich das moderne Kunstwerk seinem Kantischen Begriff nach erschöpft, hinausschießenden lebenspraktisch-materialen Bezug, den die Verankerung des modernen Kunstschaffens in einer der romantischen Gegenwelt nachgebildeten beziehungsweise nachempfundenen alternativen Empirie dem Kunstwerk doch wieder verleiht – dass ausgerechnet jener mit der Reklame gelieferte Ersatz für die verlorene alternative Wirklichkeit geeignet sein soll, diesem der ideologischen Bedeutung des Kunstwerks hartnäckig anhängenden praktischen Bezug den Boden zu entziehen und den Garaus zu machen und mithin das Kantische Programm eines durch das Kunstwerk ausschließlich erregten interesselosen Wohlgefallens, sprich, das Konzept einer allen praktisch-materialen Bezuges baren rein ideologisch-sozialen Bedeutung der Ästhetik endlich uneingeschränkte Geltung gewinnen zu lassen – das freilich mag auf den ersten Blick befremdlich erscheinen.
Schließlich ist die dem Kunstschaffen per Reklame zur Verfügung gestellte alternative Wirklichkeit ein ebenso wesentlicher wie offensichtlicher Teil der aus der verwertungsprozessualen Realität, die sie zur Verfügung stellt, bestehenden außenweltlichen Empirie, sprich, ein fester Bestandteil der materialen Lebenswelt und realen Lebensweise, mit der die Kunstsinnigen sich konfrontiert oder, besser gesagt, in die sie sich eingebettet und eingebunden finden, und scheint von daher weniger noch als die naturalistisch-impressionistisch an den Rändern und im Abseits der verwertungsprozessualen Realität aufgespürte beziehungsweise die reduktionistisch-konstruktivistisch den Hinter- und Abgründen der verwertungsprozessualen Realität selbst abgetrotzte alternative Wirklichkeit geeignet, den Stoff und Inhalt für Kunstwerke abzugeben, die nichts als das Bedürfnis der Kunstsinnigen nach ideologisch-sozialer Bedeutung befriedigen, sprich, nichts als interesseloses Wohlgefallen bei ihnen erregen, und scheint im Gegenteil mehr noch als jene naturalistisch-impressionistische beziehungsweise reduktionistisch-konstruktivistische Wirklichkeit dazu angetan, per medium der ihr geschuldeten Kunstwerke die Kunstsinnigen in einer praktisch-materialen Beziehung zu ihr, der Reklamewelt, die die verwertungsprozessuale Realität selbst dem Kunstschaffen als alternative Wirklichkeit zur Verfügung stellt, zu verhalten. Wenn es die als empirisches Moment und integraler Bestandteil der verwertungsprozessualen Realität erscheinende Reklamewelt ist, die jetzt dem Künstler den Stoff und Inhalt für seine Kunstobjekte liefert, wie könnten letztere da verfehlen, die Reklamewelt, der sie entspringen, zu repräsentieren und in ihrer Gestalt zu reproduzieren und demnach aber, weit entfernt davon, als reine Artefakte, ausschließlich ästhetische Objekte nichts als ideologische Bedeutung für die Kunstsinnigen zu gewinnen, sprich, deren interesseloses Wohlgefallen zu erregen, sie vielmehr eines als lebensweltlich-interessierte Teilhabe beziehungsweise lebensartlich-engagierte Teilnahme effektiven praktischen Verhältnisses zum Repräsentierten und in ästhetischer Gestalt Reproduzierten, eben zu der als alternative Wirklichkeit von der verwertungsprozessualen Realität vorgestellten Reklamewelt, zu überführen?
Indes, diese auf den ersten Blick plausible Argumentation übersieht den oben dargelegten Umstand, dass erst durch den ästhetischen Zauberstab der Entfunktionalisierung Reklame zur Kunst, die von der verwertungsprozessualen Realität als schöner Schein simulierte zur vom Künstler als die reine Wahrheit realisierten alternativen Wirklichkeit wird. In der Tat ist ja die von der verwertungsprozessualen Realität selbst hervorgebrachte Reklamewelt, aller Prätention oder Suggestion, eine den Rahmen der ersteren sprengende, ihren Geltungsbereich transzendierende und insofern eine zu ihr wirkliche Alternative zu sein, zum Trotz nichts weiter als ein Mittel und Strategem der verwertungsprozessualen Realität, sprich, ein in deren Funktionszusammenhang inserierter und, wie dessen Fortbestand zu sichern beziehungsweise Entfaltung zu befördern bestimmter, so sich selber ständig Lügen strafender und ad absurdum führender Schein. Und in der Tat wird ja der reklamatorische Schein nur dadurch zum ästhetischen Sein, die simulierte nur dadurch zur realisierten Wirklichkeit, dass der Künstler die Reklameobjekte radikal aus ihrem Funktionszusammenhang herausreißt, sie durch den rein negativen Akt einer qua Entfunktionalisierung, Dysfunktionalisierung oder Umfunktionierung vollzogenen Abstraktion und Isolation um alle Brauch- beziehungsweise Verwendbarkeit bringt und als ihrer Abstraktheit und Isolation gemäß sichselbstgleich absolute Objekte beziehungsweise relationslos zweckfreie Dinge an sich zur Darstellung kommen und sich manifestieren lässt. So wahr diese neue, den Zusammenbruch ihrer modernen Existenz überdauernde und, so gesehen, als postmodern zu bezeichnende Kunst sich aus dem, wogegen sie aufgeboten wird, der verwertungsprozessualen Realität, herleitet und nämlich empirisch-real dem Schein von alternativer Wirklichkeit entnommen ist, den die verwertungsprozessuale Realität per Reklame selbst erzeugt, so wahr ist sie systematisch dadurch definiert, dass sie alle Brücken zu dem, woraus sie sich herleitet, abbricht, jeden Rückbezug auf das, woraus sie sich zwar speist, was sich aber nur in dem Maße als ihr Stoff und Inhalt herausstellt, wie sie es sich einverleibt und in sich aufhebt, kappt, jede Relation zu dem, was ihr zugrunde liegt, solange und sofern es nicht aufgehört hat, ihr zugrunde zu liegen, dementiert.
Indem so aber die der alternativen Wirklichkeit, als die sich die Reklamewelt suggeriert, entnommenen postmodernen Kunstobjekte als Kunstobjekte nur dadurch existieren und Wirklichkeit haben, dass sie mit jener Sphäre, der sie entnommen sind, radikal brechen, sich von ihr im quasi ontologischen Sprung abwenden und lösen und jenen reklamatorischen Schein von Alternative, jene simulatorisch alternative Wirklichkeit als etwas wahrnehmen, das außerhalb ihrer ästhetischen Objektivierung absolut nichts, weil partout nichts weiter als Schein ist und das deshalb Sein einzig und allein als in Gestalt des Kunstwerks Präsentes beweist, Wahrheit ausschließlich als im Kunstwerk Verkörpertes gewinnt, erfüllen diese der Reklamewelt entsprungenen, postmodernen Kunstobjekte erstmals jenen Tatbestand einer allen lebenspraktisch-materialen Bezugs entkleideten rein geltungsideologisch-sozialen Bedeutung, der die kriterielle Differenz des modern-impressionistischen zum neuzeitlich-realistischen Kunstschaffen darstellt und dessen Pendant auf der Seite der Kunstsinnigen das von Kant propagierte interesselose Wohlgefallen ist.
Die der Reklamewelt durch radikale Entfunktionalisierung entrissenen postmodernen Kunstobjekte genügen mit anderen Worten erstmals jener für die moderne Kunst konstitutiven und in der Kantischen Definition ästhetischer Erfahrung implizierten radikalen Sinnreduktion, jener Befreiung des Kunstwerks von aller materialen Repräsentanz und Beschränkung auf nichts als soziale Signifikanz, die Konsequenz des industriegesellschaftlich bedingten Untergangs der aristokratisch-patrizischen Lebenswelt und Lebensweise der absolutistischen Neuzeit sowie des Versuchs der neuen, bourgeoisen Oberschicht ist, sich wenigstens das mit jener aristokratisch-patrizischen Lebenswelt und Lebensweise verknüpfte personale Exklusivitätsgefühl und soziale Distinktionsbewusstsein zu bewahren, das die traditionelle, genrebildlich-realistische Kunst den Betroffenen, ihrer dem Kunstgenuss frönenden Klientel, zu vermitteln und lebendig zu erhalten diente.
Wie oben ausgeführt, findet sich der moderne Künstler mangels der in der industriegesellschaftlich-verwertungsprozessualen Realität untergegangenen beziehungsweise aufgehobenen aristokratisch-patrizischen Lebenswelt und Lebensweise, die als zur verwertungsprozessualen Realität alternativ sich behauptende Wirklichkeit dem Kunstschaffen traditionell seinen Stoff und Inhalt liefert, nunmehr gehalten, diesen Stoff und Inhalt partout nur aus sich selbst zu schöpfen, seinem eigenen Innern abzugewinnen, genauer gesagt, die ebenso total wie ubiquitär, ebenso allverbindlich wie allgegenwärtig gewordene verwertungsprozessuale Realität kraft seiner schöpferischen Subjektivität, seines Genies sich zu eigen zu machen und so zu verwandeln, dass sie eben die Kunsttauglichkeit gewinnt, die der verwertungsprozessualen Realität fehlt, und mithin die Basis für Kunstwerke abgibt, die, auch wenn sie nichts als das Innere des Künstlers ausdrücken, nichts als die Impressionen oder Spiegelungen wiedergeben, die die verwertungsprozessuale Realität im künstlerischen Subjekt hinterlässt, und also keinen praktischen Bezug zur Außenwelt herstellen, keinerlei Repräsentativität besitzen, doch aber, für sich genommen, genug Substantialität der Erfahrung und Kontinuität des Wahrnehmens, genug Sinn und Sichselbstgleichtheit beweisen, um immerhin noch das mit solch substanzieller Erfahrung und solch kontinuierlichem Wahrnehmen traditionell verknüpfte personale Identitätsgefühl und soziale Statusbewusstsein befriedigen zu können, auf dessen Erhaltung und Pflege die moderne Kunst sich beschränkt findet.
Aus Angst freilich vor der eigenen, ihm, insofern er absolut auf sich gestelltes Subjekt, freischaffendes Genie sein soll, abgeforderten Courage sucht sich, wie gezeigt, der moderne Künstler eine am Vorbild des im Vergleich mit der verwertungsprozessualen Realität rückständigen Daseins und desolaten Lebens, an das sich das romantische Kunstschaffen verwiesen findet, orientierte randständig-dissidente Wirklichkeit, die er als empirische Basis, als außenweltliches fundamentum in re seines genialischen Wirkens geltend machen und dank deren er sich von der ihn andernfalls erdrückenden Bürde eines freihändigen Schöpfertums entlasten kann. Das heißt, der moderne Künstler setzt mit an den Rändern beziehungsweise im Abseits der verwertungsprozessualen Realität aufgespürten alternativen Wirklichkeiten, mit der verwertungsprozessualen Realität entzogenen oder entrissenen objektiven Sphären, die er als Surrogat für die verloren gegangene aristokratisch-patrizische Lebenswelt und Lebensweise geltend macht, das alte, von der genrebildlich-realistischen Ästhetik gepflegte Verhältnis einer nicht minder repräsentativen, sprich, den Kunstbetrachter und Kunstgenießer auf ein praktisch-materiales Dasein, das für ihn da ist, beziehenden, als signifikanten, sprich, ihn eines ideologisch-sozialen Werts, auf den er Anspruch erhebt, versichernden Kunst fort und verfehlt damit freilich die ihm eigentlich aufgetragene und der Allgegenwart und Allverbindlichkeit der industriegesellschaftlich herrschenden Realität gemäße Beschränkung des Kunstwerks auf die Befriedigung und Pflege des Gefühls personaler Exklusivität und des Bewusstseins sozialer Distinktion, die der Kantische Begriff vom interesselosen Wohlgefallen zum Programm erklärt.
Die verwertungsprozessuale Realität aber belässt den modernen Künstler keineswegs im ungestörten Genuss seiner Wirklichkeitssurrogate, sondern macht diese ihm immer wieder durch die eine oder andere Form der Einverleibung und Funktionalisierung oder Nutzbarmachung streitig – mit der geschilderten Konsequenz, dass sich der Künstler auf dem ständigen Rückzug vor der übermächtigen Realität befindet und eine Fluchtbewegung vollzieht, die ihn vom impressionistischen Naturalismus in den reduktionistischen Konstruktivismus, sprich, von der aparten in die abstrakte Kunst hineintreibt, bis der Reduktionismus solche Züge von Willkür und der Konstruktivismus einen solchen Charakter von Eigenbrötelei annimmt, kurz, die Abstraktion so ins Extrem getrieben erscheint, dass die Surrogate jede Glaubwürdigkeit und Plausibilität verlieren und der Künstler mit leeren Händen dasteht, will heißen, mit einer alternativen Wirklichkeit, deren Inhalt sich auf die blinde tabula rasa reduziert und deren Form im leeren Bilderrahmen resultiert, die also als das schiere, dem Sein der verwertungsprozessualen Realität entgegengesetzte Nichts figuriert.
Damit scheint der moderne Künstler an den Anfangspunkt seiner Entwicklung zurückzukehren. Aller von ihm als Realfundament seines genialischen Schaffens bemühten Wirklichkeitssurrogate beraubt, steht er erneut vor der Aufgabe, das Genie sans phrase zu geben, sprich, jene kunsttauglich alternative, das personale Exklusivitätsgefühl und soziale Distinktionsbewusstsein des Kunstsinnigen zu befriedigen geeignete Wirklichkeit allein sich selbst, seinem Innern, seiner Subjektnatur zu entnehmen, sie aus ganz und gar eigener Kraft und eigenen Stücken hervorzuzaubern. Aber halt! Von einer am Ende der modernen Entwicklung unverändert gleichen Situation wie zu Anfang kann doch wohl schwerlich die Rede sein! Zwar trifft es zu, dass der Künstler jetzt, da ihm alle im Abseits beziehungsweise Abgrund der verwertungsprozessualen Realität aufgespürten Wirklichkeitssurrogate dank der von letzterer an den Tag gelegten Entfaltungs- und Vereinnahmungsdynamik abhanden gekommen sind, wie zu Anfang seiner Laufbahn erneut gehalten ist, eine alternative Wirklichkeit aus ganz und gar eigener Kraft unter Beweis zu stellen, aber dass er sie auch aus ganz und gar eigenen Stücken hervorbringen muss, ist denkbar weit von der Wahrheit entfernt.
Schließlich ist es die verwertungsprozessuale Realität selbst, die jetzt dem modernen Künstler von sich aus und aus eigener Produktion einen Ersatz für die Wirklichkeitssurrogate, die sie ihm zuvor verschlagen beziehungsweise entrissen hat, ebenso fix und fertig zur Verfügung stellt wie frei Haus liefert. Die verwertungsprozessuale Realität selbst ist es, die ihm mit der von ihr inszenierten Reklame in der größten Not unverhofft zu Hilfe kommt und ihm in dem Augenblick eine als Alternative zu ihr sich präsentierende Wirklichkeit bietet, in dem er mit seinen Bemühungen um eine solche Alternative auf der ganzen Linie Schiffbruch erlitten hat und gescheitert ist. Ohne diese Hilfestellung wäre er, den lange Gewöhnung an die naturalen beziehungsweise artefiziellen Wirklichkeitssurrogate des Impressionismus und des Konstruktivismus abhängig von irgendeiner Art von Realfundament gemacht und allem vom anfänglichen Geniekult beschworenen selbstherrlichen Subjektivismus und freihändigen Schöpfertum denkbar gründlich entfremdet hat, in der Tat mit seiner Kunst am Ende und dazu verdammt, zur herrschenden Realität überzulaufen und ihrem Verwertungsprozess sich als Designer und Formgeber zur Verfügung zu stellen.
Weil es die verwertungsprozessuale Realität ist, die ihm mit der Reklame eben das, was sie ihm zuvor als von ihm selber ausfindig beziehungsweise geltend Gemachtes geraubt hat, eine kunsttauglich alternative Wirklichkeit nämlich, zur Verfügung stellt, kann keine Rede davon sein, dass er letztere aus eigenen Stücken hervorzubringen gezwungen sei. Aus eigener Kraft freilich muss er sie zweifellos herstellen! Schließlich ist sie qua Reklame nichts als schöner Schein, Schein einer alternativen Wirklichkeit, den die verwertungsprozessuale Realität erzeugt, um ihre ganz und gar nicht alternativen Verwertungsabsichten weiterverfolgen und unverändert in die Tat umsetzen zu können, und damit der schöne Schein nicht bloß Schein ist, sondern sich als Sein erweist, muss, wie gezeigt, der Künstler sie, die Reklame, gegen ihre selbstverräterisch heimliche Intention ernst und beim Wort nehmen, muss er sie mit anderen Worten dem realen Funktionszusammenhang, der sie zum Selbstverrat verhält, entreißen und in die Idealität und Verhältnislosigkeit eines nach Maßgabe seiner Funktionslosigkeit, Dysfunktionalität oder Umfunktionierung absoluten Objekts, eines Artefakts, das im Sinne seiner jeder Instrumentalisierung spottenden Sichselbstgleichheit Ding-an-sich ist, über- oder, wenn man so will, entführen.
Auf diese eine Aufgabe der durch Negation seiner Funktion effektuierten Überführung des Reklameobjekts ins Artefakt reduziert sich die Aufgabe des Künstlers, in ihrer Erfüllung erschöpft sich sein Genie. Dass diese Aufgabe, so entscheidend sie bleibt, doch eher administrativ-formaler als produktiv-materialer Natur, dass sie eher eine Sache des funktionalen Bestimmens als des realen Erschaffens ist und dass, weil es mit anderen Worten bei ihr eher um eine kriterielle Fehlleistung als um eine kreative Leistung, eher um die Verfremdung eines objektiv Gegebenen als um die Darstellung eines im Subjekt Vorhandenen geht, das dafür erforderte Genie vom Künstler leichter an den Tag zu legen ist, ihn weniger unter Druck setzt und überfordert, liegt auf der Hand. Was dem Künstler moderner Provenienz anfänglich zu schaffen macht, ist ja die Forderung, angesichts des Verlusts der aristokratisch-patrizischen Lebenswelt und Lebensweise, die traditionell die kunsttauglich alternative Wirklichkeit bildet, und angesichts der diesen Verlust gleichermaßen bewirkenden und besiegelnden Totalisierung der verwertungsprozessualen Realität eine zu letzterer alternativ erscheinende Wirklichkeit ganz aus Eigenem, seinem Innern, seiner Subjektnatur zu erzeugen, sie ganz und gar dadurch hervorzubringen, dass er die verwertungsprozessuale Realität in toto kraft seiner persönlichen Auffassung von ihr, kraft des Spiegels seiner Seele und des Eindrucks, den sie darin hinterlässt, metamorphosiert und regelrecht neu erschafft. Durch eben diese als Genie apostrophierte gottgleich kreative Vollmacht, diese geniekultliche Ermächtigung beziehungsweise Verdammung zum Schöpfer einer eigenen, ihm allein entspringenden Wirklichkeit, sieht er sich überfordert und sei's zur Hybris, sei's zum Scheitern verurteilt und so dazu gebracht, seine Zuflucht zu einer der romantischen Kunsterfahrung nachgebildeten und seinem Kunstschaffen ein ihn als Subjekt entlastendes fundamentum in re zur Verfügung stellenden Ersatzwirklichkeit zu nehmen.
Solchem Zwang zur schöpferischen Allmacht aber enthebt ihn nun die verwertungsprozessuale Realität selbst, indem sie ihm mit der Reklame die stofflich-inhaltliche Produktionsleistung abnimmt und mithin die Präsentation und Darstellung alternativer Wirklichkeit, kurz, die Hervorbringung von Kunst, für ihn zur relativen Formalie eines das bereits Erzeugte kriteriell verfremdenden und funktionell verabsolutierenden Demonstrations- oder Ostentationsakts werden lässt. Und solchem weitgehend von der Last der Kreation befreiten und auf die Lust der Negation kaprizierten Geniestreich eines Kunstschaffens, das keine Schaffenskraft, sondern nur noch Deutungsmacht beansprucht, fühlt sich der auf das Paradigma der Reklame bauende und in diesem Sinne postmoderne Künstler ohne weiteres gewachsen, ihm verschreibt er sich mit ebenso viel Beherztheit und Selbstvertrauen wie Elan und Einfallsreichtum. Unbesorgt um seine seelische Gesundheit beziehungsweise ums Gelingen seines Werks, lässt er sein neu definiertes, vom Kreativen aufs Kritische, vom Erschaffen oder Erzeugen aufs Entwenden und Verfremden reduziertes Genie walten und bringt damit erstmals eine Kunst hervor, die der programmatischen Forderung Kants nach einer nichts als interesseloses Wohlgefallen erregenden Ästhetik genügt und sie einlöst.
Wesentliche Implikation und entscheidendes Merkmal dieser der Kantischen Devise entsprechenden Ästhetik ist eine Kunst, die bar jeden lebenspraktisch-materialen Bezuges ist und einzig und allein noch gel- tungsideologisch-soziale Bedeutung beansprucht, die also ihre Adressaten, die Kunstsinnigen, nicht mehr an eine Wirklichkeit verweist, die sie zu repräsentieren und für die sie jene habituell zu interessieren oder in der sie sie gar existenziell zu engagieren dient, sondern deren ganze Wirklichkeit sich in ihr selbst, will heißen, in der unmittelbaren Befriedigung erschöpft, die sie als ansichseiende Wirklichkeit, absolutes Objekt dem Exklusivitätsgefühl und Distinktionsbewusstsein der Kunstsinnigen verschafft. Und genau das ist bei der der Reklame im Doppelsinn von Ursprung und Trennung, Herkunft und Abschied entspringenden Kunst der Fall! Zwar basiert sie auf der von der verwertungsprozessualen Realität als alternative Wirklichkeit ins Werk gesetzten Reklame und steht insofern in einem sächlich-materialen Bezug zu jener als Teil der verwertungsprozessualen Realität, mithin als äußere Voraussetzung der Kunst erscheinenden Reklamewirklichkeit, aber gleichzeitig wird ja die Reklamewirklichkeit zum Kunstwerk nur in dem Maße, wie letzteres durch eine qua Entfunktionalisierung, Dysfunktionalisierung oder Umfunktionierung durchgesetzte Entwendung und Verfremdung, Isolierung und Verabsolutierung der ersteren alle Brücken hinter sich abbricht und also jenen sächlich-materialen Bezug sachlich-funktionell vollständig dementiert beziehungsweise revoziert.
Nur in dem Maße, wie es dem Kunstschaffenden gelingt, jene von der verwertungsprozessualen Realität produzierte alternative Wirklichkeit, die bloß schöner Schein ist, gegen alle ihr von der verwertungsprozessualen Realität übertragene Reklamefunktion als ebenso sehr für sich stehendes wie an sich seiendes Schönes zu reklamieren, sie mit anderen Worten zur Substanz, die sich selber Subjekt ist, zu hypostasieren, kurz, sie aus dem verwertungsprozessual lancierten Schein zum ästhetisch beglaubigten Sein werden zu lassen, wird aus dem Reklameobjekt ein Kunstwerk. So sehr das der Reklamewelt geschuldete postmoderne Kunstwerk das Reklameobjekt als äußere Wirklichkeit voraussetzt, so sehr besteht doch zugleich der Geniestreich, dem es sich verdankt, darin, das Reklameobjekt als solches zu negieren oder zu dementieren, sprich, es durch Entfunktionalisierung seinem äußeren Dasein, der Reklamewelt, zu entreißen und es jenseits aller für Schein erklärten Reklamewirklichkeit als wirklich einzig und allein in diesem seinem ebenso sichselbstgleich wie funktionslos, ebenso absolut wie abstrakt ästhetischen Sein gelten zu lassen.
Bar jeden äußeren Bezugs und objektiven Verweises gewinnt das postmoderne Kunstwerk die Bedeutung, die es für die Kunstsinnigen hat, und die Befriedigung, die es ihrem Selbstgefühl und Statusbewusstsein verschafft, aus einer alternativen Wirklichkeit, die, so gewiss sie de facto oder empirisch die von der verwertungsprozessualen Realität inszenierte Reklamewirklichkeit wiedergibt und repräsentiert, de jure oder systemisch diese Reklamewirklichkeit ebenso sehr widerruft und vergessen macht und Wirklichkeit nur und ausschließlich im Kunstwerk selbst, sprich, in der abstrakten Unmittelbarkeit und monadischen Absolutheit der den Schein für Sein nehmenden ästhetischen Hypostase ist – womit sie den Kunstsinnigen in der Tat ein ästhetisches Erleben ohne Nebenwirkungen, sprich, ohne lebenspraktische Bezugnahme oder gar gesellschaftspolitische Orientierung verschafft, ideologische Bedeutung ohne empirische Bewandtnis, essenzielle Relevanz ohne existenzielle Konsequenz für sie gewinnt und ihnen, subjektiv genommen oder kantisch gesprochen, jenes in der Wahrnehmung des Kunstwerks als absoluten Objekts oder Dings-an-sich sich erschöpfende, sprich, interesselose Wohlgefallen ermöglicht, in dem die auf die Befriedigung des Bedürfnisses nach personalem Selbstgefühl und sozialem Statusbewusstsein reduzierte Funktion moderner Kunst – wie verspätet oder post modernum auch immer – zu guter Letzt doch noch ihre Erfüllung findet.
Das postmoderne Kunstverständnis schlägt auf die gesamte Kunstgeschichte zurück und verwandelt ihre Artefakte in absolute, dem historischen Kontext entzogene Objekte. Gleichzeitig generalisiert es den Kunstsinn und macht den als interesseloses Wohlgefallen wohlverstandenen Kunstgenuss im Prinzip jedermann zugänglich. Dabei sorgen die Fortschritte in der technischen Reproduzierbarkeit dafür, dass die Generalisierung des Kunstsinns eine reale Option wird. Allerdings ermöglicht die technische Reproduzierbarkeit auch dem kapitalen Verwertungsprozess, auf die Kunstobjekte zuzugreifen und sie seinem Zweck zu integrieren. Gegen diese Bedrohung bietet die postmoderne Ästhetik den Kult des Originals auf, der aber nichts weiter erreicht, als die Scylla der Demokratisierung der Kunst durch die Charybdis ihrer Oligarchisierung zu ersetzen. Der an den Originalitätskult anschießende Kunstmarkt verwandelt die Kunstobjekte in Wertanlagen, ihre materiale Substanz in kapitales Vermögen.
Die postmoderne Emanzipation des Kunstwerks zu einem die alternative Wirklichkeit ausschließlich in sich bergenden absoluten Objekt, einem ebenso bedeutungsvoll wie beziehungslos dastehenden Ding-an-sich, hat weitreichende objektive und subjektive Folgen. Objektiv schlägt sie zurück auf sämtliche ästhetischen Produktionen der menschlichen Vergangenheit, die uneigentlich ästhetischen, weil religiös determinierten eingeschlossen, entreißt und entfremdet all diese Produktionen ihrem historischen Kontext, sprich, ihrem empirischen Bezug beziehungsweise ihrer praktischen Bewandtnis, und formt sie nach ihrem eigenen Bilde, dem Bilde einer ebenso selbstgenügsam abstrakten wie sichselbstgleich absoluten Kunst um. Das heißt, als interesseloses Wohlgefallen erschließt das postmoderne Kunstverständnis die ganze Welt der gegenwärtigen und vergangenen Kunstproduktionen dem ästhetischen Genuss der Kunstsinnigen, stellt ihnen also für ihre personale beziehungsweise soziale Befriedigung nicht etwa nur das zur Verfügung, was unter seiner Ägide entsteht, sondern ebenso sehr das, was zu anderen Zeiten und unter anderen Bedingungen, sprich, mit anderen empirischen Relationen und systematischen Funktionen geschaffen wurde.
Nicht weniger als die Kunstobjekte der postmodernen Gegenwart bieten sich auch die der vergangenen fünf Jahrtausende bis hin zu den frühesten steinzeitlichen Artefakten, egal, welcher Weltregion beziehungsweise welchem Kulturkreis sie entstammen, als selbstredende Bedeutungsträger, absolute, weil ihren ganzen Sinn in sich bergende Signifikanten dar, die, eben weil die Wirklichkeit, die sie repräsentieren, in nichts als in ihnen selber besteht, unmittelbar aufzufassen, ohne jedes Interesse an beziehungsweise Engagement in dem empirisch-historischen Kontext, dem sie entspringen und von dem sie nolens volens zeugen, zu verstehen und zu genießen sind.
Nicht dass den Kunstsinnigen der Rückgriff und die Reflexion auf den empirisch-historischen Kontext des Kunstwerks nicht möglich und nicht sogar häufig ein Anliegen wäre! Wie der allgemeine Zuspruch und die hohe Wertschätzung, die Kunstgeschichte im Allgemeinen und Ideographie im Besonderen finden, sattsam beweisen, existiert ein ebenso reges wie verbreitetes Bedürfnis danach, jenes ästhetische Panoptikum, jene unterschiedslos absolut gesetzten Kunstobjekte aus aller Welt und aus allen Zeitaltern auf ihre konkreten Entstehungsbedingungen und Verweisungszusammenhänge hin zu erforschen und zu beleuchten. Aber dieses Bedürfnis entspringt erst dem unmittelbar, als interesseloses Wohlgefallen sich einstellenden Genuss und ist kein bestimmendes Element beziehungsweise keine tragende Voraussetzung des letzteren. Die kunstgeschichtliche Erkenntnis im Allgemeinen und das ideographische Wissen im Besonderen schmücken den Kunstsinn und vertiefen das Wohlgefallen, krönen es vielleicht sogar, sie haben aber keinerlei konstitutive Bedeutung für letzteres beziehungsweise sind für die ästhetische Signifikanz des Kunstwerks, durch die das Wohlgefallen des Kunstsinnigen erregt wird und die unmittelbar nur im Kunstwerk selbst begründet liegt, ohne jeden Belang und vollständig entbehrlich.
Im interesselosen Wohlgefallen, dem sich die moderne Ästhetik verschreibt und dem sie freilich erst in ihrer postmodernen, reklameentsprungenen Ausprägung gerecht wird, einem Wohlgefallen, das sich nicht etwa auf die postmoderne Kunstproduktion beschränkt, sondern dessen Geltungsbereich sich kraft der Unbedingtheit und Absolutheit, in der es die Kunstobjekte gewahrt, auf das künstlerische Schaffen aller Kulturen und Epochen erstreckt – in diesem Wohlgefallen kommen Kunstverständige und Kunstsinnige, kunstwissenschaftlich Gebildete und ahnungslose Kunstgenießer unterschiedslos überein, bilden sie eine große, der Gnade des Selbstgefühls und Statusbewusstseins, die das Kunstwerk schenkt, durchweg teilhaftige oder jedenfalls würdige Gemeinde.
Deshalb entspricht der objektiven Universalisierung des Kunstverständnisses, seiner im postmodernen Konzept des absoluten Kunstwerks beschlossenen Ausdehnung auf die ästhetischen Produktionen aller Weltteile und Epochen, nolens volens die subjektive Generalisierung des Kunstsinns, seine Ausweitung auf prinzipiell sämtliche Mitglieder der Gesellschaft, egal welcher Herkunft, Schicht oder Profession. Eben weil das postmodern absolute Kunstwerk in seiner den Kunstsinn ansprechenden geltungsideologisch-sozialen Bedeutung allen lebenspraktisch-materialen Bezug aufgibt und keinerlei Rücksicht auf eine von ihm etwa repräsentierte empirische Lebenswelt und faktische Lebensweise mehr verlangt, wird es jedermann zugänglich, spricht es prinzipiell alle an und erheischt einen Kunstsinn, dessen Betätigung und Befriedigung von keinerlei äußeren Umständen, keinen Bedingungen des gegenständlichen Daseins und gesellschaftlichen Befindens mehr abhängt.
Um Kunst im postmodern eingelösten modernen Sinne eines interesselosen Wohlgefallens genießen zu können, braucht es ganz gewiss keine Zugehörigkeit mehr zu einer ständisch segregierten Lebenswelt und aristokratisch qualifizierten Lebensweise. Und ebenso wenig braucht es dazu noch die durch bourgeoisen Wohlstand und Müßiggang ermöglichte Teilhabe an jenen dem kapitalen Verwertungsprozess halbwegs entzogenen oder von ihm relativ ausgegrenzten Sphären naturaler, sozialer oder kolonialer Provenienz, auf die in Anlehnung an das romantische Kunstschaffen der moderne Künstler aus Angst vor der eigenen impressionistischen Courage rekurriert, um seiner genialischen Kunstproduktion eine empirische Basis, ein motivationales fundamentum in re zu sichern. Weil das postmoderne Kunstwerk sich als ein von allem lebenspraktischen Bezug entbundenes absolutes Objekt, ein allem geschichtlichen beziehungsweise gesellschaftlichen Kontext prinzipiell enthobenes Ding-an-sich darbietet, wird es für jeden brauchbar, der das Bedürfnis hat, sich kraft Ästhetik seiner der Haltlosigkeit und Kursorik des kapitalen Verwertungsprozesses trotzenden personalen Identität und sozialen Kontinuität zu versichern.
Und dass es als Mittel zur Befriedigung des Gefühls sozialer Exklusivität und Bewusstseins sozialer Distinktion nicht nur für jedermann brauchbar, sondern mehr noch für alle verfügbar wird, dafür sorgen nun in einer Art prästabilierten Harmonie die gleichzeitig statthabenden Fortschritte in der Reproduktionstechnik, sprich, der durch die Erfindung der Fotografie und maschineller Druckverfahren entwickelten Fähigkeit, von jedem Kunstwerk täuschend ähnliche Abbildungen und Kopien anzufertigen, es seiner Einmaligkeit, seinem definierten Hier und Jetzt zu entreißen und mit dem Effekt einer tendenziell ubiquitären Präsenz und chronisch erneuerten Erscheinung beliebig oft zu vervielfältigen. Solange das Kunstwerk noch ein raumzeitlich bestimmtes, einzigartiges Objekt, ein Unikat ist, das sich höchstens durch eine seinem Entstehungsprozess vergleichbare Anstrengung, eine von Künstlerhand zu fertigende Nachbildung reproduzieren lässt, schließt seine Seltenheit einen allgemeinen Gebrauch und Genuss, wie ihn seine Herauslösung aus allem zeitgeschichtlichen und kulturempirischen Kontext, seine Hypostasierung zum absoluten Objekt, sprich, seine durch die sichselbstgleiche Wirklichkeit, die es verkörpert, erreichte Reduktion auf eine allen materialen Bezugs enthobene rein soziale Bedeutung ermöglicht, praktisch aus. Auch wenn im Prinzip jedermann an ihm sein interesseloses Wohlgefallen finden könnte, die Tatsache, dass es sich nach wie vor an nur wenigen raumzeitlich definierten Stellen, oder gar nur an einer einzigen, antreffen ließe und dass darüber hinaus die Begegnung mit ihm an bestimmte soziale und ökonomische Bedingungen, kurz, an Status und Wohlstand geknüpft wäre, würde dafür sorgen, dass jedermann von jenem Gebrauch und Genuss des absolut gesetzten und durch seine Absolutsetzung ins Panoptikum der nicht minder absoluten ästhetischen Objekte aller Länder und Völker überführten Kunstwerks ausgeschlossen bliebe.
Genau dieses Hindernis aber, das einer der Universalisierung des Kunstverständnisses kraft postmodern absoluten Kunstobjekts gemäßen Generalisierung des Kunstsinns entgegensteht, wird durch die revolutionären Fortschritte in der Reproduktionstechnik beseitigt. Die neuen, immer perfekteren Methoden einer Vervielfältigung von Kunstobjekten, ihrer massenhaften und vom Original kaum noch unterscheidbaren Nachbildung, erschließen jedem ästhetisch Interessierten unabhängig davon, in was für persönlichen Verhältnissen er lebt und welchen gesellschaftlichen Standes er ist, den Zugang zu jenem raumzeitlich entfesselten, der historischen Einbindung nicht weniger als der geographischen Einbettung enthobenen Universum von Kunstobjekten, erlauben ihm, jedes beliebige dieser Objekte in Gestalt einer dem Original Ehre machenden, wo nicht gar den Rang ablaufenden Kopie in seinen Besitz zu bringen und gestatten ihm die Befriedigung des Gefühls persönlicher Exklusivität und des Bewusstseins sozialer Distinktion, das jene Objekte zu vermitteln taugen. Und das, da die massenhafte Vervielfältigung einen Bruchteil des Honorars kostet, das die originale künstlerische Arbeit verlangt, und mithin das traditionelle an Wohlstand und wirtschaftlichen Überfluss gebundene Mäzenatentum gegenüber dem Künstler beziehungsweise Auftragsverhältnis zu ihm entfällt, für wenig Geld, sprich, zu einem für nahezu jedermann erschwinglichen Preis!
Was Wunder, dass frühe Beobachter dieser Entwicklung deren Loblied singen und durch das Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit eine als Sozialisierung begrüßte Demokratisierung der ästhetischen Sphäre und des durch sie erregten, personal ebenso auszeichnenden wie sozial erhebenden, interesselosen Wohlgefallens anbrechen sehen. Indes, die gesellschaftstheoretisch-sozialistische Euphorie verfliegt rasch. Tatsächlich nämlich zeigt sich eben jene reproduktionstechnisch erwirkte massenhafte Verfügbarkeit des Kunstwerks dazu angetan, letzterem seine ästhetische Qualität und Wirkung, das durch es vermittelte Gefühl und Bewusstsein einer aller kapitalprozessualen Entwirklichung und Entwertung der Welt zum Trotz möglichen Substantialität des Daseins und Kontinuität der Erfahrung oder, was dasselbe ist, Authentizität des Erlebens und Autonomie des Verhaltens zu verschlagen. Und das aber nicht etwa, weil schon die bloße Generalisierung des ästhetischen Genusses, seine, um es mit den oben verwendeten Begriffen zu sagen, Popularisierung und Vulgarisierung genügte, um das Kunstwerk zu disqualifizieren und einer alles Gefühl personaler Exklusivität Lügen strafenden Nivellierung beziehungsweise jedes Bewusstsein sozialer Distinktion ad absurdum führenden Deklassierung zu überantworten!
Für sich genommen, zeitigt die rein quantitative Zunahme derer, die dem interesselosen Wohlgefallen frönen, das Ausgreifen der ästhetischen Wahrnehmung auf immer breitere Schichten der Gesellschaft, sprich, die durch die neuen Vervielfältigungstechniken ermöglichte Erweiterung der sich aus der bourgeoisen Oberschicht rekrutierenden Gemeinde der Kunstsinnigen um wachsende Kontingente aus dem Mittelstand und dem Kleinbürgertum keinen schädlichen oder zerstörerischen Effekt auf das ästhetische Verhältnis. Popularisierung und Vulgarisierung als solche sind, wie schon beim Übergang von der neuzeitlich-aristokratischen zur bürgerlich-modernen Kunst zu sehen, nicht das Problem! Das Problem ist vielmehr die Art und Weise, wie die Popularisierung und Vulgarisierung vor sich geht, ist mit anderen Worten ihre verwertungsprozessuale Verlaufsform.
Nicht generell die Ausdehnung der aristokratisch-patrizischen Lebenswelt und Lebensweise auf bürgerliche Kreise, sondern speziell ihr Zugrunde- und Aufgehen in den das Leben jener bürgerlichen Kreise manifest bestimmenden verwertungsprozessualen Verhältnissen und Mechanismen droht der Kunst den Boden zu entziehen. Nicht, dass im Zuge der industriellen Entfaltung und Diversifizierung der Konsumsphäre neue gesellschaftliche Schichten in den Genuss eines ehemals der aristokratischen und patrizischen Oberschicht vorbehaltenen Lebensmilieus und Lebensstils gelangen, droht zu Beginn der Moderne der ästhetischen Erfahrung den Garaus zu machen, sondern die damit Hand in Hand gehende Aufhebung jenes Lebensmilieus und Lebensstils, die Vereinnahmung und Umgestaltung beider durch den kapitalen Verwertungszusammenhang, der sie des Scheins einer substanziellen Eigenständigkeit und durchgängigen Eigengesetzlichkeit entkleidet und der Funktionalität und Heteronomie der Verwertungslogik überführt. Vom industriellen Fortschritt erfasst und fortgerissen, zeigt sich die aristokratische Lebenswelt und Lebensweise in eben dem Maße, wie sie sich der bürgerlichen Oberschicht erschließt und öffnet, von bürgerlichem Konsumbewusstsein, sprich, von der Neuerungssucht und Verbraucherwut derer, die nicht bloß passive Nutznießer, sondern ebenso sehr aktive Teilhaber des Kapitalprozesses sind, durchdrungen und verwandelt.
Und das gleiche Problem stellt sich jetzt erneut! Weit entfernt davon, dass die durch die Erfindung der Fotografie und neuer Druckverfahren revolutionierte Reproduktionstechnik ein neutrales Medium wäre, das seine Wirkung darin erschöpfte, breiteren Gesellschaftsschichten Kunstobjekte zugänglich zu machen und damit personalen und sozialen Gewinn aus der Betätigung des Kunstsinns ziehen zu lassen, ist diese Reproduktionstechnik so sehr integrierender Bestandteil des im Dienste des kapitalen Verwertungsprozesses vor sich gehenden technischen Fortschritts, verdankt sie sich so sehr dem kapitalen Streben nach mittels industrieller Produktion verstärkter beziehungsweise beschleunigter Wertakkumulation, dass sie uno actu ihrer Eignung, Kunstobjekte breiteren Schichten zugänglich zu machen und diese am interesselosen Wohlgefallen teilhaben zu lassen, ihre Kapazität beweist, jene Kunstobjekte eben durch ihre Reproduktion, quasi im Nachfassen, in den auf Wertschöpfung und anschließende Realisierung des Werts abgestellten normalen Gebrauchsgüterstrom einzureihen, sie in einer Art Zweitverwertung, die den für ihre Entstehung konstitutiven Mangel an Verwertungsabsicht wenn nicht rückwirkend Lügen straft, so jedenfalls nachträglich korrigiert, als marktgängige Konsumartikel zur Geltung zu bringen.
Aus Objekten, die kein anderes Bedürfnis wecken als das einer im Gefühl personaler Exklusivität und Bewusstsein sozialer Distinktion resultierenden Erhebung über die verwertungsprozessual durchgesetzte allgemeine Bedürfnisstruktur, die keinen anderen Genuss gewähren als den eines jeden Interesses, jeder Gebrauchsabsicht baren und deshalb gegen den Speck, mit dem das Kapital Mäuse fängt, sprich, gegen das materiale Befriedigungsversprechen, hinter dem der kapitale Verwertungszweck sich versteckt, immunen Wohlgefallens – aus solchen Kunstobjekten werden per medium ihrer Reproduktion Ausstattungsgegenstände, die sich dem Ambiente des täglichen Konsums umstandslos assimilieren und integrieren, die neben allem sonstigen Hausrat, im Ensemble der übrigen Einrichtung im Raum stehen, an der Wand hängen oder die Ablagen zieren und wie jene nicht sowohl dem Verlangen nach Exklusivität und Distinktion entspringen, als vielmehr dem Nachweis von Kultur und Wohlstand dienen.
Weit entfernt davon, sich mit der neutralen Rolle einer Verbreitung des Kunstsinns zu begnügen, sorgt die Reproduktionstechnik kraft ihrer verwertungsprozessualen Implikationen für dessen Überführung ins Bedürfnis nach innenarchitektonischer Verschönerung und zivilisatorischer Selbstdarstellung, kurz, in ein Konsummotiv, und durchkreuzt damit reell die Perspektive eines demokratisierten interesselosen Wohlgefallens, die sich formell durch die postmoderne Verabsolutierung der Kunstwerke, ihre ästhetische Heraussprengung aus allen historischen Voraussetzungen und empirischen Lebensbedingungen, eröffnet.
Aus dem Verlust ihres in der aristokratisch-patrizischen Lebenswelt und Lebensweise bestehenden Realfundaments, den der Übergang von der kommerziellen Neuzeit zur industriellen Moderne und die darin beschlossene Totalisierung des kapitalen Verwertungszusammenhangs mit sich bringen, rettet sich, wie gezeigt, die Kunst durch den Paradigmenwechsel vom genrebildlichen Realismus zum geniekultlichen Impressionismus und zu jenen Surrogaten für das verlorene Fundament, die ihr die Bürde des ihr abverlangten genialischen Subjektivismus tragbar machen sollen. Wie aber soll die Kunst nun, da die Dynamik des kapitalen Verwertungsprozesses ihr all jene Surrogatwirklichkeiten verschlagen und ihr Schaffen auf das Nichts einer kahlen Leinwand und eines leeren Bilderrahmens reduziert hat und da wundersamerweise die verwertungsprozessuale Realität selbst ihr per Reklame eine alternative Perspektive und einen neuen Entfaltungsraum erschließt – wie soll sie da nun dem weiteren, zentralen Angriff begegnen, den der kapitale Verwertungsprozess kraft entwickelter Reproduktionstechnik gegen eben diesen ihren neuen Entfaltungsraum lanciert?
Das Tückische an diesem Angriff ist ja, dass er unter der Camouflage einer der objektiven Universalisierung des Kunstverständnisses in quasi prästabilierter Harmonie korrespondierenden subjektiven Generalisierung des Kunstsinns vorgetragen, dass mit anderen Worten das fatale Gift einer mittels Reproduktionstechnik erwirkten Integration der Kunstsphäre in die verwertungsprozessual organisierte Konsumwelt unter dem Deckmantel einer segensreichen Gabe, nämlich einer durch die Reproduktionstechnik ermöglichten und potenziell die gesamte Gesellschaft einbegreifenden Ausweitung des Kreises der Kunstsinnigen, verabreicht wird.
Wie kann die Kunst Nutzen aus der als Demokratisierung erscheinenden Generalisierung der Gemeinde der Kunstsinnigen ziehen, ohne dass das reproduktionstechnisch begleitende Gift einer als Kommerzialisierung durchschlagenden verwertungsprozessualen Vereinnahmung ihrer Erzeugnisse seine Wirkung tut und ihr irreparablen Schaden zufügt? Sie kann es nicht und muss, um dem kapitalen Verderben, das ihr durch die reproduktionstechnische Entwicklung droht, zu entrinnen, entweder die Gabe überhaupt ausschlagen oder zumindest ein Bollwerk gegen das der Gabe innewohnende Gift errichten, will heißen, ein Mittel zur Immunisierung gegen seine Wirkung finden. Da ihr ersteres unter den Bedingungen einer verwertungsprozessualen Realität, die jedem technischen Entwicklungsstand normative Verbindlichkeit verleiht, jeden industriellen Fortschritt unerbittlich zum Tragen bringt, schlechterdings unmöglich ist, bleibt ihr nur letzteres, das Immunisierungsverfahren. Und tatsächlich findet sie ein der Wirkung des Gifts zu wehren geeignetes Mittel – in Gestalt nämlich des in Parallelaktion zur postmodernen Verabsolutierung der Kunstobjekte um sich greifenden Kults um das Original.
Wie die Ästhetik zu Beginn der Moderne der Unterminierung und Entwertung eines in genrebildlichem Realismus der aristokratisch-patrizischen Lebenswelt und Lebensweise verhafteten Kunstschaffens durch die eben diese Lebenswelt und Lebensweise in der industriell formierten bürgerlichen Konsumgesellschaft unter- und aufgehen lassende, totalisiert verwertungsprozessuale Realität kraft impressionistischen Geniekults begegnet und sich erfolgreich entzieht, so begegnet und widersetzt sie sich jetzt der Unterminierung und Entwertung des in simulatorischem Verismus der verwertungsprozessualen Realität selbst beziehungsweise ihrer reklamatorischen Sphäre abgewonnenen und per Umfunktionierung als quasi ein Ding-an-sich inszenierten postmodernen Kunstobjekts durch eine letzteres dem Verwertungszusammenhang redintegrierende Reproduktionstechnik mittels fetischistischen Originalitätskults.
Ohne der durch die reproduktionstechnische Entwicklung effektuierten Entzauberung des Kunstobjekts zum normalen Einrichtungsgegenstand und Eingliederung des Kunstgenusses ins schlichte Konsumverhalten de facto in die Quere zu kommen, gräbt die Ästhetik dieser Entwicklung de jure dadurch das Wasser ab, dass sie zwischen Reproduktion und Vorlage eine Art ontologische Differenz, genauer gesagt, einen die Vorlage zum unvergleichlichen Original erhebenden und die Reproduktion zur bloßen Kopie heruntermachenden platonischen Hiatus einführt. Mag die Reproduktion noch so perfekt und empirisch ununterscheidbar von der Vorlage sein, sie verhält sich demnach wie im Platonismus das Abbild zur Idee, die Erscheinung zum Wesen, ist mit anderen Worten ein Etwas, das zwar einen Eindruck von dem, was es wiederzugeben da ist, vermittelt und in dem sich spiegelt, was sich seiner als eines Projektionsmediums bedient, das aber doch nicht mehr als ein Spiegelbild sein kann, ein Abglanz, der die Lichtquelle, die ihn erzeugt und ihm Dasein verleiht, reflektiert und insofern repräsentiert, ohne doch im Mindesten an ihrer Existenz teilhaben und sie als solche präsent machen zu können.
So also schiebt die postmoderne Ästhetik mit Hilfe eines fetischistischen Kults ums Original der ihren Objekten durch die Reproduktionstechnik drohenden Degradierung zum innenarchitektonischen Schmuckelement und dem darin implizierten Verlust allen Anspruchs, eine dem kapitalen Verwertungsprozess entzogene und zu ihm alternative Wirklichkeit zu beschwören, einen Riegel vor und bewahrt sich das Vermögen, dem an ihr sein interesseloses Wohlgefallen findenden bürgerlichen Kunstsinn jenes Gefühl personaler Exklusivität und sozialer Distinktion zu vermitteln, um dessentwillen er ihr huldigt.
Allerdings scheint bei näherem Hinsehen mit dieser den reproduktionstechnischen Schiffbruch und Untergang der Kunst zu verhindern gedachten Bergungsaktion, als die sich die quasiplatonische Fetischisierung des Originals verstehen lässt, weit weniger gewonnen, als erhofft. Tatsächlich nämlich scheint mit ihr nichts weiter erreichbar als eine der reproduktionstechnischen Demokratisierung vexierbildlich korrespondierende und der Vereinnahmung durch den kapitalen Verwertungsprozess nicht weniger als jene ausgelieferte originalitätsmanische Oligarchisierung der Kunst. Die durch das Pochen auf ihre Existenz als Originale dem per Reproduktionstechnik drohenden Heimfall an den normalen Gütermarkt entrissenen Kunstwerke werden in dieser ihrer Existenz als Originale zu Objekten, die wegen ihrer mit Einmaligkeit synonymen, sprich, als absolute Rarität erscheinenden Originalität den Kunstsinn zu einer in Habsucht und Sammelwut resultierenden Begierde entfachen und als ebenso selten angebotene wie von vielen nachgefragte Artikel ihrerseits zum Gegenstand eines Marktgeschehens avancieren, das sich zwar durch den Fetischismus, der es ins Leben ruft, und durch die diesem Fetischismus geschuldete Außerkraftsetzung der geltenden, in den Produktionskosten der Güter gründenden Wertrelation vom normalen kommerziellen Procedere abhebt und absondert, aber sich doch seiner Verlaufsform und Funktionsweise nach dem vom kapitalen Verwertungsprozess als Distributionssystem oder Umschlagsmechanismus in Anspruch genommenen Marktsystem unabweislich verhaftet zeigt.
Mögen die Summen, für die zu Originalen fetischisierte Kunstobjekte gehandelt werden und ihren Abnehmer finden, noch so unverhältnismäßig hoch sein, und mag der um den Fetisch Original entstehende und kreisende Kunstmarkt noch so sehr aller von der Sphäre des Konsums selbst in ihren luxuriösesten Auswüchsen qua Wertrelation immer noch halbwegs gewahrten Proportion zwischen Produktionskosten und Verkaufspreis spotten – er, der Kunstmarkt, bleibt doch allemal Markt und den gleichen Gesetzen unterworfen, die das kommerzielle System als ganzes bestimmen. Das heißt, auch die durch den Originalitätskult dem reproduktionstechnischen Heimfall an den großen Markt, der die subsistenziellen und konsumtiven Bedürfnisse der bürgerlichen Gesellschaft zu befriedigen dient, entrissenen und in einen als Kunstmarkt aparten kommerziellen Zusammenhang überführten Kunstobjekte werden dadurch zu Waren oder Tauschwerten, die primär und mit transzendentaler Unentrinnbarkeit dem durch ihre Anbieter und Verkäufer geltend gemachten Anspruch auf Verwertung, auf kapitale Akkumulation genügen müssen und die nur unter dieser Bedingung die materialen Bedürfnisse zu befriedigen und die reale Erfüllung zu gewähren vermögen, die der Abnehmer und Verbraucher mit ihnen verknüpft.
Und wie beim Gesamtmarkt erfasst und durchdringt auch bei diesem aparten Markt der kapitale Verwertungsanspruch die materiale Bedürfnisbefriedigung in objectu der Gebrauchsgegenständlichkeit, in der sie sich realisiert, und formt sie in seinem Sinne beziehungsweise nach seinem Bilde um. Beim Gesamtmarkt geschieht das, wie gezeigt, in der Weise, dass den dort vertriebenen Subsistenzmitteln und Konsumgütern zunehmend jeglicher Anspruch auf Bestand und Beständigkeit, Substanz und Dauer ausgetrieben wird und sie sich mit dem Ergebnis wachsender Phänomenalität und Variabilität, Flüchtigkeit und Abwechslung einem Transformations- und Substitutionsprozess ausgeliefert finden, für den nichts mehr zählt als eine per Modemachen und Trendsetzen zu bewirkende Beschleunigung des Tempos und Erhöhung der Frequenz beim Konsum der wegen ihrer Masse und Vielfalt solch eine Akzeleration und Eskalation des kommerziellen Austauschs erheischenden Befriedigungsmittel alias Wertverkörperungen.
Beim Kunstmarkt hingegen, dessen Waren ja ihre Gebrauchsgegenständlichkeit, sprich, ihr Bedürfnisbefriedigungspotenzial aus dem Anspruch schöpfen, eine zur verwertungsprozessualen Realität alternative Wirklichkeit zu verkörpern und eine dem kapitalen Verwertungsprozess entzogene und von ihm nicht zu korrumpierende Substantialität des Daseins und Kontinuität der Erfahrung zu repräsentieren, vollzieht sich die Durchdringung mit kapitalem Geist weniger im Sinne als nach dem Bilde des Verwertungsprozesses und zeigen sich also die verhandelten Objekte nicht wie die normalen Konsumartikel zu Spielbällen des in ihnen prozedierenden Werts, zu ebenso ephemeren wie variablen, ebenso flüchtigen wie wechselnden Durchgangsmomenten seiner ebenso qualitativ sichselbstgleichen wie quantitativ erweiterten Reproduktion degradiert, sondern sie finden sich im Gegenteil in Wertobjekte sans phrase, in bleibende Zeugnisse dieser Reproduktion des Werts, haltbare Erscheinungen seiner durch den kommerziellen Prozess hindurch sich beweisenden Sichselbstgleichheit konvertiert. Anders als bei den normalen Konsumartikeln, die sich als Träger von Wert dadurch erweisen, dass sie sich als verschwindende Transportmittel, selbstnegierende Transitorien des einzig und allein sich selbst erstrebenden und immer wieder zu sich zurückkehrenden Wertes bewähren, besteht gemäß der Freiheit von der Wertrücksicht, in der sich die Kunstobjekte von Haus aus behaupten, deren Kommerzialisierung, sprich, Funktionalisierung durch die Wertrelation darin, dass sie selber Wertform annehmen, sich als bleibende Charaktere des erscheinenden Wertes zu verstehen geben und anbieten.
Will heißen, die auf ihrem separaten Markt vertriebenen Kunstobjekte suggerieren sich wesentlich als Vermögen, das an und für sich kapitalen Charakter besitzt, als Wertanlage, die in eigener Gestalt dem kapitalen Akkumulationsanspruch genügt, weil sie durch allen kommerziellen Austausch hindurch nach dem Vorbild des kommerziell genutzten Äquivalents, des als Kapital funktionierenden Geldes immer nur an Wert gewinnt. Kraft dieses kapitalen Vermögens, mit dem der Kunstmarkt die von den Kunstobjekten behauptete Substantialität gleichsetzt, kraft dieses akkumulativen Werts, auf den er die von ihnen geltend gemachte Kontinuität reduziert, befriedigen die vom Kunstmarkt vertriebenen Kunstobjekte nun also das Bedürfnis nach personaler Exklusivität und sozialer Distinktion, das zu befriedigen sie da sind – mit dem Ergebnis freilich, dass das Bedürfnis eine ebenso nachdrückliche Veränderung oder Entstellung erfährt wie das Kunstobjekt, das ihm durch seine dem kapitalen Verwertungsprozess und dessen Negativität und Haltlosigkeit trotzende Substantialität und Kontinuität als Befriedigungsmittel dient.
Indem der Kunstmarkt der Substantialität des Kunstobjekts den Charakter kapitalen Vermögens beziehungsweise seiner Kontinuität die Bedeutung einer Akkumulation von Wert vindiziert, verwandelt sich das Gefühl der Exklusivität, das das vermarktete Objekt dem Kunstsinnigen verspricht, in das der Pretiosität, wird aus dem Bewusstsein der Distinktion, das dem Kunstsinnigen der Anblick des verwerteten, zur schieren Wertform gewordenen Objekts in Aussicht stellt, der Dünkel des Geldes. Mag auch subjektiv das Bedürfnis des Kunstsinnigen noch so unverändert auf die alte, der verwertungsprozessualen Realität entzogene und ihr zum Trotz Substantialität und Kontinuität beweisende alternative Wirklichkeit des ästhetischen Werkes zielen, objektiv verfällt die Befriedigung jenes Bedürfnisses der heillosen Amalgamierung zwischen materialer Substanz und kapitalem Vermögen beziehungsweise zwischen Erfahrungskontinuum und Wertakkumulation, die der Kunstmarkt unfehlbar ins Werk setzt.
Die sei's von der demokratischen Kommerzialisierung, der die technische Reproduzierbarkeit den Weg ebnet, sei's von der oligarchischen Kommerzialisierung, die dem gegen erstere aufgebotenen Originalitätskult entspringt, bedrohte Kunst flüchtet sich in die Arme der Medialisierung. Die mediale Veranstaltung ist eine Begleit- oder Parallelveranstaltung zur Gestellung und Gewährleistung, Vermittlung und Reglementierung der bürgerlichen Öffentlichkeit durch den Staat. Die mediale Reflexion dient dazu, der segregativen Aushöhlung und separatistischen Auflösung der staatlich verfügten bürgerlichen Öffentlichkeit durch eliminative Verdrängung und integrative Anpassung der segregativen Bestrebungen und Separationsbewegungen entgegenzuwirken, und gewinnt angesichts der von der bürgerlichen Gesellschaft produzierten Sprengkräfte eine so große Bedeutung, dass die mediale Veranstaltung am Ende als geradezu deckungsgleich mit der staatlich verfügten Öffentlichkeit erscheint.
So also vereitelt der an den Kult des Originals anschießende Kunstmarkt den mit solchem Kult eigentlich unternommenen Versuch einer Rettung der ästhetischen Objekte vor ihrer unter dem Deckmantel der Demokratisierung betriebenen reproduktionstechnischen Integration in den kapitalen Verwertungsprozess und lässt die Demokratisierung der Objekte ins Gegenteil ihrer Oligarchisierung umschlagen, setzt an die Stelle ihrer reproduktionstechnischen Vereinnahmung durch die prozessuale Wertschöpfung das vexierbildliche Komplement ihrer investitionspraktischen Verwandlung in kapitale Wertgegenstände. Dank des vom allgegenwärtigen Verwertungsprozess aus dem Hut der verwertungsprozessualen Realität gezauberten Kunstmarkts verkehrt sich der Kult des Originals ins Gegenteil dessen, was mit ihm intendiert ist, und besiegelt den Heimfall der ästhetischen Sphäre an den kapitalen Verwertungsprozess.
Oder vielmehr täte er das, käme hier nicht unverhoffte Hilfe von anderer, mit der ästhetischen Sphäre von Haus aus gar nicht unmittelbar assoziierter Seite. Was die zu Originalen fetischisierten Kunstobjekte davor bewahrt, auf der Flucht vor der Scylla ihrer reproduktionstechnischen Vereinnahmung als Wertträger der Charybdis ihrer investitionspraktischen Verwandlung in Wertgegenstände in die Hände zu fallen, ist jene für die avancierte kapitalistische – gleichgültig ob privatkapitalistische oder staatskapitalistische – Gesellschaft charakteristische Entwicklung, die sich als Medialisierung bezeichnen lässt und deren Dreh- und Angelpunkt die Entstehung eines den politischen Raum, die bürgerliche Öffentlichkeit, wie man will, simulativ zu substituieren oder reflexiv aufzuheben bestimmten Repräsentationskomplexes ist.
Wenn schon nicht der empirischen Anschauung, so jedenfalls doch dem systematischen Begriff nach ist bürgerliche Öffentlichkeit das Resultat einer Emanzipation der neuzeitlichen Gesellschaft von der Heteronomie einer ebenso absolutistisch fokussierten wie ständisch organisierten höfischen Herrschaft. In diese höfische Herrschaft findet sich die traditionelle, ebenso feudal dominierte wie agrarisch fundierte Territorialherrschaft in dem Maße überführt, wie die gesellschaftliche Reproduktion kapitalistische Fasson gewinnt, sprich, sich in ein auf die Akkumulation von Wert gerichtetes System kommerzieller Distribution auf der Grundlage manufakturell-industrieller Produktion transformiert.
Zunehmend ökonomisch abhängig von der sich kapitalistisch reproduzierenden bürgerlichen Gesellschaft und für ihren eigenen Unterhalt auf deren Steuern und Abgaben angewiesen, bleibt die höfische Herrschaft doch zugleich die ebenso sehr ideologisch maßgebende wie politisch die Macht ausübende Instanz und gesellschaftliche Ebene: Dafür, dass die in die absolutistisch-höfische transformierte feudalistisch-territoriale Herrschaft die sich kapitalistisch organisierende bürgerliche Gesellschaft relativ frei gewähren lässt und in ihrer Entfaltung möglichst wenig behindert beziehungsweise sogar nach Kräften fördert, fügt sich letztere in die territorialherrschaftlich tradierte Ordnung und erkennt gegen jede bürgerliche Vernunft, gegen jede im Rahmen des neuen Wirtschaftssystems ausgebildete Profanität und Zweckrationalität die absolutistische Herrschaft unverändert als Vertreterin eines göttlich-transzendenten Seins an, mit deren Präsenz und Geltung alles menschlich-immanente Dasein stehe und falle, akzeptiert sie mit anderen Worten die absolutistische Herrschaft nach wie vor als von Gottes Gnaden eingesetzte und der Negativität des ewigen Lebens einen zeitlichen Riegel vorzuschieben bestimmte Garantin der Positivität der irdischen Existenz.
So gewiss die bürgerliche Gesellschaft die traditionelle Herrschaft in dieser den Sog der heilsgeschichtlichen Transzendenz von Gnaden Gottes zu konterkarieren bestimmten lebenswirklichen Halt- und Sinngebungsfunktion immer noch – und wegen des eklatanten Widerspruchs zwischen der Rationalität des neuen, in profaner Immanenz entstehenden Wirtschaftssystems und der alten, einer sakralen Transzendenz entsprungenen Herrschaftsordnung sogar in exzessiver, auf die Spitze paradoxer Selbstverleugnung oder quasireligiöser Inbrunst getriebener Form – gelten lässt, so gewiss behält die Erhaltung und Erhöhung, die materiale Hege und soziale Pflege jener absolutistisch reaffirmierten traditionellen Herrschaft oberste Priorität für die bürgerliche Gesellschaft und bleibt das Selbstverhältnis letzterer wesentlich heteronom bestimmt, bleibt die durch den Willen beziehungsweise die Gnade Gottes ihr oktroyierte Herrschaft das, was ihr wesentlicher ist als sie sich selbst, bleibt sie im Dienst an jener im Rahmen des heilsgeschichtlichen Plans den irdischen Aufenthalt der Gesellschaft legitimierenden und in eben diesem Sinne legitimen Herrschaft fundamental exzentrisch und sich selber fremd.
Freilich ist conditio sine qua non für diese als Untertänigkeit erscheinende Dienstbarkeit, in der die bürgerliche Gesellschaft gegenüber der traditionellen Herrschaft verharrt, die oben genannte Bereitschaft und Fähigkeit der letzteren, in ihrer absolutistisch revidierten Form die Entfaltung der ersteren möglichst wenig zu behindern beziehungsweise nach Kräften zu fördern, will heißen, in ihrer revidierten, absolutistisch-staatsbürokratischen Form die Widerstände beziehungsweise Hindernisse, die sie in ihrer traditionellen, feudalistisch-territorialherrschaftlichen Gestalt jener Entfaltung der bürgerlichen Gesellschaft leistet beziehungsweise in den Weg legt, eigenhändig und selbstherrlich außer Geltung zu setzen und aus dem Weg zu räumen. Solange die absolutistische Herrschaft diesen stillschweigenden Vertrag mit der bürgerlichen Gesellschaft zu erfüllen vermag, behauptet sie jene paradoxe Sakrosanktheit, die letztere zwingt, sie als ein ebenso unentbehrliches wie exzentrisches Existenzial des Sozialcorpus zu akzeptieren, und das heißt, gleichermaßen materialiter zu alimentieren und devotionaliter zu hofieren.
Eben die in der Umbildung der gesellschaftlichen Reproduktion durch den kapitalen Verwertungsprozess bestehende Entfaltung der bürgerlichen Gesellschaft, die die absolutistisch hochgehaltene traditionelle Herrschaft deckt und sekundiert, sorgt nun allerdings durch ihre Dynamik und ihren Erfolg zwangsläufig dafür, dass nicht etwa nur die herrschaftliche Hilfestellung und Förderung zunehmend überflüssig und entbehrlich wird, sondern dass mehr noch die absolutistische Herrschaft als solche sich in ihr funktionelles Gegenteil verkehrt und durch ihre Ansprüche auf Alimentierung und Hofierung immer stärker zur Belastung für die bürgerliche Gesellschaft und zum Hemmschuh für ihre weitere Entwicklung mutiert.
Und in dem Maße aber, wie dies geschieht, bröckelt die dem quasisakralen Verhältnis zur absolutistischen Herrschaft zugrunde liegende profane Vertragsbasis beziehungsweise entfällt schließlich – mit dem Ergebnis, dass die absolutistische Herrschaft ihren Zauber einbüßt, der magische Bann, in dem sie die bürgerliche Gesellschaft verhält, per Aufklärung gebrochen und sie in der Konsequenz ihrer Entzauberung, ihrer Entlarvung als unnützer Wasserkopf und verwerflicher Schmarotzer, kraft bürgerlicher Revolution vom Thron gestoßen und abgeschafft wird.
An die Stelle der bürgerlichen Untertänigkeit, der ebenso praktisch-materialiter kostspieligen wie ideologisch-devotionaliter aufwendigen Unterwerfung unter eine als ungleichzeitig präsente Voraussetzung der bürgerlichen Gesellschaft firmierende gottgewollte Fremdherrschaft tritt damit die sich in voraussetzungsloser Gleichzeitigkeit eigenmächtig etablierende bürgerliche Selbstverwaltung, eine sich ebenso sehr als Verhältnis reflexiver Sichselbstgleichheit wie als aktive Selbstzweckbeziehung erschließende republikanische Konstitution der Gesellschaft. An die Stelle des der Gesellschaft als heteronome Reflexionsinstanz und exzentrischer Aktionsfokus oktroyierten persönlichen Willens des Souveräns und seines königlichen Hofes tritt die der Gesellschaft selbst beziehungsweise dem Wechselspiel ihrer wesentlichen Strukturelemente, ihrer Hauptgruppierungen entspringende volonté genérale und der als bürgerliche Öffentlichkeit definierte politische Raum, in dem diese sich manifestiert und artikuliert. Statt sich noch länger dem im Wortsinne von Fremdbürtigkeit und Heteronomie hergebrachten Regiment zu unterwerfen, das die absolutistische Herrschaft kraft ihrer als existenziell-sakrale Grundlegungsleistung gedeuteten institutionell-realen Hilfestellung bei der Umbildung der gesellschaftlichen Reproduktion über das Gemeinwesen ausübt, emanzipiert sich die bürgerliche Gesellschaft von der absolutistischen Herrschaft, indem sie an deren Stelle ein Regime der Selbstbestimmung setzt, sprich, den fremden Willen, der ihr Gesetz ist, und das heteronome Handeln, dem sie sich unterwirft, durch einen im Gemeinwesen selbst, in seiner Öffentlichkeit vor sich gehenden und, wenn schon nicht effektiv, so jedenfalls doch repräsentativ unter Beteiligung aller ablaufenden eigenen Willensbildungs- und autonomen Entscheidungsfindungsprozess substituiert.
Zwar, ganz und gar gibt die bürgerliche Gesellschaft das herrschaftliche Regiment nicht auf! So sehr sie die absolutistische Institution der Herrschaft abschafft, so sehr hält sie an dem darin implizierten etatistischen Prinzip fest: Sie reduziert, mit anderen Worten, die absolutistische Herrschaft auf den bürokratischen Staat, den personalen, von einem Hofstaat umgebenen Souverän auf die ministerielle, aus einem Verwaltungsapparat bestehende Exekutive. Als Grund für diese partielle Beibehaltung der herrschaftlichen Instanz, diese Ergänzung der Grundkonstitution der bürgerlichen Gesellschaft, der im Idealfall demokratisch-direkt und im Notfall parlamentarisch-repräsentativ organisierten bürgerlichen Öffentlichkeit, durch eine von letzterer separierte und ihr gegenüber zwar im Prinzip weisungsgebundene und rechenschaftspflichtige, aber doch im Effekt mit eigenen Freiheiten und Befugnissen, mit einer relativen Handlungsvollmacht ausgestattete Gewalt – als Grund für dieses inmitten der bürgerlichen Öffentlichkeit oder vielmehr außerhalb ihrer überdauernde, weil von ihr selber aus ihr herausgesetzte und von ihr abgesonderte Moment von Herrschaft gilt die Notwendigkeit, den Willen der wenn nicht demokratisch-direkt, so jedenfalls doch parlamentarisch-repräsentativ das Sagen habenden bürgerlichen Öffentlichkeit allgemein anerkannt zur Geltung zu bringen und ihre Entscheidungen für alle verbindlich in die Tat umzusetzen.
Das heißt, die im Idealfall direkt oder im Normalfall repräsentativ als Legislative, als gesetzgebende Versammlung firmierende bürgerliche Öffentlichkeit braucht die Staatsinstanz, um das als Verhaltensnorm beziehungsweise Handlungsrahmen dienende Gesetz, das sie gemeinschaftlich beschließt und sich selber gibt, zu exekutieren, sprich, es gleichermaßen als das von allen respektierte Gemeingut zu garantieren und für jedermann maßgebende Selbstverhältnis zu implementieren. Der solcherart vom neuen Souverän, der bürgerlichen Öffentlichkeit, sofort wieder aus der revolutionären Versenkung geholte und mit einer Aufgabe betraute alte Souverän, die absolutistische Herrschaft, ist jetzt also nichts weiter mehr als ein dem gesetzgebenden Corpus, seinem Organismus, höriges ausführendes Organ, ein dem gesellschaftlichen Subjekt, dem Gemeinwesen, zur Hand gehender Angestellter oder Funktionär, quasi ein der Firma, dem Totum, als Faktotum zuarbeitender Hausmeister.
So jedenfalls der erklärten Absicht und offiziellen Vorstellung nach! In der gesellschaftlichen Praxis und im historischen Fortgang freilich stellt sich rasch heraus, dass es bei dieser dem bürokratischen Staat, der von der absolutistischen Herrschaft übrig geblieben ist, zugewiesenen bescheidenen Rolle nicht bleibt, dass der Hausmeister zunehmend zum Hausherrn mutiert. Entweder mit dem heimlichen – oder auch offenen – Einverständnis der bürgerlichen Öffentlichkeit oder auch ohne deren Einverständnis maßt er sich im Laufe der Zeit und zumal in Krisenzeiten Kompetenzen an, die von Haus aus oder der idealen Konstitution der bürgerlichen Gesellschaft nach in der Kompetenz des in der demokratischen oder parlamentarischen Öffentlichkeit verkörperten Gemeinwillens liegen, und mausert sich so zu einer den letzteren kontrollierenden oder gar dirigierenden Instanz eigener Machtvollkommenheit, wo nicht gar eigenen Rechts. Er zieht tendenziell immer mehr Befugnisse an sich, übernimmt immer mehr Aufgaben der Willensbildung und Entscheidungsfindung, die von Haus aus Sache der demokratisch oder parlamentarisch verfassten bürgerlichen Öffentlichkeit sind, und wird damit immer mehr zu einem konstitutiven Bestandteil der letzteren selbst, wird für sie immer stärker zu einem Faktotum im Wortsinne, einem ihr ebenso unentbehrlichen wie sie in ihrer Tätigkeit überflüssig machenden Allbesorger, einem ausführenden Organ, das sich zu einem selbsttätigen Apparat, einem politischen Automaten entwickelt.
Zwar wahrt selbst der diktatorischste, zum Kontrolleur und Dirigenten der bürgerlichen Öffentlichkeit, zu ihrem Vormund und Befehlshaber avancierte bürokratische Staat noch den Schein von Gewaltenteilung, und bleibt formell die Exekutive der Legislative, dem bürgerlichen Souverän, dienstbar, aber gleichzeitig höhlt er deren Selbstbestimmung und Handlungsvollmacht so völlig aus, dass er, reell betrachtet, die Hegelsche Herr-Knecht-Dialektik ad absurdum einer ihre bürgerliche Emanzipationsbotschaft Lügen strafenden Entmachtung des emanzipierten Knechts durch einen der Flasche der eigenen Konstitution entstiegenen neuen Machthaber führt – bis hin zu dem qua Faschismus erreichten Extrem, dass er, der bürokratische Staat, im führerkultlich-roboterhaften Pseudos eines personifizierten Wollens und Wirkens der gesamten Gesellschaft sich zum ebenso lautstarken Wortführer wie tatkräftigen Vormund der auf eine wortlos verschworene Volksgemeinschaft reduzierten bürgerlichen Öffentlichkeit aufschwingt.
Der Grund zum einen für die partielle Rehabilitation der überwundenen absolutistischen Herrschaft durch ihre Überwinderin, die bürgerliche Gesellschaft, die Wiederindienststellung mit anderen Worten der absolutistischen Herrschaft als bürokratischer Staat, und zum anderen für die sukzessive Aneignung von Kompetenzen und Befugnissen, Willensakten und Entscheidungen, die von Haus der neuen demokratischen beziehungsweise parlamentarischen Konstitution aus Sache des qua bürgerliche Öffentlichkeit funktionierenden Selbstbestimmungsprozesses der bürgerlichen Gesellschaft sind, durch den bürokratischen Staat – der Grund für dies beides liegt auf der Hand. Die bürgerliche Gesellschaft braucht den bürokratischen Staat und delegiert immer mehr eigene Zuständigkeiten an ihn, weil sie ein von Interessenkonflikten und intentionalen Widersprüchen zerrissener Organismus ist. Sie ist eine von ihrer politisch folgenreichen Ökonomie bis ins Mark geprägte Klassengesellschaft, eine Gesellschaft, die ihre materiellen und spirituellen Ressourcen, mithin ihre eigene Reproduktion, der transzendental entscheidenden Zweckbestimmung einer auf die Mobilisierung und Nutzung menschlicher Arbeitskraft zielenden und in nichts weiter als in der Erzeugung weiterer und vermehrter Ressourcen bestehenden Akkumulation von Wert oder Kapitalbildung verschreibt und die damit denjenigen, die jene Ressourcen als Privateigentum besitzen beziehungsweise sie als Gemeineigentum verwalten, egal ob es sich bei ihnen um Personen, Gruppen oder Institutionen handelt, ökonomische Verfügungsgewalt und soziale Bestimmungskraft über diejenigen verleiht, die für ihre Subsistenz auf die Ressourcen angewiesen sind und diese als Subsistenzmittel aber nur unter der Bedingung in Gebrauch nehmen dürfen, dass sie zuvor dem transzendental maßgebenden Zweck Genüge tun und ihre Arbeitskraft in den Dienst einer als Kapitalbildung firmierenden erweiterten Reproduktion und fortlaufenden Vermehrung der Ressourcen selbst stellen.
Unmittelbare Folge dieses fundamentalen Widerspruchs zwischen dem den Ressourcen von ihren Produzenten beigemessenen subsistenziellen Sinn und dem von ihren Bewirtschaftern mit ihnen verbundenen kapitalen Zweck sind – zumal in den Anfängen und Formationsphasen der kapitalistischen Entwicklung, wo der Widerspruch sich noch weitgehend naturwüchsig und staatlich unkontrolliert beziehungsweise sogar herrschaftlich forciert austoben kann – ökonomische Krisen und politische Konflikte, die eine als demokratisches oder parlamentarisches Willensbildungs- und Entscheidungsfindungsforum funktionierende bürgerliche Öffentlichkeit überhaupt ausschließen oder, wenn sie denn zustande kommt, sie in kürzester Frist in einen Hexenkessel und ein Schlachtfeld verwandeln müssen.
Deshalb rekurriert die bürgerliche Gesellschaft hier auf das die Naturwüchsigkeit des Prozesses einzudämmen oder jedenfalls zur Ordnung zu rufen, sie in eine halbwegs zivile Form zu pressen bestimmte Mittel staatlicher Kontrolle, will heißen, sie überträgt der als bürokratischer Staat in ihren Funktionär transformierten und als solcher in Gnaden wieder aufgenommenen absolutistischen Herrschaft die Aufgabe, in der dreifachen und je nach historischen Umständen wechselnden oder kombinierten Rolle einer Ordnungshüterin, einer Korrektureinrichtung und einer Schiedsinstanz dafür zu sorgen, dass eine bürgerliche Öffentlichkeit trotz der sie schüttelnden ökonomischen Krisen und zerreißenden sozialen Konflikte möglich bleibt.
Diese bürokratische Nothelferrolle, in die der von der kapitalistischen Entwicklung hervorgetriebene und in eklatanter ökonomischer Not und evidentem sozialem Elend resultierende fundamentale Widerspruch der Gesellschaft den Staat drängt, impliziert aber auch, dass letzterer in das als bürgerliche Öffentlichkeit fungierende Selbstverhältnis der bürgerlichen Gesellschaft immer stärker eingreifen, als derjenige, der sukzessive beziehungsweise abwechselnd für die Unterdrückung drohenden sozialen Widerstands, für die Beseitigung der schlimmsten ökonomischen Auswüchse und für ein Minimum an politischem Interessenausgleich sorgt, in zunehmendem Maße der ohne sein Eingreifen lebensunfähigen bürgerlichen Öffentlichkeit das Drehbuch schreiben, die Bühne bereiten und die Einsätze geben, kurz, sie in ihrem praktisch-politischen Dasein disponieren und moderieren muss.
Und so kommt es, dass die bürgerliche Gesellschaft dieses ihr als bürgerliche Öffentlichkeit bestimmte Selbstverhältnis immer mehr durch ihn vermittelt erfährt, es sich immer mehr als das vor Augen stellt, wozu er es macht und zurichtet. Weil der Staat es ist, der der bürgerlichen Öffentlichkeit um den Preis allerdings ihrer fortschreitenden Entmündigung und Gängelung überhaupt erst Realität und Kontinuität verleiht, ihr Existenz und Konsistenz garantiert, findet sich die bürgerliche Gesellschaft nolens volens und in fortschreitendem Maße mit einer Öffentlichkeit konfrontiert, mit der sie sich bestenfalls als mit einem staatlich verfassten Projekt identifizieren kann und schlimmstenfalls als mit einem herrschaftlich verfügten Konstrukt arrangieren muss.
Von Anbeginn der Entwicklung an aber wird die praktisch-politische Gestellung und Gewährleistung der bürgerlichen Öffentlichkeit durch den Staat begleitet und komplementiert von einer organisierten und zunehmend an Umfang gewinnenden Vermittlungsveranstaltung, die dem Zweck dient, der bürgerlichen Gesellschaft jene staatlich gestellte und gewährleistete Öffentlichkeit theoretisch-ideologisch als die ihre vorzuführen und zu vergegenwärtigen. Diese theoretisch-ideologische Vermittlungsveranstaltung sind die Medien, ein in Wort und Bild mit den jeweils avanciertesten technischen Kolportagemitteln als Presse, Rundfunk, Film, Fernsehen und seit Neuestem auch als elektronisches Netzwerk sich entfaltender Informations-, Diskussions-, Edifikations- und Diversionskomplex.
Die Notwendigkeit für jene als mediales Vorstellen erscheinende flankierende Maßnahme beziehungsweise Parallelaktion zum staatlichen Handeln ist unschwer einsehbar. Sie ergibt sich aus der Tatsache, dass die vom Staat fürsorglich konzipierte beziehungsweise herrschaftlich konstruierte Öffentlichkeit, als solche oder unmittelbar, der bürgerlichen Gesellschaft ja bloß offeriert beziehungsweise oktroyiert, ihr ja nur erst als ansprechendes Projekt beziehungsweise gebieterisches Konstrukt zugewiesen wird. Zwar ist kraft der von der bürgerlichen Gesellschaft ex negativo ihrer Zerrissenheit und Krisenhaftigkeit dem bürokratischen Staat eingeräumten Autorität und Vollmacht jenes staatlich vermittelte Projekt oder Konstrukt Öffentlichkeit verbindlich genug, um alternativlos zu sein und nämlich die bürgerliche Gesellschaft vor die kruzifikatorische Wahl zu stellen, entweder diese ihr vom Staat verordnete Öffentlichkeit oder gar keine, sprich, ein sei's als terroristische Ordnung, sei's als anarchistisches Chaos realisiertes Nichts an Öffentlichkeit zu haben, aber was der bürgerlichen Gesellschaft doch immerhin noch bleibt, sind unterhalb der staatlich verordneten Öffentlichkeitsebene nach Maßgabe der die Gesellschaft zerreißenden Bruchstellen und Verwerfungslinien sich entfaltende und entsprechend partikulare Weisen des Selbstverhältnisses, ebenso situationsgerechte wie ordnungswidrige Formen von Öffentlichkeit also, in denen sich die diversen, nach ökonomischer Lage, sozialem Stand, politischer Richtung oder kultureller Eigenart divergierenden Gruppen und Schichten der Gesellschaft reflektieren und artikulieren.
Reflexion und Artikulation aber ist unter den Bedingungen der in der bürgerlichen Gesellschaft herrschenden verwertungsprozessualen Instabilität oder haltlos kapitalen Dynamik, die ständig zu Umbrüchen im Reproduktionssystem und Verschiebungen im Sozialgefüge führt und damit fortlaufend neue Krisen provoziert und Konflikte schürt, tendenziell gleichbedeutend mit Fraktionierung oder gesellschaftlichem Zerfall. So gewiss der kapitale Verwertungsprozess mit seiner jede soziale Eigenbestimmtheit und spezifische kulturelle Qualität im Sinne seiner monomanen Zielsetzung heteronomisierenden und instrumentalisierenden Dynamik den Bestand und Erhalt beziehungsweise die Identität und Kontinuität der in der bürgerlichen Gesellschaft ebenso sehr historisch-geographisch beziehungsweise politisch-empirisch zusammengewürfelten wie ökonomisch-systematisch aneinander gefesselten Klassen, Volksgruppen, kommunalen Verbände und der Tradition, Religion oder Profession geschuldeten Gemeinschaften bedroht und unterminiert, so gewiss sind jene Klassen, Gruppen, Verbände und Gemeinschaften disponiert, sich zwecks Selbstbehauptung oder Selbstvergewisserung wenn schon nicht vom Staatswesen zu separieren, so jedenfalls doch innerhalb des Gemeinwesens zu segregieren und ihr Heil, sprich ihre durch den kapitalen Verwertungsprozess in Frage gestellte soziale Identität und bedrohte kulturelle Kontinuität, in einem sich als offenkundiges Paradoxon, nämlich als eine Art von partikularem Gemeinwesen oder privativer Öffentlichkeit realisierenden idiosynkratischen Selbstbezug beziehungsweise autonomistischen Gruppenbewusstsein zu suchen.
Solch auf idiosynkratische Absonderung und monadische Selbstgenügsamkeit setzendes partikularistisches Bewusstsein aber verträgt sich denkbar schlecht mit jener staatlich verfügten und garantierten bürgerlichen Öffentlichkeit, deren Zweck es ja ist, die diversen Klassen, Gruppen, Verbände und Gemeinschaften in wenn auch mehr oder minder gegängelter oder gezwungener, reglementierter oder ritualisierter Form in Beziehung zueinander zu setzen und in einer Verständigung, Interessenabgleich und Koalitionsbildung ermöglichenden Wechselwirkung miteinander zu erhalten.
Auch wenn die segregativen Bestrebungen wegen der integrativen Macht des die gesellschaftliche Reproduktion organisierenden kapitalistischen Systems und wegen der diese ökonomisch integrierende Macht politisch repräsentierenden Herrschaft des das Selbstverhältnis der bürgerlichen Gesellschaft, die bürgerliche Öffentlichkeit, als Sichselbstgleichheit behauptenden und monstrierenden bürokratischen Staats im Normalfall nicht politisch zum Zuge kommen und in der Inoffizialität oder Latenz bündischer, sektiererischer, lebensreformerischer oder vereinsmeierischer Schwärmereien und Ersatzhandlungen verharren, zehren sie doch auf Dauer dadurch, dass sie den Einzelnen jenen als partikulare Öffentlichkeiten mit der bürgerlichen Öffentlichkeit konkurrierenden Privatveranstaltungen und Gruppenaktivitäten zuwenden und seine psychische Energie beziehungsweise sein intellektuelles Engagement auf sie umlenken und konzentrieren, an der Substanz der staatlich verfügten Öffentlichkeit, höhlen sie intentional nicht weniger als personell aus und bereiten den Boden für eine in wirtschaftlichen Krisenzeiten beziehungsweise in Fällen politischen Konflikts aufgrund ökonomischer Not mögliche allgemeine Fahnenflucht und separatistische Zerfallsbewegung.
Und es ist eben dieses aus der Dynamik des kapitalen Verwertungsprozesses immer wieder erwachsende Menetekel einer segregativen Aushöhlung und separatistischen Auflösung der staatlich verfügten bürgerlichen Öffentlichkeit, worauf das kapitalistische System und sein politisches Faktotum, der Staat, mit jener medialen Parallelveranstaltung zur Kreation einer gouvernemental reglementierten und garantierten bürgerlichen Öffentlichkeit reagieren. Primäres Anliegen und oberstes Ziel des der staatlichen Apparatur parallelaktiven Medienkomplexes ist es, wie gesagt, die praktisch-politische Projektion einer bürgerlichen Öffentlichkeit durch deren theoretisch-ideologische Reflexion zu komplementieren und zu komplettieren. Die als Presse, Rundfunk, Film, Fernsehen und Internet sich in Wort und Bild entfaltende mediale Reflexion ist mit anderen Worten dazu da, jener auf die Krisen und Konflikte, die der kapitale Verwertungsprozess mit seiner Unifizierungs-, Egalisierungs- und Homogenisierungsdynamik hervortreibt, reagierenden partikularistisch-spontanen Reflexion der in der bürgerlichen Gesellschaft versammelten Klassen, Gruppen, Verbände und Gemeinschaften ihre segregativen Bestrebungen zu verschlagen und sie entweder zu konterkarieren, sie von der staatlich verfügten und reglementierten bürgerlichen Öffentlichkeit fernzuhalten und nicht in ihr zum Zuge kommen zu lassen, oder sie umzufunktionieren, sie um den Preis ihres Abweichlertums beziehungsweise Widerstandspotenzials in den von letzterer verkörperten Mainstream aufzunehmen und nach seiner Maßgabe umzumodeln.
In der Tat sind eliminative Verdrängung und integrative Anpassung die beiden Haupttechniken des die bürgerliche Öffentlichkeit gegen die Zerfalls- und Auflösungstendenzen, die der kapitale Verwertungsprozess ihr beschert, zu schützen und vor ihnen zu bewahren gedachten medialen Korrektivs – wobei die Verdrängung hauptsächlich die Form des Dementis, der Desinformation, der Gegenversion und der Diversion annimmt, während es bei der Anpassung im Wesentlichen darum geht, das segregative Tun und Beginnen in ein öffentliches Anliegen zu verwandeln und nämlich dem multikulturellen Kanon der offiziell als Bereicherung des bürgerlichen Lebens, als Elemente seiner Ausbildung und Entfaltung anerkannten Sonderbestrebungen oder eigenen Okkupationen informativer, disputativer, provokativer, karitativer, rekreativer, expressiver, offensiver oder sonstwie deviativer, vom bürgerlichen Alltag abweichender und ihn eben dadurch aber lebendig oder jedenfalls lebbar erhaltender Art einzuverleiben.
Die der staatlichen Projektion einer bürgerlichen Öffentlichkeit sekundierende und zuarbeitende mediale Reflexion, die per Verdrängung und Anpassung durch die Medien geleistete Arbeit einer refutativen Ausblendung oder integrativen Rückführung der durch den kapitalen Verwertungsprozess zu segregativer Selbstbehauptung genötigten und sei's in den aktiven Widerstand, sei's ins passive Abseits gedrängten ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Bedürfnisse und Ansprüche der diversen Klassen, Gruppen, Verbände und Gemeinschaften, gewinnt eben wegen dieser vielfältig segregativen Dynamik des einfältig zwangsintegrativen ökonomischen Prozesses grundlegende Bedeutung für das öffentliche Bestehen und das artikulierte Selbstbewusstsein der bürgerlichen Gesellschaft und wird mit anderen Worten entscheidend dafür, dass die umfassende Form oder der einschließende Rahmen der von Staats wegen verfügten und gemanagten bürgerlichen Öffentlichkeit nicht unter dem Ansturm und Druck der auf die Zwänge des kapitalen Verwertungsprozesses reagierenden Absonderungs- und Rückzugsbewegungen der die bürgerliche Gesellschaft bildenden Individuen, Gruppen und Kollektive zerbricht und in Stücke geht.
Wie grundlegend und entscheidend die mediale Reflexion für den Bestand und Fortbestand der bürgerlichen Öffentlichkeit ist, beweist sonnenklar die Tatsache, dass im allgemeinen und populären Verständnis der bürgerlichen Gesellschaft fast von Beginn der Entstehung des Medienkomplexes an bürgerliche Öffentlichkeit aufhört, ein unmittelbar und als solches, als Versammlung und Austausch wirklicher Individuen, Gruppen und Kollektive, erfahrbares Phänomen zu sein, und überhaupt nurmehr als ein durch die mediale Reflexion Vermitteltes und Vorgestelltes in Erscheinung tritt, dass mit anderen Worten bürgerliche Öffentlichkeit deckungsgleich beziehungsweise gleichbedeutend wird mit ihrer Repräsentation und Darstellung durch die Medien und letztere sich damit aus einem korrektiven Mittel, das der von Zerfall und Auflösung bedrohten empirischen bürgerlichen Öffentlichkeit Haltbarkeit und Konsistenz, Kontinuität und innere Kompatibilität verleiht, in ein konstruktives Medium verwandeln, das ihr, der außerhalb seiner lebensunfähigen bürgerlichen Öffentlichkeit, eine Zuflucht und Freistatt bietet, ihr, systematisch betrachtet, allererst Gestalt und Existenz gibt und worein sie sich demgemäß in toto transformiert darbietet, womit sie sich vollständig synonym geworden und gleichgesetzt zeigt.
Im Zuge der konsumgesellschaftlichen Stabilisierung der bürgerlichen Gesellschaft fällt der medialen Veranstaltung eine veränderte Aufgabe zu: Sie dient nicht mehr dazu, die durch die arbeitsgesellschaftliche Repression des Produktionsapparats provozierten segregativen Bestrebungen zu verdrängen beziehungsweise zu integrieren, sondern wird gebraucht, um der durch die Konsumgesellschaft, sprich, durch die Privation und Isolation des Verbraucherdaseins heraufbeschworenen disruptiven Tendenzen Herr zu werden und Kompensation für sie zu bieten. Die veränderte Aufgabenstellung bedeutet zugleich eine Veränderung der medialen Vorgehensweise. Weil nicht mehr systemfeindlich-segregative Bestrebungen, sondern systemgeneriert-disruptive Tendenzen den Stein des Anstoßes bilden, tritt bei der medialen Reflexion an die Stelle der selektiven Verdrängung und Umfunktionierung ein interpretatives Verkehren und Umwerten.
Dabei erfährt im Laufe ihrer Wirksamkeit diese der staatlichen Projektion einer bürgerlichen Öffentlichkeit sekundierende und letztere regelrecht in sich aufhebende mediale Reflexion einen markanten Wandel ihrer Aufgabenstellung, die wiederum Konsequenz der Veränderung ist, die unter dem imperativen Diktat des kapitalen Verwertungsprozesses die bürgerliche Gesellschaft insgesamt durchmacht und in deren Konsequenz sie sich aus einem repressiven Produktionsunternehmen in eine expansive Konsumtionsveranstaltung überführt findet. Dank einer durch das Zusammenspiel von wirtschaftlichem Konkurrenzkampf und staatlicher Sozialpolitik ebenso sehr angeheizten wie ausgelösten Entwicklung, deren Hauptcharakteristika eine fortlaufende technische Steigerung der Produktivität und eine weltweit durchschlagende imperialistische Ressourcenausbeutung sind, kommt es im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts zu einer Produktion industriellen Überflusses, die, solange es gelingt, den Überfluss als kapitalen Wert zu realisieren, sprich, die produzierten Güter in klingende Münze umzusetzen, der bürgerlichen Gesellschaft erlaubt, dem Grunderfordernis einer kapitalistisch organisierten Reproduktion der Gesellschaft, der Wertakkumulation, Rechnung zu tragen und gleichzeitig dem mit der Reproduktion verknüpften Anspruch derjenigen, die die dafür nötige Arbeit verrichten, dem Anspruch auf eine Bedürfnisbefriedigung oder Versorgung, die ein lebbares oder gar lebenswertes Dasein ermöglicht, im Großen und Ganzen Genüge zu leisten.
Nach den mörderischen Konfrontationen zweier Weltkriege, die vornehmlich dem ungeregelten imperialistischen Streben nach neuen Märkten geschuldet sind, das durch die rasante technisch bedingte Steigerung der Produktivität zum gebieterischen Zwang wird, gelingt es den bürgerlichen Gemeinwesen, eine verhältnismäßige Stabilisierung der politisch-ökonomischen Lage zu erreichen, die an die Stelle der bis dahin vorherrschenden liberalistisch-arbeitsgesellschaftlichen Ausbeutung und Repression, die einen Großteil der Population permanenter personaler Deprivation und Entfremdung beziehungsweise sozialer Nivellierung und Deklassierung aussetzt, eine sozialstaatlich-konsumgesellschaftliche Distribution und Versorgung treten lässt, die die personale Entfremdung und soziale Deklassierung durch den gesellschaftlichen Arbeitsprozess wenn schon nicht beseitigt und abschafft, so zumindest doch kompensiert und ausgleicht, indem sie dem Großteil der Population eine wie immer bescheidene Teilhabe an den Segnungen des zum automatischen Spender aufgerüsteten industriellen Füllhorns und damit als Freizeit oder Erholung deklarierte Lebensabschnitte ermöglicht, die das sei's durch Ausbeutung beziehungsweise Arbeitslosigkeit persönlich deprivative, sei's durch Entfremdung und Verdinglichung gesellschaftlich destruktive factum brutum der Arbeitswelt wenn nicht vergessen und immer wieder ungeschehen machen, so jedenfalls doch hinnehmbar und erträglich werden lassen.
So gewiss diese qua freizeitliche Rehabilitation oder konsumtive Kompensation realisierte Verbesserung der Lebensverhältnisse nun aber in einer wenn nicht generellen Befreiung, so zumindest partiellen Entlastung von jenem durch die allgegenwärtigen Produktionsbedingungen ausgeübten Nivellierungs- und Deklassierungsdruck resultiert, so gewiss ist sie gleichbedeutend mit einer Abschwächung oder gar Aufhebung der segregativen Bestrebungen, die in Reaktion auf jenen Druck die Betroffenen ausbilden und nach deren Maßgabe sie ihr persönliches Heil beziehungsweise ihre gesellschaftliche Geborgenheit jenseits und außerhalb des als bürgerliche Öffentlichkeit staatlich verfügten und reglementierten Gemeinschaftsraums, nämlich in bündisch, sektiererisch, lebensreformerisch oder vereinsmeierisch partikularisierten Widerstands-, Projekt- und Selbsthilfegruppen suchen, die wiederum den staatlich dekretierten öffentlichen Raum so völlig zu entleeren drohen, dass er zu einem leeren Formalismus wird, dessen Hohlheit und Nichtigkeit der geringste ökonomische Krisen- und politische Konfliktfall ans Licht zu bringen taugt – weshalb denn der medialen Reflexion die geschilderte Aufgabe zufällt, durch dementierende Verdrängung und desinformierende Unterdrückung oder aber durch assimilierende Einverleibung und integrierende Umfunktionierung jener segregativen Bestrebungen und partikularistischen Motionen die staatlich dekretierte bürgerliche Öffentlichkeit zu reaffirmieren und am Leben zu erhalten, selbst um den Preis simulatorischer Gesundbeterei, sprich, mit der angegebenen Konsequenz, dass die bekräftigte und sanierte bürgerliche Öffentlichkeit eigentlich gar nicht mehr als solche, sondern nur noch in Gestalt von Presse, Funk, Film, Fernsehen und Internet, sprich, in effigie ihrer medialen Reflexion existiert.
Die Überführung der bürgerlichen Gesellschaft aus einem repressiven Produktionsunternehmen in eine expansive Konsumtionsveranstaltung und die der freizeitlichen Rehabilitation und konsumtiven Kompensation, die breiten Schichten der Gesellschaft dadurch gewährt wird, geschuldete Befreiung oder jedenfalls Entlastung vom Druck arbeitsweltlich personaler Nivellierung und sozialer Deklassierung könnten nun zwar in dem Maße, wie sie die als Reaktion auf jenen arbeitsweltlichen Druck wohlverstandenen segregativen Bestrebungen mindern oder gar zum Verschwinden bringen, auch geeignet scheinen, den die segregativen Bestrebungen zu konterkarieren beziehungsweise zu redintegrieren bestimmten medialen Komplex überflüssig und mitsamt der von ihm wahrgenommenen Aufgabe einer Reaffirmation der staatlich verfügten bürgerlichen Öffentlichkeit notfalls sogar in der simulatorisch-gesundbeterischen Form eines rein medialen, mit seiner drucktechnischen oder elektronischen Präsentation deckungsgleichen Ereignisses entbehrlich zu machen.
Es könnte mit anderen Worten so scheinen, als eröffne die Aufhebung der bürgerlichen Gesellschaft aus einem in der Ausbeutung von Lohnarbeit sich erschöpfenden kapitalen Produktionsbetrieb zu einer den Lohnarbeitern für ihre Produktionsleistung materiale Kompensation verschaffenden und zivile Rehabilitation gewährenden kommunalen Konsumgenossenschaft die Möglichkeit, nun doch noch eine bürgerliche Öffentlichkeit sans phrase oder im empirischen Diesseits ihrer transzendentalen Vereinnahmung durch die Medien ins Werk zu setzen und auf dem Boden des durch den konsumtiven Überfluss erwirkten materialen Wohlstands und sozialen Friedens Formen eines keiner medialen Reflexion, keiner Alteration oder Moderation durch einen Medienkomplex, der der Öffentlichkeit einen sie in seine simulative Totalität und suggestive Integrität eskamotierenden Spiegel vorhält, bedürftigen zivilen Zusammenlebens und realen Kommunizierens zu praktizieren.
Indes, was jene Möglichkeit vereitelt und als bloßen Schein entlarvt, ist die oben erwähnte Kondition, unter der allein der dem produktionsbetrieblichen Duktus der bürgerlichen Gesellschaft abgerungene konsumgenossenschaftliche Status Bestand hat, nämlich die mit der einschränkenden Bemerkung: ,,solange es gelingt, den Überfluss als kapitalen Wert zu realisieren", indizierte Notwendigkeit, Sorge dafür zu tragen, dass der Überfluss, die produktivitätsbedingt wachsende Gütermenge tatsächlich abgesetzt und konsumiert und nicht durch mangelnden Absatz, durch Unverkäuflichkeit, für den darin verkörperten Wert zum Grab und Ort spurlosen Verschwindens wird. Diese Bedingung zu erfüllen aber wird eben wegen des produktivitätsbedingt raschen Wachstums der Menge an Wertverkörperungen immer schwieriger und erfordert immer größere Anstrengungen, ein Maximum an gesellschaftlicher Kaufkraft, sprich, an für die Realisierung des in den Gütern verkörperten Werts tauglichem allgemeinem Äquivalent, Geld, zu rekrutieren, was wiederum voraussetzt, dass es glückt, ein Optimum an individueller Kaufbereitschaft, sprich, an spezifischer Bedürftigkeit beziehungsweise Begehrlichkeit bei denjenigen zu wecken, die über Kaufkraft, Geld, verfügen.
Gleichermaßen funktionelle Konsequenz und phänomenaler Ausdruck dieser Notwendigkeit ist die Reklame, eine der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft zu einer einzigen großen Konsumgenossenschaft unverbrüchlich eingeschriebene und immer gigantischere Dimensionen gewinnende Werbekampagne, die sich empirisch, das heißt, aus Sicht des einzelnen, Güter produzierenden oder distribuierenden Kapitalagenten, aus dem Zwang erklärt, gegen die Konkurrenz der anderen kapitalen Produzenten und Distributoren sein Produkt an die Frau und den Mann zu bringen, systematisch aber, will heißen, aufs Ganze gesehen, in der der Technisierung und Automatisierung der Produktionsprozesse geschuldeten, rasant wachsenden Produktivität begründet liegt, die für die Transformation der bürgerlichen Gesellschaft aus einem nichts als Ausbeutung und Repression praktizierenden kapitalen Produktionsbetrieb in eben jene die Ausbeutung und Repression durch materiale Kompensationsleistungen und soziale Rehabilitationsmaßnahmen sei's aus der Welt schaffende, sei's vergessen machende kommunale Konsumgenossenschaft die Basis abgibt.
Diese in einem gigantischen Reklamerummel, der die bürgerliche Gesellschaft bis in den letzten Winkel und das elendeste Wohnviertel hinein erfasst und durchdringt, resultierende Notwendigkeit, so viel persönliches Bedürfnis beziehungsweise triebhafte Begehrlichkeit wie nur irgend möglich zu mobilisieren, um entsprechend viel gesellschaftliche Kaufkraft zu rekrutieren, wirkt sich nun aber auf die als bürgerliche Öffentlichkeit firmierende Gemeinschaftlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft auf ihre Weise ebenso verheerend aus, wie das zuvor die arbeitsgesellschaftliche Ausbeutung und Repression tun. Letztere provozieren, wie gezeigt, durch die personale Deprivation und soziale Deklassierung, die sie bewirken, jene segregativen Tendenzen, in deren Verfolgung die Betroffenen ihr Heil in außerhalb und jenseits der bürgerlichen Öffentlichkeit situierten separatistischen Gegenöffentlichkeiten, in partikularistischen Klassen, Gruppen, Verbänden, Gemeinschaften suchen und die damit die staatlich etablierte bürgerliche Öffentlichkeit so sehr auszuhöhlen drohen, dass diese bei der geringsten ökonomischen Störung oder beim kleinsten politischen Konflikt aus den Fugen zu gehen und zu kollabieren verspricht. Die als Kompensation für die Ausbeutung und als Rehabilitation von der Repression offerierte Konsumsphäre ihrerseits aber kehrt nun in dem Maße, wie sie reklamatorisch an Dringlichkeit und Unentrinnbarkeit gewinnt und die Kompensation zur zwanghaften Okkupation beziehungsweise die Rehabilitation zur staatsbürgerlichen Pflicht werden lässt, disruptive Tendenzen hervor, die, so sehr sie in der faktischen Erscheinungsform unterschieden sein mögen, im praktischen Effekt mit den der arbeitsgesellschaftlichen Ausbeutung und Repression geschuldeten segregativen Bestrebungen durchaus vergleichbar sind.
Für die Tätigkeit des Konsumierens zunehmend stärker reklamiert und auf sie als positives Komplement zur negativen Beanspruchung durch Arbeit, als äquilibristische Parallelaktion zum Produzieren ebenso ausschließlich konzentriert wie vollständig fixiert, verfallen die Betroffenen einer in der katastrophalen Wirkung auf die bürgerliche Öffentlichkeit, auf die Konsistenz und Kontinuität der bürgerlichen Gesellschaft, von der früheren arbeitsgesellschaftlichen Deprivation und Deklassierung gar nicht so sehr verschiedenen konsumgenossenschaftlichen Isolation und Privatisierung. Von ihrer ihnen reklamatorisch angedienten Konsumtätigkeit gefangen genommen und bis zur Selbstvergessenheit okkupiert, sind die Betroffenen für die staatlich verfügte und reglementierte bürgerliche Öffentlichkeit und das Engagement in ihr kaum weniger effektiv verloren, als sie es zuvor waren, da die depravierende und deklassierende Arbeit sie in die Reserve beziehungsweise in die Resistenz bündischer Assoziationen und partikularer Öffentlichkeiten trieb.
In Erfüllung ihrer ihnen vom ökonomischen System reklamatorisch aufgehalsten und die materiale Kompensation und soziale Rehabilitation, die das System ihnen gewährt, in einen dem Arbeitszwang vexierbildlich vergleichbaren Leistungsanspruch verkehrenden konsumtiven Aufgabe frönen sie einer okkupativen Asozialität und privativen Besessenheit, die jede Vorstellung von mit Öffentlichkeit vereinbarer Genossenschaftlichkeit ad absurdum führt und sich dem segregativen, zu Flucht und Rückzug motivierenden Druck, den die kompensations- und rehabilitationslose Arbeitsgesellschaft erzeugt, im Sinne eines disruptiven, zu Sucht und Regression disponierenden Sogs zur Befriedigung ebenso unzähliger wie unersättlicher materialer und sozialer Begierden, den die konsumgenossenschaftliche Ausrichtung der bürgerlichen Gesellschaft provoziert, ohne Weiteres ebenbürtig zeigt, wo nicht gar ihn noch übertrumpft.
So sehr sich die der Deprivation und Deklassierung durch die Arbeitsgesellschaft entspringenden segregativen Bestrebungen und die der Isolation und Privatisierung durch die Konsumgenossenschaft entstammenden disruptiven Tendenzen im verheerenden Effekt, den sie auf die bürgerliche Gesellschaft und ihren Gemeinschaftssinn, ihre Öffentlichkeit haben, aber auch gleichen mögen, der Unterschied ist, dass die segregativen Bestrebungen eine Reaktion auf die politisch-ökonomischen Lebensbedingungen sind, sprich, von den Betroffenen selbst in Antwort auf ihr gesellschaftliches Dasein ausgebildet und in Verhalten umgesetzt werden, wohingegen es sich bei den disruptiven Tendenzen um eine direkte Konsequenz der Lebensbedingungen handelt, will heißen, die letzteren jene Tendenzen quasi automatisch erzeugen und den Betroffenen als zwangsläufige Implikation ihres gesellschaftlichen Daseins eingeben.
Das heißt, die bündischen, sektiererischen, lebensreformerischen oder vereinsmeierischen Assoziationen, die partikularen Ersatzöffentlichkeiten, in die sich die von arbeitsgesellschaftlicher Ausbeutung und Unterdrückung Betroffenen flüchten und absetzen, weisen bei aller bedingten Reflexivität, der sie entspringen, doch immer noch – eben weil sie der Reflexivität im Doppelsinn des Wortes entspringen – ein Moment von Spontaneität auf, sind Kreationen, Schöpfungen der Betroffenen, die der arbeitsgesellschaftlichen Ausbeutung und Unterdrückung partiell zumindest widerstreiten und einen Strich durch die Rechnung machen, indem sie eine wie immer kümmerliche und entstellte Alternative zu der bürgerlichen Öffentlichkeit, der sie als solche den Boden entziehen, ins Leben rufen.
Hingegen erweisen sich diejenigen, die den konsumgenossenschaftlich isolierten und alle Genossenschaft Lügen strafend privativen Lebensgewohnheiten und Daseinsweisen verfallen, von denen sie in Erfüllung ihrer als materiale Kompensation für die Ausbeutung und als soziale Rehabilitation von der Unterdrückung firmierenden Konsumtätigkeit heimgesucht werden, als unmittelbare Kreaturen, Geschöpfe jenes kompensatorisch-rehabilitativen Unternehmens selbst, deren Lebensgewohnheiten und Daseinsweisen bar jeden Verweigerungspotenzials oder gar Alternativcharakters nichts weiter darstellen als die widersinnige Folge beziehungsweise verräterische Symptomatik eines politisch-ökonomischen Systems, das nur um den Preis funktioniert, dass es die eigentlich ja zu seiner Deckung oder Absicherung bestimmte Fassade der staatlich verfügten gemeinschaftsräumlich-bürgerlichen Öffentlichkeit konterkariert beziehungsweise unterminiert und, wenn nicht zum Einsturz bringt, so jedenfalls doch hinlänglich ruiniert, um sie aus einer Camouflage zu einem einzigen großen Syndrom der prinzipiell gesellschaftsfeindlichen Verfassung einer kapitalistisch organisierten Reproduktion der Gesellschaft werden zu lassen.
Und gemäß dieser anderen, nicht sowohl segregativen Bestrebungen entspringenden, sondern disruptive Tendenzen mit sich bringenden, will heißen, nicht sowohl als subjektive Reaktion auf die arbeitsgesellschaftlichen Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen, sondern als objektive Konsequenz der konsumgesellschaftlichen Kompensations- und Rehabilitationsleistungen zustande kommenden Beschaffenheit dessen, was einer funktionierenden bürgerlichen Öffentlichkeit zuwiderläuft beziehungsweise den Boden entzieht, unterscheidet sich natürlich nun auch die mediale Veranstaltung, deren Aufgabe es ist, diese der bürgerlichen Öffentlichkeit zuwiderlaufende beziehungsweise den Boden entziehende disruptive Empirie mit letzterer kompatibel zu machen beziehungsweise in Einklang zu bringen.
Dass es einer solch medialen Veranstaltung bedarf und sie auch weiterhin eine dem bürgerlichen Staatswesen unentbehrliche Parallelaktion darstellt, liegt auf der Hand. Weil die den konsumgenossenschaftlichen Kompensations- und Rehabilitationsleistungen innewohnenden disruptiven Tendenzen mit der Isolation und Privatisierung, die sie befördern, für den sozialen Zusammenhang und kommunalen Zusammenhalt der bürgerlichen Gesellschaft nicht weniger fatal sind, als es die den arbeitsgesellschaftlichen Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen entspringenden segregativen Bestrebungen der Vergangenheit mit den von ihnen hervorgetriebenen partikularen Ersatzöffentlichkeiten und vereinsmeierischen Assoziationen waren, erweist sich die obige Annahme, dass mit der kompensatorisch-rehabilitativen Konsumgenossenschaft eine reale bürgerliche Öffentlichkeit möglich werde und die Notwendigkeit zu ihrer medialen Projektion beziehungsweise Simulation entfalle, als abwegig, und bleibt jene aus Presse, Rundfunk, Film, Fernsehen und Internet kombinierte Vermittlungsinstanz, die in der Komplexität, die sie als Medium beweist, die bürgerliche Öffentlichkeit in dem Sinne zu sich kommen lässt und realisiert, dass sie sie regelrecht substituiert und in sich aufhebt, ein unbedingtes Erfordernis.
Nur dass jetzt die mediale Reflexion nicht mehr die Aufgabe hat, segregative Bestrebungen beziehungsweise das, was sie hervortreiben, entweder dogmatisch zu verdrängen oder aber systematisch umzufunktionieren, sondern nurmehr dazu da ist, die an die Stelle jener segregativen Bestrebungen getretenen disruptiven Tendenzen beziehungsweise das, worin diese sich kundtun, signifikatorisch zu verkehren und syntagmatisch umzudeuten! Die arbeitsgesellschaftlich provozierten, auf Deprivation und Deklassierung reagierenden segregativen Bestrebungen beweisen, wie gesagt, dieses Moment von subjektiver Spontaneität oder anarchischer Resolution, dem politisch-ökonomischen System und seiner staatlich verfügten bürgerlichen Öffentlichkeit Trotz zu bieten und etwas entgegenzusetzen, sprich, partikulare Ersatzöffentlichkeiten und bündische Assoziationen zu kreieren, die aus dem System herausfallen und sich seiner Öffentlichkeit entziehen oder sich gar mehr oder minder erfolgreich vom System unabhängig machen und als Alternative zu seiner Öffentlichkeit behaupten. Deshalb ist die mit der Brechung und Entschärfung solch segregativer Bestrebungen betraute mediale Reflexion nolens volens zu einem kriteriellen Verfahren gezwungen, das ebenso sehr der Refutation wie der Redintegration dient, ebenso sehr darauf aus ist, mit der bürgerlichen Öffentlichkeit Nichtkompatibles aus dem Blickfeld und Bewusstsein der Beteiligten zu schaffen, wie daran interessiert ist, dasjenige, was sich mit jener bürgerlichen Öffentlichkeit verträglich machen und in sie eingliedern lässt, dementsprechend umzuformen und zu propagieren.
Dieses kriterielle Verfahren aber erübrigt sich bei den konsumgesellschaftlich erzeugten disruptiven Tendenzen beziehungsweise erweist sich letzteren gegenüber als untauglich. Schließlich sind, anders als die arbeitsgesellschaftlich provozierten segregativen Bestrebungen, jene disruptiven Tendenzen und die aus ihnen resultierende monadische Isolation der Individuen und monomane Privatisierung ihres Daseins keine subjektive und eben deshalb anfechtbare Reaktion auf die Beschaffenheit des politisch-ökonomischen Systems, sondern dessen objektive und eben deshalb unbestreitbare Konsequenz. Sie einem aus Verdrängung und Umfunktionierung kombinierten Schieds- und Aufnahmeverfahren unterwerfen zu wollen, wäre also völlig vergebliche Liebesmüh, da das System selbst sie ja als ein mit ihm unabweislich gegebenes Erfordernis am laufenden Meter produziert und in ihrer ganzen, den sozialen Zusammenhang zersetzenden und den kommunalen Zusammenhalt zerstörenden unverhohlenen Brutalität beziehungsweise unbeschönigten Faktizität zum Vorschein beziehungsweise zur Geltung bringt.
Konfrontiert so aber das System der bürgerlichen Gesellschaft selbst sein Reflexiv, die bürgerliche Öffentlichkeit, ständig neu mit dem, was sie aushebelt beziehungsweise bis zur Nichtigkeit aushöhlt, so kann sich die letztere zu retten beauftragte mediale Reflexion jeden Versuch sparen, das ebenso objektiv wie disruptiv Gegebene kompatibel zu machen und nämlich nach dem Motto: ,,Die Schlechten ins Kröpfchen, die Guten ins Töpfchen", teils auszusortieren, teils zu integrieren, und bleibt ihr nach Maßgabe der Notwendigkeit, das ebenso objektiv wie disruptiv Gegebene in Bausch und Bogen als das Gegebene zu akzeptieren, einzig und allein statt der Verdrängung die Verkehrung und statt der Umfunktionierung die Umdeutung. Das heißt, die mediale Reflexion erfüllt nun nicht mehr sowohl eine analytisch-kritische als vielmehr eine phänomenologisch-epiphanische Funktion, sie betreibt nicht mehr Scheidekunst und Goldmacherei, sondern verschreibt sich dem Showbusiness und der Glamourisierung.
Sie nimmt sich der den Individuen und Gruppen konsumgenossenschaftlich vindizierten isolationistischen Okkupationen und privatistischen Neigungen an, aber nicht, um sie entweder durch Dementi, Desinformation, Gegendarstellung und Diversion aus der Welt zu schaffen oder durch Umformung und Zurichtung mit dem Kanon der staatlich verfügten Öffentlichkeit vereinbar zu machen, sondern um sie kurzerhand und in toto gegen den Strich zu bürsten, sie schlicht und einfach umzuinterpretieren und sie dergestalt ins Rampenlicht der Öffentlichkeit zu rücken, dass ihre isolierende Myopie und ihr privatives Dunkel sich ins Gegenteil allgemeiner Aufmerksamkeit und publiken Glanzes verkehrt.
Die konsumgenossenschaftlich induzierte lächerlichste Marotte oder finsterste Asozialität wird so zu einem öffentlichen Ereignis, einem Spektakel von allgemeinem Interesse, das verbindet, statt zu trennen, und, statt den Zerfall des Gemeinwesens zu signalisieren, seinen Zusammenhalt fördert. Jede zwecks Mobilisierung und Aufrechterhaltung der für den Verwertungsprozess unabdingbaren Konsumkraft reklamierte und ausgebeutete persönliche Eigenart beziehungsweise idiotische Perversion wird dank medialer Reflexion für allgemein interessant erklärt und öffentlich zur Schau gestellt und damit aus der autistischen Präokkupation Einzelner oder fetischistischer Gruppen, die sie de facto ist, in ein Faszinosum verkehrt, das die voyeuristische Anteilnahme aller erregt und letztere in diesem als Gemeinsinn erscheinenden Voyeurismus die wie immer täuschenden Züge einer Gemeinde, eines kommunalen Corpus gewinnen lässt.
Statt des einstigen unausweichlichen Purgatoriums, das darüber entscheidet, was vom offensiv Sektiererischen, das subjektiver Reserve entspringt, mit der bürgerlichen Öffentlichkeit kompatibel ist und was der Verdammnis, der gesellschaftlichen Ächtung verfällt, ist die mediale Veranstaltung jetzt ein einziges großes Panoptikum, in dem unterschiedslos all das privativ Fetischistische, das vom System objektiv hervorgetrieben und als notwendig reklamiert wird, der Gesellschaft als öffentlichkeitsrelevantes, das öffentliche Interesse heischendes Ereignis vor Augen und Ohren geführt, sprich, als die monadisch-autistischen Individuen und Gruppen fesselndes und engagierendes und sie eben dadurch als manisch-frenetisches Publikum verbindendes und integrierendes Schauspiel präsentiert wird.
Vom Zauberstab der sich als gesamtgesellschaftliches Reflexiv gerierenden medialen Aufmerksamkeit angerührt, verkehren sich all die privativen Bornierungen und konsumtiven Absonderlichkeiten, die die reale gesellschaftliche Praxis bilden und die als solche eine zutiefst gesellschaftszerstörende Wirkung entfalten, kraft medial-vexierbildlicher Spiegelung in organisierende Faktoren und verbindende Elemente, die die auf sie fixierte, von ihrem Anblick faszinierte und in ihre Betrachtung versunkene Gesellschaft zu einer ebenso tableauhaft permanenten wie kaleidoskopartig wechselnden virtuellen Öffentlichkeit, einem in perfekter Überblendung das eigene isolierte Tun und privative Beginnen als allgemeines Los und gemeinschaftliches Vollbringen erlebenden und also paradoxerweise im Gewahrsam seiner Zusammenhanglosigkeit und Unverbundenheit vom Gefühl der Teilnahme und Zusammengehörigkeit ergriffenen idealen Publikum zusammenfügen.
Krönung des Erfolgs dieser medialen Veranstaltung, die die isolierenden Okkupationen und privativen Aktivitäten, die das System den Beteiligten am Fließband oktroyiert, in dem Maße in Bindeglieder und konstruktive Elemente einer Zusammenhang stiftenden und Einheit garantierenden Öffentlichkeit verwandelt oder besser gesagt ummünzt, wie sie diese Okkupationen und Aktivitäten als allen gemeinsame conditio humana, als jedermann ereilendes kommunales Schicksal, kurz, als die Copula, das Inter-esse des monadischen Daseins und monomanen Wirkens sämtlicher Beteiligter publik macht und zur Schau stellt – Krönung des Erfolgs dieser gigantischen Umdeutung ist das Eindringen der medialen Reflexion in die Konsumsphäre selbst und Übergreifen auf sie, so dass sich die Konsumsphäre als Konsumtempel, der Verkaufsprozess als Verkaufsschau, der Markt als Metamarkt, kurz, der reale Akt als mediales Ereignis präsentiert, das das isolierende Tun und privative Beginnen der Konsumierenden immer schon eingebettet zeigt in einen schaustellerischen Kontext, einen die Totalität und Allgegenwart des manisch-monomanen Verbrauchens reflexiv beschwörenden Rahmen, der das disruptiv Isolierende und privativ Okkupierende jeweils in ad hoc perfekter Gegensinnigkeit als ein Mittel und Unterpfand assoziativer Kommunalität und solidarischen Handelns präsentiert.
Der durchschlagende Erfolg der medialen Reflexion, dem zufolge die von ihr der disruptiv-privativen Konsumsphäre als eine Art von bürgerlicher Öffentlichkeit abgewonnene Erfahrung assoziativer Teilhabe und engagierender Gemeinschaft zu einem Anliegen der Konsumsphäre als solcher, zu einer von ihr selbst als Verkaufsstrategie reklamierten beziehungsweise inszenierten Unternehmung wird, erweist sich für die mediale Reflexion nicht unbedingt als ein Segen, weil er den von seinen öffentlichen Aufgaben und seiner maßgeblichen Beteiligung an den Kompensations- und Rehabilitationsleistungen des Systems finanziell überforderten Staat dazu ermuntert, sich aus jener ihm in Sachen bürgerliche Öffentlichkeit sekundierenden Parallelaktion, der medialen Veranstaltung, teilweise oder ganz zurückzuziehen und die Sorge um sie beziehungsweise die Aufsicht über sie mehr und mehr dem politisch-ökonomischen System selbst zu übertragen, das ja in der zum Konsumtempel und zur Verkaufsschau totalisierten Form, die es in Anlehnung an das mediale Vorbild gewinnt, allem Anschein nach die Fähigkeit unter Beweis stellt, die ihm eingeschriebenen disruptiven Tendenzen aus eigenem Antrieb und aus eigenen Stücken in sozialen Zusammenhang und kommunalen Zusammenhalt fördernde Avancen zu transvestieren.
Freilich kann das System, seinem kommerziellen Akkumulationsprinzip gehorchend, gar nicht anders, als diese, Sozialität und Kommunalität prätendierenden Avancen wiederum in den Dienst seiner Isolation und Privation bewirkenden reklamatorischen Verkaufsstrategie zu zwingen und damit am Ende als das, was sie sind, als prätentiös und unecht, als Transvestitentum zu entlarven. Das heißt, das System kann gar nicht anders, als auf längere Sicht den Anschein einer von ihm selbst gesponserten und ins Werk gesetzten medialen Sozialität und Kommunalität zu unterwandern und auszuhöhlen und also jene Suggestion von bürgerlicher Öffentlichkeit, jene Zusammenhang und Zusammenhalt prätendierende reflexive Sphäre, die in plakativer Verkehrung das konsumtiv Isolierende als das assoziativ Verbindende beziehungsweise das privativ Okkupierende als das kommunikativ Engagierende zur Schau stellt und deren Erzeugung der Staat ihm, dem System, zu untreuen Händen übergibt, seinem reklamatorischen Streben nach mehr Konsum zum Opfer zu bringen und zugrunde zu richten.
Mit ihrer Technik des interpretativen Verkehrens und Umwertens führt die mediale Veranstaltung vor, wie sich Objektbeziehungen, die durch den kapitalen Kommerz der Privation und Isolation verfallen, dieser ihrer disruptiven Dynamik entreißen und in einen quasi öffentlichen Raum überführen, sprich, resozialisieren lassen. Diesem Vorbild folgt die postmoderne Kunst mit ihrer staatlich finanzierten beziehungsweise geförderten Exhibitionspraxis. Freilich geht es ihr dabei, anders als der original medialen Reflexion, nicht um Öffentlichkeit, um sozialen Zusammenhang und kommunalen Zusammenhalt, sondern diesen Effekt der medialen Technik nimmt sie nur in Kauf, um ihre eigentliche, im Nachweis personaler Exklusivität und sozialer Distinktion bestehende Absicht zu erreichen.
Aber auch, wenn sich so historisch-praktisch der durchschlagende Erfolg, den die neue, nicht mehr auf die Verdrängung beziehungsweise Umfunktionierung systemfeindlich-segregativer Bestrebungen, sondern nurmehr auf die Verkehrung und Umdeutung systemspezifisch-disruptiver Tendenzen gerichtete mediale Reflexion erzielt, letztlich als ein Pyrrhussieg erweisen mag, systematisch-technisch zeugt er erst einmal von der Effektivität und Wandlungsmacht, die diese den disruptiv-asozialen Konsum in eine glamourös-integrative Show transfigurierende mediale Reflexion beweist und durch die sie sich der bei ihrem vermeintlich salvatorischen Sprung in den Kult des Originals hart auf dem Boden der verwertungsprozessual-kommerziellen Tatsachen gelandeten postmodernen Ästhetik als Problemlösung empfiehlt.
Denn es ist – um nach unserem längeren Exkurs in die Geschichte und die Funktionen der medialen Praxis endlich wieder zu unserem eigentlichen Thema, der Kunst und ihrer sozialen Aufgabe, zurückzukehren – genau diese von der medialen Reflexion unter konsumgesellschaftlichen Bedingungen bewiesene Fähigkeit, die isolierenden Elemente und privativen Objekte der reklamatorisch entfesselten Konsumsphäre in Zusammenhang stiftende und gemeinschaftsbildende Faktoren zu verkehren und umzudeuten, was das Problem der in den Originalitätskult geflüchteten und damit aber nur einem wie auch immer oligarchisch-elitären Konsum in die Falle gegangenen Kunstszene zu lösen verspricht.
Wie oben gezeigt, ist es ja das Problem der als postmodern definierten, der verwertungsprozessualen Realität selbst entnommenen und nämlich deren Reklamewelt durch Umfunktionierung beziehungsweise Ent- oder Dysfunktionalisierung abgewonnenen Ästhetik, dass sie zwar ihren als zur verwertungsprozessualen Realität alternative Wirklichkeit behaupteten Gegenstand als allen lebenspraktischen Bezugs entkleidetes und auf nichts als seine statusideologische Bedeutung reduziertes und deshalb nicht mehr an ein lebensweltliches Milieu und sozialständisches Ambiente ihrer Adressaten gebundenes, sondern jedermann zugängliches und frei verfügbares absolutes Objekt etabliert, dass aber eben das, was in quasi prästabilierter Harmonie die generelle Zugänglichkeit der Kunstwerke, sprich, die Demokratisierung der Kunst aus einer theoretischen Disposition zu einer praktischen Option werden lässt, nämlich die Fortschritte in ihrer technischen Reproduzierbarkeit, sich als ein trojanisches Pferd erweist, das in dem Maße, wie es die Kunstwerke zu kommerziell vertreibbaren Konsumgütern vervielfältigt, ihnen allen Anspruch auf eine dem verwertungsprozessualen Kontext entzogene und einer ganz eigenen Gesetzmäßigkeit, dem interesselosen Wohlgefallen, geweihte alternative Wirklichkeit verschlägt und sie in der verwertungsprozessualen Realität bruchlos sich eingliedernde Ausstattungsartikel und Schmuckelemente verwandelt.
Gegen solche per reproduktionstechnische Demokratisierung drohende verwertungsprozessuale Vereinnahmung der Kunst bieten nun die auf die Erhaltung jener ästhetisch alternativen Wirklichkeit und des personalen beziehungsweise sozialen Gewinns, den sie mit sich bringt, erpichten Kunstsinnigen, wie ebenfalls gezeigt, den Kult des Originals, des der Vervielfältigung trotzenden und nicht minder unvergleichlich-solitären als beziehungslos-absoluten Kunstobjekts auf – mit dem ernüchternden, um nicht zu sagen niederschlagenden Ergebnis freilich, dass die Konsumsphäre diesen Fluchtversuch durchkreuzt, indem sie die Demokratisierung der Kunst durch deren Oligarchisierung ersetzt, sprich, an die Stelle der reproduktionstechnischen Vereinnahmung der Kunstobjekte durch die prozessuale Wertschöpfung das vexierbildliche Komplement ihrer investitionspraktischen Verwandlung in kapitale Wertgegenstände treten lässt.
Und genau diese per Kunstmarkt durchgesetzte Pervertierung der original-alternativen Kunstkreationen in privativ-elitäre Wertanlagen ist es nun aber, wofür die mediale Reflexion postmodernen Zuschnitts ein Antidot oder Lösungsmittel bietet, weshalb der Kunstsinn sich beeilt, dem Vorbild der medialen Reflexion zu folgen und, zwecks Bewahrung des Kults des eine alternative Wirklichkeit manifestierenden solitären Originals vor seiner Profanisierung zum Tanz um ein nichts als obligaten Wert verkörperndes goldenes Kalb, eine der medialen Veranstaltung vergleichbare Einrichtung ins Werk zu setzen.
Was die mediale Reflexion postmoderner Provenienz beweist beziehungsweise lehrt, ist die Fähigkeit beziehungsweise Möglichkeit, Objekte unmittelbar isolierenden Charakters und Okkupationen eigentlich privativer Natur durch ihre simple spektakuläre Publikation und inflationäre Zurschaustellung dieser ihrer eindeutig isolierenden Natur und privativen Bewandtnis zu entziehen und in Gegenstände generellen Interesses, in Sammelpunkte kommunaler Zuwendung zu verkehren, sie auf Basis der Tatsache, dass es sich bei ihnen um eine in all ihrer Partikularität gemeinsame Gegebenheit, ein in all seiner Kontingenz verbindendes Schicksal handelt, dass mit anderen Worten alle von der Vereinzelung, die sie mit sich bringen, betroffen sind, jedermann an der Asozialität, die sie implizieren, krankt, in eine Zusammenhang und Zusammenhalt stiftende, ein Bewusstsein von Gemeinschaftlichkeit und Gefühl der Zusammengehörigkeit erzeugende, kurz, eine Art von bürgerlicher Öffentlichkeit ins Leben rufende Wirklichkeit umzudeuten.
Und diese von der medialen Reflexion gelehrte Technik beziehungsweise bewiesene Fertigkeit greift nun also der Kunstsinn auf, um seine im absoluten Kunstobjekt gewahrte ästhetische Wirklichkeit der konsumtiven Isolation und okkupativen Privation zu entreißen, vor der sie auch der Kult des Originals nicht zu bewahren vermag, weil dieser zwar ein Mittel gegen die mit der reproduktionstechnischen Demokratisierung der Kunst einhergehende Kommerzialisierung der Kunstobjekte, sprich, ihre durch die Verwandlung in Schmuckelemente und Ausstattungsgegenstände vollzogene Integration in die Konsumsphäre darstellt, nicht aber einen Schutz dagegen bietet, dass er seinerseits der Kommerzialisierung erliegt und nämlich einen um ihn kreisenden Kunstmarkt ins Leben ruft, sprich, den Teufel der reproduktionstechnisch-kommerziellen Demokratisierung mit dem Beelzebub der investitionspraktisch-elitären Oligarchisierung der Kunst austreibt.
Gegen die im Kult des Originals lauernde Gefahr eines oligarchischen Kunstmarkts, der die Kunstobjekte anders, aber nicht weniger effektiv, als die demokratische Reproduktionstechnik das tut, konsumtiver Isolation und okkupativer Privation ausliefert und damit ihres Anspruchs, eine zur verwertungsprozessualen Realität alternative Wirklichkeit zu verkörpern, beraubt, rekurriert der Kunstsinn also auf die postmodern-mediale Veranstaltung als auf eine Einrichtung, die vorführt, wie sich durch ostentative Zurschaustellung, durch demonstrative Veröffentlichung ein von konsumtiver Isolation und okkupativer Privation Heimgesuchtes dieser seiner Asozialität und Diskretheit entreißen und ebenso unvermittelt wie kurzerhand in etwas Kontinuierliches und Kommunales, Verbindendes und Gemeinschaftliches verkehren oder umdeuten lässt.
Dabei geht es dem Kunstsinn, wenn er sich so die mediale Reflexion zum Vorbild nimmt, eigentlich nur um dies Negative, dies Entreißen, dies Bewahren der Kunstobjekte vor der Heimsuchung durch den sie isolierenden und privatisierenden Kunstmarkt und nicht wie der medialen Veranstaltung um etwas Positives, sprich, um das dem Isolierten und Privativen durch seine Zurschaustellung vindizierte Moment von Sozialität und Kommunalität. Wenn der Kunstsinn das durch den Kunstmarkt konsumtiv Isolierte und privativ Okkupierte als der verwertungsprozessualen Realität und ihrer kommerziellen Vereinnahmung entrückte alternative Wirklichkeit wiederherstellen will, dann ja nicht, weil er dadurch sozialen Zusammenhang und kommunalen Zusammenhalt zu stiften beabsichtigt, sondern im Gegenteil, weil er das im neuzeitlichen Kontext seit jeher mit der Ästhetik verknüpfte Bedürfnis nach personaler Exklusivität und sozialer Distinktion befriedigen möchte. Nicht bürgerliche Öffentlichkeit, die Selbstwahrnehmung der Gesellschaft als Polis, ist das Ziel der vom Kunstsinn der medialen Reflexion abgeschauten Zurschaustellung und Inszenierung, durch die der gegen die reproduktionstechnische Kommerzialisierung der Kunstobjekte aufgebotene Kult des Originals davor bewahrt werden soll, zum Tempelbasar, zum Tanz ums Goldene Kalb zu verkommen, sondern bürgerliches Standesbewusstsein, die Selbstwahrnehmung des Einzelnen als sichselbstgleiche Person, als nicht in seiner verwertungsprozessualen Rolle aufgehende, einer alternativen Wirklichkeit verhaftete Persönlichkeit ist der Zweck der der medialen Präsentation nachgebildeten ästhetischen Exposition.
Zwar lässt sich dem ästhetisch zu befriedigenden Bedürfnis nach personaler Exklusivität und sozialer Distinktion unter den gegebenen Umständen des die Kunstobjekte mit konsumtiver Isolation und okkupativer Privation, kurz, mit ihrer Entstellung zu Wertanlagen bedrohenden Kunstmarkts und der gegen solche Bedrohung aufgebotenen quasimedialen Zurschaustellungstechnik oder Expositionsveranstaltung nur unter Inkaufnahme der mit der medialen Technik von Haus aus verknüpften Sozialisierungs- und Kommunalisierungsleistung, mit anderen Worten nur um den Preis Genüge tun, dass die bedürftigen Kunstsinnigen sich ihrer personalen Exklusivität im Verbund versichern und ihre soziale Distinktion gemeinschaftlich erleben. Aber was bei dieser der medialen Präsentation der Konsumgüter abgeschauten quasimedialen Exhibition der Kunstwerke an sozialem Zusammenhang und Zusammenhalt herauskommt, ist keine bürgerliche Öffentlichkeit, keine politische Dimension, deren Zweck eben die Suggestion beziehungsweise Simulation von sozialem Zusammenhang und kommunalem Zusammenhalt ist, sondern eine geschlossene Gesellschaft, eine ästhetische Motion, die dem persönlichen Selbstgefühl und der gesellschaftlichen Abgrenzung dient und ihren Zweck aber rebus sic stantibus nur unter der Bedingung erreichen kann, dass die Betreffenden sich mit ihresgleichen zusammenfinden und eine durch den Anblick der Kunstobjekte, die die Exposition aus marktgängigen Wertgegenständen in kultträchtige Schaubrote verwandelt, vorübergehend der verwertungsprozessualen Realität entrückte Gemeinde bilden.
Und auf den ersten Blick scheint jene als geschlossene Gesellschaft von der politischen bürgerlichen Öffentlichkeit unterschiedene ästhetische Gemeinde eigentlich auch gar nicht Folge beziehungsweise Implikation der der medialen Veranstaltung abgeschauten Zurschaustellungs- und Expositionstechnik zu sein, sondern vielmehr seit jeher fester Bestandteil, um nicht zu sagen, unabdingbare Voraussetzung des neuzeitlichen Kunstgenusses. Schließlich ist, wie gezeigt, dieser Kunstgenuss und das durch ihn befriedigte Bedürfnis nach Selbstgefühl und Standesdünkel traditionell geknüpft an und angewiesen auf die Zugehörigkeit zu einer zuerst durch ständisch-herrschaftliche Gewalt und später dann durch politisch-ökonomische Macht ausgezeichneten, sprich zuerst als aristokratisch-patrizisch und später dann als bourgeois-vermögend definierten sozialen Schicht beziehungsweise Klasse, deren Lebensform und Sozialverhalten regelmäßige Zusammenkünfte und Festlichkeiten, Audienzen, Empfänge, Bälle, Banketts, Diners, Soireen, Matineen einschließt, wobei den Rahmen der Empfangs- oder Gesellschaftssaal, der Salon bildet, in dem auch und uno actu mit ihren als festliche Vergesellschaftung zelebrierten Zusammenkünften diese aristokratische beziehungsweise bourgeoise Schicht dem Kunstgenuss frönt, sprich, im Spiegel der Kunstwerke, die der Künstler zuerst als Domestik und dann freischaffend für sie produziert und die im Salon ihren Platz finden, sich zuerst ihrer eigenen Lebenswelt und Lebensart und später dann der Lebenswelt und Lebensart, die der Künstler selbst ihnen genialisch, romantisch oder konstruktivistisch vor Augen stellt, als einer der verwertungsprozessualen Realität der bürgerlichen Gesellschaft enthobenen und zu ihr alternativen Wirklichkeit vergewissert, die ihnen, den an ihr Partizipierenden, ein ursprünglich als hedonistisches Wohlbehagen erlebtes und am Ende zum interesselosen Wohlgefallen sublimiertes Gefühl persönlicher Exklusivität und Bewusstsein gesellschaftlicher Distinktion vermittelt.
So gesehen, scheint jene als medial charakterisierte postmoderne Zurschaustellung und Exposition, die den gegen die reproduktionstechnische Kommerzialisierung des Kunstwerks zum innenarchitektonischen Schmuckelement aufgebotenen Kult des Originals davor bewahren soll, zum zwar gegen den normalen Konsum sich verwahrenden, aber deshalb nicht minder kommerziellen Tanz ums Goldene Kalb zu verkommen, in puncto des gemeindlichen Zusammenhangs beziehungsweise kommunalen Zusammenhalts, den sie zwischen den Kunstsinnigen stiftet, gar nicht eigentlich dem medialen Vorbild geschuldet, sondern durchaus nur Ergebnis einer dem neuzeitlichen Kunstgenuss eigenen Tradition und seit jeher gemäßen Konstitution. Und dafür scheint ja auch zu sprechen, dass in der Zeit des verbürgerlichten Kunstgenusses, im neunzehnten Jahrhundert also, jene schicht- oder klassenspezifisch geschlossene Gesellschaft die traditionelle Sphäre ihrer Zusammenkünfte, den Fest- oder Empfangssaal, den Salon, bereits nicht mehr nur als natürlichen Rahmen oder lebenspraktisches Milieu für ihre qua Kunstgenuss gepflegte Selbstbespiegelung nutzt, sondern explizit in den Dienst dieser mittlerweile ausschließlich aufs personale Selbstgefühl und soziale Statusbewusstsein zielenden Selbstvergewisserung stellt, ihn ausdrücklich als dem Kunstgenuss geweihten Ausstellungsraum oder Bildersaal definiert und realisiert und insofern das vorwegnimmt, was dann die der medialen Veranstaltung abgeschaute Zurschaustellung und Exposition der originalen Kunstwerke zelebriert. Und sie nimmt es offenbar bereits zu dem gleichen Zweck vorweg, nämlich in der Absicht, den Kunstgenuss breiteren bürgerlichen Schichten zugänglich zu machen, die sich, Kunstwerke persönlich in Auftrag zu geben und privatim zu erwerben, nicht leisten können und deshalb darauf angewiesen sind, dass ihnen betuchtere Standesgenossen sei's aus Geltungssucht und Renommisterei, sei's aus Menschenfreundlichkeit und Mäzenatentum den Zugang zu den Objekten ihrer ästhetischen Begierde eröffnen und hierfür den traditionellen Ort standesgemäßer beziehungsweise klassengebundener Zusammenkünfte, der unter anderem auch die Funktion ästhetischer Selbstvergewisserung erfüllt, sprich, den Salon als einen nunmehr pointiert und ausschließlich dieser Funktion zugeeigneten Raum zur Verfügung stellen.
So sehr indes der Kunstsalon und privater Initiative entspringende Ausstellungsraum des neunzehnten Jahrhunderts die der medialen Veranstaltung abgeschaute Exposition und Kunstschau, wie sie sich im zwanzigsten Jahrhundert etabliert, faktisch vorwegnehmen und also letztere sich aus ersterem empirisch herleiten mag, generisch und systematisch sind beide durch eine tiefe Kluft getrennt, jene Kluft, die der beschriebene Übergang des Kunstwerks von einem die alternative Wirklichkeit, für die es steht, relativ repräsentierenden zu einem sie absolut inkarnierenden Objekt aufreißt. Wie oben gezeigt, weist ja das der Reklame, dem Schein von alternativer Wirklichkeit, den in ihrer Absatznot die verwertungsprozessuale Realität selbst erzeugt, durch Umfunktionierung beziehungsweise Ent- oder Dysfunktionalisierung abgewonnene postmoderne Kunstwerk diesen unverwechselbaren Charakter auf, jeglicher lebensweltlicher Repräsentanz oder lebensartlicher Relevanz ledig zu sein und damit den die moderne Ästhetik ausmachenden Wechsel vom lebenspraktisch-materialen Bezug zur rein geltungsideologisch-sozialen Bedeutung des Kunstwerks überhaupt erst zu vollenden und der Kantischen Definition des modernen Kunstgenusses als interesselosen Wohlgefallens allererst ihren vollen Sinn zu verleihen. Das der Reklame entrissene postmoderne Kunstwerk ist absolutes Kunstobjekt in dem Sinne, dass es für seinen als interesseloses Wohlgefallen realisierten Genuss keinerlei realen Milieus oder sozialen Umfelds mehr bedarf, weil es die alternative Wirklichkeit, die es beschwört beziehungsweise bezeugt, nicht mehr wiedergibt und darstellt, sondern verkörpert und ist, sich nicht mehr auf sie stellvertretend oder repräsentativ bezieht, sondern sie höchstselbst zur Erscheinung bringt oder manifestiert.
Diese Absolution des postmodernen Kunstwerks von allen lebensweltlichen Bezügen und lebensartlichen Voraussetzungen und die dadurch ermöglichte, als Demokratisierung wahrgenommene Generalisierung des Kunstgenusses erweisen sich nun freilich insofern als kontraproduktiv, als eben das, was die nur erst bloße Möglichkeit der Demokratisierung einlösbar macht und Wirklichkeit werden lässt, die entwickelte Reproduktionstechnik nämlich, das Kunstobjekt der akuten Gefahr aussetzt, einer Kommerzialisierung zu verfallen, die es als einen in jedem Haushalt seinen Platz findenden Ausstattungsartikel vereinnahmt und damit die alternative Wirklichkeit, die es zu verkörpern beansprucht, in ein ebenso verschwindendes wie integrierendes Moment der Realität des kapitalen Verwertungsprozesses mutieren lässt. Der gegen diese Gefahr einer reproduktionstechnischen Kommerzialisierung des postmodern absoluten Kunstobjekts aufgebotene und sie zu bannen bestimmte Kult des Originals aber hält nicht, was er verspricht, weil er im unmittelbaren Gegensatz zur Kommerzialisierung der Kunst mittels Demokratisierung ihrer Kommerzialisierung durch Oligarchisierung Vorschub leistet, sprich, das Kunstwerk aus einem reproduktionstechnischen Konsumartikel in eine unikatfetischistische Wertanlage verwandelt und an die Stelle des Markts der Kunstreproduktionen den der Kunstauktionen treten lässt.
Was demnach die Hypostasierung des Kunstwerks zum aller lebensweltlichen Bezüge und lebensartlichen Voraussetzungen baren und die alternative Wirklichkeit, für die es steht, nicht mehr nur repräsentativ bedeutenden, sondern vielmehr leibhaftig seienden absoluten Objekt heraufbeschwört, ist die doppelte Gefahr einer vernichtenden Diskreditierung dieses absoluten Objekts und der von ihm verkörperten alternativen Wirklichkeit durch eine Kommerzialisierung, die entweder die Form einer haltlos reproduktionstechnischen Generalisierung, sprich, demokratischen Stereotypisierung des Objekts oder aber die Gestalt seiner investitionspraktischen Privatisierung, sprich, oligarchischen Fetischisierung annimmt, womit sich der dem Objekt geltende Kunstsinn in das kruzifikatorische und ihm als solchem den Garaus machende Dilemma gestürzt findet, es entweder als das Wohnmilieu verschönernden und die Lebensqualität erhöhenden Konsumartikel genießen zu müssen oder als das Portefeuille bereichernden und die Vermögenslage verbessernden Wertgegenstand goutieren zu können.
Was es braucht, um diesem Dilemma zu entrinnen, ist eine zwischen demokratischem Konsum und oligarchischer Wertanlage angesiedelte besondere Wahrnehmungsebene, ein als eine Art mittleres Allgemeines firmierender öffentlicher Erfahrungsraum, der den Schutz vor der Gefahr einer reproduktionstechnischen Stereotypisierung des Kunstobjekts, den der Kult des Originals gewährt, mit dem Schutz vor der Gefahr einer investitionspraktischen Fetischisierung des Kunstobjekts verknüpft, die der den Kult des Originals instrumentalisierende Kunstmarkt heraufbeschwört. Und diese das Kunstobjekt vor beiderlei Gefahren bewahrende besondere Wahrnehmungsebene, diese die demokratische Masse und die oligarchische Klasse zu einer Art von bürgerlicher Öffentlichkeit, einem mittleren Allgemeinen, wie man will, neutralisierende oder aufhebende Erfahrungssphäre – sie kann der traditionelle Salon nicht mehr bereitstellen, weil seine Wirksamkeit und Geltung die Repräsentativität des Kunstwerks, sprich, eine den Kunstsinnigen, die den Salon bevölkern, gemeinsame reelle oder zumindest konventionelle lebensweltliche Empirie und lebensartliche Praxis zur Voraussetzung hat und weil in der Konsequenz seiner Verabsolutierung zum Kunstobjekt, sprich, seiner Auslösung aus allem lebensweltlichen Bezug und aller lebensartlichen Bewandtnis, das Kunstwerk eben diese Voraussetzung ausgehebelt und außer Kraft gesetzt hat.
Den zwischen demokratischer Stereotypisierung und oligarchischer Privatisierung eine mittlere Ebene bildenden öffentlichen Erfahrungsraum liefert stattdessen nun das Vorbild der postmodern medialen Veranstaltung beziehungsweise der Staat, der jene vorbildlich mediale Veranstaltung etabliert, finanziert und organisiert. Der Staat ist es, der mittels der medialen Veranstaltung die von ihm gesetzte und kontrollierte bürgerliche Öffentlichkeit in die Lage versetzt, gegen die konsumtive Isolation und okkupative Privation, denen das verwertungsprozessuale System die Mitglieder der Gesellschaft unterwirft, das konsumtiv Isolierende und privativ Okkupierende dergestalt in ein gemeinschaftliches Ereignis und verbindendes Schauspiel zu verkehren und umzudeuten, dass beides effektiv dem Gegenteil dessen dient, was es objektiv bezweckt, und nämlich den Beteiligten das Gefühl sozialen Zusammenhangs und Bewusstsein kommunalen Zusammenhalts vermittelt. Und der Staat ist es, der diese generell auf die bürgerliche Öffentlichkeit gemünzte mediale Technik nun auch speziell auf die Gemeinde der Kunstsinnigen und ihr Dilemma anwendet und durch eine dem Schauspiel und Spektakel, das die Medien mit der Konsumsphäre veranstalten, nachgebildete Zurschaustellung und Exposition der vom Kunstmarkt vereinnahmten Kunstobjekte diese der in der Form investitionspraktischer Fetischisierung nicht weniger als in der Gestalt reproduktionstechnischer Stereotypisierung drohenden Gefahr ihrer Vereinnahmung durch die verwertungsprozessuale Realität entzieht und in ihrem Anspruch, eine alternative Wirklichkeit zu sein, reaffirmiert beziehungsweise rehabilitiert.
Der Staat, mit anderen Worten, ist es, der an die Stelle des bürgerlichen Salons die mit öffentlichen Mitteln subventionierte oder überhaupt finanzierte Exhibition, die öffentliche Ausstellung treten lässt und mit diesem zur ständigen Einrichtung erhobenen und dem traditionellen Museumsbetrieb, dem kulturellen Imponiergehabe des modernen Nationalstaats, als gleichermaßen Glanzlicht und Publikumsmagnet, als glamouröses Spektakel und infektiöse Attraktion aufgesetzten und durch seine Außerordentlichkeit oder Einzigartigkeit dem Kult des Originals, wie man will, Tribut zollenden oder gerecht werdenden Ereignis der durch die Verabsolutierung des Kunstobjekts aus dem Leim ihrer traditionellen standes- beziehungsweise klassenförmigen Verfassung gegangenen Gemeinde der Kunstsinnigen einen neuen und nämlich nicht mehr dem quasinaturalen Herkommen, sondern einer artefiziellen Setzung geschuldeten Rahmen oder Raum bietet, in dem sie sich dem Gegenstand ihres interesselosen Wohlgefallens, dem Mittel zur Befriedigung ihres Gefühls personaler Exklusivität und sozialer Distinktion, dem eine alternative Wirklichkeit nicht mehr bloß symbolisch repräsentierenden, sondern als solches manifestierenden Kunstobjekt gemeinschaftlich zuwenden, sich kommunal mit ihm beschäftigen kann, ohne erfahren zu müssen, dass der Preis für solche Zuwendung und Beschäftigung die Degradation des Kunstobjekts im Sinne sei's seiner Stereotypisierung zum Schmuckelement, sei's seiner Fetischisierung zum Wertträger, kurz, seine Kommerzialisierung in der einen oder anderen Form ist.
Anders, wohlgemerkt, als bei der medialen Veranstaltung und Inszenierung ist bei dieser ihr nachgebildeten ästhetischen Zurschaustellung und Exhibition die Gemeinschaftlichkeit des Wahrnehmens und Erlebens, der durch das Ereignis beschworene soziale Zusammenhang und kommunale Zusammenhalt nicht der angestrebte Zweck der Veranstaltung, sondern bloß eine für den Erfolg des Unternehmens in Kauf zu nehmende Bedingung. Anders als bei der medialen Veranstaltung geht es bei der sich jene zum Vorbild nehmenden ästhetischen Zurschaustellung nicht darum, den von konsumtiver Isolation und privativer Okkupation heimgesuchten Bürgern die Erfahrung solidarischen Zusammenlebens und kommunaler Zusammengehörigkeit zu vermitteln, sondern im Gegenteil darum, ihnen das Gefühl personaler Exklusivität und sozialer Distinktion zu erhalten, das ihnen in dem Maße verloren zu gehen droht, wie das, woran es sich festmacht und woraus es sich speist, das eine alternative Wirklichkeit verkörpernde ästhetische Objekt, in der einen oder anderen Form der Kommerzialisierung verfällt.
Insofern ist der postmoderne Rahmen, in dem sich der Kunstgenuss abspielt, die mit der Zurschaustellung und Exhibition einhergehende ostentative Öffentlichkeit oder demonstrative Gemeinschaftlichkeit, bloß, wie man will, eine Konzession oder ein Tribut an das mediale Vorbild, mit dessen Hilfe der Kunstgenuss sich aus der Schlinge der ihn zu vereiteln drohenden Kommerzialisierung rettet, und bleibt dem, was der Kunstgenuss eigentlich bezweckt, dem an der zur verwertungsprozessualen Realität alternativen Wirklichkeit, die das absolute Kunstwerk ist, sich befriedigenden Gefühl personaler Exklusivität und Bewusstsein sozialer Distinktion, ebenso gleichgültig wie äußerlich.
Weil die an der medialen Technik ein Vorbild sich nehmende ästhetische Zurschaustellung und Exhibition wie die mediale Reflexion selbst ihren Ausgang von Kunstobjekten nimmt, die bereits der Kommerzialisierung verfallen sind, gleicht ihre Bergungsaktion der der explizit auf die Konsumsphäre gerichteten medialen Veranstaltung. Was für die ästhetische Exhibition bloßes Mittel zum Zweck eines Exklusivitätsgefühls und Distinktionsbewusstseins sein soll, die durch die mediale Technik betriebene Sozialisierung und Kommunalisierung, wird auch für sie zum eigentlichen Zweck der Veranstaltung. Das angestrebte Exklusivitätsgefühl und Distinktionsbewusstsein begnügt sich mit der rein phänomenalen Differenz, in der das dem Kunstmarkt entrissene absolute Kunstobjekt gegenüber dem dem Supermarkt entnommenen normalen Konsumobjekt, aller funktionalen Identität zum Trotz, erscheint.
So einfach indes liegen die Dinge in Wahrheit nicht. Das mediale Vorbild, dessen sich der Kunstgenuss zu seinen Zwecken zu bedienen meint, erweist sich als weit einflussreicher und wirkmächtiger als gedacht. Jener soziale Zusammenhang und kommunale Zusammenhalt, dessen Reaffirmation beziehungsweise Kreation Zweck der medialen Veranstaltung ist und den die ästhetische Exhibition nur als äußerliche Bedingung oder unwesentliche Begleiterscheinung mit in den Kauf zu nehmen wähnt, kommt ja, wie gezeigt, durch eine regelrechte Verkehrung der gesellschaftlichen Realität, ihre kontrafaktische Umdeutung zustande. Eben das, was der Sache nach privativ isoliert, von Haus aus konsumtiv dissoziiert, wird dadurch, dass es ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt, spektakulär als jedermann angehende Eigenheit vorgeführt, als das Interesse aller verdienendes Exempel statuiert, kurz, als in ihrer Diskretheit verbindliche conditio humana, als in seiner Besonderheit allgemeines Schicksal präsentiert wird, ins Gegenteil seiner selbst verkehrt, in ein Vehikel sozialer Verknüpfung und kommunaler Solidarisierung umgedeutet.
Den dissoziativen Tendenzen der verwertungsprozessualen Realität, der konsumtiven Isolation und privativen Okkupation, denen jene Realität die Mitglieder der Gesellschaft in dem Maße ausliefert, wie sie sie als kommerzielle Agenzien zwangsrekrutiert, als bei Strafe des Zusammenbruchs des ganzen politisch-ökonomischen Systems zum Dienst verpflichtete Wertrealisierer in Anspruch nimmt – diesen dissoziativen Tendenzen begegnet die postmodern mediale Reflexion dadurch, dass sie das Dissoziative ins Mittel faszinierter Assoziation verkehrt, dass sie das, was konsumtiv isoliert, privativ okkupiert, als verbindendes Spektakel präsentiert, ins Zentrum des allgemeinen Interesses rückt.
Und diese Verkehrungspraxis bringt nun aber die der ästhetischen Exposition zum Vorbild dienende mediale Reflexion als ein ihr wesentliches, für sie konstitutives Element unabweislich mit in den Kauf, diese Umdeutungstechnik macht sich erstere, so gewiss sie sich letztere zum Vorbild nimmt, nolens volens ebenfalls zu eigen, womit sie ihre Perspektive und Intention einer klammheimlichen Revision unterzieht. Was der am reklameentsprungen absoluten Kunstobjekt sein interesseloses Wohlgefallen findende postmoderne Kunstsinn vorhat und anstrebt und wofür er sich die mediale Veranstaltung zum Vorbild nimmt, ist, das Kunstobjekt vor der Kommerzialisierung durch investitionspraktische Fetischisierung zu bewahren, der es der gegen seine Kommerzialisierung durch reproduktionstechnische Stereotypisierung aufgebotene Kult des Originals beziehungsweise der diesen Kult parasitär durchdringende und ausbeutende Kunstmarkt preiszugeben droht. Um nicht als oligarchisch-fetischistische Wertanlage zu enden, soll das Kunstobjekt durch staatlich vermittelte Zurschaustellung und Exhibition, sprich, dadurch, dass es öffentlich zugänglich, jedermann zum interesselos-wohlgefälligen Genuss verfügbar gemacht wird, als die der verwertungsprozessualen Realität entzogene alternative Wirklichkeit, die es verkörpert, gerettet werden und unversehrt erhalten bleiben.
Was die für die Rettungsaktion bemühte mediale Technik indes bietet, ist gemäß ihrer eigentlichen Aufgabe, konsumtiv Isolierendes in sozialen Kitt zu verkehren, privativ Dissoziierendes in assoziatives Erleben umzudeuten, nicht unversehrte Erhaltung, sondern höchstens und nur Rehabilitation und Wiederherstellung, kurz, nicht Bewahrung, sondern bloß Bergung. Nicht Gesunderhaltung, sondern Wiederbelebung ist Sache der postmodern medialen Reflexion und ihrer Technik. Nicht, dass das Kind in den Brunnen fällt und ertrinkt, verhindert die mediale Technik, sondern sie sorgt bloß dafür, dass dem Ertrunkenen neues Leben eingeflößt wird und er als spektakulärer Revenant die Menschen, indem er unverhofft in ihre Mitte tritt und sie fasziniert, zusammenzuführen und ihnen ein Gefühl der Gemeinsamkeit und Zusammengehörigkeit zu vermitteln imstande ist.
Insofern kann die der medialen Veranstaltung nachgebildete, staatlich finanzierte und organisierte und entsprechend groß angelegte und auf die Gesamtgesellschaft gemünzte ästhetische Zurschaustellung und Exhibition gar nicht anders, als ihren Ausgang von dem in den Brunnen gefallenen Kind, sprich, von jenem Wertgegenstand und Fetisch zu nehmen, zu dem der der Kommerzialisierung des absoluten Kunstobjekts durch reproduktionstechnische Stereotypisierung zu wehren gedachte Kult des Originals dies absolute Kunstobjekt in dem Maße versteinert, wie er es dem in seinem Tempel Raum greifenden und das Heft an sich reißenden Kunstmarkt ausliefert. Und insofern kann die der medialen Veranstaltung nachgebildete ästhetische Zurschaustellung und Exhibition auch gar nicht anders, als mit dem eine alternative Wirklichkeit zu verkörpern beanspruchenden Kunstobjekt, das sie seiner isolierenden und privatisierenden Vereinnahmung durch den Kunstmarkt entreißt und das sie dabei als Bestandteil der verwertungsprozessualen Realität, als kommerzielles Objekt, ebenso prinzipiell bestätigt und reaffirmiert wie in der Konsequenz ihres Tuns bestreitet und negiert, ganz genauso zu verfahren, wie das die mediale Veranstaltung selbst mit jedem normalen Konsumartikel oder Gebrauchsgegenstand tut – es nämlich mittels demonstrativer Veröffentlichung beziehungsweise spektakulärer Inszenierung zu verkehren und umzudeuten, sprich, in den Dienst eben des sozialen Zusammenhangs und kommunalen Zusammenhalts zu stellen, den es von Haus der ihm durch die verwertungsprozessuale Realität vindizierten isolierenden Funktion und privativen Wirkung aus dissoziiert und destruiert. So wahr die ästhetische Exhibition vor der im Prinzip gleichen Aufgabe steht wie die mediale Reflexion, von der sie geprägt ist, nämlich vor der Aufgabe, eine der Kommerzialisierung verfallene und den Mitgliedern der Gesellschaft zur konsumtiven Isolation und privativen Okkupation gereichende Objektivität solcher Isolation und Privatisierung zu entreißen, so wahr löst sie diese Aufgabe auf die gleiche Weise wie ihr mediales Vorbild, nämlich dadurch, dass sie das Isolierende und Privatisierende als jedermanns Sache und allgemeines Schicksal ins Rampenlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit rückt, zum Gegenstand des allgemeinen Interesses erklärt und so in ein das Gegenteil dessen, was es von Haus seiner kommerziellen Funktion aus bewirkt, erreichendes, sprich, sozialen Zusammenhang stiftendes Szenario und kommunalen Zusammenhalt beschwörendes Spektakel verkehrt und umdeutet.
Weit entfernt davon, dass im Falle des mittels ästhetischer Exhibition dem Kunstmarkt entzogenen und also vor der Kommerzialisierung geretteten Kunstobjekts der dadurch gestiftete soziale Zusammenhang und kommunale Zusammenhalt eine bloß äußere Bedingung oder konditionelle Begleiterscheinung der Rettungs- oder Bergungsaktion wäre, ist er vielmehr ebenso sehr das A und O, der Zweck nicht weniger als das Mittel der Veranstaltung, als dies bei der medialen Reflexion der Fall ist. Weit entfernt davon mit anderen Worten, dass das, was die ästhetische Exhibition dem Kunstmarkt und seiner die Mitglieder der Gesellschaft isolierenden und privatisierenden und also die Gesellschaft selbst dissoziierenden Kommerzialisierung entzieht, noch jene zur verwertungsprozessualen Realität alternative, sprich, substanziell von ihr verschiedene Wirklichkeit wäre, die das postmodern absolute Kunstobjekt zu verkörpern beansprucht, ist es vielmehr das strukturell Gleiche, das die mediale Reflexion der Kommerzialisierung überhaupt und dem Markt als Ganzem zu entwenden dient: ein der verwertungsprozessualen Realität zugehöriges und ihren dissoziativen Tendenzen Vorschub leistendes objektives Ereignis, dem durch szenische Umdeutung und spektakuläre Verkehrung eine assoziatives Verhalten provozierende und Gemeinschaftssinn befördernde mediale Bewandtnis vindiziert wird. So gewiss die ästhetische Exhibition nach dem Vorbild der medialen Reflexion verfährt und in deren Bahnen einer die dissoziativen Tendenzen und destruktiven Effekte der verwertungsprozessualen Realität in assoziative Motionen und attraktive Offerten überführenden und insofern zu heilen oder jedenfalls zu kompensieren geeigneten szenischen Umdeutung und spektakulären Verkehrung wandelt, so gewiss ist das, was sie der verwertungsprozessualen Realität entreißt und öffentlich zur Schau stellt, keine zu letzterer konträre und im Sinne der Emanzipation und Unabhängigkeit von ihr alternative Wirklichkeit, sondern bloß eine zu dem, was die mediale Veranstaltung aufbietet, um die verwertungsprozessuale Realität durch die verbindende Vergegenwärtigung und das gemeinschaftliche Erleben ihrer Zwänge und Zudringlichkeiten auf Distanz und lebbar zu erhalten, parallele und komplementäre Erscheinung.
Von der medialen Technik erfasst und bis ins Innerste disponiert, gleicht sich das ästhetisch exhibierte Kunstobjekt den von der medialen Veranstaltung prozessierten Konsumobjekten zum Verwechseln an und erfüllt die im Prinzip gleiche Aufgabe wie jene, nämlich in einer verwertungsprozessualen Realität, die mit ihren Objekten die gesellschaftszerstörend-dissoziativen Tendenzen konsumtiver Isolation und privativer Okkupation verfolgt, fürs Gegenteil, für so etwas wie sozialen Zusammenhang und kommunalen Zusammenhalt herzuhalten und also dort, wo das ökonomische System objektiv nichts als Isolation und Privation erzeugt, reflexiv, will heißen durch mediale Verkehrung und Umdeutung, eine Art von politischem Raum, von bürgerlicher Öffentlichkeit zu kreieren beziehungsweise zu inszenieren.
Anspruch darauf, eine alternative Wirklichkeit zu verkörpern, kann das dank der medialen Exhibitionstechnik, die es disponiert, in funktionaler Hinsicht jedem normalen Konsumartikel gleichgeschaltete Kunstobjekt einzig und allein noch unter phänomenalen Gesichtspunkten erheben – in Anbetracht dessen nämlich, dass es dank des Kults des Originals, der es vor der reproduktionstechnisch-stereotypen Verwertung retten soll und es im Zuge dieses Rettungsversuchs aber dem Kunstmarkt und dessen investitionspraktisch-fetischistischer Verwertung in die Hände spielt, in ein eigentümliches, von der Wertstellung des normalen Konsumartikels unterschiedenes Verhältnis zum Wert gerückt erscheint.
Weil es als Original, als in Raum und Zeit einmaliges und unwiederholbares Ding figuriert und insofern seiner Natur nach jenseits oder außerhalb des Systems des auf raumzeitliche Reproduzierbarkeit und Ersetzbarkeit bauenden Werts in Erscheinung tritt, kann letzterer sich des Kunstobjekts nur dadurch bemächtigen, es sich nur dadurch zu eigen machen, dass er sich unmittelbar in es versetzt, dass er, seine angeborene Gestaltlosigkeit nutzend, Mimikry treibt und kurzerhand in die Gestalt des Kunstobjekts überwechselt, sich in ihm als einem gestalteten Alterego seines gestaltlosen Selbstes manifestiert. Weil mit anderen Worten das zum Original deklarierte Kunstwerk kein unter seiner Ägide und Regie hervorgebrachtes Arbeitsprodukt, sondern ein ihm von außen zufallendes und fertig gegebenes Artefakt ist, kann der Wert nicht, wie er das bei seinen Erzeugnissen, den normalen Konsumartikeln, tut, sich darin als Produktionsbedingung oder teleologische Ursache geltend machen, sondern nur als Existenzbestimmung oder ontologisches Wesen zum Vorschein bringen.
Statt wie sonst durch die Objekte produktiv hindurchzugehen, sich in ihnen per Arbeit zu vermitteln, nistet sich hier der Wert umstandslos ins Objekt ein und behauptet sich durch es als unmittelbar solcher präsent, statt wie bei den normalen Konsumobjekten deren materiale Eigenschaften und sinnliche Qualitäten zu Vehikeln und Überträgern eines von ihm angestrengten und auf seine Sichselbstgleichheit zielenden Prozesses zu machen, belegt er beim Kunstobjekt die materialen Eigenschaften und sinnlichen Qualitäten als selbstverständlichen Ausdruck und keiner prozessualen Arbeitsleistung bedürftige Manifestation dieser seiner Sichselbstgleichheit mit Beschlag.
Das Kunstobjekt ist nicht wie die normalen Konsumobjekte Exemplar, in dem der Wert sich reproduziert und mit sich selbst vermittelt, sondern ein Unikat, dem er sich unmittelbar inkorporiert und das er zu seiner Epiphanie verklärt, ist mit anderen Worten nicht Werterscheinung, Wertartikel, sondern Wertgegenstand, Preziose. Weil das Kunstobjekt im buchstäblichen Sinne exotisch, ein von außerhalb der verwertungsprozessualen Realität in sie Eingeführtes ist, kann der Wert als Transzendental jener Realität es auch nicht wie die normalen Konsumobjekte von Grund auf bedingen und konsequent durchdringen, sondern er kann sich höchstens und nur als sein Dämon obsessiv in es versetzen, sich als Existenzial fetischistisch in ihm geltend machen.
In der Tat besteht eben darin das bereits vermerkte Fetischistische des kultisch zum Original erhobenen und aber vom Kunstmarkt vereinnahmten, kommerzialisierten Kunstobjekts, dass es zwar wie jedes normale Konsumobjekt menschlicher Arbeit entspringt, dass diese Arbeit aber außerhalb des vom Transzendental Wert beherrschten und durchwalteten Produktionssystems vonstatten geht und dass deshalb der Wert, wenn er sich des außerhalb seines Geltungsbereichs zustande gekommenen Produkts des Kunstschaffens bemächtigen und sich in ihm als Transzendental zur Geltung bringen will, dies nur in existenzieller Form tun kann, das heißt, nur insofern es ihm gelingt, die Genese des Kunstobjekts, seine Entstehung durch systemfremde menschliche Arbeit, kraft der Prätention eines in der Gestalt des Kunstobjekts epiphanische Geltung gewinnenden Wertes selbst, einer im Kunstobjekt Ereignis werdenden unvermittelt-expressiven Versinnlichung oder kreativ-spontanen Materialisierung des Wertseins als solchen zu verdrängen und vergesssen zu machen.
Und es ist diese bei aller funktionalen Identität phänomenale Besonderheit, die das absolute Kunstobjekt gegenüber dem normalen Konsumartikel behauptet, dieser sein aus Exotismus geborener Fetischismus, dieser dem Transzendental Wert durch seine Manifestationsform angehexte Hauch von Transzendenz oder eingeheimniste Moment unaufhebbarer Fremdbürtigkeit, woran nun die um die ästhetische Exhibition gescharte Gemeinde der Kunstsinnigen sich klammert und woran sie jenes über die materiale Begehrlichkeit und das sinnliche Genussinteresse, denen der Konsum dient, erhabene interesselose Wohlgefallen festmacht, dessen Lustprämie es selbst beziehungsweise das in ihm chiffrierte Gefühl personaler Exklusivität und sozialer Distinktion ist, auf das sich der moderne, allen lebenspraktischen Bezugs entkleidete und einer nurmehr statusideologischen Bedeutung überführte Kunstgenuss reduziert hat.
Können die Kunstsinnigen schon nicht verhindern, dass die mediale Technik, mittels deren sie es sich als der Vereinnahmung durch die verwertungsprozessuale Realität entzogenes zu bewahren suchen, das Kunstobjekt der gleichen, auf sozialen Zusammenhang und kommunalen Zusammenhalt gerichteten Funktionalität überführt, der sie im Rahmen der medialen Veranstaltung, deren eingeborene Methode sie bildet, jedes normale Konsumobjekt unterwirft, können die Kunstsinnigen also nicht vermeiden, dass die ästhetische Zurschaustellung und Exhibition in funktionaler Hinsicht zur medialen Präsentation und Inszenierung ein ganz und gar komplementäres Ereignis, eine regelrechte Parallelaktion bildet, so können sie doch immerhin noch geltend machen, dass das Mittel, das ihnen den als sozialer Zusammenhang und kommunaler Zusammenhalt ausgewiesenen Zweck der Veranstaltung zu erfüllen dient, eben jener Gegenstand, der exhibiert wird, das Kunstobjekt, sich von dem Gegenstand, der normalerweise die Funktion erfüllt, dem durch die mediale Reflexion inszenierten Konsumobjekt, hinlänglich unterscheidet beziehungsweise markant genug abhebt, um denen, die sich seiner statt des letzteren bedienen, das im Gefühl personaler Exklusivität bestehende subjektive Telos, um das es ihnen bei aller ihnen durch die mediale Technik vindizierten objektiven Teleologie zu tun ist, zu erhalten.
Zwar, den Anspruch, eine zur verwertungsprozessualen Realität alternative Wirklichkeit zu verkörpern, haben sie, die durch den investitionspraktischen Kunstmarkt, dem der sie vor der reproduktionstechnischen Verwertung zu bewahren gedachte Originalitätskult Bahn bricht, fetischistisch-unvermittelter Werthaftigkeit überführten und letzterer nur durch eine Exhibitionstechnik à la mediale Veranstaltung wieder entledigten Kunstobjekte ein für alle Mal eingebüßt. Statt eine zur verwertungsprozessualen Realität alternative beziehungsweise konträre Wirklichkeit zu verkörpern, stellen die exhibierten Kunstobjekte nurmehr den medial inszenierten Konsumobjekten parallele beziehungsweise komplementäre Erscheinungen dar, die sich zwar der verwertungsprozessualen Realität enthoben und von ihr freigesetzt präsentieren, die aber wie die medial inszenierten Konsumobjekte damit bloß die Funktion erfüllen, den dissoziativen Tendenzen und der destruktiven Dynamik der verwertungsprozessualen Realität selbst etwas gegenüber oder an die Seite zu stellen, das eine assoziative oder konstruktive Wirkung zu erzielen taugt, sprich, sozialen Zusammenhang oder kommunalen Zusammenhalt zu stärken oder gar zu stiften dient und das sich insofern als systemstabilisierender Faktor, als ex negativo seiner korrektiven Leistung in die verwertungsprozessuale Realität integriertes Element bewährt.
Aber dass die kraft medialer Exhibition ihrer Funktion nach in tragende Elemente der verwertungsprozessualen Realität verwandelten und insofern allen Anspruchs, eine zu letzterer alternative Wirklichkeit zu verkörpern, beraubten Kunstobjekte dank jener alternativen Wirklichkeit, die sie vormals verkörperten und die als fetischistische Aura, als ihre Werthaftigkeit, ihre transzendentale Bestimmtheit epiphanisch unmittelbar materialisierender Hauch von Transzendenz in ihnen überlebt oder, besser gesagt, reveniert, phänomenal differieren – das immerhin bleibt ihnen und zeichnet sie vor den normalen, dem kapitalen Verwertungsprozess ab ovo entsprungenen Konsumobjekten aus, und nichts weiter mehr als diese phänomenale Differenz gewährt beziehungsweise sichert den Kunstsinnigen noch jenes Gefühl personaler Exklusivität und Bewusstsein sozialer Distinktion, das seit Beginn der Neuzeit den geltungsideologischen Kern allen Kunstgenusses bildet, das in der entmaterialisierten oder, wenn man so will, abgespeckten Form interesselosen Wohlgefallens den Erben der aristokratisch-patrizischen Oberschicht, der Bourgeoisie, in die industrie- und konsumgesellschaftlich totalisierte verwertungsprozessuale Realität zu transferieren gelungen ist und das nun also in actu eines anlässlich der medialen Reaffirmation sozialen Zusammenhangs und kommunalen Zusammenhalts und im Blick auf die dafür tauglichen Mittel geltend gemachten Feinsinns, einer preziösen Präferenz, zu der sich im Prinzip jedes Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft verstehen und bekennen kann, überdauert.
Ob und wie lange freilich diese phänomenale Differenz, kraft deren das Kunstobjekt, aller funktionalen Gleichschaltung mit dem normalen Konsumobjekt zum Trotz, den Kunstsinnigen die Befriedigung des Gefühls personaler Exklusivität und sozialer Distinktion verspricht beziehungsweise gewährt, sich noch als solche zu behaupten und geltend zu machen vermag, ist sehr die Frage. Wie oben erwähnt, hat ja der Erfolg der medialen Reflexion und der von ihr in objectu der Konsumsphäre veranstalteten Inszenierung diese unverhoffte Konsequenz, dass sich der kapitale Verwertungsprozess davon inspirieren lässt und nun seinerseits mediale Techniken adaptiert und nutzt, um sich auf Touren zu bringen und seine wachsenden Um- und Absatzprobleme zu bewältigen. Eben das, was die zu Lasten des kapitalen Verwertungsprozesses gehenden gesellschaftlichen Gebrechen, die von der okkupativen Isolation und den privativen Obsessionen, kurz, den disruptiven Tendenzen, denen er Vorschub leistet, verschuldete Atomisierung und Asozialität heilen beziehungsweise kompensieren soll, eben das macht sich wiederum der kapitale Verwertungsprozess zunutze, um seinen jene gesellschaftlichen Gebrechen erzeugenden ökonomischen Aktivitäten aufzuhelfen und sie aus ihrer auch durch noch so viel Reklame kaum mehr zu meisternden Klemme zu befreien.
Erst einmal dadurch, dass er sich selber medialisiert und das konsumtive Procedere, den intendierten Kaufakt, hinter einer auf nichts als auf soziales Erleben und Miteinander, aufs Come together gemünzten Verkaufsschau kaschiert, und sodann dadurch, dass er in der Konsequenz des sukzessiven Rückzugs des finanziell überforderten Staats aus der Rolle des Finanzierers und Organisators der qua mediale Veranstaltung beschworenen bürgerlichen Öffentlichkeit sich in die mediale Veranstaltung einkauft und sie zum zentralen Forum seiner reklamatorischen Bemühungen macht, bemächtigt sich der kapitale Verwertungsprozess der medialen Technik und verwandelt das, was als sozialen Zusammenhang und kommunalen Zusammenhalt stiftende Veranstaltung primär gegen die dissoziativ-privativen und asozial-destruktiven Folgen seines Wirkens aufgeboten wird, in ein sekundäres Hilfsmittel eben dieses seines folgenreichen Wirkens.
Und der gleichen sekundären Vereinnahmung durch den kapitalen Verwertungsprozess, der gleichen als Kommerzialisierung erscheinenden Instrumentalisierung ist nun natürlich auch die der medialen Reflexion nacheifernde ästhetische Exhibition ausgesetzt. Wie mediale Veranstaltungstechniken in die Warenhäuser und Absatzmärkte Einzug halten und diese als soziale Treffs und kommunale Feste inszenieren, so dringen nun auch medial inspirierte Exhibitionstechniken in Bankhäuser, Arztpraxen oder Anwaltskanzleien vor und präsentieren sie als in actu ihrer Geschäftstätigkeit dem interesselosen Wohlgefallen geweihte Galerien, den Kunstsinnigen als Tempel des Schönen offen stehende Begegnungsstätten.
Und wie der kapitale Verwertungsprozess sich in die vom Staat aufgelassenen Medien einkauft und sie unter der Maske des wohltätigen Sponsors und gemeinsinnigen Förderers in einen Schauplatz und ein Aufmarschgelände seiner industriellen Produkte und kommerziellen Offerten umrüstet, so avanciert er auch in medias res des der staatlichen Finanzierung ermangelnden ästhetischen Ausstellungsbetriebs und verwandelt das interesselose Wohlgefallen ins trojanische Pferd seiner kommerziellen Kampagnen und konsumtiven Avancen.
Nicht dass die phänomenale Differenz, in der sich, aller funktionalen Identität zum Trotz, das quasimedial exhibierte Kunstobjekt gegenüber dem rein medial inszenierten Konsumobjekt behauptet, durch jenen letzten Triumph, den der kapitale Verwertungsprozess über alle – egal ob ästhetischen oder medialen – sozialen Kompensations- beziehungsweise kommunalen Reparationsbemühungen erringt – nicht also dass diese phänomenale Differenz, die das Kunstwerk trotz allem beansprucht und an die sich das Befriedigung suchende Gefühl personaler Exklusivität und Bewusstsein sozialer Distinktion der Kunstsinnigen klammert – nicht dass diese phänomenale Differenz durch jenen finalen Triumph des kapitalen Verwertungsprozesses abschließend getilgt und ein für allemal zum Verschwinden gebracht würde.
Jener phänomenale Unterschied, jener Hauch von Transzendenz, den das exhibierte Kunstobjekt bei aller funktionalen Vereinnahmung durch die verwertungsprozessuale Realität, bei aller medialen Problemlösungsrolle, die es für letztere übernimmt, noch bewahrt und an den sich die Kunstsinnigen zur Befriedigung ihres Gefühls personaler Exklusivität und sozialer Distinktion klammern – jener Hauch von Transzendenz also, durch den sich das absolute Kunstobjekt vom normalen Konsumobjekt unterscheidet, bleibt durchaus erhalten, aber er wechselt in der Konsequenz jener sekundären Inanspruchnahme der gegen die Gebrechen der verwertungsprozessualen Realität aufgebotenen medialen beziehungsweise ästhetischen Öffentlichkeit durch eben diese ihren Gebrechen zum Trotz sich zu behaupten entschlossene und zu diesem Zweck letzterer sich bedienende verwertungsprozessuale Realität kurz und bündig seine Bedeutung, seine Wertigkeit. Er wechselt das Vorzeichen und wird aus einer letzten Widerstandsbastion gegen die uneingeschränkte Herrschaft des Werts zu einem Kronzeugen seiner Allgegenwart und Allmacht, wird aus einem Atavismus, den die verwertungsprozessuale Realität als Schiboleth einer ursprünglich anderen Wirklichkeit hinnehmen und gelten lassen muss, zu einem Exotismus, den sie als Fanal ihrer durch keine heteronome Herkunft, kein fremdbürtiges Faktum mehr in Frage zu stellenden, unverbrüchlich gegebenen Identität anführen und sich leisten kann.
Indem es dem kapitalen Verwertungsprozess gelingt, nicht nur die um der Kompensation beziehungsweise Reparatur der Verheerungen, die er anrichtet, willen als Ausnahme von seiner Regel konzipierten medial-spektakulären Inszenierungen, sondern auch die deren Vorbild folgenden quasimedial-ästhetischen Exhibitionen sich im Nachhinein gefügig zu machen und ins Vehikel der Fortdauer jenes zerstörerischen Geschäftes umzumünzen, dessen Usancen beziehungsweise Effekten sie doch gerade entgegenwirken sollen, verschlägt die überwältigende Macht und Präsenz, die der kapitale Verwertungsprozess damit beweist, dem Kunstobjekt zwar nicht die phänomenale Differenz, in der es sich gegenüber dem normalen Konsumobjekt behauptet, aber es entfremdet sie ihm, macht sie ihm, wenn man so will, abspenstig und lässt sie aus einem vom Transzendental des Systems, vom Wert, der alternativen Wirklichkeit, der sie entspringt, unwillkürlich gezollten Tribut zu einer eben diesem Transzendental, das mit ihr nach Belieben umspringt, dargebrachten Huldigung, einem ad majorem gloriam pretii erbrachten Beweis seiner totalen Identität werden.
Der Hauch von Transzendenz, den das materiale Kunstobjekt kraft seiner heteronomen Herkunft gegenüber dem transzendentalen Wert noch geltend machte, wird in dem Maße, wie es dem transzendentalen Wert gelingt, das materiale Kunstobjekt seiner dem medialen Vorbild folgenden exhibitiven Entrückung zu entreißen und in eine Galionsfigur seines ganz normalen konsumtiven Treibens umzumünzen, zur krönenden Aura des demnach selbst noch das ihm Transzendente nicht etwa bloß mimetisch bannenden, sondern mehr noch strategisch verwendenden transzendentalen Wertes selbst. Aus dem Apotropäon, dessen sich der Demiurg dieser gegenwärtigen Welt, der Wert, nur durch Mimikry, durch unmittelbare Zueignung oder Identifikation mit ihm als eines Spoliums bemächtigen konnte, mutiert das nach dem Vorbild medialer Inszenierung zur Schau gestellte postmodern-absolute Kunstobjekt kraft seiner sekundären Aneignung, seiner per joint venture oder Sponsorentum betriebenen freundlichen Übernahme zu einer Trophäe, die sich jener transzendentale Herr der Moderne an die Brust heften und in deren Glanz oder vielmehr Glamour er eben wegen ihrer Fremdbürtigkeit und Exotik, die ihn doch keineswegs hindert, sich ihrer nach Bedarf zu bedienen, sprich, sie für sein normales konsumtives Geschäft nutzbar zu machen, sich sonnen und seiner unendlichen Immanenz versichert sein kann.