2. Rationalisierung und imperiale Ausbeutung


Weil der römische Ahnenkult nicht wie der griechische Wesenskult das Verhältnis zu den religiösen Mächten entmythologisiert, sondern es als im Prinzip ungebrochenes bloß rationalisiert, läuft die römische Pietas nicht wie die griechische Arete auf eine Sublimierung des aristokratischen Egoismus, sondern auf dessen regelrechte Konversion hinaus: Rationalisierung im Verstand eines zur Entmächtigung und Neutralisierung der religiösen Mächte dienlichen Kalküls zieht Rationalisierung im Sinne einer die eigene Motivation hinter dem Kalkül nurmehr als Antrieb zum Kalkül selbst realisierenden Selbsttäuschung nach sich.

Wesentlich anders liegen dagegen die Verhältnisse bei dem von der römischen Aristokratie als Mittel der Säkularisierung bemühten ahnenkultlichen Prinzip. Im Unterschied zum Rekurs aufs Wesen bedeutet nämlich der Rückgriff auf die Ahnen keine entmythologisierende Entwirklichung und Disqualifizierung der Götterherrschaft und ihrer Opfermacht, sondern zielt auf nichts weiter als auf deren rationalisierende Entmächtigung und Neutralisierung. Weit entfernt davon, mit ihrem ahnenkultlichen Prinzip den götterweltlich-sakralen Rahmen zu sprengen und die opferkultlich-rituellen Verpflichtungen aufzukündigen, rührt die römische Aristokratie vielmehr gar nicht an jene Bedingungen und Verpflichtungen, lässt sie unangefochten gelten und beschränkt sich darauf, den Adressaten und Begünstigten ihrer unverändert sakralen Verbindlichkeiten und Leistungen zu wechseln, gegen die eine Macht, die überirdischen Götter, die andere, die unterirdischen Ahnen, auszuspielen und durch die Ansprüche der letzteren die Forderungen der ersteren außer Kraft zu setzen und unwirksam werden zu lassen. Von einer Säkularisierung des ihr gegebenen territorialherrschaftlichen Reichtums kann an diesem Punkt der mithilfe des ahnenkultlichen Prinzips von ihr durchgesetzten Entmächtigung und Neutralisierung der theokratischen Herrschaft demnach noch gar keine Rede sein: So gewiss sie auf dem Boden der traditionellen religiösen Systeme und herrschenden sakralen Mächte bleibt und deren Postulate und Prozeduren ihrem dogmatischen Gehalt beziehungsweise ihrer rituellen Geltung nach gar nicht bestreitet, so gewiss beschränkt sich ihr Tun darauf, den religiösen Zuständigkeitsbereich zu wechseln und den Teufel mit Beelzebub zu vertreiben, sprich, den theokratischen Opferkult durch einen katabolischen Totenkult aus dem Feld zu schlagen.

Wenn es dennoch zu einer so zu nennenden Säkularisierung des territorialherrschaftlichen Reichtums der Aristokratie kommt, dann nur deshalb, weil diese, wie zum einen den Ahnenkult gegen den Götterdienst, so zum anderen nun die Götterherrschaft gegen den Machtanspruch der Ahnen ausspielt und unter Hinweis auf die gefährdete innerweltliche Situation oder prekäre politisch-strategische Positionierung der letzteren, sprich, unter Berufung auf die Tatsache, dass sie, die Ahnen, beziehungsweise die ihren Kult pflegenden aristokratischen Geschlechter sich in einer Welt von Feinden, einer aus theokratisch-territorialherrschaftlichen Gegnern und aristokratisch-stadtstaatlichen Konkurrenten gemischten Welt, einzig und allein auf der Basis des als die Urbs Romana ihnen ebenso sehr Heimat bedeutenden wie Freiraum gewährenden städtischen Handelszentrums und bürgerlichen Gemeinwesens zu behaupten vermögen – weil also die römische Aristokratie mit Rücksicht auf diese religionspolitische oder kultstrategische Sachlage die Hege und Pflege der qua Urbs Romana den Ahnen Bestand garantierenden irdischen Kultstätte, die Versorgung und Förderung jener diesseitigen Einrichtung und innerweltlichen Gemeinschaft, mit der alle ahnenkultlichen Bemühungen stehen und fallen, zum Leitmotiv der aristokratischen Lebensführung, zum vordringlichen Zweck zumal des Umgangs der Aristokraten mit ihrem territorialherrschaftlichen Reichtum erklärt, zu einem Zweck, der Vorrang auch und sogar vor den unterirdisch-katabolischen Reichtumstransferpflichten gegenüber den Ahnen genießt und jene bis auf weiteres storniert beziehungsweise ad calendas romanas ersetzt und der insofern nicht etwa im Wett- oder gar Widerstreit mit der den Ahnen geschuldeten Devotion und Hingabe liegt, sondern, rebus sic stantibus, diese im Gegenteil als Pietas, als dem Sitz der Ahnen, der diesseitig-irdischen Repräsentanz der jenseitig-chthonischen Mächte, bewiesene Fürsorge und fromme Aufopferung erfüllt und einlöst.

Auf solche Weise also entmächtigt und neutralisiert die Aristokratie nicht nur die eine, der Säkularisierung ihres territorialherrschaftlichen Reichtums und seiner diesseitig-freien Verfügung entgegenstehende Macht, die Opfer fordernden überirdischen Götter, sondern auch die andere, zwar von den Forderungen der Götter dispensierende, aber nun ihrerseits der Säkularisierung des Reichtums im Wege stehende Macht, die nach materialer Zuwendung verlangenden unterirdischen Ahnen, und weist damit in der Tat ihre Strategie als stricto sensu rationalisierendes Verfahren aus. Ohne Götter und Ahnen als sakrale Mächte in Frage zu stellen, sprich, sie in ihrer dogmatischen Verbindlichkeit und rituellen Geltung anzugreifen, und ohne demnach die durch sie definierte Realität und stipulierte Ordnung im mindesten zu transzendieren, macht die Aristokratie diese Mächte ihrem dezidierten Zweck einer im säkularen Rahmen der Stadt praktizierten freien Verfügung über ihren territorialherrschaftlichen Reichtum einfach dadurch gefügig, dass sie sie gegeneinander in Anschlag bringt und einem durch die wechselseitige Relativierung automatisch inaugurierten Vergleichsverfahren unterwirft, sie dazu zwingt, ihre Ansprüche und Einwirkungsmöglichkeiten gegeneinander abzuwägen und miteinander abzustimmen, sich jeweils hinter der einen Macht versteckt, um unter Berufung auf deren Konditionen die andere Macht zu vertraglichen Konzessionen beziehungsweise einvernehmlichen Arrangements zu nötigen.

Ohne dass die sakralen Mächte wissen, wie ihnen geschieht, und einfach dadurch, dass sie gezwungen sind, sich systematisch miteinander abzufinden und aufeinander einzustellen, verlieren sie ihre maßgebende Gewalt über die Aristokratie und ihren prägenden Einfluss auf deren Verhalten und verwandeln sich dank der Rücksicht, die sie auf den obligaten Dritten im Bund, die im Verhältnis eine kriterielle Rolle spielende jeweils andere Macht und deren Ansprüche nehmen müssen, in manipulierbare, durch wechselseitige Stipulationen in Schranken zu weisende Größen, die von Rechts wegen oder vertragshalber gar nicht anders können, als der Aristokratie ihren in solchen Stipulationen verklausulierten Willen zu lassen beziehungsweise ihr mittels systematischer Fassung oder förmlicher Zusammenfassung aller sakralen Ansprüche heimlich artikuliertes Interesse zu konzedieren.

Dabei ist der die Macht der urbanen Ahnen regulierende Einfluss, der von der außerhalb des städtischen Gemeinwesens fortbestehenden territorialen Macht der Götter ausgeht, für die Durchsetzung des auf freie Verfügung über den territorialherrschaftlichen Reichtum und auf dessen eigennützigen Gebrauch zielenden Interesses der Aristokratie in der Tat nicht weniger entscheidend als die von der Macht der Götter dispensierende Intervention der innerhalb des städtischen Gemeinwesens zur Geltung gebrachten Ahnenmacht. Wie sich letzteres, die Dispensation von den opferkultlichen Forderungen der Götter durch Rekurs auf die Ahnen und ihre Ansprüche als die Bedingung der Möglichkeit der Säkularisierung des aristokratischen Reichtums darstellt, so erweist sich ersteres, die Regulierung der ahnenkultlichen Ansprüche mittels Konzentration der Aristokratie auf die Erhaltung und Förderung der als die Urbs Romana durch die Götterherrschaft allzeit bedrohten diesseitigen Hochburg und oberirdischen Kultstätte als die Bedingung der Wirklichkeit jener Säkularisierung. Nur dadurch, dass sich die Aristokratie unter dem Eindruck der inmitten territorialherrschaftlicher Theokratien und stadtstaatlicher Konkurrenten prekären Stellung ihrer handelsstädtischen Stiftung legitimiert findet, ihren den Ahnen, den kultischen Befreiern von der kultischen Herrschaft der Götter, geschuldeten territorialherrschaftlichen Reichtum in den Dienst der als Kultstätte der Ahnen wohlverstandenen Urbs Romana zu stellen, ihn dem als Kultgemeinschaft für die Gegenwart und den Fortbestand der Ahnen grundlegenden römischen Gemeinwesen zuzuwenden, gelingt es ihr überhaupt, den Reichtum der ihm durch den eignerschaftlichen Wechsel von den Göttern zu den Ahnen an sich bestimmten totenkultlichen Katabole zu entziehen und ihm seine in der irdischen Sphäre verhaltene Verwendung zu sichern, ihn der Gemeinschaft der Lebenden und ihren diesseitigen Interessen verfügbar zu machen, kurz, ihn so zu sakrifizieren, dass die Sakrifizierung einer Säkularisierung gleichkommt.

Was aber, wenn die Aristokratie ihren Reichtum, um ihn zu säkularisieren, ihn nicht bloß mittels Ahnen dem göttlichen Opferkult, sondern ebenso sehr auch der von den Ahnen selbst her drohenden totenkultlichen Katabole zu entreißen, in den Dienst des zur irdischen Kultstätte der Ahnen erklärten städtischen Gemeinwesens stellt, zur Unterstützung und Stärkung der als Kultgemeinde der Ahnen deren Stellung im Diesseits haltenden römischen Bürgerschaft verwendet – was tut sie dann anderes, als ihren Reichtum gemeinnützig einzusetzen, ihn, allgemeiner gefasst, sozialverträglich zu gebrauchen? In der Tat ist es die in der Haltung der Pietas, einer Devotion gegenüber den Ahnen, die sich unmittelbar in Sorge um und Leistungen für deren Heimstatt und Kultort übersetzt, bezeugte Besonderheit der von der römischen Aristokratie zwecks diesseitig-freier Verfügung über ihren Reichtum betriebenen Säkularisierung, dass sie, anders als die Säkularisierung, die kraft Wesenskult, kraft der Arete eines der Scheinwelt der Götter enthobenen seinserfüllten Selbst, der griechische Aristokrat durchsetzt, die gemeinnützige Verwendung des säkularisierten Reichtums quasi automatisch einschließt, die sozialverträgliche Bestimmtheit der freien Verfügung als untrennbar integrierendes Moment enthält.

Während beim griechischen Wesenskult die Säkularisierung des territorialherrschaftlich-aristokratischen Reichtums und die dadurch gewährte egoistisch-freie Verfügung über ihn rein nur das Werk des entmythologisierenden Wesens ist und die sozialverträgliche Gestaltung der freien Verfügung sich als mit der Peitsche des Widerspruchs zwischen weltlichem Egoismus und außerweltlichem Wesen und dem Zuckerbrot einer qua Ruhmsucht sublimen Befriedigung des Egoismus operierendes Korrektiv, als nachträglicher Eingriff zur Geltung bringen muss, ist beim römischen Ahnenkult die Säkularisierung mitsamt der freien Verfügung, die sie gewährt, Sache eines rationalisierenden Umgangs mit den unangefochten herrschenden religiösen Mächten, einer systematisch-formalistischen Manipulation der empirisch-inhaltlich über alle Kritik erhabenen Ahnen und Götter, und erweist sich der sozialverträgliche Charakter der freien Verfügung als Konstitutiv, als conditio sine qua non eben dieser durch rationalisierenden Umgang mit den religiösen Mächten erwirkten Säkularisierung selbst.

Während mit anderen Worten bei der Säkularisierung kraft Wesenskult die freie Verfügung des Aristokraten über seinen Reichtum praktisches fait accompli ist, weil das Wesen die opferkultliche Hypothek auf dem Reichtum löscht, ohne sie durch einen eigenen Anspruch zu ersetzen, und während deshalb dort der Egoismus dieser freien Verfügung sozialverträglich nur durch nachträgliche Ausschlachtung des theoretischen Widerspruchs gewendet werden kann, in dem sich der Egoismus zur Weltenthobenheit und Indifferenz des Vehikels seiner Durchsetzung, eben des Wesens, befindet, ist bei der Säkularisierung mittels Ahnenkult die freie Verfügung über den Reichtum praktisch noch gar nicht gegeben, weil die Ahnen die opferkultliche Hypothek auf dem Reichtum nur aufheben, um sie durch eigene, totenkultliche Belastungen zu ersetzen, und erweist sich die qua Säkularisierung angestrebte aristokratisch freie Verfügung über den Reichtum als praktikabel überhaupt nur unter der Bedingung einer durch die äußeren Verhältnisse des Gemeinwesens gerechtfertigten Modifizierung des Ahnenkults selbst und Verlagerung seines sakralen Zentrums von der unterirdischen Grabstätte und chthonischen Sippschaft auf die oberirdische Kultstätte und städtische Gemeinschaft, zeigt sich mithin der Egoismus der freien Verfügung in actu der Säkularisierung oder in praxi jeden profanen Umgangs mit dem Reichtum in sozialverträgliches Verhalten umgeschlagen.

Aus Sicht der bürgerlichen Gemeinschaft kein schlechtes Ergebnis! In der Tat ein Ergebnis, das dem ahnenkultlichen Kalkül der römischen Aristokratie, ihrer rationalisierenden Pietas, dem berechnenden Verstand, mit dem sie die sakrale Macht, ohne sie inhaltlich anzugreifen, förmlich manipuliert, um sie in den Garanten des säkularen Interesses zu verwandeln, das Zeugnis ausstellt, das im Blick auf den Zweck der Veranstaltung, die Integration territorialherrschaftlich-opferkultlichen Reichtums in den handelsstädtisch-austauschsystematischen Kontext, überlegene Verfahren zu sein – überlegen jedenfalls dem wesenskultlichen Verdikt der griechischen Aristokratie, ihrem entmythologisierenden Selbstbezug, der urteilenden Vernunft, kraft deren sie die sakrale Macht als solche destruiert, um sie durch das säkulare Interesse zu ersetzen.

So gewiss das rationalisierende Kalkül, das die religiösen Mächte in den Dienst der Säkularisierung zwingt, ohne ihre Herrschaft in Frage zu stellen, nur unter der Bedingung aufgeht, dass die mittels Säkularisierung angestrebte eigennützige Entfaltung des aristokratischen Individuums im städtischen Milieu den Charakter einer gemeinnützigen Entfaltung des städtischen Milieus durch das aristokratische Individuum annimmt, und so gewiss sich also dort Sozialverträglichkeit als konstitutives Moment der Säkularisierung des aristokratischen Reichtums herausstellt, so gewiss ist aus Sicht der Gemeinschaft dies rationalisierende Kalkül, das dem römischen Ahnenkult zugrunde liegt, dem entmythologisierenden Verdikt vorzuziehen, das der griechische Wesenskult über die Götterwelt zu fällen und kraft dessen er die Welt gegen alle Göttermacht zu säkularisieren erlaubt, und das aber mit solch durchschlagend erfolgreicher Säkularisierung so selbstverständlich und ausschließlich dem aristokratischen Eigennutz Vorschub leistet, dass nun die Gemeinschaft alle Hände voll zu tun hat, durch das Korrektiv einer Problematisierung des aristokratischen Rechts auf die säkulare Haltung und durch das gleichzeitige Inzentiv einer dem Eigennutz qua Ruhmsucht eröffneten neuen Entfaltungsmöglichkeit dem letzteren die sozialkonfliktträchtige Spitze abzubrechen und ihn in sozialverträgliche Bahnen zu lenken, sprich, ihm liturgische Gemeinnützigkeit zur zweiten Natur werden zu lassen.

Und die städtische Gemeinschaft, die kommerziell verfasste Bürgerschaft, hat um so mehr Grund, dem römischen Modell einer ab ovo oder von Haus aus sozialverträglich gestalteten Säkularisierung des von der Aristokratie in die Stadt gebrachten territorialherrschaftlich-opferkultlichen Reichtums den Vorzug vor dem griechischen Säkularisierungsmodell zu geben, als die konstitutive Bedeutung, die hier das Moment der Sozialverträglichkeit beziehungsweise Gemeinnützigkeit der Reichtumsverwendung für das Gelingen der Säkularisierung besitzt, ja auch in Anbetracht der ursprünglichen Motivation des Aristokraten, seines Strebens nämlich nach egoistisch-freier Verfügung über den Reichtum, sprich, in Anbetracht der inneren Haltung oder begleitenden Reflexion, die über die äußere Konditionierung hinaus den aristokratischen Umgang mit dem Reichtum disponiert, Auswirkungen hat, die den Effekt des griechischen Modells weit übertreffen. Wenn als Korrektiv für die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über den territorialherrschaftlich-opferkultlichen Reichtum, die dem griechischen Aristokraten die wesensmächtige Säkularisierung verleiht, die Rücksicht auf die Gemeinschaft ins Spiel gebracht wird, so führt das, wie gesehen, dazu, dass sich der unmittelbare aristokratische Egoismus einer Revision und Modifizierung unterzogen findet: Indem die freie Verfügung über den Reichtum von ihrer öffentlichen Anerkennung abhängig gemacht und diese wiederum an den qua Liturgie erbrachten Nachweis gemeinnütziger Leistungen gebunden wird, zeigt sich der konfliktträchtig-asoziale Egoismus der aristokratischen Reichtumsbesitzer zur sozialverträglichen und nämlich im Dienste der Gemeinschaft wetteifernden Ruhmsucht sublimiert.

Der ahnenvermittelte Säkularisierungsprozess der römischen Aristokratie dagegen, dem die Rücksicht auf die Gemeinschaft nicht bloß als Korrektiv angefügt wird, sondern als Konstitutiv eingegliedert ist, beschränkt sich nicht auf die Sublimierung des aristokratischen Egoismus, sondern resultiert in dessen regelrechter Konversion. Tatsächlich zeigt sich hier die eigentümliche Dialektik der nach römischem Muster die religiösen Mächte nicht entmythologisierenden, sondern bloß rationalisierenden, sprich, in ihren inhaltlichen Ansprüchen unangetastet lassenden und mit ausschließlich formallogischen Mitteln und verfahrenstechnischen Tricks dem eigenen Interesse gefügig machenden Vorgehensweise. Zwar gelingt es auf diesem Wege, die sakralen Mächte zu entmächtigen und zu neutralisieren und das ihren Ansprüchen eigentlich widerstreitende eigene Interesse als eine von ihnen nicht etwa nur tolerierte, sondern vielmehr in aller Form stipulierte Gerechtsame durchzusetzen, aber der Preis, der für diese formelle Fügsamkeit der Götter und Ahnen bezahlt werden muss, ist Rationalisierung im anderen und zweiten Sinne des Wortes, nämlich eine unter der Hand des Prozesses sich vollziehende Konversion des eigenen Interesses in eine den inhaltlichen Ansprüchen der Mächte topisch-systematisch angepasste Absicht und Intention.

So gewiss diese Form der Säkularisierung die sakralen Mächte, die sie mit formalen Mitteln und prozessualen Mechanismen in ihrem Geltungsbereich und ihrer Sanktionskompetenz einzuschränken versteht, ihrem dogmatischen Inhalt und ihrer rituellen Tradition nach respektiert und hochhält, so gewiss hat dieser inhaltlich-traditionelle Respekt, den sie den sakralen Mächten zollt, zur Folge, dass sich das egoistische Motiv, dem die Säkularisierung dient, unter der Hand und quasi hinter dem eigenen Rücken in einen mit dem dogmatischen Kontext und den rituellen Vorgaben jener Mächte vereinbaren Imperativ überführt und gewandelt zeigt. Dank des konfliktvermeidend-adaptionsbereiten Weges, den das Säkularisierungsstreben der römischen Aristokratie einschlägt, dank der die inhaltlichen Widersprüche, die konfligierenden Ansprüche der sakralen Mächte, die ihm entgegenstehen, nicht konfrontierenden, sondern bloß durch topische Abgrenzungen und systematische Rücksichten neutralisierenden Methode, die es verfolgt, stellt sich am Ende der ursprünglich egoistische Elan, dessen Durchsetzung das Streben dient, als das schiere Gegenteil seiner selbst, als ein jenen Mächten genehmer, weil haargenau in den Freiraum, den ihr Arrangement – das Schach, das sie sich gegenseitig bieten – ihm eröffnet, eingepasster kommunaler Geist heraus. Was sich vom egoistischen Elan durchsetzt beziehungsweise was von ihm bleibt, ist nurmehr die abstrakte Energie des Individuums, deren Entfaltungsraum oder Betätigungsfeld und deren durch die Entfaltung oder Betätigung spezifiziertes Projekt und qualifizierter Charakter vollständig durch die mittels Säkularisierung ebenso sehr als Seinsbedingungen eingesetzten wie als Wirkkräfte aufgehobenen, ebenso sehr als definitive Faktoren etablierten wie als impulsive Vektoren depotenzierten sakralen Mächte determiniert erscheinen.

So völlig zeigt sich dieser egoistische Elan inhaltlich angepasst an oder topisch-systematisch eingestellt auf eben die sakralen Mächte, über die er der Form nach triumphiert oder die er technisch-juridisch in ihre Schranken weist, dass er am Ende sich selbst nicht mehr wiedererkennt, dass er die Maske und Camouflage, die ihm sein kompromittierend-diplomatischer Verkehr und konziliant-manipulativer Umgang mit jenen Mächten oktroyiert, schließlich für sein wahres Gesicht, seine persönliche Identität erkennt, dass also der Preis, den er für seine rationalisierende, die Mächte nicht konfrontierende und als solche widerlegende, sondern nur gegeneinander ausspielende und kraft Arrangement neutralisierende Vorgehensweise zahlt, seine eigene Rationalisierung ist – die unter dem Druck der Machtverhältnisse vollzogene Eskamotage seiner ursprünglichen Motivation und deren paradoxe Bewahrung in der Gestalt eines ihm durch die fremden Mächte oktroyierten gegenläufigen Beweggrunds.

Weit entfernt davon, wie im Falle der griechischen Aristokratie durch einen der Säkularisierung angefügten Sozialverträglichkeitsbeweis bloß revidiert und modifiziert, sprich, in seiner ursprünglichen Ratio, seiner Identität, gelten gelassen und aber den ihn einschränkenden profan-äußeren Bedingungen, den Forderungen seines städtischen Milieus intentional angepasst, eben sublimiert, zu werden, findet sich bei der römischen Aristokratie der egoistische Elan durch die der Säkularisierung als konstitutiver Bestandteil eingegliederte Sozialverträglichkeitskomponente regelrecht mutiert und umfunktioniert, das heißt, er findet sich durch die ihn konditionierende sakral-innere Gegebenheit der ahnenkultlichen Ansprüche in seiner ursprünglichen Ratio, seiner Identität, radikal durchkreuzt oder grundlegend widerlegt und deshalb genötigt, sich diese seine Identität in der charakterologisch veränderten Gestalt einer durch den eklatanten Widerspruch jener ahnenkultlichen Ansprüche hindurchgegangenen, von ihrem unüberwindlichen Widerstand durchdrungenen und dabei ebenso sehr sich abstrakt-energetisch treu gebliebenen wie konkret-motivational entfremdeten, kurz, konvertierten Bestrebung neu vindizieren zu lassen.

So fragwürdig diese Mutation und Umfunktionierung des auf Säkularisierung dringenden egoistischen Elans der römischen Aristokratie, die sich keineswegs in dessen Sublimierung, in einer Modifizierung seiner ansonsten mit sich identisch bleibenden Intention erschöpft, sondern auf eine förmliche Konversion seines Charakters, auf eine im Interesse der Erhaltung des Elans als solchen akzeptierte Preisgabe seines ursprünglichen Motivs und Ersetzung dieses Motivs durch einen dem Elan von dem, was ihn negiert, diktierten gegenläufigen Beweggrund, sprich, auf eine irrationale Verknüpfung von initiatorischem Movens und kontradiktorischem Motiv, eben eine Rationalisierung, hinausläuft – so fragwürdig also diese charakterprägende coincidentia oppositorum von Egoismus und Gemeinsinn für die Betroffenen selbst, ihre Triebnatur, ihr reflexives Verhältnis, ihre Persönlichkeit auch sein mag, für die Gemeinschaft, der die Betroffenen dienen, das Gemeinwesen, in dem sie wirken, stellt solch charakterprägende Koinzidenz kein übles Ergebnis dar.

Was der Gemeinsinn der römischen Aristokratie, der Ausdruck nicht einer sich bei Strafe ihrer öffentlichen Diskreditierung sublimierenden, sozialen Bedingungen rational anpassenden, sondern vielmehr einer unter der Drohung ihrer persönlichen Disqualifizierung konvertierenden, sich mit sakralen Konditionen identifizierenden Selbstsucht ist – was dieser einer Rationalisierung des aristokratischen Egoismus, sprich, seiner irrationalen Fortsetzung mit diametral entgegensetzten Mitteln entspringende Gemeinsinn dem Gemeinwesen beschert, ist eine Führungsschicht, die nicht wie die griechische aus Bürgern besteht, die durch Stand und Vermögen dazu bestimmt sind, Politiker zu werden, sprich, ihr ungebrochenes Streben nach Ruhm und Macht in den sozialverträglichen Bahnen materieller Leistungen und personellen Engagements für die politische Gemeinschaft zu befriedigen, sondern die sich aus Privatleuten zusammensetzt, denen Familie und Besitz zur unentrinnbaren Pflicht macht, als Staatsmänner zu agieren, sprich, ihre unbefriedigte Sucht nach individueller Anerkennung und persönlichem Einfluss als die Antriebskraft für ein Leben im aufopferungsvollen Dienst am Kollektiv und in selbstverleugnend-öffentlichen Ämtern zu nutzen.

Anders als der griechische Aristokrat, der dort, wo er liturgisch-gemeinwohldienlich tätig wird, sich doch immer treu, mit seiner ursprünglichen Intention, seinem egoistischen Elan im Einklang bleibt und deshalb immer auch die Möglichkeit hat, sich aus seiner liturgischen Verfasstheit zurückzunehmen und sei's wie ein Alkibiades seiner unsublimiert ursprünglichen Intention, seinem egoistischen Elan zu leben, sei's wie ein vorsokratischer oder sokratischer Philosoph den egoistischen Elan zugunsten einer angeblich oder wirklich wesentlicheren Bestimmung oder wesensgemäßeren Haltung aufzugeben – anders als der so im Einklang mit sich bleibende griechische Aristokrat schuldet, wie gezeigt, der römische Patrizier sein Wirken zum Wohle der urbanen Gemeinschaft einer Konversion, die seinen egoistischen Elan in die ebenso selbstgewisse wie entfremdete Form eines für ihn als nurmehr energetisches Substrat verbindlichen kollektiven Vorhabens und altruistischen Motivs bannt und die ihm, weil sie in dieser Form seine ursprüngliche Intention ebenso sehr zur Unkenntlichkeit entstellt wie unwiderruflich identifiziert und ebenso realiter frustriert wie formaliter befriedigt, jede Möglichkeit verschlägt, sich dem Bann des ihm solcherart vindizierten gemeinwohldienlichen Charakters oder staatsdienerschaftlichen Profils jemals zu entziehen.

Weil der römische Patrizier den egoistischen Elan, dessen Befriedigung er sich von der Säkularisierung seines Reichtums verspricht, in actu des Säkularisierungsprozesses selbst in die altruistische Motion eines als Sorge um die Kultstätte der Ahnen deklarierten Wirkens für das städtische Gemeinwesen konvertiert findet, bleibt ihm, will er sich seinen egoistischen Elan in irgendeiner Form erhalten, gar nichts anderes übrig, als sich dieser altruistischen Motion, die den Elan zum irrationalen Movens rationalisiert, mit Haut und Haar zu verschreiben. Und weil die Befriedigung des egoistischen Elans in der Form dieser zur Charakterkonversion geratenen altruistischen Motion so aber stets gleichbedeutend ist mit einer ebenso permanenten wie grundlegenden Frustration des Elans, findet sich der in den Bann seines konvertierten Charakters Geschlagene zu einer manischen Wahrnehmung seines staatsmännischen Amtes, einer geradezu pathologischen Intensität seines Wirkens im Dienste des Gemeinwesens angetrieben, so, als sei die schließliche Befriedigung der von systematischer Selbstvereitelung geprägten ursprünglichen Intention, die Durchsetzung des in actu seiner Verfolgung regelmäßig frustrierten egoistischen Elans nur eine Frage der Zeit und Beharrlichkeit und als könne schiere Insistenz in der Amtsausübung, die Intensität des Engagements, der ursprünglichen Intention jene funktionelle Erfüllung bringen, die ihr doch die Struktur ihres irrationalen Bestehens, sprich, ihre rationalisierte Präsenz, ihre Entmischung zum energetischen Substrat einer qua Pietas gegenläufigen Disposition unabwendbar versagt.


Die Praxis der Überführung und pietätvoll-gemeinnützigen Investition territorialherrschaftlich-fronwirtschaftlichen Reichtums in die als Kultstätte der Ahnen geheiligte Stadt wird von den eigenen Ländereien der Patrizier auf das als Provinzialsystem organisierte Kolonialreich als quasi ebenfalls patrizischen Privatbesitz übertragen. Die Folge ist eine Umgestaltung der organischen Zusammensetzung und strukturellen Beschaffenheit des Gemeinwesens, die es in eine Zweiklassengesellschaft aus Besitzenden und Habenichtsen dichotomisiert, deren einzige Gemeinsamkeit das abstrakte Bürgerrecht ist.

So zweifelhaft und ungesund die in der konstitutionell pietätvollen Wendung der Säkularisierung ihres herrschaftlichen Reichtums angelegte staatsmännische Konversion der patrizischen Privatpersonen, ihr an pathologische Enragiertheit grenzendes manisches Engagement fürs Gemeinwesen, ihr rückhalt- und auswegloses Aufgehen im als einziger, großer Lebenszweck wahrgenommenen Officium für die Betroffenen selbst, für ihre Psyche und Persönlichkeit, anmuten mag, so segensreich erscheint diese eigentümliche Disposition des römischen Patriziats, diese seine alle sonstigen individuellen Perspektiven und intellektuellen Interessen verdrängende Lust am egal ob zivil, ob militärisch geleisteten Staatsdienst für die Stadt selbst. Jedenfalls gilt das, solange sich die mittels Pietas, mittels Konzentration auf die Stadt als Heimstatt der Ahnen, erreichte Säkularisierung territorialherrschaftlich-theokratischen Reichtums noch auf den dem Patriziat von Haus aus eigenen Reichtum, die seinen Landgütern, seinen familiären Besitzungen entstammende und ins handelsstädtische Milieu überführte Habe beschränkt.

Indem die römischen Patrizier den territorialherrschaftlich-fronwirtschaftlichen Reichtum, den sie ihren Ländereien entziehen, um ihn in die Stadt zu überführen, in der Konsequenz seines als Verwendung nicht nur in der Stadt, sondern auch und vor allem für die Stadt wohlverstanden säkularen Gebrauchs teils dazu nutzen, für die Bürgerschaft im allgemeinen und ihre Klientel im besonderen gemeinnützige Leistungen zu erbringen und nämlich öffentliche Bauten zu finanzieren, festliche Unterhaltung zu organisieren, soziale Unterstützung zu gewähren, teils und mehr noch in die Aufgabe investieren, die Verteidigung des das Gemeinwesen tragenden Handelsplatzes zu gewährleisten und den für seine Expansion, seine Entfaltung zu einem überregionalen kommerziellen System erforderlichen militärischen Flankenschutz und Zwangsapparat bereitzustellen – indem also das römische Patriziat dies alles mit seinem in konstitutionell sozialverträglicher Form säkularisierten Reichtum vollbringt, erweist sich sein Wirken in der Tat als Segen für das urbane Gemeinwesen und leistet einen wesentlichen Beitrag zu dessen Erhaltung und Förderung.

Der manifeste Segen tendiert indes in dem Maße zum latenten Fluch zu werden, wie im Zuge der Umrüstung der Res Publica aus einem auf Bundesschlüsse, auf Foedera oder Kontrakte gerichteten, hauptsächlich kommerziellen Projekt in ein auf provinzielle Unterwerfung, auf Kontributionen und Konfiskationen zielendes, maßgeblich militärisches Konstrukt das Patriziat diese seine von Pietas geprägte, konstitutionell sozialverträgliche Verfügung über territorialherrschaftlich-theokratischen Reichtum entscheidend erweitert und von den Früchten der eigenen grundherrschaftlichen Besitzungen auf das Produkt zunehmend größerer fremdherrschaftlicher Territorien des italischen und dann auch außeritalisch-mittelmeerischen Raumes ausdehnt. Indem die Römische Republik unter Führung ihrer patrizisch verfassten Nobilität teils aus Erwägungen strategischer Opportunität, teils aus Gründen ökonomischer Lukrativität, teils im Interesse sozialer Konfliktbewältigung vom ursprünglichen Grundkonzept einer militärisch flankierten bündnispolitischen Erweiterung ihres Einflussbereichs zum Zwecke der Schaffung eines umfassenden Handelssystems und der durch es ermöglichten indirekten Bereicherung mittels kommerzieller Transaktionen Abstand nimmt und zunehmend zu einer militärisch forcierten, kolonialistischen Expansion ihres Herrschaftsgebiets mit dem Ziel der Einrichtung eines Provinzialsystems und dessen zur Mehrung des eigenen Wohlstands betriebener direkt-exaktiver Besteuerung und Ausbeutung übergeht und indem sie nun aber, der Logik dieses von den tribunizischen Plebejern zwar mitgetragenen, aber doch wesentlich vom senatorischen Patriziat verantworteten und bestimmten Paradigmenwechsels folgend, die Aufgabe nicht nur der militärischen Durchsetzung, sondern auch und vor allem der bürokratischen Umsetzung der neuen Bereicherungsstrategie der patrizischen Nobilität überlässt, den Patriziern mit anderen Worten die Besteuerung und Ausbeutung der Provinzen zu kontributiv treuen beziehungsweise konfiskatorisch untreuen Händen überträgt – indem die Republik so verfährt, gestaltet sie die Funktion der vom Senat als Sachwalter der neuen Strategie delegierten Konsuln und Prokonsuln, der patrizischen Eroberer und Statthalter der Provinzen, ganz und gar nach dem Vorbild der Rolle, die im traditionellen römischen Gemeinwesen die über Ländereien gebietenden, über territorialherrschaftlichen Reichtum verfügenden Patres familiarum, die Oberhäupter der aristokratischen Geschlechter, spielen, und räumt ersteren ebenso freie Hand bei der Aneignung des Reichtums der eroberten Gebiete, seiner Überführung in die Stadt und der von Pietas beherrschten gemeinschaftsdienlichen Verfügung über ihn ein, wie letztere sie hinsichtlich des ihren familiären Besitzungen, ihren privaten Gütern entstammenden und in dem Rahmen, den die Pietas steckt, säkularisierten Reichtums beanspruchen können.

Damit allerdings werden nun nicht nur, was die Menge des unter der Regie des Patriziats in die Stadt gelangenden und ihr zur Verfügung gestellten territorialherrschaftlich-fronwirtschaftlichen Reichtums betrifft, alle gewohnten Dimensionen gesprengt, es kommt auch und mehr noch zu einer ebenso unwiderruflichen wie folgenreichen Verschiebung gleichermaßen im Kräfteverhältnis und in der Funktionsteilung zwischen diesem auf nichtkommerziellem Weg in die Stadt geschafften und dem mit den kommerziellen Mitteln des römisch-italischen Handelssystems der Republik zugeführten Reichtum. Fällt in den Zeiten der frühen, föderalistisch orientierten Republik noch den Handelsinteressen und kommerziellen Aktivitäten die maßgebende Rolle zu und beschränkt sich die Aufgabe der Patrizier darauf, diesen Interessen und Aktivitäten militärische Durchsetzungskraft und politische Verbindlichkeit zu verleihen und aus ihrem privaten territorialherrschaftlichen Fundus teils im Streben nach öffentlicher Anerkennung und staatsmännischen Meriten gemeinnützige Aufwendungen für die Stadt in genere und ihre jeweilige Klientel in specie zu finanzieren, teils mit der Aussicht auf Beteiligung an den kommerziellen Gewinnen die zur weiteren Expansion des Handelssystems erforderlichen Mittel aufzubringen, so erringt in dem Maße, wie nach den karthagischen Kriegen das Provinzialsystem Wirklichkeit wird, die von den Patriziern in eigener Regie und nach dem Muster der fronwirtschaftlichen Despotie, die sie über ihren territorialen Privatbesitz ausüben, betriebene direkte Bereicherung durch Kontributionen und Konfiskationen den Vorrang vor der indirekten Akkumulation durch Handelsverkehr und kommerziellen Austausch und drängt die letztere in den Hintergrund oder vielmehr beschränkt nun umgekehrt sie, die kommerzielle Akkumulation, auf die dienende Rolle eines ihr, der kolonialen Expropriation, unter allen Umständen und in allen Bereichen zuarbeitenden Faktotums.

Weil die neue, exaktiv-direkte, koloniale Form der Reichtumsbeschaffung der alten, transaktiv-indirekten, kommerziellen Akkumulationsmethode nicht etwa nur quantitativ den Rang abläuft, sondern mehr noch funktionell das Wasser abgräbt, weil die koloniale Ausplünderung mit dem kommerziellen Profitstreben ja nicht einfach Seite an Seite kämpft und sich im neutralen Wettstreit mit ihm betätigt, sondern vielmehr agonal mit ihm konkurriert und vor Ort der Provinzen in einem regelrechten Verdrängungswettbewerb an seine Stelle tritt, findet sich die kommerzielle Funktion mehr und mehr aus der ursprünglichen Stellung der tonangebenden Bereicherungsstrategie vertrieben und auf die Rolle eines Verwalters und Verteilers der auf anderen Wegen erworbenen Reichtümer beziehungsweise eines Reklamierers und Realisierers der auf nichtkommerzielle Weise durchgesetzten Ansprüche an den Markt reduziert, sprich, zum Sekundanten und Hilfsorgan des das römische Provinzialsystem als seinen territorialen Privatbesitz, als eine einzige große Domäne, wenn schon nicht theoretisch betrachtenden, so jedenfalls praktisch behandelnden und mit den Schätzen, die es dem territorialen System entzieht, die Stadt, die Kultstätte der Ahnen, dotierenden und erfüllenden Patriziats degradiert.

So gewiss der Wechsel der Republik vom gewohnten Procedere einer föderalistisch-kommerziellen Akkumulation fremden Reichtums zum neuen Paradigma einer kolonialistisch-konfiskatorischen Appropriation solchen Reichtums das Modell einer von Pietas geleiteten, patrizisch freien Verfügung über nichtkommerziell erworbenen Reichtum aus einem auf die territorialherrschaftlichen Besitzungen und fronwirtschaftlichen Güter der aristokratischen Familien beschränkten Spezialfall zu einem auf die ganze Hegemonialsphäre beziehungsweise das gesamte Herrschaftsgebiet der Republik sich erstreckenden Normalmodus werden lässt und so gewiss diese patrizisch-expropriative Verfügung über Reichtum damit aus einem der kommerziell-transaktiven Aneignung von Reichtum bloß den Boden bereitenden und Flankenschutz gewährenden Hilfsmittel und Sonderkonstrukt zu einer in eigener Regie und auf eigene Rechnung sich entfaltenden und hierbei den gewohnten kommerziellen Bereicherungsformen nolens volens das Wasser abgrabenden Haupt- und Staatsaktion avanciert, so gewiss sieht sich nun umgekehrt die kommerzielle Akkumulation der Stellung eines maßgebenden Zwecks und organisierenden Zentrums der Republik beraubt und auf die Rolle eines distributiven Erfüllungsgehilfen jenes nichtkommerziellen Reichtumserwerbs beschränkt, der sich als Goldesel des Patriziats und als Füllhorn der vom Patriziat protegierten und geführten Stadtrepublik erweist.

Und an dieser dienenden Position, dieser Stellung eines bloßen Handlungsgehilfen, auf die sich die kommerzielle Funktion reduziert findet, ändert auch nichts die Tatsache, dass sich das Patriziat im Zuge seiner kolonialistisch-konfiskatorischen Ausplünderungspraxis mangels requirierbarer Wert- oder Geldmittel mehr und mehr darauf verlegt, Sachwerte oder Wertquellen mit Beschlag zu belegen und durch Kauf- oder Pachtverträge den Repräsentanten des römischen Marktes deren Realisierung oder Ausbeutung zu übertragen. Zwar erwirbt die römische Kaufmannschaft dank der ihr im ganzen Umfang des Kolonialreichs sich eröffnenden Makler-, Finanziers- und Unternehmeraktivitäten ungeheure Reichtümer und erringt aufgrund ihrer wachsenden Unentbehrlichkeit für die Funktionsfähigkeit des patrizischen Ausbeutungssystems eine eigene ständisch fundierte Position in der Oberschicht, verwandelt sich aus einem als Rekrutierungsbasis für die Auffrischung der patrizischen Reihen dienenden Juniorpartner in einen als Ritterstand mit dem Patriziat partnerschaftlich verbundenen konstitutiven Bestandteil der Oberschicht selbst – an der Abhängigkeit der kommerziellen Funktion von der nichtkommerziellen Bereicherungspraxis, die das Patriziat mittels imperium und Statthalterschaft von ihrem grundherrschaftlich-fronwirtschaftlichen Privatbesitz, ihren familiären Ländereien, auf das als Provinzialsystem organisierte Kolonialreich überträgt, ändert sich dadurch nicht das Geringste.

Solange die Aneignung territorialherrschaftlich-fronwirtschaftlichen Reichtums und seine Überführung und pietätvoll-gemeinnützige Investition in die Stadt noch die Privatsache, das auf die eigenen, familiären Besitzungen beschränkte Geschäft der das kommerzielle Gemeinwesen protegierenden und leitenden Patres familiarum, der Patrizier, ist, erweist sie sich für die ökonomische Stärkung und politische Entwicklung der Republik als im großen und ganzen segensreich. Auch nach ihrer Übertragung aus der patrizischen Privatsphäre in den öffentlichen Raum des unter der tatkräftigen Führung des Patriziats geschaffenen Provinzialsystems und ihrer Erhebung zur herrschenden Staatsräson, zum neuen Patentrezept republikanischer Sorge für das Gemeinwohl bleibt diese Bereicherungspraxis für große Gruppen der Gemeinschaft und zumal für die patrizische Oberschicht selbst ein Segen, wird für sie sogar zu einem die Ressourcen des ganzen Mittelmeerraumes ihr erschließenden Füllhorn.

Gleichzeitig allerdings gerät für andere, zunehmend größere Teile der Gemeinschaft der Segen in dem Maße zum Fluch, wie die patrizische Bereicherungspraxis die Republik in eine ökonomische und soziale Schieflage hineinsteuert, die in der Pauperisierung und Deklassierung jener anderen resultiert. Wenn das Patriziat seinen nichtkommerziellen Beitrag zum kommerziellen Gedeihen der Stadt, um sich und seine territorialherrschaftlichen Besitzungen von ihm zu entlasten, durch die Schaffung eines auf Kontributionen und Konfiskationen basierenden Provinzialsystems in zunehmendem Maße aus eben der Sphäre requiriert, in der die kommerzielle Funktion der Stadt gedeiht, und wenn es dadurch in einer Art Unschärferelation der kommerziellen Funktion, der es Hilfestellung zu leisten behauptet, vielmehr ihre Position streitig macht und sie aus einem maßgebenden Vorhaben der Republik in einen Erfüllungsgehilfen ihrer eigenen Unternehmung verwandelt, dann wechselt das Patriziat ja nicht nur den zentralen Bereicherungsmodus des Gemeinwesens, es verändert damit auch und mehr noch dessen organische Zusammensetzung und strukturelle Beschaffenheit.

Weil das Patriziat die ursprünglich von ihm aus eigenen Mitteln finanzierte und in der Erweiterung des Einfluss- oder Herrschaftsbereichs der Republik bestehende Rahmenbedingung für die kommerziell betriebene Aneignung fremden Reichtums zur diese Aneignung fremden Reichtums nicht nur direkt und in eigener Regie besorgenden, sondern mehr noch mittels des expropriierten Reichtums selbst betreibenden Hauptsache erhebt und weil es damit den Kreislauf einer Investition eigenen Reichtums zum Zwecke der durch die kommerzielle Funktion vermittelten Aneignung eines größeren Quantums fremden Reichtums zu einem Zirkel kurzschließt, bei dem die anfängliche Investition eigenen Reichtums der gewaltsam-unvermittelten Expropriation fremden Reichtums dient, die wiederum ihren wesentlichen Sinn und Nutzen darin hat, die Expropriation fremden Reichtums auf erweiterter Skala zu ermöglichen, und die so ineins zum Mittel und Zweck eines sich selbst tragenden Bereicherungsmechanismus, eben eines expropriativen Automatismus wird, läuft dieser Paradigmenwechsel von der kommerzvermittelten, indirekt-transaktiven Akkumulation zur gewaltgestützten, direkt-exaktiven Requisition auf eine Umschichtung und völlige Neugewichtung der innerstädtischen ökonomischen Kräfte und Ressorts hinaus.

Zwar kommt, was das Patriziat aus dem nach dem Modell seiner privaten Landgüter und familiären Besitzungen verwalteten Provinzialsystem herausschlägt, nach wie vor der urbanen Gemeinschaft zugute, wird unverändert in den strukturalen Aufbau und die imperiale Expansion des republikanischen Gemeinwesens gesteckt, aber dies republikanische Gemeinwesen, dem die mit militärisch-bürokratischen Mitteln aus den Provinzen extrahierten Kontributionen und Konfiskationen zugute kommen, ist nun nicht mehr eine handelsstädtische Gemeinschaft, die sich um eine kommerzielle Akkumulation dreht, in deren Diensten alle gesellschaftlichen Kräfte oder jedenfalls der größte Teil von ihnen mobilisiert werden müssen, sondern sind in besagtem kurzschlüssigem Zirkel ausschließlich die Teile der stadtstaatlichen Gemeinschaft, die für die Fortsetzung jener militärisch-bürokratischen Extraktionsstrategie, sprich, für eine Wiederholung der provinzialen Kontributions- und Konfiskationspraxis in jeweils expandiertem Rahmen und intensivierter Form erforderlich sind. Was immer dem Zweck einer territorialen Ausdehnung des Provinzialsystems und einer dadurch ermöglichten realen Vermehrung des aus dem System mit Gewalt extrahierten Reichtums direkt dient oder indirekt förderlich ist, gelangt in den Genuss des letzteren und wird mit seiner Hilfe auf- und ausgebaut; alles andere hingegen findet sich von diesem nunmehr maßgebenden Bereicherungsverfahren ausgeschlossen und muss sehen, wo es bleibt.

Die vom Patriziat betriebene Umrüstung der Republik in einen militärisch-bürokratischen Apparat zur exaktiv-direkten Bereicherung mittels Ausplünderung der Provinzen geht mit anderen Worten zu Lasten der zivilen Gewerbe des Gemeinwesens, die in ihrer ursprünglichen Rolle als der kommerziellen Akkumulation von Reichtum zuarbeitende und das Austauschmaterial liefernde Produzenten von Reichtum entbehrlich und vom umgerüsteten Gemeinwesen fallengelassen werden und die, wie die kommerzielle Funktion selbst, höchstens und nur als dienstbare Geister des militärisch-bürokratischen Extraktionsapparats, sprich, als die Versorgungsansprüche von Heer und Verwaltung erfüllende und die Konsumbedürfnisse des Patriziats und seiner Klientelen befriedigende Güterlieferanten und Dienstleister überleben können.

Und sogar in dieser, große Teile ihrer ursprünglichen Belegschaft dysfunktionalisierenden und ausgrenzenden, eingeschränkten Verwendbarkeit sehen sich die zivilen Handwerke und Gewerbe der Republik noch bedroht und in Frage gestellt, da sich mittels der den Provinzen abgepressten Kontributionen und Konfiskationen jene subsistenziellen Ansprüche des Apparats und konsumtiven Bedürfnisse seiner Betreiber ebenso gut und dank der vor Ort herrschenden repressiven Bedingungen außerdem preiswerter durch die Produktionskapazitäten der Provinzen selbst befriedigen lassen und da in dem Maße, wie das Patriziat dazu übergeht, in den Provinzen nicht mehr nur Wertmittel abzuschöpfen, sondern durch ihr Faktotum, die hierbei zu einem eigenen Stand, zur Ritterschaft, avancierenden Handeltreibenden, Sachgüter und Wertquellen ausbeuten zu lassen, sich die auf diesem Wege erschlossenen und sei's mit provinzieller Zwangsarbeit, sei's mit latifundialer beziehungsweise manufaktureller Sklavenarbeit betriebenen Produktionskapazitäten für die zivile Wirtschaft der Republik als übermächtige und in der Tat vernichtende Konkurrenz erweisen. Den durch das vermeintliche Heilmittel immer weiterer Expansionen nur eskalierten pathologischen Prozess einer Pauperisierung und Deklassierung größerer Teile der Bürgerschaft, den das föderale, seine Bereicherung noch wesentlich auf transaktiv-indirekte, kommerzielle Akkumulationsprozesse stützende römische Staatswesen in Gang setzt und dessen Opfer dort vornehmlich der bäuerliche Mittelstand ist – diesen Prozess lässt nun also das Patriziat, indem es seine ursprünglich nur im Dienste der Expansion des römisch-italischen Handelssystems geübte direkt-exaktive, fronwirtschaftliche Expropriationspraxis von den privaten Landgütern auf das gesamte Territorium der Republik überträgt und zum maßgeblichen staatlichen Bereicherungsmodus erhebt, auf alle zivilen Handwerke und Gewerbe und die in ihnen Arbeit und Brot findende plebejische Unterschicht übergreifen und erhebt ihn damit in ganz andere Dimensionen, so dass am Ende der Republik der das kolonialistisch-sklavenwirtschaftliche Ausbeutungssystem betreibenden und von ihm profitierenden Gemeinschaft aus Patriziern, Rittern, waffenfähigen Bürgern und diesen Gruppen zuarbeitenden beziehungsweise zur Hand gehenden Klientelen, der civitas im engeren Sinne, eine breite Masse von Armen und Entrechteten, Besitzlosen und Deklassierten, die auf ihr abstraktes römisches Bürgerrecht reduzierte Plebs, dichotomisch gegenüber steht.


Alle strategischen und politischen Veränderungen der römischen Gesellschaft, auch und nicht zuletzt die Transformation der Republik ins Kaiserreich, gehorchen der vom Patriziat initiierten Logik einer kompensationslos-gewaltsamen Expropriation territorialherrschaftlichen Reichtums zwecks pietätvoll-fürsorglicher Dotierung des handelsstädtischen Gemeinwesens, das dabei seinen Charakter allerdings von Grund auf ändert und sich aus einem im Prinzip kommerzieller Bereicherung gründenden Organismus in ein einziges großes Organ zur Ausübung eben jener gewaltsamen Expropriationstätigkeit verkehrt. Diese Erhebung des Mittels zu einem Selbstzweck, der sich in seiner Selbstvermittlung erschöpft, weist die Logik solcher Expropriation als haltlosen Rationalisierungsmechanismus, als Irrenlogik, aus.

Tatsächlich aber steht die Masse der Enterbten und Entrechteten nicht sowohl am Ende der Republik, sie ist deren Ende! Dank der durch die militärisch-bürokratische Krise des Provinzialsystems erforderlich werdenden Heeresreform Mariusscher Prägung und der damit einhergehenden Umrüstung des ausgehobenen Standes- oder Bürgerheers in ein angeworbenes Massen- oder Volksheer und dank der staatserhaltenden, für die Kontinuität des römischen Imperiums lebenswichtigen Bedeutung, die in diesem Kontext die pauperisierte und deklassierte Plebs gewinnt, gelingt es der letzteren, mittels des auf sie angewiesenen und von ihr mit tribunizischen Vollmachten ausgestatteten politisch-militärischen Führungsamts der Republik, des Konsulats, ihrer Forderung nach ökonomischer Kompensation und sozialer Rehabilitation Geltung zu verschaffen und sich aus einem Bodensatz des Gemeinwesens in dessen Treibmittel, aus einem Opfer der Entwicklung in deren Hauptbegünstigten, aus einem Stiefkind des Staates in dessen heimlichen Souverän zu verwandeln. Damit ist das Ende der Republik besiegelt, der Übergang von der senatorisch-patrizischen Res publica zum diktatorisch-cäsaristischen Imperium vollzogen.

So einschneidend indes politisch-konstitutionell dieser Wechsel der Staatsform sich ausnehmen und in der Tat auch auswirken mag, ökonomisch-strukturell zeugt er eher von Kontinuität. Wenn die Plebs ihre staatstragende Rolle dazu nutzt, dem als Imperator operierenden tribunizischen Konsul zum Triumph über das senatorische Patriziat zu verhelfen, dann ja nicht etwa, um das vom Patriziat geschaffene kolonialistisch-sklavenwirtschaftliche Ausbeutungssystem abzuschaffen und durch eine andere politisch-ökonomische Struktur zu ersetzen, sondern um vielmehr Nutzen aus diesem System zu ziehen und an seinen Früchten teilzuhaben. Weit entfernt davon mit anderen Worten, dass die Plebs der Praxis einer exaktiv-direkten Aneignung territorialherrschaftlichen Reichtums, die das Patriziat aus der familiären Privatsphäre aristokratischer Landgüter auf das Gesamtterritorium des Römischen Reiches überträgt und dort zu dem extensive Ausplünderung mit intensiver Ausbeutung, die Expropriation von Wertmitteln mit der Exploitation von Wertquellen verknüpfenden Provinzial- und Latifundialsystem der republikanischen Spätzeit entfaltet – weit entfernt davon, dass die Plebs dieser Praxis, deren Opfer, deren pauperisiertes und deklassiertes Geschöpf sie selbst ja ist, Einhalt zu gebieten und ein Ende zu machen beabsichtigt, will sie nichts weiter als aus der Position des Benachteiligten in die des Begünstigten überwechseln, den Speer, der ihr die Wunde schlug, als Heilmittel für sich in Anspruch nehmen.

Wenn sich schon der Segen der vom Patriziat in säkularisierender Absicht geleisteten pietätvollen Zuwendungen an die irdische Kultstätte der Ahnen, die Stadt, in dem Maße, wie das Patriziat als Quelle für diese Zuwendungen nicht mehr nur die eigenen Güter nutzt, sondern das wie ein Privatgut verwaltete gesamte Provinzialsystem in Dienst nimmt und diese Beschaffungspraxis zum herrschenden und die kommerzielle Akkumulation, die bis dahin das maßgebliche Aneignungsparadigma darstellte, verdrängenden beziehungsweise zur bloßen Hilfsfunktion degradierenden Bereicherungsmodus erhebt – wenn sich schon in der Konsequenz dieses Paradigmen- und Kompetenzwechsels für wachsende Teile der unteren Schichten der Segen als Fluch erweist – die Betroffenen wollen letztlich nichts weiter als dem Fluch, den der Segen für sie bedeutet, entrinnen und an den unverändert segensreichen Auswirkungen, die er für die anderen Schichten hat, partizipieren. Eben diesem von systemkritischen Absichten denkbar weit entfernten Verlangen der Plebs nach Befreiung aus der Opferrolle und Aufnahme und Integration in den Kreis der durch die imperiale Entwicklung Begünstigten entspricht schließlich ihr auf militärpolitischer Basis geschlossener Pakt mit einer der tragenden Säulen des patrizischen Systems, dem uno actu seiner imperatorischen Ermächtigung tribunizisch gewendeten Konsulat.

Und eben diesem Bedürfnis der Plebs nach Eingliederung ins Bestehende und Teilhabe am Vorhandenen trägt ja auch die augusteische Definition des Imperatorenamts als einer all ihrer faktischen Generalbevollmächtigung zum Trotz ideologisch im Rahmen des traditionellen Machtapparats sich haltenden Einrichtung Rechnung, dies also, dass Augustus bestrebt ist, teils sich, den Imperator selbst, als Primus inter pares seiner senatorisch-patrizischen Kollegen zu präsentieren, teils sein Amt als eine zum unverändert senatorisch-patrizischen Regime bloß hinzukommende Sonderkommission zum Zwecke der ökonomischen Versorgung und sozialen Betreuung, sprich, der fürsorglichen Repräsentation seiner zur Aufrechterhaltung des Imperiums unentbehrlichen plebejischen Klientel und soldatischen Gefolgschaft erscheinen zu lassen.

Dass in der Folge diese Strategie des Augustus aufgegeben wird und der augusteische Prinzipat einem cäsaristischen Kaiserkult weicht, ist dabei gleichfalls nicht etwa dem Versuch geschuldet, den Rahmen des auf ahnenkultlich-patrizischer Grundlage errichteten kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Reichtumsbeschaffungssystems zu sprengen, sondern zeugt im Gegenteil vom Bemühen, jenem System unter politisch-sozialen Bedingungen, deren Dynamik es zu zerreißen droht, dennoch seinen Bestand zu sichern. Weil der Imperator selbst sich gedrängt sieht, der wachsenden und am Ende schier unbegrenzten faktischen Machtfülle, die ihn vor seinen patrizischen Standesgenossen auszeichnet, einen nach Maßgabe ahnenkultlicher Legitimation angemessenen ideologischen Ausdruck zu verschaffen, und weil die als Populus vom Imperator gehätschelte Plebs nur zu interessiert daran ist, ihren Wohltäter und Patron über das Patriziat triumphieren und die absolute beziehungsweise nur durch den Volkswillen determinierte Macht im Staate gewinnen zu sehen, ist es bloß konsequent, dass beide ihre Kräfte vereinen, um den chthonisch-genealogischen Kult der patrizischen Vielen durch den epiphanisch-tautologischen Kult des cäsarischen Einen zu ersetzen und so ihrer beider sprengkräftige soziale Ansprüche und politische Absichten ebenso wohl in das bestehende System zu integrieren wie in ihm hinlänglich zur Geltung zu bringen.

Sosehr das cäsaristisch-imperiale Gotteskaisertum reell oder dem politischen Machtgefüge und der ökonomischen Ressourcenverteilung nach die republikanisch-senatorische Patrizierherrlichkeit transzendieren und außer Kraft setzen mag – strukturell oder in aller Form übernimmt es das vom Patriziat geschaffene imperiumsübergreifende System einer gewaltsamen Expropriation und in den Dienst eben dieser gewaltsamen Aneignungspraxis gestellten planmäßigen Distribution territorialherrschaftlichen Reichtums und setzt es bruchlos fort. Eben die systematische Entwendung und Aneignung fremden Reichtums, die zuvor die patrizische Körperschaft unter Berufung auf die Stifter der Republik, die Ahnen, und die von diesen qua Pietas geforderte Sorge für ihre städtische Kultstätte ins Werk setzt, sie betreibt nun das imperatorische Individuum im Namen des imperialen Gründers seines Amtes, des Ahnherrn Cäsar, und der in ihm als Volkswille verkörperten Sorge für den Populus Romanus – nur, dass demnach der Hauptbegünstigte des exaktiv Entwendeten, der zentrale Adressat des gewaltsam Angeeigneten nicht mehr die Civitas Romana und der von ihr gestellte kolonialistisch-sklavenwirtschaftliche Ausbeutungsapparat, sondern das ökonomisch-soziale Opfer der auf den Apparat gestützten Entwicklung der Civitas, die römische Plebs ist, die sich durch das aus ihr rekrutierte Söldnerheer als staatstragende, weil für den Bestand des Ausbeutungsapparats unabdingbare Macht erweist.

Und sogar, dass der Imperator und Cäsar die erste sich bietende Gelegenheit, nämlich die notgedrungen ausgebildete Praxis, das Söldnerheer nicht mehr aus den Reihen der römischen Plebs, sondern aus dem Gesamtfundus der Untertanenschaft des Reiches und der angrenzenden Völkerschaften zu rekrutieren, nutzt, um schließlich die zum Populus Romanus erhobene und gehätschelte Plebs mitsamt ihrem angestammten Lebensraum, der Kultstätte der Ahnen, der Urbs Romana, abzuservieren und als Adressaten seiner Zuwendung und Fürsorge, als Begünstigten seiner imperiumsweiten gewaltsamen Enteignungs- und exaktiven Beschaffungsaktivitäten nichts mehr gelten zu lassen als eben nur den für die bürokratische Wahrnehmung jener Aktivitäten nötigen Ausbeutungsapparat und das für dessen militärische Absicherung erforderliche Söldnerheer selbst beziehungsweise das aus der zunehmenden Verschmelzung beider hervorgehende imperiale Funktionärs- und Offizierskorps, die als Inbegriff blinder Selbstunterdrückung und Selbstausbeutung aus der Untertanenschaft ausgelesene und ihr als Herrschaftsinstrument oktroyierte kaiserliche Beamtenschaft – sogar noch dies sprengt nicht etwa die Kontinuität der einst vom Patriziat zur Grundlage einer imperialen Herrschaft erhobenen und mit bürokratisch-militärischen Mitteln durchgesetzten exaktiv-direkten Enteignung fremden, territorialherrschaftlichen Reichtums zum Zweck seiner pietätvollen Zuwendung an das aus solch gewaltsamer Expropriationspraxis sich ganz und gar speisende stadtstaatliche Gemeinwesen, sondern folgt ein- und derselben, für jene Kontinuität bestimmenden Logik.

Weil das als Populus überlebende stadtstaatliche Gemeinwesen sich dem unter Führung des Patriziats geschaffenen kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystem, zu dem das Imperium sich entfaltet zeigt, mit Haut und Haar verschrieben hat und ohne es partout nicht – oder nicht mehr – lebensfähig ist, erscheint es im Falle, dass, beziehungsweise in dem Maße, wie das stadtstaatliche Gemeinwesen die Funktionsfähigkeit und Leistungskraft des für es lebenswichtigen Ausbeutungssystems überfordert und dieses an den Rand des Zusammenbruchs bringt, nur logisch, dass der gleichermaßen mit der Erhaltung des Ausbeutungssystems und mit der Versorgung des Gemeinwesens betraute cäsarische Imperator sich, wenn er die Wahl hat, für die erstere und gegen die letztere Aufgabe entscheidet und also, statt das Ausbeutungssystem einem aktuellen Gemeinwesen, das ohne es ja gar nicht lebensfähig ist, aufzuopfern, lieber das aktuelle Gemeinwesen zum Teufel gehen lässt und alle seine Kräfte daran wendet, das Ausbeutungssystem selbst als die für jedes potentielle Gemeinwesen der gleichen Art unabdingbare Grundlage zu bewahren.

Allerdings erweist sich damit die unter ahnenkultlichen Vorzeichen als Säkularisierungsmodus initiierte und dann unter patrizischer Federführung zur paradigmatischen ökonomischen Beschaffungsmethode und systematischen politischen Entfaltungsstrategie ausgebildete Logik einer kompensationslos-gewaltsamen Expropriation territorialherrschaftlichen Reichtums zwecks pietätvoll-fürsorglicher Dotierung des stadtstaatlichen Gemeinwesens endgültig als Irrenlogik und mündet die in Verfolgung dieser Logik praktizierte unaufhaltsame Konsequenzzieherei unwiderruflich in eine sinnlose Leerlaufreaktion ein.

Wenn die römische Aristokratie anfänglich territorialherrschaftlichen Reichtum, nämlich die ihren eigenen Ländereien und Besitzungen fronwirtschaftlich entzogenen Ressourcen nutzt, um die römische Stadtrepublik politisch zu fördern und militärisch zu sichern, so dient ihr Tun dem Zweck, ein in den territorialherrschaftlichen Zusammenhang zwar eingebettetes, aber durch die kommerzielle Form seiner Reichtumsbeschaffung, seinen Markt, von territorialherrschaftlicher Vergesellschaftung markant unterschiedenes und als ein Kollektiv sui generis etabliertes Gemeinwesen zu stützen und zu stärken, von dem und in dessen Rahmen sie, die Aristokratie selbst, sich eine von opferkultlichen Verpflichtungen freie, private Verfügung über ihren territorialherrschaftlichen Reichtum und eine darauf basierende bürgerlich-säkulare Existenz erhofft. Dass dank der ahnenkultlichen Legitimierung dieser Verwendung aristokratisch-territorialherrschaftlichen Reichtums für das kommerzielle Gemeinwesen, dank also der Deklaration der Stadt zur Kultstätte der Ahnen, die von der Aristokratie angestrebte freie Verfügung über ihren Reichtum sich weitgehend in solchen pietätvollen Zuwendungen an die Stadt erschöpft, die intendierte bürgerlich-säkulare Existenz auf ein patrizisch-urbanes Patronatsdasein hinausläuft, kommt dabei dem Gemeinwesen zugute, schlägt ihm in der Tat zum Segen aus, ohne dass die Aristokratie selbst durch diese rationalisierende Ummünzung ihres eigentlich privativ-egoistischen Vorhabens in ein tatsächlich sozialverträglich-altruistisches Beginnen zu frustrieren oder von ihrem pietätvollen Tun abzubringen wäre.

In dem Maße allerdings, wie die soziologisch zur Nobilität erweiterte und politisch ins Patriziat überführte Aristokratie im Bemühen, ihre eigene ökonomische Belastung zu vermindern und der durch die generell gedeihliche Entwicklung des Gemeinwesens gleichzeitig heraufbeschworenen speziellen Sozialkonflikte Herr zu werden, dazu übergeht, die bis dahin nur privat, auf den eigenen Besitzungen, von ihr praktizierte exaktiv-direkte Abschöpfung von Reichtum auf die gesamte, mit ihrer tatkräftigen Hilfe vom römischen Gemeinwesen erschlossene Einfluss- und Machtsphäre auszudehnen und also die ganze Sphäre zu einem einzigen großen, nach dem Modell territorialherrschaftlicher Aneignung von Reichtum auszubeutenden, in Provinzen eingeteilten Landgut werden zu lassen – in dem Maße also, wie das Patriziat mittels Provinzialsystem die Reichtumsbeschaffungspraxis der Republik paradigmatisch verändert und wie sie das ganze Gemeinwesen unmittelbar oder mittelbar, positiv oder negativ in diesen Paradigmenwechsel verwickelt, ändert sich die Situation grundlegend.

Was ursprünglich Objekt und Zweck des in exaktiv-direkter Aneignungspraxis von den privaten Landgütern der großen Familien abgeschöpften territorialherrschaftlichen Reichtums war: die im kommerziellen Austausch mit den umgebenden Territorialherrschaften und anderen Handelsstädten stehende und eine transaktiv-indirekte Akkumulation von Reichtum betreibende handelsstädtische Gemeinschaft nämlich – sie verwandelt sich in dem Maße, wie das Patriziat den Föderalkomplex der Republik zum Provinzialsystem entfaltet und seine exaktiv-direkte Aneignungspraxis auf dieses überträgt, in ein Mittel und Instrument eben jener zum Maßstab öffentlich-staatlichen Handelns gewordenen familiär-privaten Reichtumsbeschaffung. Weil die totalisierte, zum Maßstab öffentlich-staatlichen Handelns erhobene und in Form von Kontributionen und Konfiskationen imperiumsweit geübte exaktiv-direkte Aneignungspraxis zu dem transaktiv-indirekten Akkumulationsmodus kommerziellen Handelns zwangsläufig in Konkurrenz tritt und letzteres in der Tat mehr und mehr verdrängt beziehungsweise zu einer abhängigen Funktion ihres eigenen Bestehens, zu ihrem bloßen Handlungsgehilfen und Faktotum degradiert, findet sich die handelsstädtische Gemeinschaft um ihr bis dahin organisierendes Prinzip und maßgebendes Selbsterhaltungsstrategem gebracht und sieht sich bei Strafe ihres Überlebens zunehmend gezwungen, die Fronten zu wechseln und sich direkt oder indirekt in den Dienst jener patrizischen Aneignungspraxis zu stellen.

Zwar gilt letztere nach wie vor als Mittel zum Zwecke der Erhaltung und Stärkung der ursprünglich um die kommerzielle Funktion gescharten handelsstädtischen Gemeinschaft, aber je mehr die handelsstädtische Gemeinschaft sich der neuen Aneignungspraxis verschreibt und als militärisch-bürokratischer Staatsapparat für deren Um- und Durchsetzung eigenhändig Sorge trägt, um so mehr wird die alte Zweck-Mittel-Relation zur Formalie, die nur die Tatsache zu kaschieren dient, dass das Mittel zum Selbstzweck geworden ist und nämlich die unter Führung des Patriziats initiierte und vom militärisch-bürokratischen Apparat, in den die römische Gemeinschaft sich zunehmend verwandelt, exekutierte Aneignungspraxis letztlich nur der Wiederholung und Fortsetzung ihrer selbst im dank ihrer ständig erweiterten Rahmen einer auf die Unterwerfung und Ausbeutung des ganzen Mittelmeerraumes und der angrenzenden Territorien gerichteten Eroberungspolitik dient. So sehr pro forma der Unterschied zwischen der als Zweck der ganzen Veranstaltung vorausgesetzten römischen Civitas und dem als Mittel zur Erhaltung und Förderung jenes Zwecks entwickelten senatorisch-patrizischen Ausbeutungsapparat bestehen bleibt, so unaufhaltsam ist doch zugleich der in der Entwicklung jenes kolonialistisch-ausbeuterischen Staatsapparats beschlossene Trend, den Zweck zum bloßen Umschlagspunkt des selbstbezüglichen Mittels zu verflüchtigen, sprich, die Civitas auf den Dienst am Apparat zu reduzieren und in der Tat mit ihm deckungsgleich werden zu lassen.

Untrügliches Zeichen und sonnenklarer Beweis dieses Trends ist die Entstehung der Plebs, die Bildung einer immer größeren Masse von Enterbten und Entrechteten oder jedenfalls Pauperisierten und Deklassierten, deren Anfänge in die kommerziell orientierte frühe Republik und deren durch die kommerzielle Akkumulation heraufbeschworenen Sozialkonflikte zurückreichen, die aber ihre eigentliche Dynamik und Dimension erst erreicht, als die zur direkt-exaktiven Aneignungspraxis des Provinzialsystems übergewechselte Republik die Eintreibung von Kontributionen und Durchführung von Konfiskationen mehr und mehr auf die Beschlagnahmung und Ausbeutung von sächlichen Werten und Wertquellen ausdehnt. Weil der unter Führung des Patriziats etablierte militärisch-bürokratische Ausbeutungsapparat immer größere Mengen von Reichtum aus dem Provinzialsystem herauspresst und diesen Reichtum immer ausschließlicher und rücksichtsloser in Mittel zur Erhaltung und Förderung eben nur des Ausbeutungsapparates selbst umzumünzen bestrebt ist, treibt er dadurch die dem Apparat anhängende römische Zivilgesellschaft in den Ruin, zerstört ihre eigenständigen ökonomischen Funktionen und ihre selbsttragende soziale Struktur: Wer sich retten kann, flüchtet in die Arme des militärisch-bürokratischen Apparats, tritt direkt oder indirekt in seine Dienste und partizipiert an dem Reichtum, den er imperiumsweit requiriert; wer das nicht vermag, gesellt sich dem wachsenden Heer der dysfunktionalisierten und asozialisierten Bürger bei, lungert in der Hauptstadt herum und lebt von den milden Gaben und gelegentlichen Zuteilungen, für die teils die im Blick auf die städtische Gemeinschaft dem Patriziat qua Pietas aufgetragene Patronats- und Wohltäterrolle, teils das Bemühen des senatorisch-patrizischen Staates, den mit der Pauperisierung und Deklassierung großer Teile der Bürgerschaft zwangsläufig einhergehenden Sozialkonflikten die Spitze abzubrechen, teils und vor allem die tribunizisch-plebiszitäre Politisierung und Organisation der plebejischen Massen zur Volksbewegung Sorge tragen.

Dass in der das Ende der Republik markierenden dichotomisierten, in den patrizisch-senatorischen Ausbeutungsapparat einerseits und eine verarmte und entwurzelte Volksmasse andererseits zerfallenen römischen Gesellschaft die tribunizische Volksbewegung schließlich mit Hilfe des als ihre Agentur vereinnahmten, in ihr Vollzugsorgan verkehrten höchsten patrizischen Staatsamtes, des Konsulats, die Macht ergreift und, wie dem letzteren das kaiserliche Imperium, die absolute Herrschaft verschafft, so der plebejischen Masse die Fürsorge und Zuwendung des neuen Herren sichert, ihr zur Stellung eines Hätschelkinds des imperialen Regimes und Begünstigten des von ihm in eigene Regie übernommenen Ausbeutungsapparats verhilft – dies könnte auf den oberflächlich ersten Blick als eine Revision der monomanen Entwicklung, die das senatorisch-patrizische Regiment beschreibt, sprich, als Versuch erscheinen, die Verselbständigung des Ausbeutungsapparats zum nur sich selbst bezweckenden Mittel aufzuheben und die Civitas als den in der Volksmasse untergegangenen und in ihr zum bloßen lästigen Anhängsel des Apparates degradierten eigentlichen Zweck der Übung zu restaurieren.

Nichts wäre indes irriger als eine solche Sicht. Schließlich verdankt die Plebs ihre Erhebung zum cäsarischen Hätschelkind und Meistbegünstigten des Imperiums nur der staatserhaltenden Rolle, die sie als Rekrutierungsbasis für die imperialen Heere, die neuen, unter dem Imperium des Cäsars zum Rückgrat des Reiches avancierenden Söldnertruppen übernimmt, das heißt, sie schuldet ihre Karriere einzig und allein dem Umstand, dass ohne sie beziehungsweise mit ihr als unnützem Klotz am Bein des Imperiums der patrizisch-senatorische Ausbeutungsapparat, der Staatsapparat der Republik, gar nicht mehr aufrecht, geschweige denn funktionsfähig zu erhalten ist. Weit entfernt davon also, dass die Ermächtigung des Konsuls zum Imperator und die damit einhergehende Erhebung der verarmten Plebs zum versorgten Populus Ausdruck einer Rückbesinnung auf die alte Zweck-Mittel-Relation, das alte Verhältnis von territorialherrschaftlich-aristokratischer Reichtumsbeschaffung im Interesse der Förderung des stadtbürgerlich-republikanischen Gemeinwesens wären und also eine Revision des Trends zur Überführung des patrizischen Reichtumsbeschaffungsmittels in ein zirkuläres Unterfangen, einen bloß noch der eigenen Stärkung und Entfaltung dienenden Selbstzweck darstellten, sind sie vielmehr nichts als eine Bestätigung dieses Trends, der nur eben zu seiner Beibehaltung und weiteren Durchsetzung jenes Umwegs über die vermeintliche Rehabilitation der in der Plebs zugrunde gegangenen Civitas bedarf.

Als schlagender Beweis hierfür muss gelten, dass in dem Maße, wie die Ansprüche und Forderungen des imperialen Staatsvolks mit den Bedürfnissen und Anforderungen des imperialen Ausbeutungsapparats in Konflikt geraten und die Funktionsfähigkeit des letzteren in Frage stellen, der Cäsar, sobald ihm die zunehmende Rekrutierung seiner Söldnertruppen aus den Provinzen und den umliegenden Völkerschaften die Möglichkeit dazu eröffnet, dies imperiale Staatsvolk, die zum Populus Romanus geadelte römische Plebs, in der Meistbegünstigtenrolle abdankt, sie mitsamt ihrem urbanen Zentrum provinzialisiert und dem Reich eingliedert und über dem breiten Stratum der als Bürger des Reiches homogenisierten und unterschiedslos ausgebeuteten Untertanen nichts mehr bestehen lässt als den Ausbeutungsapparat selbst, die aus der Untertanenschaft ausgelesenen, über sie gesetzten und mit ihrer Organisation, Disziplinierung, Verwaltung und Besteuerung betrauten Militärs und Ministerialen des kaiserlichen Staatswesens.


Redender Ausdruck der Irrenlogik, die das patrizische Reichtumsbeschaffungsmittel im Dienste des Gemeinwesens zu einem Selbstzweck erhebt, der das Gemeinwesen umgekehrt in sein dienstbares Organ verkehrt, ist der Kaiserkult, die Verklärung des cäsarischen Reichtumsbeschaffers und seines militärisch-bürokratischen Apparats zum alleinigen Zweck des staatlichen Lebens. Die das Selbstzweckverhältnis krönende kultische Setzung des Mittels als letzter Zweck des staatlichen Lebens geht Hand in Hand mit der das Mittel immer wieder befallenden Versuchung, sich als dieser letzte Zweck zu realisieren, was unter den Bedingungen der Weitläufigkeit und Vielgestaltigkeit des Imperiums zu den Jahrhunderte anhaltenden Macht- und Revierkämpfen führt, unter denen das Reich endlich zerbricht und zugrunde geht.

Auch das ideologische Herzstück der Überführung der patrizischen Republik in eine imperiale Herrschaft sans phrase, der Kaiserkult nämlich, legt am Ende Zeugnis ab von der in dieser Überführung gelegenen Vollendung des Trends zur Abschaffung und Tilgung des ursprünglichen Zwecks der republikanischen Veranstaltung, der Etablierung eines kraft kommerziellen Reichtums territorialherrschaftlicher Macht und theokratischem Einfluss entzogenen handelsstädtischen Civitas, und zur Erhebung und Entfaltung der durch eine pietätvolle Aristokratie beziehungsweise patrizische Nobilität praktizierten und ursprünglich nur als Mittel zum Zweck jener Civitas erscheinenden territorialherrschaftlichen Reichtumsbeschaffung zum veritablen und ausschließlichen Selbstzweck der Republik. Dem Anschein nach geschaffen, um den Imperator aus der Riege seiner patrizischen Standesgenossen herauszusprengen und zum Repräsentanten beziehungsweise zu einer epiphanischen Wiederholung des in Cäsar Gestalt gewordenen Volkswillens zu machen, erweist sich die besondere Abstammung oder ahnenkultlich singuläre Relation, die der Imperator als göttlicher Cäsar, als seinen eigenen Vorgänger im Amt, seinen persönlichen Ahnherrn verkörpernde divine Erscheinung reklamiert, in Wahrheit als die ideologische Besiegelung jener allen Zweck der Veranstaltung liquidierenden zirkelschlüssigen Selbstvermittlung, in die sich die ursprünglich im Dienste der stadtstaatlichen Gemeinschaft geübte territorialherrschaftliche Bereicherungspraxis des Patriziats verstrickt.

Wo die von Pietas, von Liebe zu den Ahnen erfüllten vielen Patrizier den Reichtum, den sie in der territorialherrschaftlichen Sphäre exaktiv-direkt beschaffen, eben weil sie ihn in den Dienst der Ahnen stellen beziehungsweise ihn dem als Kultstätte der Ahnen wohlverstandenen städtischen Gemeinwesen zugute kommen lassen, noch einem von zirkulärem Eigennutz, schierem Egoismus erkennbar unterschiedenen Zweck zuführen, da wendet der von Cäsarismus, von Liebe zu seinem göttlichen Amt inspirierte Imperator, auf den sich das Patriziat reduziert hat, diesen Reichtum offenbar nurmehr sich, dem im Kult um seine Person befangenen Beschaffer des Reichtums und seinem für die Beschaffung des Reichtums erforderlichen militärisch-bürokratischen Apparat zu. Und das ist, im Rahmen der geschilderten Entwicklung betrachtet, auch nur konsequent: Geht die Überführung von Reichtum aus der territorialherrschaftlichen Sphäre in das handelsstädtische Gemeinwesen, die die Aristokratie und später dann im universalisierten Maßstab das Patriziat praktizieren, weil sie als bloße egoistische Privatisierung gegen den von den Herrn der territorialherrschaftlichen Sphäre, den Göttern, geltend gemachten opferkultlichen Titel auf den Reichtum verstieße, mit der Notwendigkeit einher, einen jenem Titel vergleichbaren und im handelsstädtischen Gemeinwesen selbst begründeten, objektiven Anspruch auf den Reichtum, eben die ahnenkultliche Rücksicht, ins Feld zu führen, so erscheint es nur logisch, dass im gleichen Maße, wie das handelsstädtische Gemeinwesen seine Eigenständigkeit als Adressat der Überführung verliert und sich in ein bloßes Hilfsmittel oder Vehikel der letzteren selbst verwandelt, sich in den integrierenden Bestandteil des Überführungs- oder Reichtumsbeschaffungsmechanismus des Patriziats auflöst – dass sich im gleichen Maße also auch die den objektiven Anspruch des handelsstädtischen Gemeinwesens auf den territorialherrschaftlichen Reichtum darstellende ahnenkultliche Rücksicht zurücknimmt und zu einem integrierenden Moment, einem rein immanenten Motiv der als Erbin des Patriziats die Reichtumsbeschaffung betreibenden cäsarischen Person verflüchtigt.

So wahr der Zweck der Veranstaltung, das handelsstädtische Gemeinwesen, zu einem bloßen Träger des Mittels, der Beschaffung territorialherrschaftlichen Reichtums wird, so wahr wird das den Zweck als solchen zur Geltung bringende Objektiv, die ahnenkultliche Rücksicht, zu einem bloßen, in sich kreisenden Reflex des Reichtumsbeschaffers. Zwar handelt der Form nach auch noch der territorialherrschaftlichen Reichtum beschaffende cäsarische Imperator im Namen und Auftrag des göttlichen Ahnherrn, den er epiphanisch verkörpert, aber weil der Zweck, zu dem der göttliche Ahnherr den cäsarischen Imperator verhält und verpflichtet, nicht mehr das Wirken für eine von seinem eigenen Tun und Treiben unterscheidbare Civitas, sondern nurmehr die Sorge um den sein eigenes Tun und Treiben exekutierenden militärisch-bürokratischen Apparat ist, in dem die Civitas auf- und untergegangen ist, erscheint es nur konsequent, dass umgekehrt der göttliche Ahnherr in seiner epiphanischen Verkörperung, dem cäsarischen Imperator, seine ganze Wahrheit und ausschließliche Wirklichkeit hat, dass er als Namens- und Auftragsgeber des cäsarischen Imperators zugleich doch mit diesem in absoluter, sprich, reflexhaft-objektloser, zirkelschlüssig-relationsloser Identität sich befindet.

So also vollendet sich der Trend zur Transformation patrizisch-pietätvoller Reichtumsbeschaffung aus einem ursprünglich marginalen, gemeinschaftsdienlichen Mittel in den zentralen, mit der Gemeinschaft deckungsgleichen Selbstzweck – und führt sich zugleich ad absurdum. Mit der Abschaffung des qua Civitas vorausgesetzten Zwecks der Veranstaltung, seiner Aufhebung in das als Selbstzweck sich gerierende Reichtumsbeschaffungsmittel des militärisch-bürokratischen Apparats hat es nämlich nicht einfach sein Bewenden, klappt es nicht so, wie der in Rationalisierungen verstrickte Egoismus des den theokratisch-opferkultlichen Verpflichtungen, die der territorialherrschaftlich erzeugte Reichtum ihm auferlegt, durch den Kunstgriff genokratisch-ahnenkultlicher Verbindlichkeiten sich entziehenden Patriziats es will oder vielmehr bewusstlos betreibt.

Zwar ist im späten Kaiserreich mit einerseits der Reduktion des ahnenkultlich gebundenen Patriziats auf den cäsarenkultlich verfassten Imperator und andererseits dem restlosen Aufgehen der römischen Bürgerschaft im Heer der imperialen Militärs und Ministerialen jeder qua Kultstätte der römischen Ahnen vom Reichtumsbeschaffungsmittel des patrizischen Kultdieners unterscheidbare Zweck verschwunden und in der Tat nichts mehr übrig als eben nur die Apparatur des Reichtumsbeschaffungsmittels selbst und der sie um seiner selbst willen, eben als Selbstzweck, betätigende cäsarische Imperator. Aber so sehr die imperiale Reichtumsbeschaffung damit reiner Selbstzweck ist, so sehr die exaktiv-direkte Aneignung des territorialherrschaftlichen Reichtums, den das Reich abwirft, durch den als Epiphanie seines Ahnherrn Cäsar agierenden Imperator einzig und allein dem Zweck dient, das Mittel der Reichtumsbeschaffung, den militärisch-bürokratischen Apparat, zu erhalten und in die Lage zu versetzen, mit seiner imperiumsweiten Aneignungspraxis fortzufahren, so sehr bleibt dieses zirkuläre Selbstzweckverhältnis des als cäsarischer Apparat funktionierenden Beschaffungsmittels doch zugleich von der Gefahr des Rückfalls in eine normale Zweck-Mittel-Relation bedroht, bleibt mit anderen Worten das Mittel dazu disponiert, den in ihm als Mittel aufgehobenen und arretierten Zweck wieder als solchen freizusetzen und umgekehrt sich, das Mittel, als solches zum Verschwinden zu bringen, sprich, seine Erfüllung finden zu lassen.

Jedes Mal wieder, wenn das Mittel, der Apparat, seine Schuldigkeit getan und für den cäsarischen Imperator, die Epiphanie seiner eigenen vergöttlichten Ratio, Reichtum aus dem Reich herausgepresst hat, entzweit dieser Reichtum das Mittel mit sich selbst und konfrontiert es mit der exzentrischen Frage nach dem Sinn seines Tuns, dem Zweck seines Beginnens, stürzt er den Apparat mit anderen Worten in das Dilemma, ob dieser ihn für die Reproduktion seines Mittelcharakters, mithin pro domo seiner Erhaltung als Beschaffungsautomat nutzen oder ihn zum Anlass nehmen soll, sich auf seiner Grundlage neu zu definieren und als das andere seiner selbst Wirklichkeit werden zu lassen. Eben weil sich als der Zweck der ganzen Veranstaltung immer nur wieder das Mittel herausstellt und sich insofern die Veranstaltung als ein sinn- und zweckloses Unterfangen, ein gegenstandsloser Zirkel enthüllt, kann das Mittel gar nicht anders als durch die Projektion seiner selbst als am Ende unvermittelten Zwecks, durch die Imagination eines im gleichen Augenblick, in dem der Zweck in ihm resultiert, von ihm vielmehr erfahrenen Selbstverlusts und vollzogenen Identitätswechsels den Ausbruch aus dem Zirkel anzustreben.

Und dieser unwillkürlichen Projektion verleiht nun aber das Reich durch seine empirische Beschaffenheit praktisch-politische Bedeutung, diese latente Imagination lässt es dank seiner schieren Größe und Vielgestaltigkeit, dank der ökologischen, ökonomischen, ethnischen, sozialen, demographischen, strategischen Differenzen und Diskrepanzen, die es aufweist, zur manifesten Schizophrenie werden. Sei's negativ, dass einzelne provinzielle Verwaltungen und Heere, Sektionen des über das Provinzialsystem verteilten Apparats sich gegenüber anderen Sektionen benachteiligt und zum bloßen Werkzeug und Mittel der als Nutznießer und Zweck erscheinenden anderen degradiert finden, sei's positiv, dass einzelne Sektionen sich den anderen gegenüber im Vorteil und berufen sehen, letztere in den Dienst des eigenen Aufstiegs zur alleinigen Macht und ausschließlichen Nutznießerschaft zu zwingen – so oder so spaltet sich unter dem Einfluss der das Reich durchziehenden Spannungen und Verwerfungen der militärisch-bürokratische Ausbeutungsapparat und lässt die dem Mittel als rationalisiertem Selbstzweck pathologisch eingeschriebene Projektion oder Imagination einer den Mittelcharakter ablegenden beziehungsweise an andere delegierenden entmischten Zweckbestimmung sei's in den anderen eine zur Gegenwehr provozierende fremde Gestalt annehmen, sei's in der eigenen Gruppierung eine zur Aggression gegen die anderen disponierende Wirklichkeit werden.

Die Folge sind die im vorangegangenen Band beschriebenen Macht- und Revierkämpfe der letzten Jahrhunderte des Römischen Reiches, durch die sich die imperiale Herrschaft und ihr militärisch-bürokratischer Ausbeutungsapparat allmählich selbst zerstören und in denen sie in der Tat den Beweis erbringen, dass diese der Pietas, der ahnenkultlichen Rationalisierung des aristokratisch-patrizischen Egoismus entspringende und zu böser Letzt in der Beschaffung territorialherrschaftlichen Reichtums als schierem Selbstzweck resultierende Gemeinschaft, die zur mediterranen Welt nichts beiträgt als die zunehmende Entschlossenheit, von ihr mit ebenso viel Gewaltbereitschaft wie Organisationstalent als Ausbeuter und Schmarotzer zu profitieren, und deren Leistungen sich in den zugegebenermaßen imposanten militärischen Apparaten, bürokratischen Systemen, infrastrukturellen Anlagen und ideologisch-kulturellen Prägungen erschöpfen, die conditio sine qua non des Funktionierens einer solch parasitären Existenz sind – dass also diese römische Gemeinschaft sich eigenhändig ad absurdum führen muss.

Die im militärisch-bürokratischen Ausbeutungsapparat als ebenso entzweiungsträchtigem wie einfachem, ebenso zur Schizophrenie disponiertem wie monomanem Selbstzweck kulminierende imperiale Herrschaft zerstört aber nicht nur sich selbst, sie reißt natürlich auch ihre Existenzgrundlage, das Objekt ihrer Ausbeutungstätigkeit, die zu Untertanen nivellierten Bürger des Reichs ins Verderben. In dem Maße, wie die römische Herrschaft sich nicht mehr darauf beschränkt, den von ihr unterworfenen und dem Reich als Provinzen eingegliederten Gebieten Tributleistungen und Steuern abzupressen und also die von den dort heimischen Territorialherrschaften gegenüber ihren Untertanen traditionell geübte Enteignungspraxis durch eigene Expropriationsanstrengungen teils zu ersetzen, teils zu überlagern, sondern wie sie sich mehr noch darauf verlegt, die Provinzen zum Schauplatz ihrer internen Macht- und Revierkämpfe zu machen und also ihre ausbeuterischen Bemühungen eigenhändig zu konterkarieren beziehungsweise beides, den Griff nach den ökonomischen und finanziellen Ressourcen der Provinzen und die diese Ressourcen zerstörende Verwandlung der Provinzen ins Schlachtfeld interner kriegerischer Auseinandersetzungen, in unaufgelöstem Widerspruch gleichzeitig zu praktizieren – in eben dem Maße überfordert sie endgültig die durch die doppelte Belastung, die das Zugleich von heimischer Territorialherrschaft und römischer Fremdherrschaft bedeutet, ohnehin bereits arg strapazierte Leistungskraft der Untertanen und treibt letztere in den Ruin.

Und dass dieser Ruin sich nun aber nicht schon in seinen empirisch-materiellen Aspekten erschöpft, dass er kein bloß ökonomisches, die Erhaltung der Gemeinwesen, ihren kollektiven Haushalt, ihren Stoffwechsel mit der Natur betreffendes Phänomen ist, sondern darüber hinaus auch moralisch-ideelle Implikationen hat, dass er ebenso wohl eine perspektivische, den Zusammenhalt der Gemeinwesen, ihren sozialen Konsens, ihre Sicht vom Sinn und Nutzen gesellschaftlichen Seins und Handelns in Mitleidenschaft ziehende Katastrophe ist – das beweist die Tatsache, dass auch die relative militärische Beruhigung und politische Stabilisierung, zu der es in der Spätphase des Imperiums, im letzten Jahrhundert des weströmischen Reiches, noch einmal kommt, ihn, den Ruin, nicht mehr nennenswert aufhalten, geschweige denn abwenden kann. Tatsächlich hat die cäsarisch-imperiale Herrschaft mit ihrer strikten Beschränkung auf die Versorgung und Reproduktion des eigenen militärisch-bürokratischen Apparats, sprich, mit ihrer Reduktion auf schiere Selbsterhaltung und mit den zerstörerischen internen Macht- und Revierkämpfen, in die dieses reine Selbstzweckverhältnis sie hineintreibt, verheerende Folgen nicht nur für die Lebensgrundlage, den materiellen Zustand, die ökonomische Gesundheit des Reiches, sondern auch und darüber hinaus katastrophale Auswirkungen auf den Lebenswillen, den inneren Halt, die moralische Verfassung der Untertanenschaft.

Hauptsächlich verantwortlich für diese moralische Demontage und innere Demotivation der Untertanen des Reiches ist das ideologische Herzstück der cäsarisch-imperialen Herrschaft, der auf der Göttlichkeit Cäsars aufbauende Kaiserkult. Im innenpolitischen Kontext des römischen Kaiserreichs erfunden, um den Imperator – anfänglich oder vorgeblich im Sinne des die Civitas beerbenden Populus, tatsächlich und letztlich indes im Interesse des auch und sogar noch den Populus abdankenden und als automatisches Subjekt, als funktionelles Vexierbild der Civitas übrig bleibenden Apparats – über das Patriziat triumphieren und die alleinige Macht und absolute Souveränität im Staate erringen zu lassen, erzielt der Kaiserkult eine unerwartete Nebenwirkung und wird nämlich zum Auslöser einer flächendeckenden, alle Provinzen des Reiches erfassenden Krise der im Reich versammelten kultisch-sakralen Systeme und theokratisch-religiösen Traditionen.


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