3. Der Offenbarungseid der theokratischen Religionen im Kaiserkult


Durch die Auseinandersetzung zwischen cäsarischem Imperator und Patriziat, mithin innenpolitisch, motiviert, hat der Kaiserkult schwerwiegende Auswirkungen auf die Religionen in den Provinzen, weil der vergöttlichte Cäsar dort als Kultobjekt in die Rolle des das opferkultlich verdrängte Zentrum jener Religionen bildenden epiphanisch anderen Subjekts schlüpft.

Es sind, wie gesagt, vornehmlich innenpolitische Bestrebungen, nämlich die vom Volk unterstützte politische Entmachtung und schließlich auch ökonomische Verdrängung des patrizischen Senats durch den cäsarischen Imperator, was die Legionen und Verwaltungen des letzteren dazu veranlasst, den in Rom kreierten Kult um ihren Herrn in alle Provinzen zu tragen und sein Kultbild überall Aufstellung finden zu lassen, seiner göttlichen Natur in jedem noch so fremden religiösen Zusammenhang rituelle Anerkennung zu verschaffen. Mit jedem Tempel, in dem sein Standbild einen Platz erhält, mit jedem Kult, in dem seiner göttlichen Natur Tribut gezollt und durch Opfer gehuldigt wird, triumphiert der Kaiser über die patrizische Konkurrenz und besiegelt ihr gegenüber nicht nur seinen territorialen Anspruch auf die Region oder Provinz, in der er sich solchermaßen etabliert, sondern zugleich auch die personale Einzigartigkeit, die diesen Anspruch begründet und kraft deren er das konkurrierende patrizische System nicht einfach nur aus dem jeweiligen Gebiet vertreibt, sondern vielmehr ein- für allemal aus dem Felde des als sein heiliger Bezirk definierten Imperiums schlägt.

Gänzlich unbeabsichtigt von ihren Initiatoren rührt die Strategie allerdings an den Kern opferkultlich-theokratischer Religiosität und erschüttert die in den Provinzen herrschenden Spielarten dieser Religionsform. Indem der göttliche Cäsar mit der ganzen Gewalt und Durchsetzungskraft des imperialen Apparats den im Reich versammelten Religionssystemen als sakrale Größe aufgedrängt wird, indem er in jeden Tempel als fremdes Kultobjekt Einzug hält, in jedem Kult als provozierender Fremdkörper in Erscheinung tritt, übernimmt er eine Rolle, die die theokratischen Opferkulte zwar aus ihrem manifesten Repertoire ersatzlos gestrichen, eben damit aber zum latenten Schlüsselpart ihrer gesamten Verfahrensweise gemacht haben und die in der Tat das das Sakrament als Sakrifiz, das Opfer als fundamentale Verdrängungsleistung bestimmende heimliche Konstitutiv aller theokratischen Religion darstellt: die im zweiten Buch unserer Abhandlung analysierte Rolle nämlich des ex improviso des Opferkults als sakrilegischer Fremdling, als nefariöser Eindringling erscheinenden anderen Subjekts.

Wie dort ausgeführt, dient der Opferkult dem Zweck, den Herrn der theokratischen Gesellschaft vom Rückfall in hybride Selbstherrlichkeit und in die im Todesfall daran geknüpfte Perspektive einer totenkultlich haltlosen Katabole von Reichtum abzuhalten und durch die Erinnerung an die als wahre Herren und wirkliche Eigner des Reichtums firmierenden Götter in die Schranken einer den letzteren gegenüber wahrgenommenen bloßen diesseitigen Repräsentanz und irdischen Stellvertreterschaft zu weisen.

Zwar sind die Götter selbst ihrem systematischen Ursprung nicht weniger als ihrer historischen Herkunft nach große Tote, ins Jenseits übergewechselte irdische Herren, entstammen die Olympischen selbst der Sphäre eines chthonischen Totenkults, aber weil der ebenso sehr ökonomisch motivierte wie militärisch forcierte Übergang von der vergleichsweise homogenen partikularen Stammesgemeinschaft zur stratifizierten integralen Territorialgesellschaft die als gruppenspezifisch-lokale Kultobjekte firmierenden großen Toten oder chthonischen Stammherren in ihrer topischen Dringlichkeit neutralisiert beziehungsweise in ihrer genealogischen Verbindlichkeit anonymisiert, sie mit anderen Worten zu – aufs Ganze der territorialen Klassengesellschaft gesehen – entwurzelt jenseitigen Instanzen beziehungsweise unverbindlich olympischen Schemen neutralisiert und verflüchtigt, zeigen sie sich bestens geeignet, durch einen in ihrem Namen erhobenen formalen Anspruch und geltend gemachten sakralen Titel auf den territorialgesellschaftlichen Reichtum alle diesbezüglichen irdischen und unterirdischen, diesseitigen und jenseitigen Aspirationen des theokratischen Herrn auf ihn zu unterbinden und den durch die absente Neutralität und abstrakte Anonymität der Olympischen zur Hybris, zum Rückfall in chthonische Selbstherrlichkeit ermutigten Anwärter zur Besinnung zu bringen und in der Position eines bloßen Statthalters und Majordomus der Abwesenden und Entrückten festzuhalten.

Das Mittel, den Anspruch der Götter auf den gesellschaftlichen Reichtum demonstrativ unter Beweis zu stellen, sie als dessen wahre Herren und wirkliche Eigner ostentativ zu bekräftigen und damit aller, nicht nur auf gegenwärtig oder diesseitig absolute Verfügung über den Reichtum, sondern mehr noch auf eine in Zukunft haltlose Überführung von Reichtum ins Jenseits zielenden Hybris des theokratischen Herrn einen Riegel vorzuschieben – das Mittel, dies beides zu bewirken, ist das Opfer, die rituelle Zurschaustellung und Darbringung von herrschaftlichem Reichtum und dessen öffentliche Abtretung und feierliche Übergabe an die göttliche Macht. Aber mag es auch gelingen, mittels Opfer die vom theokratischen Herrn ausgehende Gefahr hybrider Selbstherrlichkeit und eines aus hybrider Selbstherrlichkeit letztlich entspringenden totenkultlichen Reichtumstransfers zu bannen, die Opfersituation selbst beschwört sogleich eine neue und größere Bedrohung herauf, die Bedrohung nämlich durch einen vom Sakrament als solchem auf den Plan gerufenen Gegenspieler der Götter, ein ex improviso des als Gottesgabe präsenten Reichtums auftauchendes alternatives sakrales Subjekt.

Tatsächlich ist ja, was die hybride Selbstherrlichkeit des theokratischen Herrn zu einer solchen Gefahr werden lässt, der am Ende seiner selbstherrlichen Existenz stehende totenkultlich-katabolische Reichtumstransfer nämlich, Reaktion der Gesellschaft auf die unbedingte Indifferenz und absolute Negativität, die der theokratische Herr im Todesfall gegenüber der herrschaftlichen conditio humana, gegenüber dem eigenen, von Macht über die materiellen Ressourcen, Verfügung über den realen Reichtum der Gesellschaft erfüllten Dasein beweist und die, wie eben jene totenkultliche Wendung, eben jener haltlos-katabolische Reichtumstransfer deutlich macht, weit entfernt davon ist, von der Gesellschaft bloß als Stellungnahme des Toten zum Leben im allgemeinen, als Abkehr des Verschiedenen von den generellen Bedingungen der irdischen Existenz verstanden zu werden, und ihr, der Gesellschaft, vielmehr als Verdikt des Toten über die vom Menschen selbst geschaffenen spezifischen Lebensumstände erscheint, als Absage des Verschiedenen an die als Leben im Reichtum bestimmte zweite Natur, in der sie, die Gesellschaft, sich mittels arbeitsteilig-kooperativer Anstrengung einzurichten bestrebt ist.

Wie im ersten Buch unseres Versuchs durch die Analyse stammväterlich-heroenmythologischer Traditionen entwickelt, ist es der von Menschenhand geschaffene subsistenzielle Überfluss oder materielle Reichtum, der im Augenblick seines Entstehens den die Einheit und Kontinuität der Gesellschaft zu zerreißen geeigneten ontologischen Sprung oder modallogischen Ebenenwechsel vollzieht, sich einem ex improviso seiner erscheinenden anderen Subjekt zuzuwenden und zu übereignen, das, weil es ohne jeden konkreten Bezug und bar allen bestimmten Verhältnisses zu dem ihm sich zueignenden Reichtum auftritt, diesem mit der unbedingten Indifferenz und absoluten Negativität eines Wesens begegnet, das in Wahrheit nichts vom Reichtum im Auge beziehungsweise etwas toto coelo anderes als ihn im Sinn hat und das also, weil es den Reichtum zum – nicht etwa für es, das andere Subjekt selbst, sondern ausschließlich für die, die ihn geschaffen haben, Geltung beanspruchenden – bloßen Abbild und Widerschein eines von ihm, dem anderen Subjekt, vielmehr gewahrten wahren Seins und wirklichen Habens disqualifiziert und irrealisiert, die als Schöpfer des Reichtums firmierende Gesellschaft insgesamt mit dem Schicksal eines entsprechend entwerteten Daseins und entwirklichten Treibens konfrontiert.

Um diesem Schicksal zu entrinnen, setzt die Gesellschaft, wie den Heroen- und Stammesgründungsmythen zu entnehmen, alles daran, das andere Subjekt dieser seiner anfänglichen Indifferenz und ursprünglichen Negativität zu entreißen und ihm den arbeitsteilig-kooperativ erzeugten Reichtum als auch und gerade für es relevantes Phänomen nahe zu bringen, ihm ihre als materieller Überfluss erscheinende Schöpfung als sein angestammtes Erbteil, seine eigentliche Habe anzutragen. Mit anderen Worten, die Gesellschaft ködert das ex improviso des Reichtums, ihres Produkts, auftauchende andere Subjekt, integriert es in den Zusammenhang ihrer durch den Reichtum definierten Realität und Seinserfahrung, indem sie ihm beziehungsweise den gesellschaftlichen Funktionären, die es zu verkörpern dienen, die uneingeschränkte Herrschaft und freie Verfügung über dieses ihr Produkt, den gesellschaftlichen Reichtum, überträgt.

So erfolgreich sie damit das andere Subjekt zu Lebzeiten seines herrschaftlichen Leibgebers und persönlichen Darstellers von aller das irdische Dasein entwertenden Indifferenz und die diesseitige Sphäre entwirklichenden Negativität abbringt, so wenig kann sie indes verhindern, dass beim Tod des das andere Subjekt als Herr des Reichtums und Eigner der Fülle arretierenden Leibgebers und Darstellers die Disqualifizierungsdrohung und Irrealisierungsgefahr wiederkehrt: Zu groß ist die Versuchung, die natürlich-reale Abwendung vom Dasein und reductio ad nihilum, die der Tod bedeutet, als eine Erneuerung der kultürlich-sozialen Absage an die Welt und Verwerfung ihres Werts und Bestands, die das ex improviso des gesellschaftlichen Reichtums auftauchende andere Subjekt verkörpert, zu interpretieren und Geltung gewinnen zu sehen! Die Reaktion der Gesellschaft auf dieses neuerliche Schibboleth einer das diesseitige Leben entwertenden Indifferenz und das irdische Dasein entwirklichenden Negativität, die das Verscheiden des in den Herrn des Reichtums unfunktionierten anderen Subjekts heraufbeschwört, ist der Totenkult, das mehr oder minder systematische Bemühen, den Verschiedenen durch den Transfer von Reichtum in sein zur unterirdischen Wohnstätte, zum chthonischen Aufenthalt nicht nur theoretisch umgedeutetes, sondern mehr noch praktisch ausgebautes Grab als Herrn des Reichtums festzuhalten, ihm die Kontinuität eines an seiner irdischen Habe hängenden, seinem angestammten Eigentum verbundenen Weltbejahers und Protagonisten des Diesseits zu vindizieren.

Die Gesellschaft verfängt sich so in der Falle, die dauerhafte Diesseitigkeit des Reichtums durch dessen ständige Verjenseitigung retten zu müssen; sie kann mit anderen Worten das oberirdische Dasein nur dadurch sicherstellen, dass sie es pro domo eines unterirdischen Seins verwirkt, kann der diesseitigen Wirklichkeit ihren Wert nur dadurch erhalten, dass sie sie in die Grube fahren lässt, sie zum jenseitigen Dekor entwertet. Der Falle des Totenkults zu entrinnen vermag die Gesellschaft erst, als ihre Fortentwicklung zu einem ebenso expandierten wie stratifizierten, aus agrarisch-zivilen Untertanen und nomadisch-militärischen Eroberern zusammengesetzten Staatsgebilde die Adressaten des Totenkults, die mit dem irdischen Herrn des Reichtums lokal und relational verknüpften stammväterlich-dynastischen unterirdischen Toten, ebenso sehr topisch abstrahiert wie genealogisch anonymisiert und aus persönlichen Vorfahren des Herrschers zu unpersönlichen Repräsentanten des Gemeinwesens, aus stammesspezifischen Ahnen zu staatseigenen Göttern werden lässt.

Indem die partikularen, einem autochthonen Herrn untertanen und ebenso regional beschränkten wie homogen verfassten Stammesgemeinschaften in eine fremdbürtiger Herrschaft unterworfene und ebenso universal orientierte wie heterogen geschichtete Klassengesellschaft überführt und integriert werden, bricht die topisch-chronologisch unmittelbare Verbindung zwischen dem oberirdischen Herrn des Reichtums und seinen unterirdischen Pendants ab, hört der erstere auf, sich zu den letzteren als Nachfahr zu seinen Vorfahren, als diesseitige Verkörperung der jenseitigen, chthonischen Mächte, als die lebendige Präsenz der absenten Toten zu verstehen und zu verhalten, und findet sich damit aber auch die Gesellschaft der sie als schierer Wiederholungszwang heimsuchenden Notwendigkeit überhoben, jeden Todesfall der als irdische Nachfolger im Diesseits präsenten unterirdischen Vorgänger, jedes Verscheiden des als nachfahrliches Corpus der vorfahrlichen Toten im Leben die Stellung haltenden Herrschers als Neuauflage der geschilderten Krise des Reichtums in specie oder Infragestellung des Werts des diesseitigen Lebens beziehungsweise der Wirklichkeit des irdischen Daseins in genere wahrnehmen und darauf mit der gewohnten totenkultlichen Veranstaltung, dem katabolischen Reichtumstransfer zwecks Anbindung der Toten an das irdische Leben, Einbindung der Verschiedenen ins diesseitige Kontinuum reagieren zu müssen.

In dem Maße, wie die stammväterlichen Toten oder chthonischen Ahnen ihre topische Anwesenheit und genealogische Verbindlichkeit einbüßen und sich zu atopisch-jenseitigen und höchstens noch als olympische ersatzweise lokalisierbaren Instanzen absentieren, sich zu anonym-überirdischen und höchstens noch durch Eponyme pseudonymisch benennbaren Göttern abstrahieren, findet sich der oberirdische Herrscher von aller relationalen Affinität zu beziehungsweise personalen Identifikation mit ihnen, kurz, vom Zwang zu allem Reichtumstransfer, allen als sterbekultlich-eigene Nachfolge wohlverstandenen totenkultlichen Avancen entbunden und in die vergleichsweise unverfängliche Stellung eines rein irdischen, weil jeder topologischen Bindung an die absenten Überirdischen ledigen Statthalters und bloß sterblichen, weil jeder genealogischen Verstrickung mit den anonymen Unsterblichen baren Repräsentanten entlassen. Während sie, die unsterblichen Götter, zwar nominell nach wie vor als die wahren Herren und Eigner des gesellschaftlichen Reichtums figurieren, sich mangels räumlich-topischer Verankerung im irdischen Dasein und zeitlich-genealogischer Präsenz im diesseitigen Leben aber rituell weder disponiert noch imstande zeigen, ihren Titel auf den Reichtum in praktische Zuwendungsforderungen und konkrete Übereignungsformen umzumünzen, kann er, der aus der Nachfolge entlassene sterbliche Herrscher und irdische Machthaber, als ein formell zwar zur Anerkennung des Eigentumsvorbehalts der Götter verpflichteter, reell aber zu keiner räumlich-praktischen Zuwendungsanstrengung und zeitlich-konkreten Übereignungsleistung genötigter irdischer Vertreter und diesseitiger Majordomus der absenten Herrn und abstrakten Eigner des gesellschaftlichen Reichtums mit letzterem frei schalten und walten und über ihn nach Gutdünken, will heißen, ohne Rücksicht auf chthonische Eingemeindungszwänge und totenkultliche Integrationsaufgaben, verfügen.

Genau diese Emanzipation des irdischen Herrn von den zu staatseigenen Göttern verflüchtigten stammesspezifischen Ahnen und seine Dispensation von der ihnen gegenüber bis dahin gewahrten Stellung eines totenkultlich gebundenen Stammhalters und mit der Vorsorge für seinen eigenen Übertritt zu ihnen befassten Nachfolgers birgt nun allerdings auch die Gefahr in sich, dass der Emanzipierte die Treuepflicht und Obödienz, die er, der nunmehr im Status eines irdischen Menschen und bloßen Sterblichen Verhaltene, den als wahre Herrn und Eigner des gesellschaftlichen Reichtums atopisch-absenten Oberirdischen und anonym-abstrakten Unsterblichen schuldet, aus dem Auge verliert und im Vollgefühl seiner weder rituell noch realiter mehr eingeschränkten freien Verfügung über den Reichtum der Hybris verfällt, sprich, dem Bewusstsein erliegt, absoluter Herr über den Reichtum und im Genusse der faktisch durch keinen fremden Titel, praktisch durch keinen anderen Eigentumsanspruch geschmälerten Macht zu sein, die gesellschaftlicher Reichtum verleiht.

Mit anderen Worten, die Aufhebung der topisch fixierenden und genealogisch bindenden chthonischen Ahnen zu beziehungslos abstrakten und machtlos anonymen olympischen Göttern beschwört die Gefahr der Wiederherstellung eben jener anfänglichen Konstellation einer vom irdischen Herrn behaupteten absoluten Macht über den gesellschaftlichen Reichtum und unbedingten Verfügung über die Bedingungen seiner Produktion herauf, die Ausgangspunkt der Entwicklung zum Totenkult ist, weil sie dem Tod des Herrn, seinem Ausscheiden aus dem Leben den Anschein einer die absolute Negativität und unbedingte Indifferenz des anderen Subjekts, das ex improviso des noch herrenlosen Reichtums auftaucht, repristinierenden pauschalen Verwerfung der irdischen Welt und radikalen Absage an das diesseitige Dasein verleiht und so die Gesellschaft zu dem Bemühen provoziert, durch den Transfer von Reichtum in die unterirdische Behausung des Verschiedenen dessen Indifferenz zu widerlegen, ihm durch den Nachweis seiner fortdauernden Verbundenheit mit seinem irdischen Besitz die Negativität zu verschlagen.

So gewiss die Distanzierung und Anonymisierung der chthonischen Toten zu olympischen Göttern den irdischen Herrn des Reichtums von der totenkultlichen Nachfolge entbindet und in die Freiheit eines bloßen diesseitigen Statthalters und weltlichen Sachwalters der ebenso abstrakten wie absenten göttlichen Eigner des ihm zu treuen Händen übergebenen und von ihm verwalteten Reichtums entlässt, so gewiss lauert in dieser heilsamen Absenz und förderlichen Abstraktheit der Vergöttlichten aber auch die Gefahr, dass ihr Statthalter auf Erden sie, die entrückt wahren Herren und diskret wirklichen Eigner des Reichtums, überhaupt aus den Augen und aus dem Sinn verliert und als über den Reichtum demnach allem Anschein nach uneingeschränkt Herrschender, willkürlich Verfügender einer Selbstherrlichkeit, einer Hybris verfällt, die, weil sie im Augenblick seines Todes in daseinsverneinend unbedingte Indifferenz, weltverwerfend absolute Negativität umschlagen muss, gar nicht verfehlen kann, ihn zum dynastischen Neubegründer des alten, auf die Anbindung der sukzessiven Toten ans Leben, ihre Integration ins Diesseits zielenden Grabkults zu machen und also die Gesellschaft, die ihn betrauert, abermals in den um ihn, den Vorfahren, und die anderen, seine Nachfolger, kreisenden und ebenso kostspieligen wie vergeblichen katabolischen Reichtumstransfer zu verstricken.

Solchem Rückfall in die alte Misere nicht enden wollender totenkultlicher Zuwendungen zu wehren und, wie einerseits die Götter als selbstlose Zeugen und anspruchslose Garanten der letzten Wahrheit und unanfechtbaren Wirklichkeit gesellschaftlichen Reichtums festzuhalten, so andererseits ihren Stellvertreter auf Erden vor Hybris, vor der Selbstherrlichkeit dessen, der sich als absoluter Herr des Reichtums aufspielt und eine uneingeschränkte Verfügungsgewalt über alle Ressourcen des Gemeinwesens anmaßt, zu bewahren, dient das Sakrament, die weihevolle Darbringung an die Götter, das Opfer. Indem die als politische Einheit ebenso theokratisch verfasste wie als ökonomische Organisation frondienstlich untertane Gesellschaft ihren Fronherrn und Theokraten dazu anhält, den Göttern etwas von seinem Reichtum zu überlassen, ihnen aus freien Stücken ein Präsent zu machen und Tribut zu zollen, kurz, ihnen ein Opfer darzubringen, veranlasst sie ihn, den auf den Olymp Entrückten, ins Jenseits Absentierten in aller Form die Ehre zu geben, sie als die in absentia wahren Herren und pro nomine wirklichen Eigner des gesellschaftlichen Reichtums sinnenfällige Gegenwart gewinnen und öffentliche Anerkennung finden zu lassen, und schützt damit ihn, den herrscherlichen Opferer davor, über die Stränge seiner statthalterisch dienenden Stellung, seiner rechenschaftspflichtig stellvertretenden Funktion zu schlagen.

So sehr aber auch diese sakramentale Disziplinierungsmaßnahme dazu taugt, den irdischen Herrn vor totenkultträchtiger Selbstüberhebung zu bewahren – sie hat, wie sich zeigt, eine gravierende Schattenseite. Indem zwecks weihevoller Übergabe an die Götter vom theokratischen Herrn Reichtum freigegeben und coram populo präsentiert, seine herrscherliche Habe als vielmehr für andere frei verfügbares Gut auf dem Altar exponiert wird, evoziert diese als exhibitorisches Präsent, als herrenloses Exponat dargebrachte Opfergabe die ursprungsmythische, am Anfang aller intentionalen Brechung, sozialen Entzweiung und religiösen Reaktionsbildung stehende Situation, von der unsere geschichtsphilosophische Rekonstruktion ihren Ausgang nahm – die Situation nämlich des aus der subsistenziellen Tätigkeit der arbeitsteilig-kooperativen Gesellschaft mit der irrationalen Spontaneität eines qualitativen Sprungs hervorgehenden Reichtums, der ex improviso seines Erscheinens ein anderes Subjekt auftauchen lässt, das, während er sich, seinen eigentlichen Schöpfern zum Tort, ihm, dem anderen Subjekt, als seinem wahren Herrn und wirklichen Eigner zuwendet und übereignet, umgekehrt und in kruzifikatorischer Paradoxie ihm, dem Reichtum, mit der unbedingten Indifferenz und absoluten Negativität eines Wesens begegnet, das etwas toto coelo anderes als ihn im Auge, etwas ontologisch von ihm Verschiedenes im Sinn hat.

Das heißt, das dargebrachte Sakrament, das den Göttern geweihte Opfer beschwört im Zuge seiner Transaktion, in der Herrenlosigkeit seines Übergangs von einer Hand in die andere, einmal mehr jenen Augenblick der Wahrheit herauf, der einem im Resultat des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses, im Reichtum, vollzogenen ontologischen Sprung, einem modallogisch-radikalen Bruch mit der den Prozess bis dahin tragenden Gemeinschaft und Wechsel zu einem als anderes Subjekt alternativen Seinsprinzip gleichkommt, dessen erste und für die betroffene Gemeinschaft einzige, weil alles, was durch sie war, für null und nichtig erklärende Tat die rückhaltlose Entwirklichung und restlose Entwertung des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses einschließlich seines Resultats, des den Wechsel zu ihm, dem alternativen Seinsprinzip, provozierenden Reichtums, ist. Statt die zu definitiv Jenseitigen absentierten, zu distinktiv Unsterblichen neutralisierten Toten, eben die Götter, auf den Plan zu rufen und als verträglich wahre Herren und anspruchslos wirkliche Eigner der gesellschaftlichen Ressourcen, des in der Hand ihres irdischen Statthalters versammelten Reichtums der theokratischen Kooperative in Szene zu setzen, bringt also die Opfergabe jene qua anderes Subjekt erscheinende epiphanische Präsenz erneut ins Spiel, setzt sie jene als alternatives Seinsprinzip im Diesseits ausbrechende Transzendenz abermals in Kraft, der ihre das irdische Dasein entwertende, die diesseitige Sphäre entwirklichende unbedingte Indifferenz und absolute Negativität zu verschlagen und die mit dem irdischen Dasein relativ zu vermitteln, die ins irdische Dasein als Konstitutiv zu integrieren, die Gesellschaft ein schlechterdings maßgebendes Interesse hat, das in ihren sämtlichen Sanktionen, in allen ihren religiösen Maßnahmen, in der Bevollmächtigung ihrer irdischen Führer zu absoluten Herren über den gemeinschaftlich erarbeiteten Reichtum, in den totenkultlichen Bemühungen um die herrschaftlichen Verschiedenen, schließlich auch im Umgang mit den zu Göttern absentierten und neutralisierten Toten, eben im Opfer selbst, seinen Ausdruck findet.

Indem die theokratisch verfasste Gemeinde mittels Sakrament, mittels des den Göttern als wahren Herren und wirklichen Eignern des gesellschaftlichen Reichtums geweihten Opfers, ihren irdischen Herrn vor Selbstherrlichkeit, vor der Hybris eines jeder Rechenschaft und Verantwortung baren Umgangs mit dem Reichtum zu bewahren und damit der Scylla eines in solcher Hybris letztlich beschlossenen Rückfalls in die totenkultliche Zwangsvollstreckung zu entrinnen sucht, findet sie sich durch das inszenierte Rettungsmittel, die exponierte Opfergabe selbst, in den Regress des ex improviso herrenlosen Reichtums auftauchenden ursprünglich anderen Subjekts getrieben und der Charybdis der pauschal disqualifizierenden Indifferenz und radikal entrealisierenden Negativität ausgeliefert, mit der dies andere Subjekt dem irdischen Dasein und allem, was ihm heilig ist, der Sphäre des Diesseits und allem, was in ihr Wert hat, begegnet.

Was Wunder, dass die theokratische Opfergemeinde dies andere Subjekt, das mit seiner alles entwertenden, alles vernichtenden Regressforderung ex improviso des sakramentalen Reichtums erscheint, als nefariösen Fremdling, sakrilegischen Eindringling behandelt und alles daran setzt, sei's den erschienenen Störer des rituellen Procedere und Feind der sakralen Ordnung wieder aus der Welt zu schaffen, sei's durch Beseitigung dessen, was ihn auf den Plan ruft, sein Erscheinen präventiv zu unterbinden. Was Wunder mit anderen Worten, dass die Opfergemeinde das Sakrament ins Sakrifiz umschlagen lässt und sei's anfangs, solange sie von der unverhofft epiphanischen Entwicklung der Opfersituation immer neu überrascht und kalt erwischt wird, durch die Hinrichtung und Aufopferung des Störenfrieds, sei's später dann, als sie gelernt hat, der epiphanischen Wendung zuvorzukommen, durch die Zerstörung und Vernichtung der Opfergabe mit dem Opfervorgang den kurzen Prozess einer auf ein Zeichen guten Willens gegenüber den Göttern beschränkten Motion, einer im Ansatz steckengebliebenen beziehungsweise in der Ausführung abgebrochenen Anerkennungsgeste zu machen.

Damit aber ist das Dilemma des theokratischen Gottesdienstes perfekt, ist der Grund für den opferkultlichen Wiederholungszwang gelegt, mit dem die Theokratie ihre Emanzipation von der unabschließbar totenkultlichen Katabole bezahlt. Um den hybriden Rückfall des irdischen Herrn in den Totenkult zu verhindern und die Götter in der Rolle selbstlos-herrschaftlicher Sanktionierer und anspruchslos-eignerschaftlicher Garanten des gesellschaftlichen Reichtums zu erhalten, muss den Göttern ein sakramentaler Tribut geleistet, eine demonstrative Anerkennung ihrer eignerschaftlichen Stellung gezollt, kurz, ein Opfer gebracht werden. Und um aber zu verhüten, dass die Opfergabe zur Monstranz und Szene eben des als primärer Antagonist ex improviso herrenlosen Reichtums erscheinenden und von unbedingter Indifferenz und absoluter Negativität erfüllten originären anderen Subjekts wird, dem in seiner sekundären Erscheinung als das Leben verwerfendem Toten, in seiner rezidiven Form als das Dasein verneinendem Verschiedenen das Opfer an die das Leben vielmehr gelten zu lassen, das Dasein zu sanktionieren bereiten Götter doch gerade einen Riegel vorschieben soll, muss der Opferakt in actu demoliert und abgebrochen werden, muss die sakramentale Handlung in opere eine selbstzerstörerisch-sakrifizielle Wendung nehmen – nur um bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit um ihrer dem Rückfall des theokratischen Herrn in totenkultliche Praktiken wehrenden gottesdienstlichen Funktion willen erneut aufgenommen und dann wegen seiner den nefariösen Eindringling, den sakrilegischen Fremden heraufbeschwörenden epiphanischen Bewandtnis abermals abgebrochen zu werden.

Als Garanten der Wirklichkeit des gesellschaftlichen Reichtums, als Mächte, die den Wert der von Menschenhand geschaffenen irdischen Lebensverhältnisse sanktionieren, lassen sich mit anderen Worten die Götter nur um den Preis eines permanenten Opferkults, eines ständig wiederholten Zirkels aus Beschwörung und Verdrängung erhalten und nur in der Weise also in Anspruch nehmen, dass die Bekräftigung ihres Status als affirmativ wahre Herren des irdischen Reichtums und positiv eigentliche Eigner der gesellschaftlichen Ressourcen zum heimlichen Eiertanz um jenes den irdischen Reichtum vielmehr pauschal verwerfende, die gesellschaftlichen Ressourcen im Gegenteil radikal negierende ursprünglich alternative Subjekt wird, dem sie, die Götter selbst, auf dem Weg über seine totenkultliche Nachverdrängung und seine klassengesellschaftliche Abstraktion und Neutralisierung entsprungen sind und gegen das sie nun als Gegeninstanzen, als Garantiemächte aufgeboten werden.


Der cäsarische Gott, der das andere Subjekt aus opferkultlicher Latenz in die gottesdienstliche Manifestation überführt, betätigt sich als Entmystifizierer: Er verschlägt dem anderen Subjekt seine vorgebliche Negativität und raubt damit dem theokratischen Kult seinen in der Verdrängung jener Negativität und göttlichen Sanktionierung der Positivität der Welt behaupteten guten Grund. Er demontiert aber nicht nur die Legitimationsbasis theokratischer Herrschaft, indem er ihr den guten Grund verschlägt, sondern kompromittiert die Herrschaft auch, indem er ihr statt dessen sein böses Kalkül vindiziert. Die Verdrängung der vorgeblichen Negativität des anderen Subjekts durch den theokratischen Opferkult erhält damit den ironischen Sinn einer Kaschierung des der theokratischen Herrschaft in Wahrheit eigenen Nihilismus.

Und es ist nun aber dies im Beginnen des Opfers, im Sakrament, ebenso ständig beschworene wie in seinem Fortgang, im Sakrifiz, wieder verdrängte andere Subjekt, das – und damit kehren wir an den Ausgangspunkt unserer rekapitulierenden Abschweifung zurück – der göttliche Cäsar aus der opferkultlichen Latenz hervortreten und in sämtlichen theokratischen Heiligtümern des Reiches, inmitten des Tempelbezirks der verschiedensten Kulte, manifest werden lässt. Indem im Interesse an einer Verabsolutierung seiner Macht und Befreiung von den Beschränkungen, die ihm im Blick auf seine patrizischen Standesgenossen der Prinzipat auferlegt, der Imperator zulässt, dass die Plebs, weil sie in ihm den verkörperten Volkswillen, ihre präsente persona, gewahren möchte, die genealogische Sonderstellung, die er sich als Sohn des vergöttlichten Cäsar zuspricht, nutzt, um ihn selbst zum epiphanischen Ebenbild des Cäsar, zum erscheinenden Gott zu erklären und ihm als solchem kultische Verehrung zuteil werden zu lassen, und indem nun aber der Imperator diese seine Erhebung zum Kultobjekt propagandistisch ausschlachtet, um in allen Teilen des Reiches, in allen Provinzen, den senatorischen ebenso wie den kaiserlichen, seine dominante Präsenz und rituell sanktionierte Vorrangstellung unter Beweis zu stellen, entpuppt sich diese innenpolitisch motivierte, ideologische Kultstiftung als ein nach außen, auf die traditionellen Opferkulte durchschlagender sakraler Augenblick der Wahrheit: Sie lässt das von den letzteren zu konstitutioneller Latenz Verurteilte plötzlich institutionell manifest werden, zeitigt das epiphanische Erlebnis eines Auftritts jenes Antagonisten der theokratischen Ordnung, den die Opferkulte bei Strafe ihrer Widerlegung und um den Preis des Wiederholungszwanges permanent verdrängen mussten. Im Heiligtum erscheinend und den dort versammelten Göttern ihren angestammten Platz streitig machend, die kultische Verehrung für sich fordernd, die nach altem, fest gegründetem Brauch ihnen vorbehalten ist, erweist sich der cäsarische Gott als jener von der Opfersituation unversehens hervorgetriebene nefariöse Fremdling, jener ex improviso der Opfergabe auftauchende sakrilegische Eindringling, den die sakramentale Veranstaltung der Theokratie nicht wahrhaben darf und dem sie deshalb mit sakrifizieller Entschiedenheit sei's kurzerhand den Garaus macht, sei's beizeiten den Schauplatz seines Auftritts, das den Göttern dargebotene Präsent, die Opfergabe, verschlägt.

So gesehen, kommt die Einführung des göttlichen Cäsar in den theokratischen Sakralzusammenhang, seine Aufnahme in den Tempel zwecks kultischer Verehrung, einer Aufhebung der qua Opferkult geübten Verdrängung und einem Regress ad finitum oder vielmehr ad initium der in der Epiphanie des anderen Subjekts beschlossenen ursprungsmythischen Erfahrung ontologischer Entfremdung, kurz, einem regulären religiösen Offenbarungseid gleich. Allerdings einem Offenbarungseid, der offenbart, dass es sich mit dem Verdrängten wesentlich anders verhält, als die Tatsache seiner Verdrängung suggeriert, und dass es eigentlich gar nichts bei ihm zu verdrängen, mithin auch nichts zu offenbaren gibt. Der cäsarische Gott, so, wie er in allen Tempeln des Reiches erscheint, in alle Theokratien des Mittelmeerraumes Einzug hält, in allen ihren Opferkulten lebendige Präsenz gewinnt, ist jener nefariöse Fremdling, der beim Opfer geopfert wird, ist jener sakrilegische Eindringling, den das Sakrament sakrifiziert, und ist es auch wieder nicht! So sehr er systematisch-strukturell die Kriterien des gleichermaßen ex improviso der sakramentalen Gabe erscheinenden und in actu der sakrifiziellen Handlung zum Verschwinden gebrachten anderen Subjekts erfüllt, so sehr widerstreitet er empirisch-funktionell eben diesen Kriterien.

Erst einmal macht, anders als der sakrilegische Eindringling, um den sich der Opferkult in aller mörderischen Verstohlenheit, aller zerstörerischen Latenz dreht, dieser offen inszenierte, manifest etablierte fremde Gott den heimischen Göttern, in deren Domäne er eindringt, ihren angestammten Platz gar nicht streitig – er gesellt sich ihnen nur bei, nimmt an ihrer Seite Aufstellung. Er beansprucht mit anderen Worten gar nicht, sie als Kultobjekt zu ersetzen und an ihrer Stelle den sakramentalen Dienst zu empfangen, sondern will nichts weiter, als ergänzend zu ihnen hinzutreten und im trauten Verein mit ihnen kultische Verehrung genießen. Und dieser Unterschied zwischen dem alten, mittels Opferhandlung verdrängten, und dem neuen, mittels Opferhandlung inszenierten sakrilegischen Eindringling, der Umstand also, dass das dem theokratischen Opferkult oktroyierte, cäsarisch-manifeste andere Subjekt anders als sein im Opferkult impliziertes, sakrifiziert-latentes Alterego nicht als unversöhnlicher Konkurrent, als radikaler Gegenspieler der Götter, sondern als ihr integrationswilliger Mitspieler, als verträglicher Partizipant auftritt – er verweist nun aber auf eine noch gravierendere und in der Tat grundlegende Differenz zwischen beiden, nämlich darauf, dass dem cäsarisch-neuen Eindringling ins Heiligtum und Tempelräuber nichts ferner liegt als jene, die Opfergabe in specie und den gesellschaftlichen Reichtum in genere betreffende unbedingte Indifferenz und absolute Negativität, die dem epiphanisch-alten Entweiher des Tempelbezirks und Störenfried von der theokratischen Opfergemeinde unterstellt und als entscheidendes Sakrileg zum Vorwurf gemacht wird.

Anders als der in die Latenz verbannte sakrilegische Störenfried der opferkultlichen Tradition will der im Tempel zur Manifestation gelangende cäsarische Eindringling aus fremdherrschaftlicher Konsequenz ganz gewiss nicht den Umgang mit irdischem Reichtum und die Haltung zum diesseitigen Leben, wie sie sich in der sakramentalen Darbringung artikulieren, ad absurdum einer mit ihm, dem Frevler gegen die Götter, statthabenden pauschalen Verwerfung des Sinnes und Nutzens irdischen Reichtums, einer in ihm, dem vexierbildlichen Gegengott, Gestalt gewordenen radikalen Absage an Wert und Wirklichkeit des diesseitigen Lebens führen; vielmehr ist diesem cäsarischen Neuankömmling im göttlichen Bezirk das Ja zum irdischen Reichtum offenbar eine Selbstverständlichkeit, ist ihm die Reaffirmation des diesseitigen Lebens augenscheinlich in die Wiege gelegt, da er ja nichts weiter verlangt, als an der sakramentalen Darbringung, die jenes Ja zum Reichtum sanktioniert, als Nutznießer zu partizipieren, nichts weiter will, als von der kultischen Verehrung der Götter, die jene positive Haltung zum diesseitigen Leben sicherstellen soll, zusammen mit ihnen zu profitieren.

Um dem als Cäsar manifest werdenden anderen Subjekt diese von Grund auf affirmative Haltung zum irdischen Reichtum und zu den Verhältnissen des diesseitigen Lebens, die es im Unterschied zum latent bleibenden anderen Subjekt des theokratischen Opferkults einnimmt, zu attestieren, braucht es tatsächlich gar nicht den argumentativen Umweg über seine Stellung und sein Verhalten in dem theokratischen Kultraum, in den er Einzug hält. Es genügt vielmehr, sich klar zu machen, welche säkulare Praxis und politisch-ökonomische Strategie dieser religiösen Karriere des Cäsar, dieser seiner Erhebung zum Kultobjekt, dem kultisch-rituellen Schachzug, der ihn in die theokratischen Heiligtümer expediert, zugrunde liegt, um zu erkennen, wie himmelweit entfernt er von der daseinsverneinenden Indifferenz und weltflüchtigen Negativität ist, die implicite der Dynamik des das Sakrament ins Sakrifiz umschlagen lassenden theokratischen Opferkults seinem latenten Alterego unterstellt wird. Schließlich ist das, was den römischen Imperator als göttlichen Cäsar in die Tempel aller Provinzen des Imperiums bringt und dort als den heimischen Göttern ebenso gleichgesinnte wie ebenbürtige Sakralfigur zum Gegenstand kultischer Verehrung werden lässt, ein von säkularem Durchsetzungswillen geprägtes innenpolitisches Kalkül, sein Kampf mit dem Patriziat um die alleinige Macht über den gesellschaftlichen Reichtum und die absolute Verfügung über die imperialen Ressourcen, und so gesehen ist klar ersichtlich, dass dieses zwecks Umsetzung seines irdisch-diesseitigen Kalküls als lebendiger Gott im Kultraum der Theokratien auftauchende cäsarisch andere Subjekt empirisch-funktionell das genaue Gegenteil dessen verkörpert, was es systematisch-strukturell wiederauferstehen zu lassen scheint.

Im Kontext der opferkultlichen Tradition betrachtet, die er auf den ersten Blick zu kontinuieren und in deren Szenarium er sich einzufügen scheint, kommt also der Auftritt des als cäsarischer Gott figurierenden anderen Subjekts vielmehr einem revolutionären Ereignis, einem umwerfenden, diesen traditionellen Kontext regelrecht sprengenden Augenblick der Wahrheit gleich. Wer da auftaucht, aus der Latenz, in der ihn der Opferkult verhält, hervortritt und in der Integrität eines personalen Wesens manifest wird, ist keineswegs jener das menschliche Dasein in seiner irdischen Konkretion für null und nichtig erklärende, das gesellschaftliche Tun und Treiben in all seinen Objektivierungen, seinen sämtlichen materiellen Resultaten als ebenso wertlos wie unwirklich denunzierende fundamentale Saboteur und absolute Gegenspieler der demgegenüber als Kronzeugen der Wahrheit des irdischen Daseins und Garanten der Wirklichkeit seiner Emanationen firmierenden Götter, ist also keineswegs jenes Himmel und Erde erschütternde Vexierbild der Götter, das qua sakramentaler Opferhandlung unwillkürlich heraufbeschworen wird und das nun die ebenso routiniert wie unmotiviert sakrifizielle Wendung, die das sakramentale Opfer nimmt, schleunigst wieder aus der Welt zu schaffen beziehungsweise gar nicht erst in sie hineingelangen zu lassen dient. Wer da im Heiligtum als manifest anderes Subjekt, als offenbar fremder Gott auftaucht, ist vielmehr den heimischen Göttern zum Verwechseln ähnlich, ist seiner kategorialen Konstitution und Grundintention nach von ihnen gar nicht zu unterscheiden, ist, wie die rituellen Gaben, die kultischen Zuwendungen, die er fordert, beweisen beziehungsweise vor dem Hintergrund der imperialen Enteignungspraxis, die er betreibt, bloß bestätigen, nicht anders und nicht weniger als sie, die heimischen Götter, in einer von Grund auf affirmativen Beziehung zur Welt der Menschen begriffen, von rückhaltloser Positivität gegenüber den sächlichen Gegebenheiten und der sozialen Ordnung dieser Welt erfüllt.

Das heißt, als die plane Wahrheit, die offenbare Wirklichkeit des latent epiphanischen Subjekts begriffen, erweist sich der cäsarisch manifeste Gott als der große Entmystifizierer, der große Entdämonisierer: Er zerstreut mit einem Schlage alle kollektivexistenziellen Befürchtungen, die sich um jenes epiphanische Subjekt und seine Rolle im Prozess der Menschheit ranken, straft alle fundamentalontologischen Ängste Lügen, die sich auf es und seine Stellung zur menschlichen Welt, seine Haltung zu den von Menschenhand geschaffenen beziehungsweise von Menschengeist geordneten irdischen Lebensbedingungen richten, entlarvt alle religiösen Vorstellungen und rituellen Vorkehrungen, mit denen die theokratischen Gesellschaften seinem angeblich kompromisslosen Abfertigungsduktus und vernichtenden Verwerfungsgestus begegnen, seiner behaupteten disqualifizierenden Indifferenz und entrealisierenden Negativität entgegenwirken, als schiere Projektionen, haltlose Hirngespinste, indem er in eigener Person vorführt und bezeugt, dass das Verhältnis dieses vermeintlichen Gegenspielers der Götter zu den Dingen dieser Welt, zu den Lebensbedingungen, in denen sich die Menschen eingerichtet haben, zu den materiellen Ressourcen, die gesellschaftliche Arbeit der Natur abgewinnt und verfügbar werden lässt, mindestens ebenso rückhaltlos positiv, ebenso ungebrochen affirmativ ist wie das den Göttern selbst unterstellte.

Bedauerlich nur, dass der cäsarische Gott diese seine theoretische Affirmationsleistung mit praktischen Appropriationsforderungen verknüpft, dass er, wie einerseits und in specie als in die theokratischen Tempel Einzug haltende Kultfigur auf Teilhabe an den seinen bisherigen Widersachern, den Göttern, zugedachten Opfern dringt, so andererseits und in genere als der seine eigene Kultfigur in die Tempel tragende Imperator seine Beteiligung an dem im Namen der Götter von deren irdischen Repräsentanten, ihren Statthaltern auf Erden, in Besitz genommenen und verwalteten gesellschaftlichen Reichtum fordert. Bedauerlich mit anderen Worten, dass der vergöttlichte Imperator, während er einerseits als der im theokratischen Heiligtum auftauchende fremde Gott die Welt und ihre Reichtümer kultisch-religiös entlastet und als von aller modallogischen Disqualifizierungsdrohung und ontologischen Entrealisierungsgefahr freigesprochene säkulare Gegebenheit und materielle Sichselbstgleichheit bezeugt, andererseits als der im ganzen Reich etablierte fremde Machthaber quasi zum Lohn für diese seine kultisch-religiöse Entlastung der Reichtümer dieser Welt an deren traditioneller Enteignung durch die theokratische Herrschaft zu partizipieren beansprucht und also eine zusätzliche und verstärkte politisch-ökonomische Belastung derer betreibt, die in der Welt Hand anlegen und ihre Reichtümer schaffen.

So gewiss der cäsarische Gott als manifeste Einlösung des im Opferkult latent gegenwärtigen epiphanischen anderen Subjekts dessen vermeintliche Indifferenz gegenüber dem irdischen Dasein und Negativität gegenüber der diesseitigen Welt Lügen straft und als vielmehr unbedingte Positivität, absolute Affirmation entlarvt, so gewiss beweist doch diese in seiner kultischen Person bezeugte Positivität sogleich den praktischen Charakter einer der theokratischen Herrschaft nachgebildeten appropriativen Selbstbehauptung im Dasein, kehrt diese Affirmation sogleich die Züge einer mit dem göttlichen Anspruch auf die Welt, den der Statthalter auf Erden durchsetzt, konformen aggressiven Besitzergreifung hervor und zeigt sich so die systematische Befreiung der theokratischen Gesellschaft von der ihr durch das latent andere Subjekt, den sakrilegischen Eindringling, ins Haus stehenden ursprungsmythischen Gefahr ontologischer Entwertung und Entwirklichung mit der durch das manifest andere Subjekt, den cäsarischen Okkupator, der theokratischen Gesellschaft zugemuteten Vergrößerung der ihr ohnehin bereits beschwerlichen ökonomischen Last fronwirtschaftlicher Ausbeutung und Enteignung teuer erkauft.

Indes, die zusätzliche ökonomische Belastung, die der Anspruch des als das manifest andere Subjekt des Opferkults sich gerierenden cäsarischen Fremdherrschers auf Beteiligung am Expropriationsmechanismus der eigenen theokratischen Herrschaft für die betroffenen Gesellschaften bedeutet, ist dabei noch nicht einmal das Schlimmste. Wie die Jahrhunderte kolonialistischer Okkupation des Mittelmeerraums durch die Römische Republik zeigen, lässt sich eine durch die Ansprüche der Fremdherrschaft verstärkte oder vermehrte herrschaftlich-fronwirtschaftliche Ausbeutung zur Not verkraften, vorausgesetzt, die fremdherrschaftlichen Ansprüche halten sich in den Grenzen geradliniger Hab- und Beutegier und lassen sich als eine der legitimen, religiös sanktionierten Aneignungspraxis der eigenen Herrschaft einfach nur aufgepfropfte gewaltsame und gesetzlos-heterogene Expropriation verbuchen. Schwerer wiegt hier vielmehr das dogmatische Problem, dass der cäsarische Gott durch die kultische Form, in der er seinen Beteiligungsanspruch vorträgt, dadurch also, dass er sich als das vom Opferkult zuverlässig verdrängte epiphanisch andere Subjekt zu erkennen oder jedenfalls zu verstehen gibt, dem herrschaftlich-theokratischen Aneignungsmechanismus, an dem er partizipieren will, ja eigentlich den Boden entzieht, im Grunde seine Legitimation verschlägt.

Ist nämlich nicht, was den im Namen der Götter und an ihrer Stelle herrschenden theokratischen Herrn zum Herrn über den gesellschaftlichen Reichtum, zum über die Ressourcen dieser Welt, die Mittel der gemeinschaftlichen Reproduktion, verfügenden Machthaber macht, jene von seinen Patronen und Bevollmächtigern, den Göttern, erbrachte fundamentale Leistung oder ontologische Großtat, der vernichtenden Indifferenz und unendlichen Negativität, mit der ein im Resultat des kollektiven Arbeitsprozesses unversehens auftauchendes, ex improviso des gesellschaftlichen Reichtums erscheinendes anderes Subjekt eben dieses Resultat mitsamt dem zu ihm führenden Prozess bedroht, zu wehren und sich gegen diese disqualifizierende Motion und irrealisierende Macht als Kronzeugen der Wirklichkeit der von Menschenhand geschaffenen materialen Welt und Garanten des Werts des durch menschliche Anstrengung ins Werk gesetzten sozialen Daseins zu behaupten? Sind nicht die Götter wahre Herren über die menschliche Welt in genere und wirkliche Eigner der gesellschaftlichen Ressourcen in specie nur deshalb, weil sie letztes Ergebnis eines religiösen Konfliktbewältigungsverfahrens darstellen, dessen einziger Sinn, dessen ultima ratio die Entmächtigung jenes indifferenzträchtig und negativitätserfüllt anderen Subjekts beziehungsweise seine Umfunktionierung ins genaue Gegenteil seiner selbst, in Kronzeugen der Wirklichkeit der materialen Welt und Garanten der Wahrheit des sozialen Daseins, ist? Und ist nicht aber der jenes epiphanisch andere Subjekt aus seiner Latenz auftauchen und, statt als Fokus sakrifizieller Verdrängung, vielmehr als Gegenstand sakramentaler Zuwendung, als Kultobjekt unter anderen, mitten im heiligen Bezirk manifest werden lassende göttliche Cäsar der leibhaftige und sinnenfällige Einspruch gegen diese den Göttern zugesprochene Kronzeugenschaft und Garantieleistung, mithin die genaue und vollständige Widerlegung der für den Anspruch der Götter auf Verfügung über die Welt in genere und die gesellschaftlichen Ressourcen in specie, kurz, für die theokratische Herrschaft als solche geltend gemachten Begründung?

Weit gefehlt, dass jenes in cäsarischer Gestalt offenbar werdende andere Subjekt die unbedingte Indifferenz gegenüber den irdischen Dingen an den Tag legte oder die absolute Negativität gegenüber dem weltlichen Dasein bewiese, die implicite aller qua theokratische Religion gegen es ergriffenen kultischen Maßnahmen und getroffenen rituellen Vorkehrungen von ihm zu erwarten wären, zeigt es sich vielmehr von uneingeschränkter Positivität im Blick auf die Dinge dieser Welt erfüllt, begegnet es der irdischen Sphäre und dem, was sie zu bieten hat, um keinen Deut weniger affirmativ als die gegen es etablierten alten Götter, in deren Kreis es als neues Kultobjekt eindringt und denen es sich mit dem Anspruch auf Gleichbehandlung an die Seite stellt. Das heißt, es straft die theokratische Religion mitsamt allen ihr vorausgehenden Heroen- und Totenkulten Lügen, führt den in seiner Person manifesten Nachweis, dass sie alle auf einer fundamental falschen Voraussetzung, einer durch nichts gerechtfertigten Unterstellung aufbauen und dass demnach sämtliche an diese Voraussetzung und Unterstellung geknüpften theoretischen Folgerungen und praktischen Konsequenzen, sprich, sämtliche auf die Bewältigung der vorausgesetzten Bedrohung und Beseitigung der unterstellten Gefahr gerichteten dogmatisch-kultischen Abwehrleistungen wie auch sämtliche auf letztere gegründeten politisch-ökonomischen Rechtstitel und Besitzansprüche ebenso definitiv entbehrlich wie objektiv unhaltbar sind.

Indem die römisch-cäsarische Vergegenwärtigung des epiphanisch anderen Subjekts, der qua Kaiserkult in den Tempeln zur Geltung gebrachte und damit aus opferkultlicher Latenz in die gotteskultliche Manifestation überführte Gegenspieler der Götter, sich nicht nur dem irdischen Leben ebenso verbunden und in der diesseitigen Welt ebenso zuhause zeigt wie letztere, sondern mehr noch im Blick auf die Gewährleistung dieses irdischen Lebens, die Sakralisierung der diesseitigen Welt eine der Zeugenschaft der Götter, ihrer kultischen Garantieleistung vergleichbare Rolle zu spielen und Funktion zu erfüllen beansprucht, raubt dieser den Göttern ins Gehege kommende cäsarische Gegenspieler der theokratischen Religion in der Tat das sie von Anfang an heimlich treibende Motiv und den sie seit jeher wesentlich tragenden Grund und verschlägt damit denn aber auch der sie initiierenden und praktizierenden sozialen Herrschaft alle auf sie, die theokratische Religion, sich berufende politische Legitimation und alle aus ihren kultischen Leistungen sich begründende ökonomische Verfügung.

So wahr der den epiphanischen Gegenspieler der Götter mitten im heiligen Bezirk gleichermaßen zur Erscheinung und zur Geltung bringende cäsarische Gott den in der eigenen Person bestehenden Nachweis führt, dass von der mit ihm an die Wand gemalten ontologischen Verwerfung der irdischen Sphäre und modallogischen Entwertung der Güter dieser Welt, der die theokratische Religion einen Riegel vorzuschieben beansprucht, gar keine Rede sein kann und dass vielmehr der angebliche sakrilegische Gegenspieler den sakralen Artefakten der Opferszene in specie und den materialen Gütern der irdischen Welt in genere nicht weniger affirmativ gegenübersteht und an ihrem Erhalt und ihrer Wirklichkeit nicht weniger interessiert ist als die Götter selbst, so wahr dekuvriert dieser als cäsarischer Gott manifest werdende Gegenspieler der Götter teils die gesamte theokratische Religion als die Frucht eines fundamentalontologischen Irrtums, einer die Wirklichkeit der Welt betreffenden epochalen Fehleinschätzung, teils demnach alle auf der theokratischen Religion fußende soziale Herrschaft als eine im tiefsten Grunde überflüssige Veranstaltung, eine als permanente Leerlaufreaktion sich exekutierende kapitale Fehlleistung.

Wie sehr so aber auch der römische Imperator an den Grundfesten der um die mutmaßliche Indifferenz und vorgebliche Negativität des epiphanisch anderen Subjekts kreisenden theokratischen Religion rütteln und wie sehr er damit zugleich die in der theokratischen Religion und ihren kultischen Leistungen ihre Rechtfertigung findende traditionelle soziale Herrschaft erschüttern mag – was dem Auftritt des cäsarischen Gottes, als der er sich geriert, erst seine wahrhaft verheerende Wirkung, seine durchschlagend religions- und herrschaftskritische Bedeutung verleiht, ist die Tatsache, dass er der theokratischen Herrschaft ja nicht einfach nur ihren behaupteten guten Grund verschlägt, sondern ihr uno actu seiner grundlegenden Kritik ein neues, böses Motiv zu vindizieren beansprucht. Schließlich bescheidet sich der als Gott unter Göttern im heiligen Bezirk Auftauchende ja nicht damit, in persona seines kultischen Erscheinens den latenten Ursprungsmythos von einer die irdische Welt und ihre materiellen Güter bedrohenden und nur durch götterkultliche Anstrengungen zu bannenden unbedingten Indifferenz und absoluten Negativität zu widerlegen und sich als eine das Erdenleben und seine Bedingungen ebenso zuverlässig wie die Götter selbst reaffirmierende beziehungsweise sanktionierende Macht zu profilieren – er erhebt mit seinem Erscheinen auch und ebenso sehr den Anspruch, teils kultisch von den Opfern und sakramentalen Ehrungen zu profitieren, die den Göttern für ihre die weltliche Sphäre betreffende Reaffirmationstätigkeit und Sanktionsleistung zustehen, teils und vor allem praktisch an der Vollmacht über die Welt und Verfügung über ihre Reichtümer, kurz, an der sozialen Herrschaft zu partizipieren, zu der diese die Götter als wahre Herren und wirkliche Eigner der Welt ausweisende Reaffirmationstätigkeit und Sanktionsleistung den Stellvertretern der Götter auf Erden, ihren theokratischen Statthaltern, verhilft.

Während der Imperator also durch seinen Auftritt im opferkultlichen Raum der theokratischen Herrschaft den religiösen Boden entzieht und die sakrale Fundierung verschlägt, verlangt er als Lohn für diese seine aufklärerisch-entmythologisierende Leistung nichts weiter als seine Mitwirkung an dieser von ihm für boden- und gegenstandslos erklärten theokratischen Herrschaft und seine Teilhabe an ihren von ihm als ganz und gar unverdient nachgewiesenen Früchten. Während er durch seine göttliche Existenz, sein kultisches Repräsentieren die theokratische Herrschaft theoretisch widerlegt und ideologisch entkräftet, zieht er für seine herrscherliche Funktion, sein politisches Handeln daraus einzig und allein die Konsequenz, das theoretisch Widerlegte zu seinem praktischen Vorteil zu nutzen, das ideologisch Entkräftete in den Dienst seines ökonomischen Interesses zu stellen.

So eklatant widersprüchlich und geradezu schizophren dieses Zugleich von theoretischer Widerlegung und praktischer Aneignung, ideologischer Entkräftung und ökonomischer Nutzung auf den ersten Blick anmuten mag, es gibt dafür eine höchst einfache Erklärung, eine ganz und gar logische Auflösung – den durch die Kenntnis der Prinzipien und Zielsetzungen römischer Herrschaft nur allzu nahegelegten Schluss nämlich, dass für den Imperator die Frage, inwiefern die theokratische Herrschaft, die er in den Provinzen vorfindet und auf deren etablierten Machtstrukturen und Aneignungsmechanismen er mit seinen eigenen Herrschaftsansprüchen mehr oder minder aufbaut – dass also die Frage, inwiefern diese vorgefundene theokratische Herrschaft einen tragfähigen sakralen Grund, eine haltbare religiöse Fundierung besitzt, für ihn überhaupt nicht relevant ist, gar keine Rolle spielt, weil er dieser theokratischen Herrschaft von vornherein mit dem theorielosen Pragmatismus, um nicht zu sagen, dem unideologischen Zynismus dessen begegnet, den an ihr einzig und allein ihre Tauglichkeit interessiert, ihm bei der Festigung seiner politischen Herrschaft über das Reich und bei der Realisierung seiner ökonomischen Verfügung über dessen Ressourcen zu helfen. Ob die instrumentelle Tauglichkeit der theokratischen Herrschaft, ihre Nützlichkeit für die Durchsetzung seiner imperialen Ambitionen irgend fundiert ist, ob sich für die theokratische Herrschaft also ein über die subjektiven Ansprüche und persönlichen Motive derer, die sie praktizieren, hinausgehender objektiver Anlass oder sachlicher Grund geltend machen lässt, ob sich mit anderen Worten die theokratische Herrschaft auf eine wirkliche Stiftungstat nach Art des sakramentalen Eintretens der Götter für die Welt, auf einen wahren Konstitutionsakt im Sinne der kultisch besiegelten göttlichen Garantieleistung für das irdische Leben berufen kann oder nicht – das ist dem römischen Imperator in seinem pragmatischen Herrschaftsanspruch oder vielmehr zynischen Machtstreben herzlich gleichgültig, darüber muss er sich nicht den Kopf zerbrechen, braucht er nicht zu befinden, nicht zu entscheiden.

Oder vielmehr hat er de facto seines zynischen Machtstrebens bereits darüber entschieden! So gewiss ihn an der vorgefundenen theokratischen Herrschaft nichts weiter interessiert als ihre praktische Tauglichkeit für seine Zwecke imperialer politischer Herrschaft und kolonialer ökonomischer Verfügung, so gewiss gilt es ihm gleich, ob diese praktische Tauglichkeit sich einem guten Grund oder einem betrügerischen Alibi, einer wahren Bewandtnis oder einem falschen Vorwand, einer objektiven Rücksicht oder einer manipulativen Projektion, einem fundierten Argument oder einem fiktiven Kalkül verdankt. Besser gesagt, er kennt gar nichts anderes als Alibis, weiß überhaupt nur von Vorwänden und Täuschungen, weil für ihn jede Rechtfertigung und Begründung für die Ausübung von Herrschaft ihre Wahrheit und Wirklichkeit in ihrer technologischen Eignung, ihrer tautologischen Funktion erschöpft, als Alibi für die Fortsetzung bestehender herrschaftlicher Praxis herzuhalten, den Vorwand für die Beibehaltung faktischer Machtverhältnisse abzugeben.

Wenn deshalb der römische Imperator durch die kultische Stellung und sakrale Rolle, die er aus internen machtpolitischen und sozialstrategischen Gründen übernimmt und die ihn als cäsarischen Gott in die Tempel aller Provinzen, in die heiligen Bezirke sämtlicher theokratischer Religionen führt, diesen Religionen, ohne es zu beabsichtigen, quasi versehentlich, ihr heimlich treibendes Motiv und ihren wesentlich tragenden Grund verschlägt, so ändert sich damit an seiner Einschätzung des Sinns und Wertes theokratischer Religionen beziehungsweise an seinem Verständnis des Nutzens und Zwecks der auf sie sich stützenden, in ihnen sich legitimierenden theokratischen Herrschaft nicht das Geringste. Für ihn, dem in seinem Pragmatismus oder vielmehr Zynismus gesellschaftliche Herrschaft nichts weiter bedeutet als ein egal, aus welchen Gründen und mit welcher Legitimation auch immer gegebenes Instrument zur militärisch forcierten politischen Organisation von Menschen im Interesse ihrer bürokratisch kontrollierten ökonomischen Ausbeutung – für ihn stellen sich damit die Götter als das heraus, was sie aus seiner Sicht ohnehin sind, als von der theokratischen Herrschaft hochgehaltene Trugbilder oder Fetische, falsche Zeugen oder Popanze des von ihr, der theokratischen Herrschaft, erhobenen faktischen Machtanspruchs, und erweist sich die den Göttern im Blick auf die Wahrheit der Welt und die Wirklichkeit ihrer Güter zugeschriebene affirmative Funktion und Garantieleistung als einfach nur Vorwand und Alibi, Täuschung und Scheinbegründung für diese den Popanzen und Fetischen theokratischer Herrschaft übertragene machtlegitimierende Rolle und herrschaftssanktionierende Position.

Für die Gläubigen der theokratischen Religionen, die Untertanen der theokratischen Herrschaft hingegen ändert sich um so mehr! Für sie büßt durch das Erscheinen des cäsarischen Gottes im heiligen Bezirk und durch die Aufklärung über den heimlichen Fokus des Opferkults, das epiphanisch andere Subjekt, die der cäsarisch erscheinende Gott mit sich bringt und personifiziert – für sie also büßt durch jene cäsarische Manifestation des epiphanisch latenten Gottes ihre theokratische Religion, der Opferkult, auf den sie bauen, in der Tat alle Wahrheit, allen guten Grund ein und verliert dem gemäß auch die theokratische Herrschaft, die sich auf diese religiöse Wahrheit beruft, sich auf diesen kultisch guten Grund stützt, ihre objektive Rechfertigung, ihre sakrale Sanktion. Für sie bewahrheitet sich mit anderen Worten der Begriff, den der römische Imperator vom Nutzen und Zweck gesellschaftlicher Herrschaft im allgemeinen und vom Sinn und Wert der die Herrschaft begründenden religiösen Funktion im besonderen hat, und stellt sich nämlich heraus, dass entgegen dem von der theokratischen Herrschaft qua göttliche Garantie behaupteten guten Grund und dem damit erweckten Anschein objektiver Legitimation, ein Gründe nur als Vorwand gebrauchendes und im Grunde rein pragmatisches Machtstreben, ein effektive Täuschungen als objektive Rechtfertigungen vortragendes und unter der Hand absolut zynisches Manipulieren die ultima ratio auch und nicht zuletzt der theokratischen Herrschaft ist.

So gesehen und aus der Perspektive der mit der kultkritischen Bedeutung, die er als göttlicher Cäsar für die theokratische Religion insgesamt gewinnt, unmittelbar verknüpften machtpolitischen Haltung betrachtet, die er als imperialer Eroberer gegenüber der jeweiligen theokratischen Herrschaft einnimmt, widerlegt also der römische Imperator die letztere nicht nur, demontiert er nicht nur ihre Legitimationsbasis, sondern er kompromittiert sie zugleich, stellt diese ihre vorgebliche Legitimationsbasis als an sich bodenloses Machtkalkül bloß. Er weist nicht nur in eigener Person oder ex cathedra seines kultischen Repräsentierens nach, dass der gute Grund auf den sich die theokratische Herrschaft zu stützen beansprucht, gar nicht vorhanden und eine bloße Projektion oder Unterstellung ist, er führt mehr noch selbsttätig oder kraft seines politischen Agierens vor, dass dieser vorgebliche Grund vielmehr bloß Vorwand für ihr unvermischtes Machtstreben, Verbrämung ihrer manipulativen Herrschsucht ist und dass sie also den gleichen böse-pragmatischen Grund hat, vom gleichen privativ-zynischen Geist beseelt und durchdrungen ist wie er.

Dabei dekuvriert der als göttlicher Cäsar in den Tempeln der theokratischen Religionen erscheinende römische Imperator die theokratische Herrschaft um so gründlicher, zeigt sie um so nachhaltiger von seinem Geist durchdrungen, als er ihr, genau besehen, ja nicht nur die als göttlich-kultische Reaffirmations- und Garantiemacht von ihr behauptete objektive Ratio verschlägt und ihr sein eigenes, persönlich-politischer Herrsch- und Habsucht entspringendes, manipulatives Kalkül als auch und ebenso wohl für sie verbindlichen Triebgrund vindiziert, sondern jener vorgeblich objektiven Ratio, die er ihr verschlägt, im Kontext dieses tatsächlich manipulativen Kalküls, das er ihr vindiziert, eine Art unwillkürliche Rehabilitation widerfahren lässt und eine neue, ironisch revidierte Bedeutung verleiht. Wenn demnach die theokratische Herrschaft in den kultisch beschworenen Göttern eine Garantiemacht gegen die vom heimlichen Zentrum des Kults, vom epiphanisch anderen Subjekt, her drohende Indifferenz und Negativität zu haben behauptet, dann gewinnt das vor dem Hintergrund der durch den cäsarischen Gott im Tempel verbreiteten Aufklärung und Entymthologisierung diesen nicht eben eminent guten, wohl aber immanent schlüssigen Sinn, dass die Götter der theokratischen Herrschaft selbst einen Schein von objektiver Leistung und positiver Geltung garantieren und sie davor bewahren, als das in Erscheinung zu treten, was sie in Wahrheit ist – ein auf alle objektive Leistung pfeifendes manipulatives Machtstreben, ein um jede positive Geltung unbekümmerter privativer Verfügungsanspruch.

Das andere Subjekt, dessen Manifestation durch die kultisch beschworene Präsenz der Götter verhindert wird, ist – dieser durch den cäsarischen Gott bestimmten immanenten Lesart zufolge – die theokratische Herrschaft selbst, sofern sie auf den Schein von objektiver Leistung und positiver Geltung, den die Götter verleihen, verzichtet: seine Indifferenz ist die Gleichgültigkeit eines um keinen Vorwand sich mehr scherenden, unverhohlenen Machtstrebens, seine Negativität der Zynismus einer mit keinem Täuschungsmanöver sich mehr aufhaltenden offenen Habsucht. Worum sich die theokratische Herrschaft mit ihrer Berufung auf die Garantiemacht der als wahre Herren und wirkliche Eigner des gesellschaftlichen Reichtums in Szene gesetzten Götter bemüht, ist die Vertuschung dieses ihr im Grunde eigenen gleichgültigen Pragmatismus, die Kaschierung dieses ihres heimlichen, mit Nihilismus deckungsgleichen Zynismus. Nur und ausschließlich in diesem ironisch-selbstreferenziellen Sinne sind die Götter der theokratischen Herrschaft ein gegen die Drohung unbedingter Indifferenz und absoluter Negativität errichteter Damm und Schutzwall. Und wenn demnach aber der römische Imperator der theokratischen Herrschaft zum einen durch seine kultische Stellung, seine göttliche Figur ihren im Götterkult behaupteten objektiven Rechtfertigungsgrund verschlägt und ihr zum anderen durch sein politisches Handeln, seine persönliche Einstellung ein von aller objektiven Rechtfertigung unabhängiges subjektives Machtstreben, eine gegen jeden guten Grund gleichgültige privative Besitzgier als auch und gerade ihren, hinter jeglicher Täuschung verborgenen letzten Beweggrund nachweist, so tut er nichts weiter, als ihr die im Popanz der Götter bestehende Maske vom Gesicht zu reißen und sie der zum Offenbarungseid durchschlagenden Tatsache zu überführen, dass jene Indifferenz und Negativität eines angeblich toto coelo anderen Subjekts, gegen die sie sich unter Berufung auf die Götter und deren Schutz- und Abwehrfunktion verwahrt, nichts weiter ist als ihr eigener und in der Identität des Imperators reinkulturell zum Vorschein kommender pragmatischer Egoismus und zynischer Nihilismus, vor dessen Sichtbarwerden die Götter schützen sollen und in dessen Kaschierung ihre Abwehrfunktion sich erschöpft.


Die Schwierigkeit der Untertanen, sich mit dem als Offenbarungseid opferkultlich-territorialherrschaftlicher Religiosität durchschlagenden Egoismus und Zynismus des cäsarischen Regimes praktisch-empirisch zu arrangieren, liegt nicht in der Verfassung und Gemütslage der Untertanen selbst begründet, sondern in der unaufhebbar widersprüchlichen Konstitution des Regimes. Der dem Cäsarismus vom Patriziat vererbte Widerspruch resultiert aus der unlösbaren Verquickung von struktureller und funktioneller Rationalisierung, Verquickung des Zwangs, dem Egoismus einen objektiven Zweck abzuverlangen, und des Triebs, die Verfolgung des Zwecks zu einer ihn als solchen eliminierenden Vermittlungsprozedur, zum Selbstzweck, geraten zu lassen.

Indem so aber der als cäsarischer Gott figurierende römische Imperator den theokratischen Religionen nicht nur die mit der unbedingten Indifferenz und absoluten Negativität eines toto coelo anderen Subjekts den Gütern dieser Welt angeblich drohende unvorstellbar-objektive Gefahr, die sie zu bannen behaupten, verschlägt und damit der auf diese Religionen sich stützenden theokratischen Herrschaft die ihn selbst motivierende unverhohlen-subjektive Gier nach den Gütern dieser Welt als insgeheim auch und ebenso sehr sie bestimmenden Beweggrund vindiziert, sondern mehr noch in zirkelschlüssiger Engführung jene vorgeblich objektive Gefahr als in Wahrheit mit dieser der theokratischen Herrschaft vindizierten subjektiven Gier identisch und von sich als solcher nur durch den Schein von Objektivität, den der religiöse Vorwand ihr verleiht, durch die göttlichen Popanze, hinter denen sie sich versteckt, different enthüllt, indem mit anderen Worten der als cäsarischer Gott figurierende römische Imperator die theokratischen Religionen als eine reine Abwehr- und Verdrängungsveranstaltung offenbar werden lässt, deren Aufgabe und Funktion sich darin erschöpft, eben die nackte Wahrheit gesellschaftlicher Herrschaft, die er, der Imperator, manifest werden lässt und offen vertritt, zum Anathema zu erklären und durch definitive Vorspiegelungen zu ersetzen, kurz, von der Wahrnehmung auszuschließen und latent zu erhalten – indem so also der römische Imperator die theokratische Herrschaft in den Offenbarungseid ihrer von seiner subjektiven Motivation und privativen Zielsetzung durch nichts als durch deren religiöse Verbrämung oder götterkultliche Scheinobjektivierung unterschiedenen Intentionalität treibt, lässt er den Anhängern der theokratischen Religionen und Untertanen theokratischer Herrschaft kein Schlupfloch, keine Möglichkeit, sich gegen seinen rücksichtslosen Pragmatismus, seinen heillosen Zynismus auf ihre tradierten Sinngebungs- und Interpretationssysteme zurückzuziehen beziehungsweise sich gegen seine militärische Gewalt, seinen bürokratischen Zugriff im Namen ihrer angestammten, kultisch fundierten, sakramental sanktionierten Machtstrukturen zu verwahren.

Wenn die unbedingte Indifferenz und absolute Negativität eines vorgeblich anderen Subjekts, die die theokratischen Religionen zu bannen beanspruchen, in der Wahrheit, die der als cäsarischer Gott auftretende römische Imperator verkörpert, nichts weiter ist als die relative Gleichgültigkeit und der privative Nihilismus, womit er, der Imperator, den Bemühungen der theokratischen Herrschaft begegnet, ihren Anspruch auf soziale Macht und ökonomische Verfügung gottesdienstlich zu begründen und opferkultlich zu legitimieren, und wenn sich von daher aber, was den theokratischen Herrschafts- und Verfügungsanspruch vom imperatorischen Macht- und Aneignungsstreben unterscheidet, auf eben jene gottesdienstlichen Begründungs- und opferkultlichen Legitimierungsbemühungen der theokratischen Religionen reduziert, die wiederum in zirkelschlüssiger Ironie beziehungsweise selbstbezüglicher Idiotie ihren Sinn und Nutzen darin erschöpfen, als Vorwände und Täuschungen eben das unverhohlene Machtstreben und die schiere Besitzgier zu kaschieren, die im Grunde auch die bestimmende Intention und das beherrschende Motiv der theokratischen Herrschaft sind, dann können die als Gläubige der theokratischen Religionen firmierenden Untertanen der theokratischen Herrschaft gar nicht umhin, letztere im Offenbarungseid imperatorischer Machtübung und Ausbeutungspraxis vollständig bloßgestellt und auf ihre Wahrheit reduziert zu sehen und also im Pragmatismus und Zynismus jener imperatorischen Machtübung und Ausbeutungspraxis die Grundform und das Urbild überhaupt aller sozialen Herrschaft und realen Verfügungsgewalt zu erkennen.

So sehr aber auch die theokratisch verfassten Untertanen in den Provinzen, das Gros der Bürger des späten römischen Imperiums, gezwungen sein mögen, ihre angestammten, auf Gottesdienst und Opferkult gegründeten Herrschaftsapparate durch das fremde, auf nichts als auf militärischen Pragmatismus und bürokratischen Zynismus bauende Gewaltregime des zum cäsarischen Gott sich erklärenden Imperators als vollständig dekuvriert und kompromittiert zu gewahren und eben dieses Gewaltregime als den durch die scheinbare Ausnahme der theokratischen Herrschaft in Wahrheit nur bestätigten, weil letztere ihrer in ihm offenbaren Identität überführenden Regelfall politischer Machtübung und ökonomischer Ausbeutung anzuerkennen, so schwierig, wo nicht unmöglich, erweist sich nun doch das praktisch-empirische Arrangement mit diesem als der Normalfall sozialer Herrschaft und realer Verfügung anerkannten imperatorischen Regime. Dabei besteht die Schwierigkeit nicht etwa darin, dass den Untertanen die Bereitschaft oder Fähigkeit fehlte, sich mit dem als die Wahrheit auch und gerade der eigenen Herren und heimischen Machthaber offenbaren Pragmatismus und Zynismus des fremden Regimes abzufinden beziehungsweise sich auf ihn einzustellen, sondern das Problem liegt beim fremden Regime selbst und dessen innerer Gespaltenheit oder widersprüchlicher Natur beziehungsweise bei den äußeren Konflikten und politisch-militärischen Zerreißproben, die Konsequenz dieser widersprüchlichen Natur des Regimes sind.

Mag nämlich zwar der römische Imperator mit seinem unverhohlen subjektiven Machtstreben und seiner hemmungslos privativen Besitzgier als die nackte Wahrheit und der identische Begriff aller hinter geheiligten Vorwänden, hinter vorgeschobenen Gründen sich versteckenden theokratischen Herrschaft erscheinen und deren viele Götter und diverse Kulte als Popanze und Bauernfängerei entlarven – ganz ohne rituelle Prätention, ohne kultische Überhöhung seines Tuns und Treibens kommt offenbar auch er nicht aus. Schließlich agiert er, wenn er seinem imperialen Machtstreben frönt und seine alle Provinzen umspannende Besitzgier befriedigt, in eigener, aber doch zugleich entfremdeter Person, in sichselbstgleicher, aber doch ebenso sehr verdoppelter Gestalt: Er erhebt seinen mit militärischem Pragmatismus und bürokratischem Zynismus durchgesetzten Herrschaftsanspruch zwar höchstselbst und im eigenen Namen, aber wohlgemerkt höchstselbst oder dergestalt, dass er diesen seinen Namen für sakrosankt erklärt.

Während er als militärischer Befehlshaber und bürokratischer Organisator, eben als Imperator, in den Provinzen die Macht ergreift und sich etabliert, tut er dies zugleich im Namen jenes Alterego und höheren Selbst, jenes vergöttlichten Cäsar, den er zu verkörpern und als dessen Epiphanie er seine Macht auszuüben beansprucht. Ihn lässt er als cäsarischen Gott Einzug in die Tempel der Provinzen, Aufnahme in den Kreis des theokratischen Pantheons finden und dort aber als die ebenso weltzugewandte wie seinsbejahende Manifestation des als der große Weltverwerfer und Seinsvernichter den latenten Fluchtpunkt der theokratischen Kulte bildenden Widersachers seine aufklärerisch-entmythologisierende Wirkung entfalten. Der römische Imperator entsetzt also zwar die theokratischen Götter ihres Amtes, indem er sie kraft des Pragmatismus seines persönlichen Machtstrebens und des Zynismus seiner privativen Besitzgier als bloße Popanze und Vorwände der gleichen Geltungssucht und Habgier ihrer irdischen Statthalter entlarvt und entzaubert, aber er tut dies, genau genommen, nur, um sich selbst an die Stelle der Entthronten beziehungsweise – aus der Perspektive seiner pragmatischen Gleichgültigkeit und seines zynischen Nihilismus betrachtet! – an die Seite der Entlarvten zu setzen.

So sehr er mit anderen Worten die von der theokratischen Herrschaft behauptete kultische Rücksicht und Beziehung zu den Göttern ihrem sachlichen Gehalt und ihrer objektiven Grundlage nach durch seinen rücksichtslosen Selbstbezug, seinen offen kultivierten Egoismus unterläuft und ad absurdum führt, sprich, als nichts weiter als auf die Vertuschung der Wahrheit zielendes Täuschungsmanöver und einzig und allein ihre eigene Aufrechterhaltung bezweckende Spiegelfechterei bloßstellt, so sehr zeigt er sich doch zugleich disponiert, diese kultische Rücksicht und theologische Beziehung in seinem Selbstverhältnis, seiner Subjektkonstitution wiedererstehen und als personale Form oder reflexive Struktur zur Geltung kommen zu lassen. Im Unterschied zu den theokratischen Herren oder vielmehr im Einklang mit der in ihm offenbaren letzten Wahrheit auch der theokratischen Herrschaft ist der römische Imperator keinen Göttern verpflichtet, treibt er keinen Kult um sakramentale Ansprüche und sakrale Interessen, sondern dient einzig und allein sich selbst, verfolgt nur praktisch-persönliche Absichten, handelt ausschließlich im profan-eigenen Interesse – aber gleichzeitig ist das Selbst, dem er dient, göttlicher Natur, sind die Absichten, die er verfolgt, die eines höheren Wesens, ist das Interesse, in dem er handelt, sakrosankt.

Diese auf den ersten Blick verblüffende Verhimmelung, die der Imperator mit sich selbst betreibt, dieses geradezu paradoxe Zugleich von Aufklärung und Mystifizierung, Säkularisierung und Sakralisierung, das er in eigener Person praktiziert, erklärt sich, wie im vorigen Band gezeigt, daraus, dass er bei all seiner Emanzipation von den gottesdienstlichen Verpflichtungen und kultischen Rücksichten traditioneller theokratischer Herrschaft doch aber keineswegs völlig auf sich gestellt, in absolut eigener Regie, unmittelbarer Selbstherrlichkeit agiert, sondern, genau besehen, seinerseits in Diensten steht, im Auftrag anderer handelt, eine Prokura erfüllt, und dass aber diese ihn bestimmenden anderen, diese seine Auftraggeber, um sich nicht gegen die patrizisch-ahnenkultlichen Legitimations- und Sanktionsformen der römischen Tradition zu vergehen, auf die er sich beruft beziehungsweise hinter denen er sich vor ihrer besitzergreifenden Zudringlichkeit verschanzt, ihrerseits gezwungen sind, die Durchsetzung ihres Willens seinem persönlichen Gutdünken und quasi freien Ermessen anheim zu stellen, die Wahrnehmung ihrer Interessen ihm als ihrem Generalbevollmächtigten, ihrem gewissermaßen autonomen Repräsentanten zu überlassen.

Weil es die durch das republikanische Patriziat deklassierte Plebs, die Volksmasse ist, die durch ihre politische Unterstützung und militärische Hilfestellung dem Imperator den Weg zur Alleinherrschaft öffnet und ihm ermöglicht, sich in seiner neuen Stellung dauerhaft zu behaupten, avanciert sie zum heimlichen Souverän, dessen Anspruch auf Zuwendung und Versorgung für die imperatorische Herrschaft maßgebliche Bedeutung und definitive Verbindlichkeit gewinnt. Und weil aber, um sich jenen heimlichen Souverän halbwegs vom Leibe zu halten, der Imperator einerseits als Primus inter pares der patrizischen Standesgenossenschaft figuriert und deren als Pietas formulierte ahnenkultliche Bindung und Verpflichtung zur nach wie vor auch für ihn gültigen Legitimationsgrundlage erklärt und andererseits, um seine Sonderstellung gegenüber den patrizischen Standesgenossen zu begründen, eine eigene, den Ahnherrn im Stifter des imperatorischen Amtes Cäsar findende und, wie diesem im Unterschied zu den anderen Ahnen göttlichen Status vindizierende, so für sich selbst eine Art hereditäre Sakralität, eine Gottessohnschaft reklamierende Genealogie konstruiert, ist die durch ihre Leistung zum Populus geadelte Plebs nun gezwungen, ihren Anspruch auf die Zuwendung des Imperators und die Versorgung durch ihn im Kontext dieser machtpolitischen Vorgaben, dieses ideologischen Konstrukts zu erheben und ihn also nicht sowohl als ihren eigenen Anspruch, ihre persönliche Forderung, sondern als die unaufgefordert spontane Zusage des cäsarischen Nachfolgers, nicht sowohl als das, was sie will, sondern als das, wonach ihn ex cathedra seiner cäsarischen Disposition, im Automatismus seiner sakralen Amtsträgerschaft verlangt, artikuliert zu sehen.

Das Ergebnis dieser manipulativen Anpassung des Populus an beziehungsweise seines submissiven Einwirkens auf die Selbstbehauptungsstrategie des imperatorischen Amtes ist die das Genealogische ins Epiphanische überführende, die Gottessohnschaft in Gottesebenbildlichkeit transformierende cäsarische Göttlichkeit, wie sie der Kaiserkult der nachaugusteischen Zeit kreiert, ist dies, dass der Imperator als verkörperter Cäsar zwar ein anderes Subjekt, das Volk, repräsentiert, dass er aber jenem anderen Subjekt Präsenz nur in Form seiner cäsarischen Sichselbstgleichheit, einer als Generalvollmacht erscheinenden absoluten Selbstherrlichkeit verleiht, oder dass er, andersherum betrachtet, zwar unbedingter Autokrat ist, ausschließlich für sich selbst einsteht und handelt, dass aber dieses Selbst, für das er steht, der zur Chiffre des Volkswillens verklärte Cäsar, eine zum Gott exaltierte populare Kultfigur, sprich, ein transzendentales Ich ist, das er als empirisches Individuum epiphanisch zu verkörpern dient.

Die Wahrnehmung der ihm in der reflexiven Gestalt eines göttlichen Selbst aufgehuckten objektiven Rücksicht, die Erfüllung des von ihm als sein innerster Wille, sein eigenstes Interesse vereinnahmten popularen Anspruchs stürzt den cäsarischen Imperator nun allerdings in ein Dilemma, pflanzt zwei einander widerstreitende Seelen in seine Brust. Zuwendungen an den Populus Romanus, dessen Versorgung mit materiellen Leistungen und sozialen Befriedigungen, mit Brot und Spielen, ist das cäsarisch-innerste Anliegen des Imperators, das demokratisch-eigenste Motiv seiner autokratischen Herrschaft. Damit vergilt der Imperator dem Populus die staatstragende, für die imperatorische Herrschaft grundlegende Leistung, die dieser erbringt, belohnt mit anderen Worten den Populus dafür, dass dieser ihm den für die Aufrechterhaltung des Imperiums und die Ausbeutung der imperialen Ressourcen erforderlichen militärisch-bürokratischen Apparat zur Verfügung stellt beziehungsweise dienstbar werden lässt. Was er indes dem Populus als Belohnung zuwendet, das muss er dem Apparat vorenthalten, für dessen Stellung er den Populus belohnt. Und dieser Apparat ist es ja schließlich, der die für die Versorgung des Populus nötigen Mittel beschafft und dessen Dotierung und Stärkung deshalb conditio sine qua non der cäsarischen Zuwendungspraxis ist.

Der Imperator findet sich also im Prinzip vor dem Dilemma, ob er seinen gegenwärtigen Verpflichtungen gegenüber dem Populus nachkommen und deren künftige Erfüllung durch die Vernachlässigung des Apparats in Gefahr bringen oder ob er auf Kosten seiner gegenwärtigen Verpflichtungen und um den Preis eines Zerwürfnisses mit dem Populus die künftige Mittelbeschaffung sichern und den Apparat ausbauen und stärken soll. Solange genug Mittel zur Verfügung stehen, um sowohl die Ansprüche des Populus als auch die Bedürfnisse des Apparats hinlänglich zu befriedigen, bleibt das Dilemma bloß prinzipiell und erlangt keine entscheidende Bedeutung. In dem Maße aber, wie einerseits die Ansprüche des gehätschelten Populus explodieren und andererseits die Expansion des Imperiums die Bedürfnisse des das Riesengebilde gegen äußere Bedrohungen und innere Unruhen zu schützen und aufrechtzuerhalten berufenen Apparats in geometrischen Sprüngen eskalieren lässt, gewinnt das Dilemma Virulenz und Aktualität und wächst sich zum unheilbaren, ebenso sehr das Imperium der Zerreißprobe zu unterwerfen wie den Imperator selbst in den Cäsarenwahn zu treiben geeigneten Widerspruch aus.

Die Lösung für dieses sich zum offenen Widerspruch zuspitzende Dilemma findet der Imperator in der Abdankung des Populus Romanus als heimlichen Souveräns, seiner Nivellierung auf einen alle Provinzen umfassenden und der Gesamtbevölkerung des Reiches verliehenen, anspruchslosen Bürgerstatus, seiner Integration in eine zu Steuerzahlern und Dienstleistenden, zum Staatsvolk, homogenisierte Untertanenschaft. Indem der Imperator die ohnehin unaufhaltsame Entwicklung einer Durchsetzung und Auffüllung des militärisch-bürokratischen Apparats mit nichtrömischen Gruppen noch vorantreibt und dazu nutzt, den römischen Populus als Rekrutierungsbasis des Apparats unerheblich und überhaupt entbehrlich werden zu lassen, bootet er ihn wie als staatserhaltendes Element, als tragenden Pfeiler des Imperiums, so am Ende auch als den dafür zu belohnenden Meistbegünstigten, als privilegierten Adressaten der Segnungen des Imperiums aus und reduziert so den Kreis der imperialen Leistungsempfänger auf die Funktionäre des Apparats, die für die Mittelbeschaffung zuständigen, für die Ausbeutung des Imperiums zuständigen Militärs und Ministerialen. Das heißt, er schließt den Zusammenhang von Expropriation und Distribution, von Ausbeutung der einen, um die Beute anderen zuzuwenden, und Zuwendung an die anderen, um die für die Ausbeutung der einen erforderlichen Bedingungen zu schaffen, zum perfekten Zirkel kurz, sorgt dafür, dass nur an diejenigen distribuiert wird, die an der Expropriation aktiv teilhaben, dass Zweck und Mittel der Veranstaltung ineins fallen, dass der Umverteilungsmechanismus, als der das Imperium funktioniert, die Stromlinienförmigkeit eines auf nichts als auf seine Selbsterhaltung, die Erhaltung des Mechanismus als solchen, konzentrierten Automatismus herauskehrt.

Den heimlichen Souverän und lästigen Kostgänger, den römischen Populus als Meistbegünstigten des Imperiums, ist der Imperator damit zwar los, nicht allerdings die der imperatorischen Herrschaft als untilgbares Konstitutiv eingeschriebene Meistbegünstigungsklausel selbst, mit anderen Worten, das durch keine noch so effektive Reduktion des Mittels der Reichtumsbeschaffung auf einen Selbstzweck aus der Welt zu schaffende Problem, dass die imperatorische Herrschaft ebenso wie die ihr vorangehende patrizische ihrem unaufhebbaren, weil auf dem Wege der Verdrängung wirksamen Prinzip nach als eine ultimativ zweckgebundene Veranstaltung, ein den Egoismus der Herrschenden je schon in die Form eines pietätvollen Altruismus bannendes Sein und Wirken für andere definiert ist. Tatsächlich stellt sich unter dieser prinzipiellen Vorgabe die scheinbare Rationalität einer Einschränkung des Kreises der durch den militärisch-bürokratischen Apparat Begünstigten auf die Angehörigen des Apparats selbst als Wahnsinn heraus, erweist sich das vermeintlich schlüssige Konzept einer Verkehrung des zur Aufrechterhaltung des Imperiums rekrutierten Mittels in ein Selbstvermittlungsorgan, einen immer nur wieder sich bezweckenden Zweck, als in seiner Zirkelhaftigkeit ebenso unhaltbarer wie haltloser Kurzschluss.

Dass er reiner Selbstzweck ist, dass er als letzter Empfänger und einziger Nutznießer der imperialen Beute nur unter der Bedingung seines ebenso unmittelbaren wie restlosen Umschlagens ins wiederum zweckdienliche Mittel, in ein zu weiterem Beutemachen disponiertes Vehikel und Werkzeug firmiert, damit kommt der militärisch-bürokratische Apparat des Imperators nicht zurecht, diese funktionalistisch-instrumentelle Wahrheit seiner substanzialistisch-triumphalen Existenz treibt ihn in den Wahnsinn. Durch die zielstrebig-distributive Konsequenz des imperialen Ausbeutungsmechanismus als exklusiver Sinn und ultimativer Zweck der Veranstaltung suggeriert oder gesetzt, sträubt und verwahrt sich der Apparat gegen die in ihm als zirkelhaftem Selbstzweck, kurzschlüssigem Automaten gestaltgewordene Wahrheit, dass der blindwütig-expropriativen Logik des imperialen Mechanismus zufolge doch nichts weiter mit ihm bezweckt wird als die resultative Wiederholung der Veranstaltung, dass sein ganzer Sinn sich darin erschöpft, als repetitiver Funktionsträger den Ausbeutungsprozess ins schlecht Unendliche fortzusetzen, und sucht sich vielmehr als jener suggeriert ultimative Zweck festzuhalten, als jener proponiert exklusive Sinn zu begreifen.

Im Kontext des durch Ungleichverteilung der Ressourcen und Chancenungleichheit strukturierten imperialen Riesengebildes aber laufen, wie im vorigen Band gezeigt, diese den Fluch ewiger Selbstvermittlung, der das Selbstzweckverhältnis heimsucht, zu bannen bestimmten Bestrebungen des Mittels, sich als wirklicher Zweck zu behaupten, oder Bemühungen des Apparats, sich als sinngebendes Subjekt zu beweisen, auf den Zerfall des Apparats, seine Zersetzung in ein Kaleidoskop wandelbarer Bruchstücke hinaus, die ohne Rücksicht aufeinander oder vielmehr im offenen Wett- und Widerstreit miteinander ihren Anspruch auf eine exklusive Zwecknatur beziehungsweise einen ultimativen Subjektcharakter sei's negativ als Forderung nach Gleichbehandlung und Schadloshaltung, sei's positiv als Prätention auf Vorzugsbehandlung und Meistbegünstigung bei der Verteilung der imperialen Beute und Ausübung der imperatorischen Herrschaft geltend machen. Die Konsequenz dieses ebenso vergeblichen wie zwanghaften Ringens des mit sich selbst zerfallenen und zerstrittenen militärisch-bürokratischen Apparats um seine Anerkennung als eigentlicher Sinn des imperialen Ausbeutungsmechanismus und Endzweck der ganzen Veranstaltung sind die Revierkämpfe und imperiumsweiten Bürger- oder vielmehr Söldnerkriege der letzten, militärdespotisch geprägten Jahrhunderte, unter deren die Ausbeutung mit Zerstörung paarenden und die Kornfelder immer neu als Schlachtfelder missbrauchenden Wucht und Last das zivile Leben der Provinzen allmählich abstirbt und die Untertanen des Reichs jede Hoffnung auf ein – der doppelten, fremdherrschaftlichen und landeseigenen, Unterdrückung und Enteignung zum Trotz – durch Arbeit und Gewerbefleiß zu sicherndes Auskommen oder gar Gedeihen begraben müssen.

Sub specie der rationalisierenden Form, in der sich der unter dem Eindruck handelsstädtischer Freiheit auf die Säkularisierung und Profanisierung territorialherrschaftlich-theokratischen Reichtums dringende Egoismus der in der Handelsstadt politisch Herrschenden, ihr Anspruch, jenen Reichtum seinem originären Kontext zu entwenden und ihrem innerstädtischen Privatleben zu übereignen, von Anbeginn der römischen Geschichte an zu artikulieren gezwungen ist, erscheint, wie oben schon ausgeführt, das zerstörerische, gleichermaßen die imperialen Expropriateure in die Selbstzerfleischung treibende wie die territoriale Basis des Reichtums der Verheerung und Verwüstung preisgebende Ende, das die Geschichte nimmt, wenn auch vielleicht nicht als überhaupt unausweichlich, so jedenfalls doch als ganz und gar folgerichtig. Weil dieser aristokratische und später dann patrizische Egoismus, zu dessen Entfaltung die Handelsstadt die Grundlage bietet, sich zur Säkularisierung des territorialherrschaftlichen Reichtums, seiner Befreiung von theokratischen Verbindlichkeiten und opferkultlichen Verpflichtungen, eines der Göttermacht die Stirn zu bieten bestimmten sakralen Gegenprinzips, nämlich des Ahnenkults, bedient, und weil er aber, um nicht dem katabolisch-totenkultlichen Impetus jenes als genealogisch-ahnenkultliche Bindung sakralen Gegenprinzips zu verfallen, all sein Sinnen und Trachten weg von den Toten und ihrem unterirdischen Jenseits und hin auf deren diesseitige Heimstatt, ihren irdischen Wohnsitz, sprich, das städtische Gemeinwesen, richten, weil er mit anderen Worten die für römischen Gemeinsinn schlechterdings maßgebende Pietas üben muss, verschlägt es diesen Egoismus von Anbeginn an in die Gestalt seines genauen Gegenteils, hat er in einer förmlichen coincidentia oppositorum je schon altruistische Fasson. Er darf sich mit anderen Worten nur in der Form der Rationalisierung artikulieren und entfalten.

Er verfolgt also seine selbstsüchtigen Ziele mittels selbstlosen Einsatzes für das Gemeinwesen, strebt seine eigene Befriedigung und Erfüllung im aufopferungsvollen Wirken für die anderen an und sucht, weil er auf diesem grundverkehrten Weg seine Absicht zur Unkenntlichkeit entstellt und sich ewig ins Bockshorn gejagt und frustriert findet, sein Glück in der Weise zu wenden beziehungsweise sein Missgeschick dadurch zu enden, dass er die anderen, für die er ebenso sehr contre c\oeur wie aus voller Überzeugung zu wirken gezwungen ist, wiederum in den Dienst dieses seines Wirkens stellt. Die als Zwang, in der Gestalt seines Gegenteils zu erscheinen, firmierende Rationalisierung im strukturellen Sinne, zu der sich dieser im unaufhebbar Verborgenen wirkende Egoismus verurteilt findet, kontert er mit Rationalisierung im funktionellen Verstand, das heißt damit, dass er den ihm diametral zuwider laufenden Zweck, den er verfolgen muss, dem Mittel und Mechanismus unterwirft und anpasst, kraft dessen er ihn verfolgt, dass er unter der Devise, dem Mittel zum Zweck größtmögliche Effizienz zu verleihen, dem Realisierungsmechanismus zu optimaler Leistungs- und Durchsetzungskraft zu verhelfen, den Zweck, während er ihn als solchen, eben als den Zweck der Veranstaltung, formaliter gelten und bestehen lässt, materialiter vielmehr in ein Moment des Mittels verwandelt, ihn als einen dem Mechanismus zum Automatismus eines veritablen Selbstzwecks gereichenden zentralen Wirkfaktor vereinnahmt.

Mit dem Reichtum, den sie der territorialherrschaftlich-theokratischen Sphäre ihrer Ländereien entzieht und ins städtische Milieu überführt, durch Pietas von Haus aus gehalten, dem handelsstädtischen Gemeinwesen Hilfestellung zu leisten und Förderung angedeihen zu lassen, verschlägt die aristokratisch-patrizische Oberschicht in dem Maße, wie sie die Requisition territorialherrschaftlichen Reichtums von den eigenen, privaten Gütern auf das Gesamt der staatlich okkupierten Territorien ausdehnt und überträgt, dem Gemeinwesen selbst zunehmend seinen kommerziellen Charakter und verwandelt es in ein Vehikel und Instrument eben dieser ihrer territorialherrschaftlich-kolonialistischen Requisitionstätigkeit. Ihrem in Pietas verkehrten Egoismus sucht sie dadurch Satisfaktion zu verschaffen, dass sie den Zweck, das städtische Gemeinwesen, mehr und mehr zum ausführenden Organ jener requisitorischen Veranstaltung instrumentalisiert, die ihm doch eigentlich nur als Mittel dienen soll und die aber durch solche Vermittlung ihres eigenen Zwecks zum zirkulären Selbstzweck mutiert.

Aber abgesehen davon, dass die patrizische Oberschicht auf diese Weise ihrem Egoismus nur frönen, nicht ihn befriedigen kann, weil sie ja, wenn sie den ihm als Rationalisierung oktroyierten Zweck, das Gemeinwesen, ins Mittel, die Requisition territorialherrschaftlichen Reichtums, zurücknimmt und integriert, deshalb noch lange nicht an die Stelle des vermittelten Zwecks tritt, sondern vielmehr ins schlecht Unendliche das zum Selbstzweck mutierte Mittel zum Fokus all ihres Sinnens und Trachtens erhoben findet – abgesehen davon also, wird sie auch nicht einmal den ihrem Egoismus qua strukturelle Rationalisierung oktroyierten Zweck als solchen wirklich los. Indem sie nämlich kraft der ihr vom Egoismus diktierten funktionellen Rationalisierung das ihrer Requisition territorialherrschaftlichen Reichtums zum Zweck gesetzte städtische Gemeinwesen ins ausführende Organ dieses ihm dienstbaren Mittels, ihrer Requisitionstätigkeit, umfunktioniert, spaltet sie es in Wahrheit nur auf: Den einen Teil des Gemeinwesens instrumentalisiert sie, lässt ihn in der Requisitionsfunktion, die sie zum effizienten kolonialen Reichtumsbeschaffungsinstrument entfaltet, aufgehen, während sie den anderen Teil aus diesem ihrem entfalteten Selbstzweckverband exkommuniziert, ihn als gleichermaßen in ökonomischer und in sozialer Hinsicht dysfunktionale Volksmasse, als die ebenso sehr deklassierte wie pauperisierte Plebs ins zivile Abseits stellt.

So aber als der durch die Totalisierung seines partiellen Mittels, der territorialherrschaftlichen Reichtumsbeschaffung, zum Selbstzweck verratene und verkaufte eigentliche Zweck der Veranstaltung aus dem republikanischen Funktionszusammenhang ausgeschieden und in ihrer hoffnungslosen Marginalität unübersehbar zur Schau beziehungsweise zur Disposition gestellt, wird die plebejische Masse zu einer solchen Belastung und Bedrohung für das städtische Gemeinwesen, dass sie schließlich den Paradigmenwechsel von der patrizisch-republikanischen zur cäsarisch-imperatorischen Staatsform erzwingt: Wer in der Staatsführung den Durchblick und Mut beweist, den durch die funktionelle Rationalisierung des Mittels zum Selbstzweck, die der patrizische Egoismus erzwingt und kraft deren er wider den Stachel seiner strukturellen Rationalisierung löckt, verratenen und verkauften Zweck der stadtstaatlichen Veranstaltung, die im Zuge jener funktionellen Rationalisierung pauperisierte und deklassierte Bürgerschaft nämlich, wieder ins Zentrum staatlichen Handelns zu rücken und als den Nutznießer des Ganzen, den Begünstigten der Haupt- und Staatsaktion neu zur Geltung zu bringen – der erringt die Macht im Staate und wird als gegenüber seinen patrizischen Standesgenossen tribunizisch Bevollmächtigter mit der Alleinherrschaft belohnt.

Allerdings zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass diese Rehabilitation der in ihrer funktionalistischen Wendung und Entwicklung ausgehöhlten und geradezu ad absurdum geführten strukturellen Rationalisierung, die Wiederentdeckung der als Liebe zum Populus artikulierten Pietas durch den cäsarischen Imperator, alles andere als ein ernstlicher Triumph über den hinter solch struktureller Rationalisierung triebkräftig verborgenen oder sich vielmehr qua funktionelle Rationalisierung tatkräftig in ihr zum Vorschein bringenden patrizischen Egoismus ist. Bei der Erhebung der Plebs zum Populus, zum gleichermaßen heimlichen Souverän und eigentlichen Zweck der imperialen Veranstaltung, ist die funktionelle in der strukturellen Rationalisierung, die Sorge um die Mechanismen der Reichtumsbeschaffung in der Sorge für die Nutznießer des beschafften Reichtums je schon als Konstitutiv impliziert: Wenn der cäsarische Imperator die Plebs als römischen Populus, als eigentlichen Zweck der imperialen Veranstaltung und privilegierten Adressaten ihrer kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Segnungen neu in Szene setzt, dann einzig und allein deshalb, weil dieser römische Populus, dieser heimliche Souverän, ihm die militärisch-bürokratischen Mittel zur Entfaltung und Erhaltung des Imperiums und zur Erschließung und Aneignung der imperialen Ressourcen an die Hand gibt, ihm mit anderen Worten jenen Reichtum überhaupt erst zu beschaffen ermöglicht, den er braucht, um seinen offiziellen Auftrag zu erfüllen und nämlich dem heimlichen Souverän, dem römischen Populus, zu dienen und wohl zu tun.

So sehr der die Republik zu Grabe tragende tribunizische Konsul, der das Patriziat beerbende Befehlshaber über das Volksheer sich gleichermaßen durch die objektiven Verhältnisse gedrängt und durch die eigenen Karrierechancen verführt findet, den patrizischen Egoismus erneut jener strukturellen Rationalisierung zu unterziehen, die ihn in einen hingebungsvollen Dienst am Gemeinwesen verkehrt, ihm mit anderen Worten abermals die altruistische Fasson einer jetzt als Liebe zum Populus deklarierten Pietas vindiziert, so sehr unterliegt die vom Imperator praktizierte Neuauflage der den patrizischen Egoismus als altruistisches Sein fürs Gemeinwesen erscheinen lassenden pietätvollen Zweckbindung doch zugleich der konstitutiven Kautel und initiativen Maßgabe, dass dies als Zweck der ganzen Veranstaltung rehabilitierte Gemeinwesen, der zum Nutznießer und Begünstigten des imperialen Reichtumsbeschaffungsmechanismus erhobene Populus, einem Prozess funktioneller Rationalisierung, die dem im Altruismus versteckten Egoismus den Spiel- und Entfaltungsraum sichert, sprich, seiner realen Vereinnahmung und Indienstnahme durch eben den Reichtumsbeschaffungsmechanismus, der ihn, den Populus, zum nominellen Zweck hat, nicht nur nicht im Wege steht, sondern vielmehr beste Bedingungen liefert und tatkräftig Vorschub leistet.

Von jener, die funktionelle Rationalisierung, die Integration des Zwecks in das dadurch zum Selbstzweck geratende Mittel, geradezu als primum movens der strukturellen Rationalisierung, der Transformation der Selbstsucht in ein Mittel zum Zweck, implizierenden Ausgangslage her ist es dann aber nur konsequent, dass der Erbe des Patriziats, der cäsarische Imperator, die Gelegenheit, sobald sie sich bietet, nutzt, den durch die strukturelle Rationalisierung seines Egoismus gesetzten Zweck als solchen, den römischen Populus, abzudanken und der funktionellen Rationalisierung jenes Egoismus, dem instrumentellen Ziel einer Optimierung der Zweck-Mittel-Relation aufzuopfern, um schließlich nichts mehr zurückzubehalten als das den Zweck sich einverleibende und aufs Moment der eigenen Reproduktion reduzierende, sprich, in den Umschlagspunkt einer zirkulären Selbstzweckbeziehung transformierende Mittel imperialer Reichtumsbeschaffung, den zwischen den Polen der Erhaltung des Imperiums und der Selbsterhaltung ebenso haltlos wie unaufhaltsam umgetriebenen militärisch-bürokratischen Apparat.

Und nur konsequent ist dann allerdings auch von jener Ausgangslage her, dass die Transformation des Zwecks in ein bloßes Moment des Mittels, die Reduktion der Ansprüche des Staatsvolks an den Staatsapparat auf nichts weiter als den Reproduktionsanspruch des Staatsapparats selbst den als solchen, als substantielles Corpus außerhalb des instrumentellen Apparats, preisgegebenen und beiseite geschafften Zweck doch nicht los wird und dieser vielmehr im Apparat selbst und in allen seinen Gliedern als das Gespenst sei's negativ der Angst vor Benachteiligung, sei's positiv des Strebens nach Vorzugsbehandlung fröhliche Urständ feiert und den Apparat als solchen, als militärisch-bürokratisches Reichtumsbeschaffungsinstrument, dysfunktionalisiert und in die Selbstzerstörung treibt. So gewiss auch noch die perfekteste, um die Entfaltung und Totalisierung des Mittels der Reichtumsbeschaffung kreisende funktionelle Rationalisierung, durch die sich der patrizisch-imperatorische Egoismus zur Geltung bringt, in den Kontext jener als förmliche Charakterkonversion erscheinenden strukturellen Rationalisierung gebannt bleibt, die dem Egoismus die altruistische Fasson pietätvollen Wirkens für das Gemeinwesen verleiht, so gewiss bleiben diese beiden, einander fundamental widerstreitenden Bestrebungen, in die der Egoismus zerfällt, aneinander gekettet und sind letztlich dazu verurteilt, ebenso sehr sich wechselseitig zu durchkreuzen wie ihn, den in seiner Selbstsucht, seiner Suche nach sich selbst, ständig nur seine originäre Entfremdung reaffirmierenden Egoismus, in den Ruin zu treiben.


Da der Kaiserkult sich den Untertanen als die nackte Wahrheit über ihre territorialherrschaftlichen Religions- und Legitimationssysteme suggeriert, beraubt er sie jeder Möglichkeit, sich geistig von ihm zu distanzieren oder seelisch gegen ihn zu immunisieren. Weil sich die imperiale Herrschaft gleichzeitig aber als ebenso unhaltbar wie selbstzerstörerisch entpuppt und in einem anhaltenden Amoklauf zugrunde richtet, können die Untertanen an der Welt nur irre werden. Die kommerzielle Funktion, als deren letztes Resultat die imperiale Herrschaft sich darbietet, zeigt die Bedeutung gesellschaftlichen Reichtums von Grund auf verändert: Reichtum ist nun nicht mehr das ontologisch Bedrohte, um dessen Bewahrung willen man haltgebende Herrschaft in Kauf nehmen muss, sondern das empiriologisch Bedrohliche, das einem selbstzerstörerische Herrschaft auf den Hals lädt.

Von diesem dynamischen Hintergrund des kaiserlichen Egoismus, von dieser dem imperatorischen Regime aus seiner patrizischen Konstitution erwachsenden agonalen Struktur wissen die als Bürger des Imperiums unterschiedslos in die Pflicht genommenen und ausgebeuteten Provinzialen, die von Haus aus den verschiedensten theokratischen Gesellschaften und Stammesformationen angehörigen Untertanen des Reiches, nichts. Sie sehen nur die Oberfläche beziehungsweise das Resultat, sehen nur den unverhohlenen imperatorischen Egoismus, die nackte imperialistische Habsucht und die ebenso schicksalhaft anmutenden wie unerklärlich bleibenden unablässigen kriegerischen Konflikte und zwanghaften Zerstörungsorgien, in die dieser Egoismus, diese Habsucht das imperiale Regime und seinen militärisch-bürokratischen Apparat verstricken. Sie sehen, wie der vom kaiserlichen Egoismus getriebene Apparat in kaleidoskopartig wechselnde, selbstreferenzielle Stücke auseinander bricht, die sich in permanenten Revier- und Machtkämpfen zerfleischen und das cäsarische Regime, dem sie allesamt dienen sollen, durch das Bemühen, es jeweils in den Dienst ihrer besonderen Interessen und partikularen Ansprüche zu stellen, vielmehr zugrunde richten.

Und sie sehen es nicht nur, wohnen dem Geschehen nicht bloß als unbeteiligte Zuschauer bei, sondern erleben es handgreiflich, erfahren es am eigenen Leib. Sie sind die Leidtragenden des in Revier- und Machtkämpfen selbstzerstörerisch wütenden cäsarischen Egoismus, sind die Opfer, zu deren Lasten die auf Selbstvereitelung, auf Durchdrehen programmierte Ausbeutungsmaschinerie des Imperiums geht, deren Fluren verheert, deren Gewerke zerstört, deren Häuser geplündert, deren kommunale Einrichtungen gebrandschatzt werden und die in krass kontradiktorischer Manier, während ihnen einerseits die für die Erhaltung des Systems nötigen Ressourcen abverlangt werden, sich andererseits durch das System der erforderlichen Produktionsmittel und Arbeitszusammenhänge beraubt finden, denen die Kriegssteuern aufgebürdet werden, während sie gleichzeitig selber Kriegsdienst leisten sollen, die für die Versorgung des Staatsapparats die Felder bebauen und denen eben dieser Staatsapparat regelmäßig die Saaten zertrampelt.

Vor allem aber erleben oder vielmehr erleiden sie den Amoklauf dieser von unverblümtem Egoismus und hemmungsloser Habsucht getriebenen imperatorischen Herrschaft, ohne sich wenigstens innerlich von letzterer als von einer ihnen oktroyierten Fremdherrschaft, einer ihrem sozialen Selbstverständnis, ihrer historischen Identität äußerlich bleibenden Zwangsveranstaltung distanzieren zu können, ohne mit anderen Worten die Möglichkeit, sich durch den Rückzug auf die eigenen, kulturell artikulierten, gesellschaftlichen Traditionen und kultisch sanktionierten politischen Institutionen gegen den übermächtigen Eindringling geistig zu wappnen beziehungsweise seelisch zu immunisieren. Dass jener Amoklauf der römischen Gewaltherrschaft die Untertanen des Reiches physisch in Mitleidenschaft zieht und materiell zugrunde richtet, ist schlimm genug; aber mindestens ebenso schwer wiegt, dass er sie als psychisch um ihre Abwehrmechanismen Gebrachte, als ideell in Konkurs Gegangene trifft.

Und genau dies ist ja, wie oben gezeigt, der Fall: Kraft Kaiserkults, kraft Erhebung des göttlichen Cäsar zum in allen Tempeln des Reiches in Erscheinung tretenden Kultobjekt entfaltet das imperatorische Regime Roms im Blick auf die theokratischen Traditionen und opferkultlichen Religionen in den Provinzen eine ebenso unverhoffte wie zum regelrechten Offenbarungseid durchschlagende aufklärerisch-entmythologisierende Wirksamkeit, die in dem Maß, wie sie die in den Provinzen heimischen Herrschaften, die lokalen Gewalten und autochthonen politischen Mächte ihrer gottesdienstlichen Legitimation und opferkultlichen Sanktion beraubt und nämlich die Götter als bloße Vorwände für persönliches Machtstreben, die kultischen Darbringungen als simple Alibis für privative Habgier entlarvt, es, das imperatorische Regime selbst, die Verbindlichkeit und normative Bedeutung einer jenem allgemeinen Machtstreben offen frönenden Herrschaft in Reinkultur, einer mit jener universalen Habsucht unverblümt hausieren gehenden Gewaltübung sans phrase gewinnen lässt. So sehr das Römische Imperium den Völkern, die es unterjocht, als eine von profan-pragmatischem Machtstreben und heillos-zynischer Habgier getriebene Fremdherrschaft entgegentritt, so sehr sorgt doch aber der aus innenpolitischen Gründen kreierte und im Zuge des Machtkampfs zwischen Imperator und Patriziat in alle Provinzen exportierte Kult um den cäsarischen Gott dafür, dass das Fremde vielmehr als das Eigenste, der Pragmatismus und Zynismus des imperatorischen Regimes als der seiner religiösen Verbrämungen und kultischen Kaschierungen entkleidete Kern auch und ebenso sehr aller theokratischen Herrschaft manifest wird.

Der Kaiserkult sorgt mit anderen Worten dafür, dass sich das imperatorische Regime Roms den Untertanen des Reichs als das in all seiner unverblümt-aggressiven Machtgier offenbare Säkulum und in seiner ganzen unverhohlen-privativen Habsucht evidente Profanum sämtlicher, wie immer hinter religiösen Motiven und sakralen Objekten versteckten, unter dogmatischen Rechtfertigungen und kultischen Sanktionen verborgenen gesellschaftlichen Herrschaft darbietet und ihnen somit jede aus solchen religiösen Legitimationen und sakralen Sanktionen gegen die nackte fremde Gewalt zu gewinnende reservatio mentalis oder innere Distanz verschlägt, sie jeder Widerstandskraft und seelischen Immunität gegen die pragmatische Unterdrückung und zynische Ausbeutung durch die Okkupationsmacht, die sie aus den für ihr theokratisches Gesellschaftssystem maßgebenden dogmatischen Überzeugungen und kultischen Übungen etwa zu schöpfen vermöchten, beraubt. So gewiss das imperatorische Regime mit seiner unverstellten Machtgier und Habsucht die offenbare Wahrheit über alle theokratische Herrschaft und ihre religiösen Vorwände ist, so gewiss sehen sich die Untertanen des Reiches jenem als der Offenbarungseid traditioneller Herrschaftsübung erscheinenden imperatorischen Regime auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Mehr allerdings und letztlich ganz und gar auf Verderb! Wie gesehen, ist ja der Offenbarungseid, den die traditionell-theokratische Herrschaft in Gestalt des imperatorisch-cäsarischen Regimes ablegt, Offenbarungseid in dem umfassenden Sinn, dass er die erstere nicht nur ihrer Wahrheit oder wesentlichen Wirklichkeit überführt, sondern sie in actu der Überführung ebenso wohl ihren Bankrott erklären lässt. Aus den oben in Erinnerung gebrachten Gründen erweist sich das mit seinem pragmatischen Machthunger und seiner zynischen Habsucht aller traditionellen Herrschaft den Spiegel ihrer wahren Antriebe und wirklichen Absichten vorhaltende, kurz, sie in ihrer ganzen Blöße offenbar werden lassende kaiserliche Regime als ebenso selbstzerstörerisch wie fatal für diejenigen, denen es sich oktroyiert. Wie es sich als der unverbrämte Begriff, als die nackte Wahrheit aller überkommenen Herrschaft erweist, zeigt es sich zugleich in dieser seiner Begrifflichkeit als unheilbar widersprüchlich und zur Selbstvereitelung disponiert, präsentiert es sich in dieser seiner Wahrheit als absolut unfähig, eine andere als antagonistische Realität zu gewinnen, eine nicht von Agonie gezeichnete Kontinuität zu beweisen. Während nicht nur aus praktischen, mittels politisch-militärischer Gewaltübung geltend gemachten Rücksichten, sondern ebenso wohl auch unter ideologischen, die dogmatisch-kultische Legitimation von Herrschaft betreffenden Gesichtspunkten den Untertanen des Reiches gar nichts anderes übrig bleibt, als sich dem kaiserlichen Regime zu unterwerfen und seinen gleichermaßen von pragmatischer Selbstsucht und zynischer Habsucht angetriebenen Anforderungen zu fügen, müssen sie feststellen, dass ihnen dies Regime ihre Unterwerfung mit nichts weiter als mit ihrem Verderben lohnt und dass es nämlich den politischen Spielraum und die ökonomischen Mittel, die ihre Fügsamkeit ihm verschafft, einzig und allein dazu nutzt, sich in agonalem Irrsinn selbst zu zerfleischen und sie im Zuge dieser seiner Zerstörungsorgie zugrunde zu richten.

Damit aber ist das kruzifikatorische Dilemma, in das sich die zu unterschiedslos steuerpflichtigen Untertanen egalisierten Bürger des Römischen Reiches verstrickt finden, perfekt. Sie finden sich einem Regime ausgeliefert, das es versteht, sich ihnen als Herrschaft sans phrase, als allen religiös-legitimistischen Brimboriums und kultisch-sakralen Schnickschnacks entkleidetes Urbild der aus dem Doppelmotiv persönlicher Herrschsucht und privativer Habgier von Menschen über Menschen ausgeübten Macht und von den einen gegen die anderen gebrauchten Gewalt aufzudrängen und nahezubringen, das ihnen kraft dieser seiner aufklärerisch-entmythologisierenden Bedeutung, kraft dieses seines Anspruchs, die nackte Wahrheit über die Übung gesellschaftlicher Macht, Herrschaft in Reinkultur, zu sein, jede Berufung auf theokratische Legitimationszusammenhänge und opferkultliche Sanktionsweisen verschlägt, mithin jeden Rekurs auf die je eigenen Traditionen gesellschaftlich regulierter Machtübung, die heimischen Formen institutionell konditionierter Verfügungsgewalt verwehrt und das sie also zwingt, seine Fremdherrschaft als den Offenbarungseid all ihrer überkommenen und ihnen vertrauten Herrschaftsformen gelten zu lassen, sich ihr als normativem gesellschaftlichem Grundverhältnis zu fügen.

Aber gleichzeitig zeigt das Regime seinen Untertanen oder lässt ihnen vielmehr handgreiflich deutlich, am eigenen Leib schmerzlich erfahrbar werden, dass, sich ihm zu unterwerfen, gar nichts bringt, sich seiner prototypischen Herrschaft fügen zu wollen, sinnlos ist, weil es nämlich sich selbst nicht beherrscht, mit sich selbst im Widerstreit liegt, selbst aus den Fugen ist und, statt die Fügsamkeit der Untertanen zur Stillung seines persönlichen Machthungers und seiner privativen Habgier nutzen zu können, vielmehr alle Hände voll damit zu tun hat, diesen seinen Machthunger gegen die höchst lebendigen Gespenster, die ihn als gemeinschaftliches Bedürfnis reklamieren wollen, als persönlichen zu behaupten, diese seine Habgier gegen die äußerst realen Schimären, die sie in einen kollektiven Anspruch zu überführen suchen, als privative zu verteidigen. Und in dem agonalen Ringen, dem unaufhörlichen Kriegstreiben, das diese innere Zerrissenheit des Regimes heraufbeschwört, finden sich nun also die fügsamen Untertanen gleichermaßen zu Paaren getrieben und zugrunde gerichtet, ebenso wohl in persona ihrer sozialen Existenz zu Opfern und Leidtragenden wie in objectu ihrer ökonomischen Lebensumstände zur Konkursmasse und zum Schlachtfeld degradiert, ohne dass sie, wie gesagt, die Möglichkeit haben, unter Berufung auf eigene, alternative, will heißen, nicht je schon durch den Offenbarungseid jener Herrschaft sans phrase heimgesuchte und bloßgestellte, religiös sanktionierte Herrschaftsformen und kultisch fundierte Gesellschaftsstrukturen sich vom Regime als einer ihnen bloß oktroyierten Fremdherrschaft abzugrenzen, zu ihm als einem ihnen äußerlich bleibenden Unterdrückungs- und Enteignungssystem Distanz zu wahren.

Was Wunder, dass unter dem Eindruck des tödlichen Dilemmas, in das sie das gesellschaftliche Herrschaft zur Kenntlichkeit ihrer Grundmotivation entstellende und vielmehr in ihrer nackten Wahrheit offenbar werden lassende und in dieser ihrer nackten Wahrheit aber als ebenso unhaltbar zerstörerisch wie unheilbar widersprüchlich erweisende imperatorisch-cäsarische Regime stürzt – was Wunder, dass unter dem Eindruck solch tödlichen Dilemmas die Untertanen an der Welt irre werden, dass sie unendliche Skepsis gegenüber den irdischen Umständen und Verhältnissen überkommt, die mit allen Anzeichen schicksalhafter Unausweichlichkeit ein derart widersprüchliches Machtgefüge hervortreiben, dass sie abgrundtiefer Zweifel an den sozialen Bedingungen und Ordnungen befällt, die mit der unheilvollen Konsequenz eines Konkursverfahrens und Offenbarungseids ein derart zerstörerisches Herrschaftssystem auf den Plan rufen. Was Wunder, dass sich die Untertanen mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit und dem natürlichen Milieu, worin sie leben, hoffnungslos auseinanderleben, dass sie irreparabel mit beidem zerfallen – mit einer Wirklichkeit und Natur, die ein Regime hervortreibt, dessen ausschließliches Motiv pragmatische Machtgier und dessen einziges Interesse zynische Habsucht ist, das indes mit der Macht, die es erringt, und den Mitteln, über die es verfügt, nichts anderes oder Besseres anzufangen weiß, als mit sich selbst in agonalen Widerstreit zu geraten und hierbei eben die Wirklichkeit, von der es an die Macht gebracht wird, in Scherben zu schlagen und zugrunde zu richten, und das zugleich aber diese seine ebenso objektiv verheerende wie selbstzerstörerische Motivation beziehungsweise Disposition als im Grunde für überhaupt alle gesellschaftliche Machtausübung, für jede noch so autochthone, noch so traditionelle, noch so legitimistische Form von Herrschaft verbindliches Konstitutiv, sprich, als unter allen Lebensumständen und gesellschaftlichen Bedingungen perennierendes factum brutum, kurz, als elementares Existenzial, als conditio humana geltend zu machen versteht.

In ihrer allgemeinsten Fassung ist diese, dem ebenso objektiv katastrophalen wie selbstdestruktiven imperatorisch-cäsarischen Regime zur Macht verhelfende Wirklichkeit die Reichtumserzeugung, eine gesellschaftliche Reproduktion, die sich nicht in der einfachen Wiederherstellung des Status quo erschöpft, sondern Überschuss produziert, ein Stoffwechsel des Menschen mit der Natur, der mehr hervorbringt, als für seine bloße Aufrechterhaltung nötig. Ohne dieses Mehr, dieses Surplus ist, wie unschwer ersichtlich, keine gesellschaftliche Herrschaft möglich: Weil Herrschaft wesentlich darin besteht, menschliche Aktivität und Energie, Arbeitskraft, in nichtreproduktive Zwecke, in die Bearbeitung der Menschen selbst, die Verfügung über ihre Aktivitäten, den Einsatz ihrer Energien, die Bewirtschaftung ihrer Arbeitskraft zu investieren, ist es nur logisch, dass sie zur Befriedigung ihrer eigenen Subsistenz, sprich, zur Befriedigung der materiellen Bedürfnisse derer, die die Herrschaft ausüben, von den Zuwendungen des von ihr bewirtschafteten Kollektivs abhängig, mithin darauf angewiesen ist, dass die menschliche Gesellschaft dem Stoffwechsel mit der Natur mehr abgewinnt, als für die Subsistenz derer, die im Stoffwechsel engagiert sind, erforderlich, kurz, dass sie Überfluss, Reichtum produziert. Ohne eine auf Reichtumsproduktion abgestellte und in ihr resultierende gesellschaftliche Reproduktion kann es demnach, wie unschwer einsehbar, keine durch gleichermaßen ökonomische Enteignungsmacht und politische Verfügungsgewalt definierte Herrschaft von Menschen über Menschen geben – wobei freilich, weit weniger leicht einsichtig, wiewohl durch die menschliche Geschichte erschöpfend unter Beweis gestellt, auch das Umgekehrte zu gelten scheint: dass es nämlich keine kontinuierliche und zuverlässige Reichtumserzeugung ohne die Konsequenz herrschaftlicher Verhältnisse gibt.

Dem schwer ergründlichen Grund für diesen sub specie seiner massiven empirischen Evidenz quasi kausalen Nexus zwischen der Erzeugung materiellen Reichtums und der Etablierung gesellschaftlicher Herrschaft haben wir im ersten Buch unserer Studie nachgespürt und ihn in der Gefahr ontologischer Entwertung oder modallogischer Entwirklichung gefunden, mit der der Reichtum selbst kraft eines ex improviso seines Erscheinens auftauchenden absolut anderen Subjekts oder a priori neuen Seinsprinzips die ihn, den Reichtum, produzierenden Gesellschaften konfrontiert. Indem Herrschaft sei's in persona eines lebendigen Herrn des Reichtums, sei's pro cura ins chthonische Totenreich entwichener beziehungsweise zu olympischen Göttern verblichener früherer Herrschaften dazu taugt, jenem anderen Subjekt und neuen Seinsprinzip seine dem Reichtum, aus dem es auftaucht, bewiesene Indifferenz und Negativität zu verschlagen und es im Gegenteil in eine den Reichtum reaffirmierende Instanz, eine zum Reichtum als zur letzten Wirklichkeit und zum höchsten Wert der eigenen Existenz sich bekennende Macht umzufunktionieren, erweist sie sich als ein probates Mittel, die ontologische Krise, in die der Reichtum die Gesellschaften stürzt, zu meistern, die Entrealisierungs- und Disqualifizierungsgefahr, mit der er sie konfrontiert, zu bannen, und ihnen – um den Preis einer Ersetzung der absoluten historisch-ontologischen Entäußerung, mit der das andere Subjekt sie bedroht, durch die relative politisch-ökonomische Enteignung, die sie, die Herrschaft, ihnen bringt – Kontinuität und Stabilität in ihren durch den Reichtum von Grund auf veränderten Lebens- und Arbeitsverhältnissen zu sichern.

So befremdlich den Gesellschaften der zwanghafte Nexus zwischen Überflusserzeugung und herrschaftlicher Verfügung über den Überfluss anfangs auch vorkommen und so beschwerlich ihnen die Herrschaft mit ihren Verfügungsansprüchen erscheinen mag, sie kann den sei's in persona des Herrschers selbst, sei's pro cura der Götter, die er repräsentiert, wahrgenommenen guten Grund ihrer das, was die Menschen schaffen, in specie und die Lebensverhältnisse, die darauf aufbauen, in genere betreffenden Reaffirmationsfunktion und Sanktionierungsleistung geltend machen und findet in dem Maße, wie sie sich dadurch legitimiert zeigt, bei den Gesellschaften Akzeptanz.

Von solch einem legitimierend guten Grund aber kann bei dem imperatorisch-cäsarischen Regime Roms keine Rede sein. Weit entfernt davon, dass sich dieses Regime die Mühe machte, den eroberten Provinzen und unterworfenen Populationen die von ihm ergriffene militärisch-politische Macht und die von ihm ausgeübte bürokratisch-ökonomische Verfügungsgewalt durch einen der gottesdienstlich-opferkultlichen Sakralisierung der Welt, für die traditionelle, theokratische Herrschaften beanspruchen, Sorge zu tragen, vergleichbaren sachlichen Bestimmungsgrund oder objektiven Begründungsakt annehmbar werden zu lassen, hat es vielmehr mit beispiellos pragmatischer Unbekümmertheit, um nicht zu sagen, unerhört zynischer Rücksichtslosigkeit als uneigentlich so zu nennende Rechtfertigung für sein okkupatives Tun und repressives Treiben nichts weiter anzubieten als die höchstens und nur durch die kollektiven Ansprüche des Populus Romanus modifizierte beziehungsweise durch das staatliche Erfordernis des militärisch-bürokratischen Apparats komplettierte persönliche Herrschsucht und privative Habgier des Herrschers, des cäsarischen Imperators, selbst.

Basis des säkularen Pragmatismus beziehungsweise des profanen Zynismus, dem solch unbekümmert persönliche Herrschsucht und rücksichtslos privative Habgier entspringt, sind in genere das im Zwischenraum zwischen den territorialherrschaftlichen Theokratien, in ihrem interesse, sich etablierende handelsstädtische Gemeinwesen und in specie die von dem handelsstädtischen Gemeinwesen durchgesetzte Kommerzialisierung gesellschaftlichen Reichtums. Indem sich dank der Vermittlungs- und Austauschtätigkeit der Handeltreibenden Reichtum aus einer das Bedürfnis quantitativ überfordernden Masse von Subsistenzmitteln, einer Korn- und Vorratskammer, in eine das Bedürfnis qualitativ herausfordernde Vielfalt von Befriedigungsmitteln, ein Gütersortiment und Warenlager, verwandelt, indem er mit anderen Worten aus einer auf ein anderes Sein, eine Existenz ohne subsistenzielle Not, ein Leben im Überfluss verweisenden Wirklichkeit sui generis zu einem sich auf nichts als auf sich selbst, seine relativen Momente, seine internen Austauschverhältnisse beziehenden System spezifischer Werte wird, verliert er jene ontologisch-sprunghafte Intentionalität, jene transzendenzlogisch-krisenhafte Modalität, die, wie sie zu ihrer Abwehr und Bewältigung beziehungsweise ihrer Umfunktionierung und Integration gesellschaftliche Herrschaft auf den Plan ruft, so auch zugleich maßgebend wird für den rituellen Umgang, den von sakralen Verpflichtungen und habituellen Rücksichten bestimmten erkehr, Verkehr, VvvVerkehr, den diese gesellschaftliche Herrschaft mit ihm, dem ihrer Kuratel übergebenen, ihrer Fürsorge anheim gestellten Reichtum, zu pflegen gehalten ist.

Kraft der systematischen Immanenz, auf die der kommerzielle Zusammenhang die Wahrnehmung des Reichtums beschränkt, kraft der Art und Weise, wie die kommerzielle Aktivität in dem von ihr installierten Kontext diverser Objektrelationen und reziproker Austauschverhältnisse die von den traditionellen Herrschaften, zwischen denen sie operiert, modo obliquo ihrer dogmatischen Proklamationen und kultischen Beschwörungen wahrgenommene symbolträchtige Verweisungsmacht oder sprengkräftige Transzendenz der Austauschobjekte suspendiert beziehungsweise aus dem Kontext eskamotiert – kraft dieser mit dem Ergebnis einer Überführung von monomaner Quantität in diverse Qualitäten wirksam werdenden Abstraktions- und Systematisierungsleistung, die der Kommerz in Sachen Reichtum erbringt, gewinnt der letztere nun also einen Anschein von aller Transzendenz entratender, weil je schon im Übergang in sein eigenes Äquivalent begriffener Immanenz, von aller Metaphysik überhobener, weil sein Meta je schon in einem anderen Objekt reklamierender Physis, kurz, einen Anschein von Unmittelbarkeit und hintergrundsloser Materialität, der ihn in der Tat als von aller kultischen Rücksicht und hypothekarischen Belastung dispensiert erscheinen und zu einem für diejenigen, die über es verfügen, frei verfügbaren beziehungsweise von denjenigen, in deren Hand es sich befindet, ungehindert manipulierbaren säkularen Eigentum und profanen Besitz werden lässt – zu einem Hab und Gut, das seinen Eigner und Besitzer höchstens noch mit dem, wie das Beispiel der griechischen Aristokratie und des römischen Patriziats gezeigt hat, allerdings ebenso folgenreichen wie gravierenden Problem einer in Fällen nichtkommerzieller Bereicherung akzeptablen und für legitim erachteten Umsetzung der einen in die andere Form von Reichtum, einer von der Gemeinschaft sanktionierten Transformation dort des mit kultischen Auflagen hpyothekarisch belasteten territorialherrschaftlichen Überflusses in hier den durch nichts als durch seinen kommerziellen Wert faktisch beschränkten handelsstädtischen Wohlstand konfrontiert.

Mit diesem auf der Basis kommerziellen Austauschs gewonnenen transzendenzlos säkularen beziehungsweise unmetaphysisch profanen Begriff von Reichtum fährt das Regime des römischen Imperiums den unterworfenen theokratisch-traditionellen Herrschaften in die Parade. Diesen jeglichen gottesdienstlichen Rücksichten und opferkultlichen Verpflichtungen enthobenen Reichtum knöpft es als seiner persönlichen Herrschsucht zur freien Disposition gestellte Manövriermasse, als gefundenes Fressen für seine privative Besitzgier den traditionellen Herrschaften mit ebenso viel militärisch-politischer Gewalt wie bürokratisch-ökonomischer Finesse ab. Und während es das tut, verschlägt es kraft der cäsarisch-kaiserkultlichen Konstitution, die ein aus machtstrategischer Selbstbehauptung und parteipolitischer Abhängigkeit gemischtes Kalkül ihm vindiziert, den traditionellen Herrschaften gleichzeitig jedes religiös fundierte Argument, jeden kultisch guten Grund für ihren Anspruch auf privilegiert-legitime Verfügung über den gesellschaftlichen Reichtum, den es ihnen streitig macht, auf prärogativ-sanktionierten Nießbrauch der realen und personalen Ressourcen, um die es sie schröpft.

Indem das imperatorische Regime in der epiphanischen Gestalt und änigmatischen Person des in die theokratischen Tempel eindringenden cäsarischen Gottes jene in die Reaffirmation der diesseitigen Welt und ihrer Wirklichkeit, in die Gewährleistung des materialen Daseins und seines Wertes, kurz, in die Bewahrung der conditio humana vor Irrealisierung und Disqualifizierung gesetzte objektive Funktion und sachliche Leistung widerlegt und ad absurdum führt, auf die sich die traditionellen Herrschaften berufen und mit denen sie ihren Herrschaftsanspruch begründen, weist es ihnen nach, dass es, das fremde Regime, mit seiner unverhohlen persönlichen Machtgier und seiner offen privativen Habsucht den Normalfall oder die nackte Wahrheit gesellschaftlicher Herrschaft verkörpert und dass im Grunde als nämlich im Kernpunkt der mit ihm offenbaren Wahrheit sie, die traditionellen Gewalten, nichts anderes sind als hinter religiösen Popanzen und kultischen Alibis kaschierte Abbilder jenes als gleichermaßen Urheber und Verwalter des Konkurses der alten Welt und ihrer gesellschaftlichen Strukturen erscheinenden Urbilds von Herrschaft.

Wenn so aber das imperatorisch-cäsarische Regime kraft seiner kaiserkultlichen Intervention die traditionellen, theokratischen Herrschaften, die es politisch-militärisch unterwirft, zugleich dogmatisch-kultisch entmachtet und als höchstens und nur durch ihre religiösen Vorwände und sakralen Spiegelfechtereien unterschiedene Vexierbilder der mit ihm manifesten Herrschaft in Reinkultur oder in ihm offenbaren Gewaltübung sans phrase vorstellig werden lässt und vielmehr entlarvt, schlägt diese aufklärerisch-entmythologisierende Sicht von gesellschaftlicher Herrschaft als von einer auf nichts als auf persönliches Machtstreben und privative Habgier gegründeten pragmatisch-säkularen Unternehmung und zynisch-profanen Veranstaltung natürlich auch und ebenso wohl auf die Wahrnehmung und Beurteilung der realen Basis sozialer Herrschaft, der materialen Ressourcen der Gesellschaft, ihres Reichtums zurück und lässt den letzteren, was seine gesellschaftsformierende Funktion, seine grundlegende Bedeutung für die Struktur des Kollektivs betrifft, in einem völlig neuen Licht erscheinen.

Reichtum erscheint nun nicht mehr als ein seiner Natur oder ontologischen Implikation nach bedrohtes und in die Bedrohung seine Erzeuger verwickelndes ideales Produkt des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses, um dessen als Selbsterhaltung wohlverstandener Rettung und Bewahrung willen das Kollektiv sich gedrängt sieht, eine rituell artikulierte beziehungsweise religiös substantiierte Herrschaft in Kauf zu nehmen; vielmehr präsentiert er sich als eine durch den gesellschaftlichen Arbeitsprozess ebenso fraglos-objektiv gegebene, wie natürlich-positiv hervorgebrachte materiale Realität, die nur dies Fragwürdige, um nicht zu sagen Bedrohliche, an sich hat, ihren Erzeugern jene auf sie, die Realität, quasi automatisch Anspruch erhebende und an ihr im sozusagen bedingten Reflex Anteil nehmende gesellschaftliche Herrschaft auf den Hals zu laden. Schien Reichtum vorher eine gefährdete und deshalb um jeden Preis, auch um den seiner Übereignung an einen von seinen Erzeugern verschiedenen Herrn, zu bewahrende kostbare Gabe, so erweist er sich nun als ein Danaergeschenk, das nichts als eben nur diese Gefahr in sich birgt, herrschaftliches Aneignungsstreben heraufzubeschwören und also nur um den Preis seiner Preisgabe zu haben, nur unter der Bedingung seines Übergangs in herrschaftliche Verfügungsgewalt verfügbar zu sein.

Kein ex improviso des Reichtums selbst auf den Plan tretendes, toto coelo fremdes Subjekt macht – wie das dies fremde Subjekt durch seine kaiserkultliche Intervention substituierende und zur Kenntlichkeit entstellende imperatorisch-cäsarische Regime offenbar werden lässt – den Reichtum seinen Erzeugern mehr madig, indem es ihn zu entwirklichen und zu entwerten droht; dafür aber ruft der Reichtum jede Menge Artgenossen auf den Plan, die auf Kosten derer, die ihn hervorbringen, an seiner Wirklichkeit als materiale Fülle teilhaben, von seinem Wert als Befriedigungsmittel profitieren wollen, die ihn mit anderen Worten seinen Erzeugern sei's mit Gewalt zu entreißen, sei's mit List zu entwenden, kurz, auf jede nur erdenkliche Weise streitig zu machen streben. So gewiss das im Prinzip die gleichen Artgenossen sind, die unter traditionellen, theokratischen Bedingungen als guten Grund für ihre herrschaftlichen Aspirationen die nach dogmatisch-kultischer Bewältigung verlangende ontologische Gefährdung oder transzendenzlogische Unterminierung des Reichtums ins Feld führen, und so gewiss dieser gute Grund aber kraft der aufklärerisch-entmythologisierenden Wirksamkeit des kaiserkultlichen Regimes als gegenstandsloser Vorwand bloßgestellt, als haltloses Alibi entlarvt ist, so gewiss erweist sich, dass der Reichtum selbst in seiner materialen Unmittelbarkeit, seiner reflexionslosen Gegebenheit dasjenige ist, was solch artgenossenschaftliches Aneignungsstreben provoziert, was mit anderen Worten herrschaftliche Unterdrückung und Ausbeutung heraufbeschwört.


Dass das als Offenbarungseid aller Herrschaft erscheinende kaiserliche Regime ihnen das Dasein zur Hölle macht, stürzt die Untertanen in Verzweiflung und entfremdet sie der Welt. Da es ihnen aufgrund der durch die kommerzielle Funktion ins Werk gesetzten Ununterscheidbarkeit von Reichtum und Subsistenzmitteln nicht mehr wie noch den sozialkritischen Anhängern der dionysischen Kulte möglich ist, wenigstens ideologisch eine reichtumsunabhängige Subsistenzsphäre zu behaupten und ihre Kritik auf die Sphäre des Reichtums zu beschränken, ist es die conditio humana als solche, das Erdendasein als ganzes, woran die Untertanen verzweifeln: Ihre Zerfallenheit mit der imperialen Welt gerät zur kategorischen Austrittserklärung, zur pauschalen Weltflucht.

So ernüchternd und geradezu deprimierend dieser vom imperatorisch-cäsarischen Regime Roms geführte und die traditionellen, theokratischen oder auch totenkultlichen Legitimationssysteme und Sanktionsformen, von denen rund ums Mittelmeer herrschaftliche Verfügung über gesellschaftlichen Reichtum begleitet ist, aus den Angeln hebende Nachweis der originären Herrschaftsträchtigkeit des Reichtums, eines durch sein Erscheinen quasi spontan mobilisierten politischen Unterdrückungspotentials und automatisch aktivierten Ausbeutungsimpetus, für die Untertanen des Reiches aber auch sein mag und so sehr er ihnen die Freude an dem die Not und Beschränktheit bloßer Subsistenz durchbrechenden und Ausblick auf ein pleromatisch anderes und erfüllt neues Sein gewährenden Reichtumsphänomen vergällen mag – sie wären wohl nicht weniger aus eigenem Antrieb bereit als durch die Macht der Verhältnisse gezwungen, sich mit seinem theoretischen Bescheid abzufinden und mit seinem praktischen Ergebnis einzurichten.

Schließlich sind sie in ihrer Subsistenz, ihrem persönlichen beziehungsweise familiären Lebensunterhalt, längst ebenso vollständig wie unauflöslich in jene die herrschaftliche Aneignung provozierende Reichtumsproduktion eingebunden und auf deren gesellschaftliche Funktionsmechanismen angewiesen, und solange bei aller von pragmatischer Herrschsucht motivierten Unterdrückung und Versklavung, die sie ihnen zuzieht, und bei aller von zynischer Habgier diktierten Expropriation und Ausbeutung, die sie ihnen aufbürdet, jene Reichtumsproduktion ihnen immerhin die Subsistenz gewährt oder jedenfalls den Lebensunterhalt nicht unmöglich macht, gebietet es den Untertanen ihr Überlebensinteresse und ihre Selbsterhaltung, sich mit dieser wie immer körperlich beschwerlichen, geistig widerwärtigen und seelisch deprimierenden conditio humana der ausgerechnet durch ihren ökonomischen Erfolg ihnen bescherten politischen Zwangslage, die Herrschaft heißt, und des ausgerechnet aus ihrer kollektiven Emanzipation vom Naturzwang ihnen erwachsenden gesellschaftlichen Elends, das mit Herrschaft einhergeht, irgendwie und im Zweifelsfall mehr schlecht als recht zu arrangieren.

Genau in dieser die Bereitschaft der Untertanen zum Arrangement mit selbst noch der machtbesessen-pragmatischsten und habgierig-zynischsten Herrschaft einschränkenden Kondition, in der Bedingung, dass bei aller Unterdrückung und Ausbeutung, die ihre Reichtumsproduktion ihnen zuzieht, doch immerhin die Subsistenz gewährleistet bleiben, der Lebensunterhalt noch möglich sein muss – genau darin liegt nun aber am Ende das im Wortsinn entscheidende Problem. Bewährt sich nämlich einerseits zwar das imperatorisch-cäsarische Regime als eine die traditionellen Theokratien in den Offenbarungseid ihres im Grunde oder hinter allen religiösen Vorwänden und kultischen Alibis rein pragmatischen Machtkalküls und völlig zynischen Aneignungsstrategems treibende Herrschaft sans phrase und führt es mit anderen Worten schlagend vor, dass Herrschaft in Reinkultur nichts anderes ist als die mit allen Mitteln militärischer Gewalt und bürokratischen Zwanges durchgesetzte Befriedigung einer durch gesellschaftlichen Reichtum, durch die materiellen Ressourcen, die das arbeitsteilig-kooperative Kollektiv in die Welt setzt, geweckten persönlichen Überheblichkeit und erregten privativen Begehrlichkeit, so führt das imperatorisch-cäsarische Regime aber auch und ebenso sehr den in den Augen der Untertanen nicht minder schlagenden Beweis, dass solche vom gesellschaftlichen Reichtum unmittelbar gesetzte, ihm quasi im bedingten Reflex entspringende Herrschaft im Grunde ihrer amphibolischen Natur unhaltbar, in der Wahrheit ihrer widersprüchlichen Konstitution zum Verderben angesehen ist.

Dank ihres oben entfalteten und als der Doppelsinn von Rationalisierung explizierten konstitutionellen Widerspruchs, sich einen säkular-profanen Umgang mit dem gesellschaftlichen Reichtum, sprich, einen nurmehr persönlich interessierten, pragmatischen Zugriff auf ihn und eine ausschließlich selbstisch motivierte, zynische Verfügung über ihn nur sub conditione seiner pietätvollen Aufopferung für das Kollektiv, seines selbstlosen Einsatzes für das Gemeinwesen verschaffen und also ihr im Grunde egoistisches Motiv nur in der paradoxen Gestalt altruistischer Hingabe verfolgen, ihr in Wahrheit privatives Ansinnen nur in der vexierbildlichen Gegensinnigkeit eines kollektiven Interesses betreiben zu können – dank dieses ihr in die Wiege ihrer genokratisch-patrizischen Herkunft gelegten Widerspruchs entwickelt die im imperatorisch-cäsarischen Regime gipfelnde Herrschaft eine unheilbare interne Konfliktträchtigkeit und Selbstzerstörungstendenz, die sie nolens volens auf dem Rücken ihrer Untertanen auslebt und die in der Tat diese Absurdität zur Folge hat, dass ein- und dieselbe Instanz, deren erklärte Absicht politische Unterdrückung und ökonomische Ausbeutung ist, alles daransetzt, die Unterdrückung durch Vernichtung der für sie erforderlichen Subjekte gegenstandslos werden zu lassen und der Ausbeutung durch Verwüstung der für sie in Frage kommenden Gebiete den Boden zu entziehen.

Während so das imperatorisch-cäsarische Regime paradigmatisch demonstriert, dass gesellschaftliche Herrschaft im Grunde nichts anderes ist als ein durch das Lockmittel gesellschaftlichen Reichtums ausgelöster bedingter Reflex, ein auf die Duftmarke des letzteren reagierendes Appetenzverhalten und dass sie in Wahrheit nichts weiter will, als sich dieses ihres Triebgegenstands, dieses ihres Objekts der Begierde persönlich zu bemächtigen und privativ zu bedienen, lässt es zugleich aber auch ebenso beispielhaft manifest werden, dass solche auf den Begriff ihres pragmatischen Wesens und zynischen Wollens gebrachte Herrschaft ihrer selbst nicht mächtig ist, sich selbst im Wege steht, mit sich selbst im Streite liegt und sich deshalb ihres Triebgegenstands nur um den Preis seiner schließlichen Vernichtung zu bemächtigen vermag, sich ihres Objekts der Begierde nur in der Unform einer Zerstörung der gesamten, es begründenden Objektivität zu bedienen versteht.

Während mit anderen Worten das imperatorisch-cäsarische Regime kraft des Gerichts, das es über die traditionellen theokratischen oder auch stammeskultlichen Herrschaften hält, den Untertanen des Reiches die selbstsüchtig wahre Beziehung gesellschaftlicher Herrschaft zum gesellschaftlichen Reichtum und ihr habgierig eigentliches Interesse an ihm demonstriert und sich als Herrschaft in pragmatischer Reinkultur, als auf ihren zynischen Begriff gebrachte Herrschaft demonstriert, führt es andererseits aber auch diesen in ihm Wirklichkeit gewordenen Inbegriff von Herrschaft höchstpersönlich und ebenso privatissime wie vor aller Augen ad absurdum, indem es aus Gründen, die den Untertanen verborgen bleiben mögen, deren praktische Folgen sie aber deshalb nicht weniger verheerend und fatal zu spüren bekommen, mit der politisch-militärischen Übermacht und der ökonomisch-bürokratischen Verfügungsgewalt, die es erringt, letztlich nichts anderes anzufangen weiß, als sich zu zerfleischen und zugrunde zu richten und in diesen seinen Untergang das, wodurch es auf den Plan gerufen wird, den kommerziell vermittelten, imperiumsweiten gesellschaftlichen Reichtum und dessen Erzeuger, die Untertanen selbst und ihre sozialen Organisationen, hoffnungslos zu verstricken und haltlos mit hinabzureißen.

Angesichts solchen auf der Basis ihres eigenen gesellschaftlichen Tuns und Treibens sich herausstellenden und nicht weniger fatalen als absurden Ergebnisses, solcher auf der Bühne, die sie selber geschaffen haben, sich abspielenden wahnwitzigen Agonie verlieren nun aber die Untertanen ebenso einsichtiger- wie begreiflicherweise jedes VVertrauen in diese, aus ihrer eigenen Hände Arbeit erwachsene Basis, jede Hoffnung auf einen nachvollziehbaren Sinn und erkennbaren Nutzen dieser von ihnen selbst geschaffenen Bühne. Die Ernüchterung und Desillusionierung, mit der sie der im imperatorisch-cäsarischen Regime als Grundprinzip und Kernmotiv aller gesellschaftlichen Herrschaft offenbare selbstisch-säkulare Pragmatismus und privativ-profane Zynismus erfüllt, löst sich unter dem Eindruck der haltlosen Irrationalität dieses Pragmatismus und der unaufhaltsamen Zerstörungskraft dieses Zynismus in alles durchdringende Klarsicht und schiere Depression auf. Die Reserve und Skepsis, die ihr eine Herrschaft einflößt, die im imperatorisch-universalen Grunde oder in ihrer cäsarisch-finalen Wahrheit nichts weiter darstellt als einen durch ihr, der Untertanen, eigenes Werk bedingten Reflex und ausgelösten Reaktionsmechanismus, nichts weiter ist als die vom gesellschaftlichen Reichtum, den ihre Bearbeitung der Natur hervorbringt, erregte Herrschsucht und geweckte Habgier in organisierter Form – diese Reserve und Skepsis schlägt in dem Maß, wie die Herrschsucht zum unbeherrschbaren, seiner selbst nicht mächtigen, weil an der Identität des Selbst immer neu irre werdenden Selbstbehauptungsdrang mutiert, wie die Habgier zum unersättlichen, sich selbst verzehrenden, weil das Haben immer nur als Soll zu neuem Haben begreifenden Selbstvermittlungszwang pervertiert, in plane Regression und Verzweiflung um.

Was solche sich selbst ad absurdum führende und alles in ihre Agonie verstrickende Herrschaft begründet, der Reichtum, erweist sich den Untertanen, seinen Erzeugern, als Danaergeschenk nicht bloß im symbolisch-sprichwörtlichen Sinne, sondern in historisch-buchstäblicher Bedeutung: als etwas, das denen, die es sich durch ihr Tun und Treiben auf den Hals laden, nicht nur unspezifisch Bedrängnis und Belastung, sondern regelrecht Tod und Verderben bringt. Von einer selbstzerstörerischen Herrschaft unablässig heimgesucht und ebenso regelmäßig in ihrer leiblichen Existenz bedroht wie ihrer sächlichen Lebensbedingungen beraubt und um ihre gesellschaftlichen Ordnungen gebracht, erkennen die Untertanen in der materiellen Basis solcher Herrschaft, in dem von ihnen produzierten und letztere provozierenden Reichtum, das große Übel und entscheidende Unheil dieser Welt, das als Blend- und Teufelswerk durchschlagende Instrument eines durch ihr eigenes blindes Wirken über sie verhängten Gerichts und sie ereilenden Untergangs.

Sie sehen, dass, was ihnen als kostbares Gut und unschätzbarer Gewinn erscheint, jenes Surplus menschlicher Arbeit, das Befreiung von subsistenzieller Not verheißt, in Wahrheit nichts als Böses im Schild führt und Verlust mit sich bringt, weil es bei anderen als seinen Erzeugern Begierden weckt, Herrschsucht und Habgier erregt, nur um die Begehrenden am Ende in den Wahnsinn zu treiben und die Befriedigung ihrer Herrschsucht und Habgier in eine Zerstörungsorgie münden zu lassen, in deren Verlauf nicht nur das Surplus dem unsinnigen Bestreben der Herrschsucht, mit der Identität des Süchtigen ins Reine zu kommen, und dem paradoxen Verlangen der Habgier, die Gier als solche zu befriedigen, zum Opfer gebracht und aufgezehrt, sondern gleich auch noch für die Zertrümmerung der solcher Surplusproduktion zugrunde liegenden Arbeits- und Sozialorganisationen und für den Ruin der mit der Surplusproduktion unauflöslich verquickten Subsistenzbedingungen der Arbeitenden selbst gesorgt wird. Die Untertanen sehen mit einem Wort, dass sie sich durch all ihre auf die Verbesserung ihres Lebens und Zusammenlebens gezielten produktiven Anstrengungen und durch all ihre auf die Sicherung ihres Auskommens und Wohlbefindens abgestellten präventiven Einrichtungen nur immer tiefer in Not und Elend stürzen und nur immer effektiver das Leben zur Hölle machen und das eigene Grab schaufeln.

Was Wunder, dass sie angesichts solcher, von der authentischen Herrschaft und wahren Macht des Äons, vom imperatorisch-cäsarischen Regime, ihnen zugleich als die in all ihrer Widersinnigkeit logische, in all ihrer Absurdität plausible Konsequenz des eigenen Wirkens vorgeführten unaufhaltsamen Zerstörung und allgemeinen Not an diesem ihrem Wirken und seinen Resultaten hoffnungslos irre werden und abgründig verzweifeln, dass sie mit dem herrschaftsetablierenden Stoffwechsel mit der Natur, den sie in arbeitsteilig-kooperativer Gemeinschaftlichkeit seit alters betreiben, partout nichts mehr anfangen können, dass sie mit der herrschaftserhaltenden gesellschaftlichen Reproduktion, die sie in ihren natürlichen Milieus entfaltet und in die sie die letzteren integriert haben, keinerlei Perspektive mehr verbinden, dass sie, kurz, sich mit der Welt, in der sie leben und arbeiten, irreparabel zerfallen, der Wirklichkeit, die sie aufgebaut haben und in der sie zuhause waren, heillos entfremdet erfahren.

Und diese Dissoziation und Entfremdung ist nun aber nicht etwa eine bloß partielle, ist keine, die sich wie weiland die Verweigerungs- und Verwerfungshaltung der dionysisch-naturkultlichen Sozialbewegungen auf einen als Produktion herrschaftlichen Reichtums bestimmten Aspekt der gesellschaftlichen Reproduktion einzugrenzen, einen im fronwirtschaftlichen Herrendienst bestehenden getrennten modus vivendi zu beschränken vermöchte, sondern sie betrifft die gesellschaftliche Wirklichkeit als ganze, die menschliche Welt als Kosmos.

Wenn jene früheren sozialkritischen Bewegungen ihren in Gestalt einer Naturreligion, eines Kults des einfachen Lebens, eines Mysteriums aus Brot und Wein vorgetragenen Protest gegen politische Unterdrückung und ökonomische Ausbeutung mehr oder minder explizit gegen die Produktion von ad usum delphini vorgesehenem Reichtum und Überfluss richten und also quasi als ein soziales Reformprogramm inszenieren, das darauf abzielt, das menschliche Dasein von der überflüssigen Bürde und unsinnigen Belastung aller auf mehr als auf die Behebung subsistenzieller Not und nämlich auf die Befriedigung eines demonstrativ verschwenderischen Konsums und einer luxuriös herrschaftlichen Kultur abgestellten Arbeitsanstrengungen zu befreien, sprich, die gesellschaftliche Reproduktion um jede fronwirtschaftlich-hypothekarische Verpflichtung zu kürzen, dann ist die Bedingung hierfür die tatsächliche oder vermeintliche Unterscheidbarkeit beziehungsweise Trennbarkeit des einen Teils des Arbeitsprodukts, der die Subsistenz der Fronenden sichert, ihren Unterhalt bildet, von dem anderen Teil, der Herrengut, Reichtum nicht im generell ökonomischen, sondern im sozialspezifischen Sinne ist, der also das Ur-Teil dessen darstellt, in dessen Dienst sich die gesellschaftliche Arbeit genommen findet, für den die Fronenden fronen, und der diesem zur Bestreitung seines konsumtiven Aufwands, seiner Hofhaltung dient.

In den territorialherrschaftlichen Theokratien traditioneller, vom kommerziellen Mittlertum undurchdrungener Ordnung, in denen die im Dienste der Herrschaft geleistete gesellschaftliche Arbeit noch weitgehend die Gestalt sächlich-naturaler Abgaben und die Form körperlich-personaler Fron hat, scheint diese Unterscheidbarkeit zwischen reklamiertem herrschaftlichem Reichtum und reservierter bäuerlich-handwerklicher Subsistenz gegeben. Sei's, dass das Herrengut sich als Zehnter oder Grundzins darstellt, den der auf eigene Rechnung Wirtschaftende entrichten muss, oder dass es das Gesamtprodukt umfasst, von dem der Knecht oder Leibeigene dann den für seinen Unterhalt beziehungsweise sein Überleben nötigen Anteil behalten darf oder zugeteilt bekommt, sei's, dass dem Herrn Frondienste geleistet werden müssen, die das Arbeitsleben der Betroffenen chronologisch in zum eigenen Nutzen verwendbare Abschnitte und für Zwecke des Herrn reservierte Perioden aufspaltet, so oder so scheint in effectu des Arbeitsprodukts oder in actu des Arbeitsprozesses der subsistenzielle Anteil des Arbeitenden selbst von dem für den Herrn bestimmten Teil klar unterscheidbar, scheint die Gesamtleistung, egal ob in Funktion einer quantitativen Aufteilung oder in Form einer qualitativen Zuordnung der Bestandteile, eindeutig sortierbar und scheint also auch ohne weiteres vorstellbar, dass kraft eines als Subtraktionsverfahren einfachen Rechenexempels das als Herrengut ausgewiesene spezifische Reichtumsmoment gestrichen wird und entfällt, während der als Selbstversorgungseinheit der Produzenten firmierende subsistenzielle Anteil erhalten bleibt und als ebenso maßgebendes wie alleiniges Produktionsziel das Feld behauptet.

Zwar handelt es sich, wie an früherer Stelle gezeigt, bei dieser vermeintlich unmittelbaren Unterscheidbarkeit und einfachen Trennbarkeit von herrschaftlichem Reichtum und bäuerlich-handwerklicher Subsistenz um schieren Schein, eine Illusion, da ja die letztere, die bäuerlich-handwerkliche Subsistenz, ebenso sehr praktisches Resultat wie systematische Konsequenz der Produktivkraftentfaltung einer in den Dienst herrschaftlicher Reichtumsbildung genommenen gesellschaftlichen Arbeit, des seine arbeitsteilige Kooperation ad majorem gloriam des Herrn des Reichtums übenden und perfektionierenden Kollektivs, ist und deshalb nicht von ungefähr oder vielmehr mit logischer Stringenz in actu der gesellschaftlichen Distribution als bloßes Abfallprodukt herrschaftlichen Reichtums, als von der Hauptsache, dem Herrengut, zurückbehaltene Kleinigkeit beziehungsweise abgezweigte Marginalie figuriert.

Immerhin aber ist die Illusion stark und verführerisch genug, um jenen auf ein subsistenziell einfaches, naturheilig-herrschaftsfreies Leben eingeschworenen Brot-und-Wein-Kult in Szene zu setzen, dessen dionysischer Stifter solchem Leben sogar die rauschhafte Qualität einer dem Schwelgen im Überfluss kongenialen Wirklichkeit zu vindizieren verspricht – einen Kult, der bei all seiner politisch-ökonomischen Bedeutungslosigkeit doch aber eine derart durchschlagende ideologisch-soziale Wirksamkeit entfaltet, dass er die politisch-ökonomisch Herrschenden, die theokratische beziehungsweise ständehierarchische Oberschicht, zu einer oben als Kult ums Wesen vorgestellten totalen Neubewertung des von der Gesellschaft dem Leben des einzelnen beigemessenen Sinns und radikalen Neuorientierung der vom einzelnen mit seinem Leben verknüpften Perspektive zwingt.

Die zunehmend marktvermittelte, an die Stelle persönlicher Abhängigkeit und direkten Tributs sächlichen Zwang und indirekte Besteuerung setzende Organisation der Arbeit, wie sie der kommerzielle Stadtstaat, die griechische Polis, beziehungsweise dann die koloniale Republik, die Urbs Romana, zur Geltung bringen und auch und gerade in den traditionellen Theokratien und ständehierarchischen Ordnungen Raum greifen lassen – diese zunehmende Marktvermittelheit der gesellschaftlichen Arbeit räumt nun aber mit jener Illusion einer systematischen Unterscheidbarkeit und empirischen Trennbarkeit von bäuerlich-handwerklicher Subsistenz und herrschaftlichem Reichtum und einer demgemäß möglichen ersatzlosen Streichung des letzteren und restlosen Rückführung der gesellschaftlichen Reproduktion auf erstere ebenso unwiderruflich wie gründlich auf.

In dem Maße, wie der Markt zur zentralen Anlauf- und Vermittlungsstelle der gesellschaftlichen Produktionsprozesse avanciert und das Arbeitsprodukt erst einmal in ein Moment seiner selbst, in Ware, transformiert, sprich, den Anspruch darauf in seine Münze, in Geld, ummünzt, ehe dieser in die Geldform überführte Anspruch dann der herrschaftlichen Expropriation unterworfen, mit militärischer Gewalt, bürokratischem Zwang oder fiskalischem Kalkül um den der Herrschaft zufallenden Anteil gekürzt wird – in dem Maße, wie dieser als Warenzirkulation firmierende distributive Umweg zur Norm wird, verwandelt sich die Subsistenz der Produzenten aus einem Epiphänomen herrschaftlichen Reichtums, einer Marginalie, einem Abfallprodukt dessen, was sie im Herrendienst erwirtschaften, in vielmehr die umfassende Erscheinungsform der Reichtumsbildung selbst, die phänomenale Totalität, in deren unauflöslicher Gestalt sich die qua Herrschaft geübten und der gesellschaftlichen Reproduktion eingefleischten, materialen Enteignungsprozesse darbieten und vollziehen. Während die für den Markt Arbeitenden nichts als ihre eigene Subsistenz zu verfolgen scheinen, betreiben sie in actu ihres vermeintlich subsistenziellen Tuns, wie das in die Geldform gefasste Ergebnis, die auf dem Markt realisierte Aufteilung ihres Produkts in Gewinn und Steuern, Eigentum und Herrengut, beweist, ebenso wohl Reichtumsbildung, die Schaffung der für die Etablierung und Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Herrschaft erforderlichen materiellen Basis.

Wie sollte angesichts dieser in der Gestalt ihres subsistenziellen Tuns durch den Markt effektuierten und in der Geldform exekutierten vollständigen Verquickung von Selbsterhaltung und Herrendienst, Reproduktion des eigenen Daseins und Reichtumsbildung den Produzenten noch möglich sein, ihren Protest oder Widerstand gegen eine die traditionelle Unterdrückung und Ausbeutung in einer agonalen Zerstörungsorgie kulminieren lassende imperatorisch-cäsarische Herrschaft in die alte kultische Form einer als Insistieren auf der einfachen Reproduktion, als inbrünstiges Bekenntnis zu Brot und Wein des einfachen Lebens zelebrierten Absage an Herrendienst und Reichtumsbildung zu kleiden? So gewiss dank kommerzieller Vermittlung die herrschaftliche Reichtumsproduktion zu einer die gesellschaftliche Subsistenz untrennbar einschließenden oder vielmehr mit ihr unauflöslich amalgamierten, um nicht zu sagen unabdingbar in sie integrierten conditio humana der als Untertanen der Herrschaft firmierenden Produzenten geworden ist, so gewiss müssen sie, wenn sie an dem zerstörerischen Treiben der Herrschaft verzweifeln und deshalb ebenso sehr auf Distanz zu allem gehen, was solche Herrschaft technisch-materiell fundiert, wie sich mit allem auseinanderleben und sich allem entfremden, was solche Herrschaft organisatorisch-sozial etabliert, diese ihre Distanzierung als Absage an ihr gesamtes eigenes Werken und Wirken und als Verdikt über ihre sämtlichen weltlichen Bindungen und Lebensgewohnheiten realisieren.

Weit entfernt davon, dass sie sich noch an den epiphänomenal schönen Schein, die ebenso ideologisch wirkmächtige wie aller ökonomischen Realität entbehrende Illusion eines herrschaftsfreien, von herrschaftlicher Reichtumsbildung emanzipierten Subsistierens klammern könnten, zielt ihre Absage an das zerstörerische imperatorisch-cäsarische Regime und ihre Abkehr von dessen materiellen Grundlagen und sozialen Voraussetzungen ins Zentrum des eigenen subsistenziellen Tuns und reproduktiven Treibens und der eigenen natürlichen Existenzbedingungen und gesellschaftlichen Lebensumstände, kurz, ihre Verweigerungshaltung richtet sich nolens volens gegen das irdische Dasein als Ganzes, die diesseitigen Verhältnisse als umfassende conditio humana und nimmt mit anderen Worten den Charakter einer globalen Austrittserklärung, einer pauschalen Weltflucht an. Da ist, wie die Rede von einer in nackte Verzweiflung umschlagenden Skepsis, einer zur rückhaltlosen Depression sich verlierenden Reserve ja bereits suggeriert, schlechterdings nichts, worauf sich die von dem Regime, das sie mit ihrer Hände Arbeit selbst etabliert haben, unterdrückten, ausgebeuteten und schließlich mit Tod und Verderben heimgesuchten Untertanen noch beziehen oder woran sie sich festhalten könnten, kein Sein oder Werden, das nicht als verderblich verworfen, als fatal negiert zu werden verdiente.


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