4. Demokratie
Obwohl das Geld unmittelbar der Umverteilung zugunsten der Handeltreibenden Vorschub leistet, kann es dank seiner epiphanischen Leistungsverkörperungsfunktion auch Leistungen repräsentieren, die keine oder jedenfalls keine marktrelevanten sind, und ermöglicht so die Umverteilung zugunsten der vom Markt Geschädigten. Daß die Handeltreibenden diesem neuen Umverteilungsbedürfnis stattgeben, ist Verdienst der aristokratischen Führungsschicht, vor allem aber dem historischen Zufall der Perserkriege geschuldet.
Dem Handeltreibenden bleibt also die objektive Maske, hinter der er sein subjektives Bereicherungsinteresse verfolgen, der öffentliche Schutzschild, unter dem er seine private Aneignungsstrategie vortragen kann, unangefochten und in vollem Umfange erhalten. Unangefochten bleibt die geldförmige Synthesisebene, unter deren Camouflage er sein privatives Tun kaschieren kann, dem Handeltreibenden deshalb erhalten und im uneingeschränkt vollen Umfange bleibt sie deshalb zu seiner Verfügung, weil sie das einzige Vergesellschaftungsmodell ist, das die Arbeitenden neben dem indiskutablen herrschaftlichen Zwangszusammenhang, dem dies neue Vergesellschaftungsmodell sie entrissen hat, überhaupt kennen, und weil sie in ihrer Einzigkeit für die Arbeitenden mehr noch untrennbar verknüpft ist mit privativen Aneignungsstrategien, die der Handeltreibende unter ihrem Deckmantel von Anfang an verfolgt. In der Tat ist ja diese geldförmige Synthesisebene historisches Produkt des kommerziellen Appropriationsstrebens, ist sie überhaupt nur im Zuge der Bemühungen des Handeltreibenden, Reichtum in seiner Hand zu akkumulieren, und in der Konsequenz der zu diesem Zweck von ihm angewandten Strategien entstanden, und insofern bildet für diejenigen, die dem kommerziellen Zusammenhang und seiner zentralen Einrichtung, dem Markte, zuarbeiten, das eine mit dem anderen von Anbeginn an eine unauflösbare, selbstverständliche, quasi natürliche Einheit. Wenn die dem kommerziellen Aneignungsstreben entsprungene geldförmige Synthesisebene nun ihrerseits dazu taugt und herhält, neue Aneignungstrategien zu begründen und zu befördern, so mögen die unter diesen Strategien leidenden Arbeitenden praktisch-empirisch dagegen aufbegehren und sich verwahren wollen – theoretisch-analytisch zwischen dem einen und dem anderen zu unterscheiden, beides soweit begrifflich auseinanderzudividieren, daß sie im Namen der erwünschten Synthesisebene gegen die unerwünschten Aneignungsstrategien, die unter ihrer Camouflage vorgetragen werden, Stellung beziehen könnten, haben sie keinerlei Handhabe, fehlt ihnen jedes kriterielle Rüstzeug.
Später zwar, in der Neuzeit, wenn die unter dem Deckmantel der geldförmigen Synthesisform vorgetragenen handelskapitalen Akkumulationstrategien ein neues, die Arbeitssphäre als solche betreffendes und in der Organisation der Arbeit auf Basis systematischer Arbeitsteilung und technologischer Kooperation bestehendes Vergesellschaftungsmodell hervorgetrieben haben werden, wird sich den Arbeitenden diese ihre, aus der bloß repräsentativ-symbolischen Synthesis durch Geld hervorgegangene definititv-empirische Vergesellschaftung durch Arbeit als ein Kriterium aufdrängen, von dem her und mittels dessen sie an der im Markt Gestalt gewordenen Verschränkung von gesellschaftlicher Synthesis und persönlicher Bereicherung Kritik üben können; sie werden dann unter Berufung auf die industrielle Produktion, die Fabrik, der kommerziellen Distribution, dem Markt, den Prozeß einer privativ-ausbeuterischen Fehlfunktion machen und eine Korrektur im Sinne der neuen Vergesellschaftungserfahrung abverlangen. Aber davon zu gegebener Zeit mehr! Hier, in der Antike, wo außer handwerklichen Betrieben und herrschaftlichen Oikoswirtschaften noch keine arbeitsorganistorisch bedingten Vergesellschaftungsmodelle existieren, bleibt die geldförmige Synthesisebene des Marktes die einzige wirkliche Alternative zur frondienstlichen Vergesellschaftungsform der theokratischen Ordnung und wird deshalb mitsamt dem handelskapitalen Aneignungsprinzip, dessen Wirksamkeit sie entspringt und das sich seinerseits in Gestalt verschiedener Akkumulationsstrategien unter ihren Bedingungen kontinuiert und entfaltet, als unauflösbarer Komplex, als unhinterfragbar Gegebenes in Kauf genommen.
Theoretische Unhinterfragbarkeit aber verhindert, wie gesagt, nicht schon das Aufkommen praktischer Unzufriedenheit und sozialer Ressentiments. Indem sich die Arbeitenden, und speziell die abhängig Beschäftigten, durch die unter dem Schutzschild der geldförmigen Synthesisebene vorgetragenen Expropriationsstrategien der Handeltreibenden und speziell durch jene Strategie, die unter Ausnutzung einer fiktiven Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt auf die Verringerung des den Arbeitsleistungen zufallenden Wertanteils zielt, in ihrer Subsistenz beeinträchtigt und in eine der allgemeinen Reichtumsentwicklung in der Polis diametral entgegengesetzte Richtung gedrängt finden, rekrutiert sich aus ihren Reihen quasi naturwüchsig eine expandierende Gruppe von Arbeitsuchenden, Gelegenheitsarbeitern und Tagelöhnern, die – jedenfalls relativ zum polisinternen Lebensstandard betrachtet – am Rande des Existenzminimums subsistieren und die auf ihre prekäre Lage, so unerklärlich diese ihnen bleibt und sowenig sie ihnen Anlaß zu ökonomischen Forderungen und sozialistischen Programmen wird, doch aber mit zunehmender sozialer Verbitterung und politischer Aufsässigkeit reagieren. Das heißt, es entsteht eine Armenbevölkerung in der Stadt, eine weitgehend unbemittelte Unterschicht, die zusammen mit der anderen, durch den ökonomischen Aufschwung niedergedrückten und von Deklassierung bedrohten Gruppe, der Gruppe der kleinen Landbesitzer, der maßvoll begüterten, waffentragenden Freien, ein Heer von Unzufriedenen bilden, das groß genug ist, um unternehmenden einzelnen aus der Oberschicht als Basis für einen Umsturz des patrizisch-republikanischen Systems und eine gewaltsame Machtergreifung, kurz, für eine Alleinherrschaft zu dienen, und das deshalb nun die politische Führungsschicht dazu zwingt, sich um der Verhinderung oder Rückführung einer derart krisenhaften Entwicklung der politischen Verhältnisse willen Gedanken über einen ökonomischen Lastenausgleich zu machen, besser gesagt, die oben bezeichnete doppelte Aufgabe ebensowohl einer den traditionellen politischen Machtverhältnissen Tribut zollenden Umverteilung von Wohlstand zugunsten der ökonomisch in Nachteil geratenen unteren Riegen der Oberschicht wie einer den neuen politischen Druckverhältnissen Rechnung tragenden Unterstützung der am Rande materieller Not subsistierenden unteren Schichten der Unterschicht in Angriff zu nehmen.
Als die entscheidende Schwierigkeit im Blick auf die Bewältigung dieser Aufgabe drängte sich oben indes das Problem auf, wo in dem für die Polis grundlegenden und für ihre besondere Form von Gemeinschaft maßgebenden kommerziellen Austauschsystem, im System einer ausschließlich auf den Austausch äquivalenter Güter, auf die Zirkulation wertgleicher sächlicher Leistungen gegründeten gesellschaftlichen Distribution für solche nicht auf Äquivalententausch gegründeten Umverteilungen, für solche nicht der Zirkulation sächlicher Leistungen entspringenden Umschichtungen der erforderliche Raum sich finden beziehungsweise ein geeigneter Funktionsmechanismus sich beischaffen läßt. Und das wiederum brachte die Reflexion auf den einzigen Sektor, in dem die Distribution nicht gleichbedeutend mit dem Austausch äquivalenter Güter, der Zirkulation sächlicher Leistungen ist, nämlich auf den Sektor der neben dem selbständigen Handwerk und der gegenständlichen Werktätigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnenden abhängigen Beschäftigung und persönlichen Dienstleistung, sowie auf die ebenso maßgebende wie tragende Rolle, die bei der Integration dieses Sektors in den durch sächlichen Äquivalententausch definierten Distributionszusammenhang das als katalytisches Zirkulativ auf dem Markte vorhandene allgemeine Äquivalent übernimmt, indem es sich als synthetisches Konstitutiv, als Geld, etabliert. Wieso allerdings dieser Sektor mit der geldwirtschaftlichen Wendung, die seine Integration in den Marktzusammenhang erheischt, einen Weg zu den gewünschten Umverteilungen weisen soll, ist nicht auf Anhieb ersichtlich. Erstens bleibt ja auch unter den mit ihm ins Spiel kommenden neuen, geldförmigen Austauschbedingungen das Prinzip einer Distribution mittels Äquivalententausch gewahrt, insofern sich nämlich als Maß der im Medium des synthetischen Wertkonstitutivs Geld getätigten Transaktionen die als gemeinsamer Nenner handwerklicher Sachleistungen und persönlicher Dienstleistungen firmierende Arbeitsleistung, sprich, die verausgabte Arbeitskraft, bemessen in Arbeitszeit, erweist. Und zweitens verlaufen die Umverteilungen, zu denen es unter dem Deckmantel der geldförmig organisierten und vermittelten Distribution nun in der Tat kommt, allesamt nur in eine Richtung und haben nur einen einzigen Adressaten und Nutznießer: den Handeltreibenden.
Wenn die Reflexion auf der Suche nach neuen Verteilungsmöglichkeiten, durch die sich die in der Polis entstandenen ökonomischen Ungleichgewichte korrigieren und die korrelativ dazu aus dem Gleichgewicht geratenen politischen Verhältnisse wieder ins Lot bringen lassen, jenen Übergang vom unmittelbaren Güteraustausch zum geldvermittelten Warenverkehr nachvollzieht, so findet sie in der Tat nur eines: nämlich eine Palette von Möglichkeiten, die der geldvermittelte Warenverkehr im Unterschied zum unmittelbaren Güteraustausch den Handeltreibenden und ihren Verbündeten im Produktionsbereich eröffnet, sich ohne Verletzung des Scheins von gerechtem Tausch, ohne Aufhebung der Suggestion eines zwischen Wert und Gegenwert bestehenden Äquivalenzverhältnisses einen größeren Anteil des Wertes der von den Arbeitenden sei's in der Polis, sei's außerhalb der Polis dem Markte gelieferten Güter oder jedenfalls einen größeren Teil der Gütermenge als solcher anzueignen. Was demnach die Betrachtung der spezifischen neuen Verhältnisse beim geldvermittelten Warenverkehr eigentlich erbringen sollte: nämlich im Rahmen einer vom Prinzip des Äquivalententauschs bestimmten Wirtschaft einen möglichen Weg zur Umverteilung zwecks Ausgleichs entstandener ökonomischer Ungleichgewichte sichtbar werden zu lassen – das hat sie nicht erbracht; statt dessen hat sie die wirklichen Wege erkennbar gemacht, auf denen durch Umverteilungen, die unter der Camouflage des geldförmigen Austauschs wirksam werden, jene ökonomischen Ungleichgewichte entstehen, aus denen sich die politisch und sozial begründete Notwendigkeit von Umverteilungen zu Ausgleichszwecken allererst ergibt. Denn in der Tat sind es ja die geschilderten, unter dem Deckmantel des geldförmigen Äquivalententauschs wirksam werdenden und allesamt zu Gunsten der Handeltreibenden und ihrer Verbündeten funktionierenden Umverteilungsmechanismen, die zu Lasten der kleinen Landbesitzer an der Basis der Oberschicht und der abhängig Beschäftigten am unteren Rand der Unterschicht gehen und damit jene Gruppen von ökonomisch Benachteiligten oder Bedrängten erzeugen, deren soziale Konfliktträchtigkeit und politische Unzufriedenheit die intendierten, als Lastenausgleich wohlverstandenen Umverteilungen erforderlich machen und einen dafür tauglichen Mechanismus zu suchen zwingen.
So dilemmatisch und zirkulär es, theoretisch gesehen, anmutet, daß sich das gesuchte Heilmittel erst einmal als Verursacher der Krankheit, die geldvermittelte Zirkulation, in der die Reflexion die Bedingung der Möglichkeit einer Behebung der ökonomischen Ungleichgewichte gewahren möchte, zuvörderst als die Bedingung der Wirklichkeit der Entstehung dieser Ungleichgewichte herausstellt – praktisch genommen, bewährt sich auch hier wieder einmal das Diktum vom Speer, der die Wunde zu heilen frommt, die er zuvor geschlagen hat. Ohne Frage nämlich zeigt sich der geldvermittelte Austausch nicht weniger geeignet, den systemkonformen Deckmantel für Umverteilungen von Reichtum zugunsten der Arbeitenden selbst beziehungsweise anderer gesellschaftlicher Gruppen abzugeben, wie er ansonsten dazu taugt, als Camouflage für Umverteilungen zum Vorteil derer, die das Austauschsystem betreiben, sprich, der Handeltreibenden und ihrer handwerksbetrieblichen beziehungsweise gutsherrlichen Verbündeten, herzuhalten. Folgt man der in all ihrer Irrenlogik schlüssigen Konsequenz, die das Bild von dem die Wunde, die er schlägt, anschließend heilenden Speer beschwört, so läßt sich in der Tat geltend machen, daß die geldvermittelten Umverteilungen zugunsten der Handel- und Gewerbetreibenden, die unter den Arbeitenden Gruppen entstehen lassen, deren ökonomische Benachteiligung beziehungsweise Armut den sozialen Unfrieden oder die politische Krise heraufbeschwört, gleichzeitig aber auch zu einer Reichtumbildung in den Händen der Handeltreibenden, einer Akkumulation von kommerziellem Überfluß führt, die es ermöglicht, durch Umverteilungen in gegenläufiger Richtung die Unfrieden stiftende, krisenträchtige Benachteiligung jener Gruppen wieder wettzumachen oder jedenfalls zu lindern und zu entschärfen. Was es dazu allein braucht, ist die Bereitschaft der Handeltreibenden und ihrer Verbündeten im Produktionsbereich, den akkumulierten Reichtum oder jedenfalls einen Teil davon für solch gegenläufige Umverteilungen zur Verfügung zu stellen und dranzugeben. Das heißt, die Handeltreibenden müssen bereit sein, jenen Gruppen in ihrer Eigenschaft als Konsumenten kommerziellen Reichtum zu überlassen, ohne ihnen dafür entsprechende Gegenleistungen abfordern, ohne sie mit anderen Worten in der Funktion von Produzenten in die Pflicht nehmen und von ihnen die Lieferung eines wertmäßigen Äquivalents, genauer gesagt, eines Äquivalents einschließlich des den Handeltreibenden für ihre kommerziellen Vermittlungstätigkeit traditionell zustehenden mehrwertigen Anteils, verlangen zu können.
Drehen wir uns aber nicht im Kreis? Stehen wir damit nicht wieder am gleichen Punkte wie vorher, am Punkte nämlich der entscheidenden Schwierigkeit, daß im System einer ausschließlich auf den Austausch äquivalenter Güter, auf die Zirkulation wertgleicher sächlicher Leistungen gegründeten gesellschaftlichen Distribution für solche unentgeltlichen Zuwendungen, solche distributiven Versorgungsleistungen ohne produktive Gegenleistung kein Raum gegeben und kein Mechanismus vorgesehen ist. Denn gesetzt auch, die Bereitschaft zu solchen unentgeltlichen Leistungen ist bei den Handeltreibenden vorhanden – verbietet sich ein entsprechendes Procedere nicht dennoch von selbst, weil es teils ökonomisch-systematisch an den im äquivalenten Austausch bestehenden Grundfesten der Polis rüttelte, teils politisch-praktisch den Rückfall in eine quasiherrschaftliche Distribution, in patrimoniale Abhängigkeiten und soziale Patronats- und Klientelverhältnisse bedeutete.
Genau hier kommt nun das Geld mit seiner dem Wundenschlagen korrelativen Fähigkeit zu heilen ins Spiel. In der Tat ist ja durch die Geldform als wertkonstitutive Synthesisfunktion das Prinzip des äquivalenten Austauschs sächlicher Werte bereits außer Kraft gesetzt oder vielmehr nicht außer Kraft gesetzt, sondern aufgehoben und durch das neue Prinzip eines Austausches wertbildender Arbeitsleistungen ersetzt. Und in der Tat firmiert ja das Geld in seiner Synthesisfunktion als epiphanische Verkörperung von Arbeitsleistungen, das heißt, es vertritt Arbeitsleistungen, die, weil sie zur Wertbildung nur mittelbar beitragen, im Austauschsystem des Marktes nicht oder, besser gesagt, nicht materiell, nur strukturell präsent sind, in leibhaftiger Gestalt und bringt deren Ansprüche gegenüber den durch Arbeitsleistungen gebildeten Werten, den Waren, zusammen mit den Ansprüchen der anderen, in die Wertbildung unmittelbar eingegangenen Arbeitsleistungen zur Geltung. Was liegt da nun näher, als dies epiphanische Leistungsverkörperungsmittel auch im Blick auf jene, durch die ökonomische Entwicklung benachteiligten und im Interesse der Erhaltung des sozialen Gleichgewichts und des politischen Friedens per Lastenausgleich zu entschädigenden Gruppen in Anwendung zu bringen und nämlich den Gruppen im Austausch gegen Leistungen zukommen zu lassen, die entweder gar keine wirklichen Leistungen, will heißen, nur Vorwand für die Zuwendung sind oder aber für das kommerzielle Distributionssystem, in dem sie erbracht und von dem sie mittels Geld honoriert werden, keine Notwendigkeit oder jedenfalls keine konstruktive, sie als produktiv-materiellen beziehungsweise als zirkulativ-strukturellen Beitrag ausweisende Bedeutung haben. Indem einerseits für die Zuwendung von allgemeiner Wertform, Geld, den Begünstigten Gegenleistungen abgefordert werden, bleibt das Prinzip des Äquivalententausches gewahrt, bleibt die ökonomische Basis, auf der die Polis als neue Vergesellschaftungsform ruht, unangetastet, und indem andererseits die geforderten Gegenleistungen nur pro forma als solche firmieren müssen und entweder überhaupt keine Leistungen oder jedenfalls kein für den Markt relevantes, kein zum kommerziellen Zusammenhang passendes Gegenstück zu sein brauchen, kommt die Geldzuwendung einer Umverteilung gleich, weil sie den Begünstigten ermöglicht, als Konsumenten an der Distribution teilzunehmen, ohne vorher als Produzenten oder Dienstleistende zu ihr etwas beigetragen zu haben.
Und daß aber nun die Gegenleistungen keine materiell oder strukturell wirklichen Beiträge mehr sein müssen, daß es genügt, wenn sie den formellen Charakter gesellschaftlicher Handreichungen aufweisen – eben dies ermöglicht das Geld, teils dadurch, daß es in seiner wertkonstitutiven Synthesisrolle ja selber eine Konsequenz der zunehmenden Immaterialität und Abstraktheit der Gegenleistungen ist und von daher quasi den Weg zum hier intendierten Extrem eines völligen Formalismus und einer schieren Funktionslosigkeit der Gegenleistungen markiert, teils und vor allem dadurch, daß es in seiner Eigenschaft als epiphanische Verkörperung von Leistungen sich ja bereits als tauglich erweist, Vergangenes bevollmächtigt gegenwärtig zu erhalten, Abwesendes in eigener Gestalt zu vertreten, und daß von daher nur noch ein winziger Schritt nötig ist, um es als Simulationsinstrument in Dienst zu nehmen und es Unterstelltes substantiieren, Schein Sein gewinnen, für Nichtexistentes leibhaftig einstehen zu lassen. Als ein Medium, das dazu taugt, Arbeitsleistungen Präsenz zu verleihen, die als solche vergangen und aufgehoben sind, eignet sich das Geld geradesosehr dazu, Arbeitsleistungen Wirklichkeit zu vindizieren, die an sich bloß vorgetäuscht oder jedenfalls nach Maßgabe ihrer marktbezüglichen Unerheblichkeit nicht reell sind. Und eben dadurch macht es das Geld möglich, in das Subsistenzsystem der Polis jene Gruppen wiedereinzubinden, die sich als indirekte oder direkte Ausbeutungsopfer der produktivitäts- und außenhandelsbedingten Entwicklung des Marktes deklassiert oder proletarisiert finden und für deren – wenn auch nicht Rehabilitation im Produktionsbereich, so immerhin doch – Redintegration in den Distributionszusammenhang eine den Schein des äquivalenten Austauschs von Leistungen und Gegenleistungen wahrende Umverteilung von kommerziellem Reichtum erforderlich ist.
Allerdings ist die theoretisch-systematische Möglichkeit zu einer systemkonformen Umverteilung von Reichtum, die das Geld eröffnet, bei näherem Hinsehen alles andere als gleichbedeutend mit einer praktisch-empirischen Verwirklichung dieser Möglichkeit, besteht also zwischen dem ökonomisch gangbaren Weg zur Umverteilung, den das Geld den Handeltreibenden weist, und deren tatsächlicher Bereitschaft, diesen Weg auch zu gehen, ein himmelweiter Unterschied, eine eigentlich gar nicht überbrückbare Kluft. Schließlich ist für die Handeltreibenden der von ihnen als gesellschaftliches Grundprinzip durchgesetzte Äquivalententausch gar nicht zu trennen von ihrem mittels Äquivalententausch verfolgten Anspruch auf Aneignung von Wert, ihrem Anspruch also darauf, das sei's in Gütern, sei's in Geldform erscheinende Äquivalent in ihrer Hand nur gegen ein Mehr an Gegenwert auszutauschen, als Mittel zum Erwerb von Mehrwert zu verwenden, kurz, ihrem Anspruch auf Akkumulation von potentiellem Reichtum, der sich in diesem immer gleichen Akkumulationsanspruch erschöpft und darum Kapital ist – und insofern bleibt jene theoretisch-systematisch mögliche Umverteilungsstrategie, die ja gerade darin besteht, das Äquivalent Geld als Mehrwertaneignungsmittel außer Kraft zu setzen und im Austausch gegen fingierte oder irrelevante Leistungen als Instrument zur schenkungsförmigen Distribution akkumulierten Mehrwerts einzusetzen, für die Handeltreibenden ein fundamentaler Verstoß gegen den für ihr Handeln konstitutiven unauflöslichen Verbund aus Äquivalententausch und Kapitalakkumulation, mithin ein Ding der praktisch-empirischen Unmöglichkeit.
Daß den Handeltreibenden aus eigener Kraft und aus eigenen Stücken gelingen könnte, über diesen Schatten zu springen, den das konstitutionelle Fundament ihres ökonomischen Handelns wirft, läßt sich schlechterdings nicht erwarten. Indes steht nun, den Handeltreibenden beim Sprung über ihren Schatten Hilfestellung zu leisten und Beine zu machen, die politische Führungsschicht der Polis, die das Staatsschiff, die arché, lenkende Gruppe aristokratischer Oikosbesitzer bereit. Dem zunehmenden ökonomischen Ungleichgewicht und daraus erwachsenden politischen Unfrieden in der Polis zu steuern hat diese Führungsschicht ein quasi persönliches Interesse. So gewiß sich der ökonomisch bedingte politische Unfrieden in der Polis als Basis für den Aufstieg politischer Abenteurer aus den eigenen Reihen, sprich, als Nährboden für Tyrannisherrschaften erweist, so gewiß ist die Beseitigung jener der Entstehung von Gewaltherrschaften förderlichen ökonomischen Bedingungen für die Führungsschicht eine Frage der Erhaltung ihrer korporativen Macht und ihres besonderen Status, ihrer staatlichen Stellung. Und anders als die Handeltreibenden sind die aristokratischen Grundeigentümer in dem die Ungleichgewichte schaffenden ökonomischen Akkumulationsprozeß nicht eindeutig Partei. Zwar profitieren sie als dem Markte zuarbeitende Großgrundbesitzer oder Eigentümer fronwirtschaftlich betriebener landwirtschaftlicher Großbetriebe von den kommerziellen Aktivitäten der Handeltreibenden und sind insofern auf deren Seite. Aber der Gewinn, den der Kommerz ihnen einbringt, ist für sie kein zu akkumulierendes Kapital, wie er das für die in ihrem ökonomischen Handeln von einer fixen Idee quasiherrschaftlich-politischer Emanzipation getriebenen Handeltreibenden ist, sondern ausschließlich Mittel zum Konsum, das heißt, Mittel zur verbesserten Befriedigung leiblicher, geistiger und sozialer Bedürfnisse. Eben deshalb haben sie sich ja in der Polis etabliert und mit deren neuem Gemeinschaftstyp verbündet, weil dank der materiellen Güter, die der überregionale Handel bereitstellt, dank des geistigen Austauschs, der Hand in Hand mit dem kommerziellen Austausch geht, und dank der sozialen Verkehrsformen, die der politischen Ordnung der marktzentrierten Gemeinschaft entspringen, die Polis ihnen eine ungleich größere Lebensqualität verbürgt, ihnen leiblichen Genuß, geistige Unterhaltung, soziale Geltung ungeahnten Ausmaßes und beispielloser Diversität verschafft. Wie könnte da wohl die aristokratische Führungsschicht untätig zusehen, wenn eben das amphibolisch aus Äquivalententausch und Kapitalakkumulation gemischte, kommerzielle Prinzip, das für ihr dem Genuß, der Unterhaltung und der Geltung geweihtes Leben das materiale Fundament und das reale Milieu schafft, durch hemmungslose Entfaltung des Akkumulationsmotivs jenes Fundament und Milieu nun selbst wieder untergräbt und nämlich dem von ihm ins Leben gerufenen, die alte Ständegesellschaft per Austausch als Funktionszusammenhang entwerfenden neuen Gemeinschaftstyp Polis durch dessen Überführung in eine nach Reich und Arm sortierte Klassengesellschaft eigengesetzlich wieder den Garaus zu machen beginnt?
Und nicht zuletzt kommt zu der ebenso existentiell-ökonomisch begründeten wie konstitutionell-politisch motivierten Bereitschaft der Oberschicht, dem zunehmenden ökonomischen Ungleichgewicht und daraus resultierenden politischen Unfrieden in der Polis durch Umverteilung von Reichtum zu begegnen, noch die praktisch-soziale Eignung hinzu, die sie für das Umverteilungsgeschäft tatsächlich mitbringt. Schließlich ist ja, wie oben gesehen, die freie, unangefochtene Verfügung der aristokratischen Oberschicht über ihre eigenen Güter, über den oikosentsprungenen, herrschaftlichen Reichtum, den sie in die Polis mitbringt, daran geknüpft, daß sie sich liturgisch bewährt, das heißt, daß sie diesen Reichtum in den Dienst der Allgemeinheit stellt, ihn mittels Trierarchie, Choregie oder der Finanzierung anderer öffentlicher Aufgaben zum Wohle und Nutzen der Polis verwendet. Und wie die ihr abgetrotzte Bereitschaft, den leitos, die Volksversammlung, von ihrem herrschaftlichen Gut profitieren zu lassen, der Polis von ihrem Reichtum zu opfern, die aristokratische Oberschicht in genere als tauglich erweist, die politische Führung in der Polis auszuüben, das Staatsschiff zu lenken, kurz, das Archontenamt zu bekleiden, so macht diese ihre eingefleischte Opferbereitschaft die Oberschicht nun natürlich auch in specie geschickt dazu, im Interesse des ökonomischen Ausgleichs und der politischen Eintracht in der Polis Umverteilungen in Angriff zu nehmen und durchzuführen, sprich, den demos, die durch die ökonomische Entwicklung benachteiligte Volksmasse, am kommerziell akkumulierten Reichtum teilhaben zu lassen.
Das Problem ist nur, daß sich der kommerziell erwirtschaftete Reichtum ja zum Großteil in den Händen der Handeltreibenden befindet und diese – will man sie nicht dazu zwingen, ihn für die Umverteilung zur Verfügung zu stellen, was ja Gewalt bedeutete und einer Stiftung eben des sozialen Unfriedens, den die Umverteilung beilegen soll, an anderer und zentraler Stelle im Gefüge der Polisgemeinschaft gleichkäme – irgendwie vom Sinn und Nutzen der Umverteilungsaktion überzeugt und zu ihr als notwendiger Verfahrensweise überredet werden muß. Wie aber soll die aristokratische Führungsschicht dies anfangen und was an Überzeugendem kann sie gegen den systemspezifischen Widerstand, den die Handeltreibenden allen auf einen Lastenausgleich zielenden und pro forma zwar vielleicht vom Äquivalenzprinzip, ganz gewiß allerdings nicht vom Akkumulationsmotiv bestimmten Distributionsabsichten entgegensetzen, aufbieten? So schwer und geradezu aussichtslos die bei den Handeltreibenden zu leistende Überzeugungsarbeit indes dem unmittelbaren Augenschein nach anmuten mag, eine Handhabe dafür hat sich die aristokratische Führungsschicht schon im ersten Akt ihrer umfassenden, auf die Befriedung der diversen Problemgruppen in der Polis gerichteten Reformarbeit quasi selbsttätig geschaffen. Unzufrieden mit den Verhältnissen in der Polis sind ja, wie oben ausgeführt, nicht nur die Gruppen der von Deklassierung bedrohten kleinen Landbesitzer und der von Pauperisierung heimgesuchten Lohn- und Gelegenheitsarbeiter, sondern im scheinbaren Paradox auch und ebensosehr die Hauptnutznießer der ökonomischen Entwicklung der Polis, die Handeltreibenden: Je erfolgreicher sie ihren Reichtum mehren und je gewichtiger die ökonomische Stellung wird, die sie in der Polis einnehmen, um so weniger vermögen sie einzusehen, warum sie politisch zweitrangig und von der Führung der öffentlichen Geschäfte, der Lenkung des Staatsschiffes ausgeschlossen bleiben. Und dieser Unzufriedenheit der Neureichen mit ihrer politischen Benachteiligung hilft nun also die aristokratische Führungsschicht in einem ersten Reformschritt dadurch ab, daß sie den Unzufriedenen Zugang zu den höchsten Staatsämtern verschafft beziehungsweise durch die Reorganisation des politischen Organismus und die Einrichtung neuer Organe den Einfluß der Unzufriedenen auf die Staatsgeschäfte verstärkt.
Aber indem so die Neureichen von der aristokratischen Führungsschicht in die Staatsverwaltung eingebunden und quasi als Juniorpartner kooptiert werden, sind sie natürlich zugleich gehalten, die mit der Führungsposition traditionell verknüpften wirtschaftlichen Lasten mitzutragen und gesellschaftlichen Auflagen zu erfüllen. So gewiß sie jetzt an den politischen Rechten und sozialen Privilegien der aristokratischen Oberschicht partizipieren, so gewiß läßt sich von ihnen erwarten, daß sie auch deren repräsentativen Verpflichtungen und öffentlichen Obligationen nachkommen. Und zu den wichtigsten dieser Pflichten gehört die liturgische Funktion, das heißt, die Bereitschaft, eigenes Vermögen, privaten Reichtum in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen und für öffentliche Aufgaben dranzugeben. Von Haus aus ein geeignetes Mittel, den fremdbürtigen Reichtum, den die Aristokratie aus ihren Domänen in die Polis einbringt, in seiner sprengkräftig-spalterischen Wirkung zu neutralisieren und in eine dem Gedeihen der Polis förderliche, für die Stadt als ganze segensreiche Mitgift zu verwandeln, erweist sich die liturgische Funktion nun ebensosehr als taugliches Instrument, den von den Handeltreibenden akkumulierten Reichtum für gemeinnützige Umverteilungszwecke, nämlich für den Lastenausgleich, den die durch den kommerziellen Prozeß verschuldeten ökonomischen Ungleichgewichte erzwingen, verfügbar zu machen. So also wird die Ablehnung, mit der ex cathedra des für ihr ökonomisches Tun und Treiben entscheidenden kapitalen Akkumulationsmotivs die Handeltreibenden dem Ansinnen einer distributiven Rückerstattung zirkulativ angeeigneten Reichtums begegnen, dadurch modifiziert oder gar ins Gegenteil bereitwilliger Mitwirkung verkehrt, daß die Handeltreibenden in den Kreis der politischen Führungsschicht einbezogen und auf deren polisdienliche Verhaltensweisen vereidigt werden, das heißt, letztlich dadurch, daß das dem ökonomischen Akkumulationsmotiv zugrunde liegende widersinnig unendliche, weil unendlich widersinnige systematische Streben nach quasiherrschaftlicher Souveränität in der Beteiligung der Handeltreibenden an der Ausübung der politischen Herrschaft eine Art von empirischer Erfüllung findet und nach Maßgabe der mit dieser Erfüllung verknüpften gegenläufigen Verpflichtungen eine Brechung erfährt.
Indes ist bei der Stärke des kommerziellen Akkumulationsmotivs und seiner konstitutiven Bedeutung für den durch Äquivalenztausch organisierten ökonomischen Zusammenhang nicht einmal ausgemacht, ob dieser korporative Einfluß, den die aristokratische Führungsschicht auf ihren Juniorpartner nehmen, und dieses integrative Beispiel, das sie ihm geben, allein schon ausreichend wäre, die Handeltreibenden von ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Umverteilungen zu Lasten des von ihnen akkumulierten Handelskapitals abzubringen und zu dem von ihnen erwarteten substantiellen Beitrag im Interesse einer Beseitigung des ökonomischen Ungleichgewichts in der Polis und Schlichtung des dadurch gestifteten Unfriedens zu bewegen. Glücklicherweise aber – glücklicherweise natürlich nur in specie des den Handeltreibenden abverlangten subjektiven Wohlverhaltens, nicht in genere der das Wohlverhalten erzwingenden objektiven Situation – tritt eine historische Entwicklung ein, die es der aristokratischen Führungsschicht erspart, die Wirksamkeit ihres beispielgebenden Einflusses auf den Juniorpartner im isolierten Experiment zu erproben: Der Not- und Ausnahmezustand, in dem jene historische Entwicklung resultiert, läßt nämlich den polisinternen Lastenausgleich, für jedermann unschwer erkennbar, zu einer alle Beteiligten betreffenden politischen Überlebensfrage werden.
Das Persische Reich, die Gründung einer religiösen Elite, die auf einer wesenskultanalogen Verflüchtigung und dualistischen Ethisierung der theokratischen Götterwelt aufbaut, dringt in das ägäische Handelssystem vor und unterwirft seinen östlichen Teil.
In den Kontinentalregionen zwischen dem Gebiet der neuartigen agrarischen Ständegesellschaft buddhistischer – später dann hinduistischer – Orientierung im Osten und der Sphäre der ebenso neuartigen, kommerziell fundierten westlichen Polisgemeinschaften, in Regionen also, die wegen ihrer Ausgedehntheit, Unzugänglichkeit und relativen Kargheit beziehungsweise ökonomischen Rückständigkeit dem unmittelbaren Einfluß beider neuer Gesellschaftsformationen entzogen sind, hat sich nach dem altbewährten theokratiebildenden Schema einer Unterwerfung seßhafter, ackerbautreibender Schichten in den Flußtälern und Ebenen durch nomadisch-kriegerische Stämme aus den Bergen und Steppen eine neue Territorialherrschaft, das medisch-persische Reich, gebildet, das mit der Zerschlagung seines theokratischen Vorgängers, des Assyrischen Reiches, eine expansive Vormachtstellung erringt. Ihre Expansionskraft schöpft die neue Territorialmacht nicht zuletzt daraus, daß im Rahmen der im wesentlichen kontinuierten theokratischen Ordnung Priesterkönig und Oberschicht unter dem Eindruck der allenthalben auftretenden antiopferkultlich-orgiastischen, sprich, fronherrschaftsfeindlich-sozialkritischen Entwicklungen eine Anpassung an den andernorts ausgebildeten und jenen Entwicklungen in eins ihre ontologische Wahrheit zu vindizieren und den sozialkritischen Schneid abzukaufen bestimmten Wesenskult vollziehen. Quasi aus dem Stand ihrer nomadisch-schamanischen Ursprünge heraus und in einer Art von unmittelbarer Spiritualisierung dieser Ursprünge überführen die Eroberer und neuen Herren das Götterpantheon, in dessen Reichtumsphäre sie sich einnisten, in ein dem transzendenten Wesen, das sich als die Wahrheit der Götter herausstellt, nachgebildetes abstraktes Prinzip, das sie im einfachen Dualismus dem als Gegenprinzip begriffenen theokratiefeindlich-orgiastischen Herrn der Unterschicht entgegensetzen. Durch diese vorwegnehmende unifizierende Abstraktion und universalisierende Entweltlichung lösen sie die Götter aus ihrer unmittelbaren Assoziation mit irdischen Gütern, materiellen Reichtümern, bewahren sie vor dem Offenbarungseid, den die Heraufkunft des Wesens für die ganze Erscheinungssphäre mitsamt ihren olympischen Repräsentanten bedeutet und erhalten sich die letzteren, die nun nicht mehr als vielgestaltige personale Charaktere, als realitätsgesättigte Subjekte mit konkreten Eigenschaften figurieren, sondern an deren Statt eine uniforme spirituelle Wesenheit, ein idealitätsgeprägtes Prinzip mit abstrakten Qualitäten firmiert, in der alten Funktion einer das theokratische System stützenden herrschaftlichen Instanz.
Einer herrschaftlichen Instanz, die nun allerdings nach Maßgabe ihrer wesensähnlichen Distanzierung von der Erscheinungswelt, ihrer dem konkreten Dasein gegenüber gewahrten abstrakten Allgemeinheit vom priesterköniglichen Stellvertreter auf Erden und seiner die Oberschicht bildenden Opfergemeinde auch nicht mehr nur ein kultisches Verhalten alten Musters, sondern dies kultische Verhalten, getragen und durchdrungen von einer neuen Haltung ethischen Ernstes, verlangt. Weil an die Stelle der vielen konkreten, von der Erscheinungswelt eigentümlich geprägten Göttergestalten das eine abstrakte, die Erscheinungswelt auf das, was ihr Bestand verleiht, auf ihr Scheinen, das Licht, ihr als Wesen gefaßtes uniform-ideales Substrat reduzierende spirituelle Prinzip getreten ist, hört der theokratische Opferkult auf, eine der Intention nach einfache Übergabe irdischer Güter an deren wahre Herren und eigentliche Eigner zu sein und nimmt vielmehr die neue Bedeutung einer Auf- und Preisgabe irdischer Güter pro domo ebensosehr wie im Namen der von jenem spirituellen Prinzip ex cathedra seiner abstrakten Allgemeinheit zum wahren Herrengut sublimierten besseren Welt und zum eigentlichen Eigentum idealisierten vollkommeneren Wirklichkeit an. Indem in der vom Wesenskult inspirierten parsischen Revision des theokratischen Pantheons die Götter nicht zwar in den Konkurs des seinem Wesen nach absolut anderen ursprünglichen Subjekts getrieben, immerhin aber auf den kriteriellen Punkt eines gegenüber der konkreten, vielgestaltigen Erscheinungswelt in wesenhafter Abstraktheit und Universalität sich behauptenden herrschaftlichen Prinzips gebracht werden, nimmt dieses abstrakt-unitarische Prinzip nun nicht zwar die Bedeutung eines im ontologischen Sprung ein unbedingt anderes Sein gewahrenden und die Erscheinungswelt für schlechterdings nichts erklärenden, immerhin aber den Verstand einer im gnoseologischen Schnitt die Erscheinungswelt zu Paaren treibenden und über sie Gericht haltenden kriteriellen Instanz an, die die konkrete Welt mit einer der eigenen Abstraktheit entspringenden sublimen Gegenwelt, die realen Erscheinungen mit einer der eigenen Universalität entsprechenden idealen Wirklichkeit konfrontiert und die damit jedes auf sie bezügliche weltliche Tun im Sinne eines zu dieser abstrakt-sublimen, kurz, lichten Gegenwelt geforderten Bekenntnisses, eines mit dieser universal-idealen, kurz, verklärten Wirklichkeit zu schließenden Bündnisses überdeterminiert.
Jede Opferhandlung, die der theokratische Herr und seine Gemeinde nach altem Muster vollziehen, ist so unter den Auspizien des in Imitation wesenskultlicher Verhältnisse zur kriteriellen Instanz abstrahierten und universalisierten göttlichen Prinzips neu bestimmt. Als die formell alte Abfolge aus Darbringen und Umbringen, Präsentation und Liquidation ist der Opfervorgang zugleich doch reell mit neuer Bedeutung versehen: Aus einem Sühneakt, der dazu dient, einen in actu des sakrifiziellen Geschehens aufbrechenden objektiven Frevel zu ahnden und die Majestät der Götter wiederherzustellen, wird eine Reinigungshandlung, die dazu taugt, eine dem sakrifizierenden Subjekt selbst durch den Umgang mit der Erscheinungswelt anhaftende Beflecktheit und Unreinheit zu tilgen und die vom göttlichen Prinzip als solchem gewahrte lautere, lichte Welt als eine Wahrheit zur Geltung bringen, als eine Wirklichkeit vorstellig werden zu lassen, die dem durchs Opfer geläuterten Subjekt ebensosehr am Herzen liegt wie Verpflichtung ist. Durch ein und dieselbe Opferhandlung, durch die Priesterkönig und Gemeinde vorher kundgetan haben, daß sie irdisches Gut als Eigentum der Götter anerkennen und es lieber vernichten, als zuzulassen, daß es in andere, ex improviso des Opferakts auftauchende, usurpatorische Hände fällt – durch eben diese Handlung stellen jetzt die Opfernden klar, daß sie a priori bereit sind, irdisches Gut, ihr Eigentum, aufzuopfern und der Vernichtung preiszugeben, weil ihr Herz und Verstand vielmehr dem sublimen Gut gehört, in dem das göttliche Prinzip sein wahres Eigentum hat, und weil also ihr Sinnen und Trachten auf jene ideale Wirklichkeit gerichtet ist, die das göttliche Prinzip kraft seiner wesenhaften Abstraktheit und Universalität gewahrt und der realen Welt gegenüberstellt. Jede Opferhandlung wird so zum Gefäß und Ausdruck einer nomadisch-schamanisch getönten moralischen Entscheidung, wird zu einer Absage an die fleischern-vergängliche, sinnlich-finstere Welt des Herrn der orgiastischen Kulte und zu einem Bekenntnis zur knöchern-unverweslichen, sinnvoll-lichten Welt des göttlichen Prinzips, wird zu einem korrektiven Akt der Reinigung und Erhebung, kurz, zu einem Votum gegen das Pathos der Erscheinungswelt und für das Ethos der Welt des göttlichen Wesens.
Und eben dies, daß er sie sich als Priester und Vertreter des wesenhaft göttlichen Prinzips und seiner abstrakt sublimen Weltordnung, seiner universal idealen Wirklichkeit bewährt, die er kraft der alten, mit neuer Bedeutung gefüllten sakrifiziellen Praktiken zur Geltung bringt – eben dies legitimiert nun den theokratischen Herrn neuer Religion mitsamt seiner Opfergemeinde zur gewohnterweise ausgeübten Herrschaft über die tatsächliche Welt und zur Verfügung über deren materielle Güter. Daß der Priesterkönig parsischer Konfession den mittels Opferhandlung dargebrachten Reichtum nicht mehr realistisch seinen wahren Eignern, den Göttern, ausliefert, sondern bloß noch symbolisch einem als Eigner des wahren Reichtums begriffenen göttlichen Prinzip preisgibt, daß er sich also nicht mehr als Majordomus und Verwalter des irdischen Guts der Götter begreift, sondern vielmehr als Pfleger und Bekenner eines eigentlichen Guts, das anstelle des irdischen Guts das göttliche Prinzip gewahrt – diese wesenskultanaloge Bedeutungsverschiebung, die der Opferhandlung als einer rein kultischen, auf die Präsenz der Götter im Diesseits abgestellten Prozedur den Abschied gibt und sie im Sinne einer ethischen, auf die Repräsentation eines relativen Jenseits durch den Opfernden selbst gerichteten Aktion neu bestimmt – sie tut dem Anspruch des letzteren auf den bevollmächtigten Besitz und legitimierten Gebrauch des irdischen Gutes nicht den geringsten Abbruch. So gewiß der Priesterkönig und seine Opfergemeinde es sind, die auf Erden die Macht und Herrlichkeit des göttlichen Prinzips, seine ex cathedra der Abstraktheit und Universalität, in der es sich behauptet, sublime Welt und ideale Ordnung zur Geltung bringen, und so gewiß sie das durch die alten, in ihrer Bedeutung umfunktionierten Opferhandlungen tun, das heißt, durch ein kraft Aufopferung irdischer Güter abgelegtes Bekenntnis zum wahren Gut des göttlichen Prinzips, durch einen qua Preisgabe eigener Welt geleisteten Eid auf die eigentliche Welt des anderen Herrn, so gewiß haben sie Anspruch auf eben diese, ins rechte Verhältnis zum göttlichen Gut gesetzten und nämlich im Sinne einer sakrifiziellen Abstandnahme von ihnen und Erhebung über sie gebrauchten irdischen Güter, so gewiß können sie sich mit anderen Worten als vom Herrn dieser Welt bevollmächtigte Verweser des gesellschaftlichen Überschusses, als vom göttlichen Prinzip legitimierte Verwender des frondienstlich erzeugten Reichtums gerieren.
Und nicht einfach nur, daß diese Oberschicht parsischen Bekenntnisses, indem sie den traditionellen Opferkult mit novellierter, wesensanalog-gnoseologischer Bedeutung fortsetzt, den unverändert alten, herrschaftlichen Anspruch auf das frondienstlich erzeugte Mehrprodukt erheben kann – sie kann ihn kraft eben dieser neuen Bedeutung, die sie dem Opferkult verleiht, mehr noch in veränderter Manier und nämlich mit beispiellos universalem Gestus und expansivem Impetus geltend machen. Weil für sie der Opferkult ja nicht mehr den Sinn einer Übergabe irdischen Eigentums an die Götter zum Zwecke der Einsetzung der Götter in ihre hier und jetzt gegebene weltliche Gerechtsame, sondern die Bedeutung der Preisgabe irdischen Eigentums im Namen eines Eintretens für die immer und überall gegebene idealweltliche Gerechtsame des göttlichen Prinzips hat, ist die Opferhandlung nun auch nicht mehr an diese oder jene, als Aufenthalt des Gottes lokal oder temporal definierte Kultstätte, an dieses oder jenes, als Eigentum des Gottes real oder modal qualifizierte Gut, an diese oder jene, als Volk des Gottes regional oder national bestimmte Gruppe gebunden, sondern ist eine relativ frei flottierende sakrifizielle Funktion, die sich ohne sonderliche Mühe und ohne große Gewalt den verschiedensten bereits vorhandenen politisch-ökonomischen und kultisch-sozialen Zusammenhängen aufpropfen läßt. Als eine religiöse Elite, die mit ihrem sakrifiziellen Tun nicht sowohl die Absicht verfolgt, die Götter von der realen Welt Besitz ergreifen und in ihr präsent werden zu lassen, sondern bestrebt ist, sich selber hinlänglich von der realen Welt zu befreien, um die ideale Welt des göttlichen Prinzips gegenüber den realen Welt als Maßstab zur Geltung bringen und repräsentieren zu können, – als eine religiöse Elite mithin, die nicht mehr darauf aus ist, durch sakrifizielle Darbringungen die Götter auf Erden zu lokalisieren und als Eigner von Reichtum konkret werden zu lassen um damit sich selbst als irdische Geschäftsträger der Götter zu legitimieren, sondern die nur bemüht ist, durch die sakrifizielle Aufopferung irdischen Reichtums die eigene Teilhabe an der Abstrakheit und Universalität des göttlichen Prinzips unter Beweis zu stellen, und die ihren Anspruch auf Verfügung über den irdischen Reichtum, ihren Anspruch auf den Herrenstatus, ausschließlich auf diese ihre mittels des sakrifiziellen Gebrauchs irdischen Reichtums in ritueller Regelmäßigkeit vollzogene Absage an den orgiastischen Umtrieb und das undurchsichtige Durcheinander der vom Herrn der Finsternis besessenen unmittelbaren Erscheinungswelt und Erhebung zur lichten Wahrheit und zur wesenhaften Ordnung der vom göttlichen Prinzip gewahrten idealen Welt gründet – als diese religiöse Elite ist die medisch-persische Oberschicht in allen Sätteln gerecht und kann sich jedem Wirtschaftsleben, jedem Sozialgefüge, jedem Kultzusammenhang aufpfropfen.
Und wie sich demnach aber die herrscherlich-kultische Wirksamkeit dieser Oberschicht darin erschöpft, die jeweils vorgefundene empirische Welt auf eine abstrakte Wahrheit und universale Wirklichkeit zu beziehen, die als solche in ihrer Abstraktheit verharrt und deren Universalität außer Berührung mit den Partikularitäten der empirischen Welt bleibt und die ausschließlich im gottesdienstlichen Tun oder reinigungspriesterlichen Sein der Oberschicht selbst repräsentative Geltung und eine erhabene Gegenwart gewinnt, so bleibt nun naturgemäß diese Oberschicht in ihrem ganzen herrscherlich-kultischen Tun und Sein den praktischen Ordnungen und empirischen Gegebenheiten, denen sie sich aufpfropft, vergleichsweise äußerlich und begegnet ihnen mit der aus Distanziertheit sich speisenden Abgeklärtheit, der aus Gleichgültigkeit sich erklärenden Großmut, die ihre rituelle Teilhabe an der abstrakten Wesenhaftigkeit und universalen Wahrheit des göttlichen Prinzips ihr verleiht. Der relativen Transzendenz, der die religiöse Elite huldigt, korrespondiert mit anderen Worten die Toleranz, die sie gegenüber der Immanenz, über die sie herrscht, praktiziert. Solange letztere den Reichtum zur Verfügung stellt, den Tribut entrichtet, den die religiöse Elite braucht, um die vom neuen Streben nach Reinigung und Erhebung durchdrungenen alten Opfer darzubringen und ein in allem ethischen Ernste dem göttlichen Prinzip und seiner lichten Welt zugewandtes Leben zu führen, darf sie, die Immanenz, ungestört in ihrer vorgefundenen Empirie verharren und darf mithin den wirtschaftlichen Strukturen, den sozialen Ordnungen, den kultischen Praktiken treu bleiben, in denen sie bereits zu Hause war, ehe die neue Herrschaft über sie kam.
Was Wunder, daß unter den herrschaftsstrategisch günstigen Bedingungen dieser Mischung aus religiös-sozialer Distanz und kultisch-politischer Toleranz, mit der sie den unterworfenen Gesellschaften begegnen, die mit der Durchschlagskraft ihrer nomadisch-kriegerischen Herkunft vordringenden medisch-persischen Eroberer eine gewaltige Expansionsfähigkeit beweisen und binnen kurzem ein in den geographischen Abmessungen bis dahin beispielloses Großreich zusammenzimmern? Im Zuge dieser expansiven Reichsbildung aber kommen sie nun mit der Sphäre der Polis in Berührung und geraten gleich auch in Konflikt mit ihr. Indem das Persische Reich sein Territorium nach Westen, zum Meer hin, vorschiebt, stößt es auf die in Ionien, an der kleinasiatischen Küste, am östlichen Rand des Machtbereichs des Polisprinzips, positionierten Stadtgemeinschaften und unterwirft sie dank seiner militärischen Überlegenheit rasch. Gleichermaßen der Logik einer geographischen Abrundung und einer ökonomischen Stärkung seiner Herrschaft folgend, macht es sie tributpflichtig und verleibt sie seinem Machtgebiet ein. Den unmittelbar betroffenen ionischen Poleis selbst wie auch den übrigen Gemeinschaften der im Umkreis der Ägäis entstandenen Freihandelszone kann dieser Einbruch der theokratischen Territorialmacht in den aus demokratischer Agora und aristokratischem Oikos gewirkten neuen politischen Verbund und die daraus resultierende Zurücknahme der kommerziellen Eigenständigkeit und politischen Autonomie, die jener Verbund doch gerade gegen alle traditionell theokratische Herrschaft durchzusetzen gedient hat, schwerlich gefallen. Weder mit der ökonomischen Liberalität und Eigenverantwortlichkeit, die der im Niemandsland zwischen verschiedenen herrschaftlichen Wirtschaftssystemen Beziehungen knüpfende und Güteraustausch betreibende Handel zu seinem Gedeihen braucht, noch mit der politischen Egalität und Mitsprache, die der im Schutz der Handelsfunktion entstehende neue Gemeinschaftstyp zur tendenziellen Norm erhebt und befördert, verträgt sich die auf Fronknechtschaft, schroffer gesellschaftlicher Schichtung und hieratischer Bevormundung basierende theokratische Ordnung; daß die neuen Gemeinschaften eine Wiedereingliederung in diese Ordnung ablehnen, ist ebenso sicher, wie gewiß ist, daß solche Wiedereingliederung ihre wichtigsten ökonomischen und politischen Errungenschaften bedroht.
Dennoch könnten sich die unmittelbar betroffenen kleinasiatischen Gemeinschaften und die mittelbar tangierten übrigen Teile der Freihandelszone angesichts der militärischen Überlegenheit des Großreichs mit dem factum brutum einer im Einflußbereich der Polis Raum greifenden und als Tributmacht präsenten traditionellen Territorialmacht notfalls noch abfinden und mehr schlecht als recht arrangieren: Schließlich bietet nicht nur der Eigennutz, das Interesse an regelmäßigen Tributzahlungen, die Gewähr dafür, daß sich das Großreich an der ökonomischen Basis seiner neuen Untertanen, der Handelsfunktion als solcher, nicht vergreift, die besondere konstitutionelle Beschaffenheit dieses Großreichs, seine auf elitäre Distanz und universale Toleranz abgestellte Machtausübung, sorgt mehr noch dafür, daß den unterworfenen Städten ein Großteil ihrer internen Struktur und politischen Autonomie erhalten bleibt, daß ihre Eingliederung in den Reichsverbund also eher den Charakter einer tributären Assoziation als einer regulären Integration hat. Vereitelt wird das mögliche Arrangement mit der Großmacht indes dadurch, daß diese nun dennoch der ökonomischen Basis der tributpflichtig gemachten Polisgemeinschaften unabsichtlich Schaden zufügt, indem sie im Zuge ihrer Eroberung der alten theokratischen Herrschaftsgebiete des Zweistromlandes und Ägyptens den Schwerpunkt des Reiches nach Süden verlagert und infolgedessen als Außenhandelsagenturen die kommerziellen Umschlagsplätze an der günstiger zum neuen Reichszentrum gelegenen phönizischen Küste bevorzugt. Angesichts dieser ökonomischen Zurücksetzung, bei der die neue Tributpflichtigkeit Hand in Hand geht mit einem schmerzhaften Verlust alter Handelsverbindungen und Reichtumsquellen, werden die ionischen Städte rebellisch und erheben sich mit Unterstützung anderer, nichtunterworfener Polisgemeinschaften, insbesondere aus Attika, dem strategischen Zentrum und dynamischen Fokus der Freihandelszone, gegen das Perserreich. Der Aufstand wird niedergeschlagen und bestätigt die militärische Übermacht des persischen Großreichs, zeigt also den betroffenen Polisgemeinschaften, wie gut beraten sie sind, sich mit dem Aggressor zu identifizieren. Beim Aggressor selbst indes weckt der Aufstand neue Aggressivität, eine Mischung aus Bestrafungswunsch und Begehrlichkeit. Da ihm die an seiner Peripherie gelegene Sphäre der Polisgemeinschaften als aufständische Kraft und Unruhestifter, als seiner natürlichen Expansion in den Weg sich legender Stein des Anstoßes begegnet, beschließt das Persische Reich, diesen Stein aus dem Weg zu räumen, das heißt, gegen die Sphäre der Polis zu Felde zu ziehen und in ihr strategisches Zentrum vorzurücken, um gleichermaßen in jener peripheren Region politisch Ruhe zu schaffen und ihr ökonomisches Potential dem Reichsverbund einzugliedern.
Die Perserkriege geben den entscheidenden Anstoß zur Umverteilung in Form von Rüstungsausgaben und Kriegssold. Daß auch nach den Kriegen die Lastenausgleichspolitik fortgeführt wird, schafft zwar keine Rechtfertigungs-, wohl aber Finanzierungsprobleme. Die Tendenz zur Umverteilung von mehr, als an Wertzuwachs akkumuliert wird, und damit zur Unterminierung des kommerziellen Systems ist unwiderstehlich. Dabei fungiert das Geld als Passepartout der Überschreitung jener magischen Grenze, von der an nicht mehr nur der Mehrwert aufgezehrt, sondern das Kapital selbst angegriffen wird.
Die als Perserkriege firmierende offene und totale Konfrontation zwischen den agrarisch fundierten und zu einer neuen Großmacht zusammengeschlossenen herrschaftlichen Territorien im Osten und dem am westlichen Rande des neuen Großreiches gelegenen, kommerziell orientierten, freiheitlichen Stadtstaatensystem – diese Konfrontation schafft nun aber für die im strategischen Zentrum positionierte und dank ihrer strategischen Stellung bereits vorher zum dynamischen Fokus des ganzen Systems avancierte Polisgemeinschaft Athen ebensowohl den motivational entscheidenden Anstoß wie die empirisch einmalige Gelegenheit, jene als Lastenausgleich charakterisierte Umverteilung akkumulierten Handelskapitals, die das durch die kommerzielle Karriere der Polis hervorgerufene mehrfache ökonomische Ungleichgewicht und der durch die Ungleichverteilung heraufbeschworene allgemeine politische Unfrieden dringend geboten erscheinen lassen, tatsächlich und gegen allen internen Widerstand durchzuführen und mit unabsehbaren Folgen gleichermaßen für das eigene Schicksal und für die Entwicklung der ganzen Freihandelszone Wirklichkeit werden zu lassen. Wozu in der paradoxen Figur einer mit der Schaffung der Probleme deckungsgleichen Vorbereitung einer möglichen Lösung für sie der handelskapitale Akkumulationsprozeß die ökonomischen Mittel an die Hand gibt und wofür die liturgische Form des politischen Handelns in der Polis den quasi institutionellen Rahmen stiftet, dazu liefert nun die militärische Konfrontation mit der großen Territorialmacht den faktischen Auslöser und praktischen Anlaß.
Als vornehmstes und entscheidendes Opfer der ins strategische Zentrum des Stadtstaatensystem zielenden persischen Invasion trifft die Polis Athen Anstalten zur Abwehr der Gefahr und Abwendung des Opferganges, in deren Verlauf und Konsequenz sie den anderen Polisgemeinschaften beispielhaft und richtungweisend vorführt, wie sich durch ökonomischen Lastenausgleich, durch die Umverteilung kommerziell akkumulierten Reichtums jene politische Stabilität und soziale Solidarität wiederherstellen läßt, die der kommerzielle Akkumulationsprozeß zuvor aufs Spiel gesetzt hat. Indem die Stadt ein Flottenbauprogramm auflegt, um ihre Herrschaft auf dem Meer und ihre Versorgung auf dem Seeweg sicherzustellen, und indem sie den Ruderern, mit denen sie die Schiffe bemannt, Sold zahlt, setzt sie große Teile der als Leidtragende des Konkurrenzdruckes auf dem Arbeitsmarkt pauperisierten und am Rande des Existenzminimums subsistierenden, untersten Schichten der Bürgerschaft in Arbeit und Brot und schafft es damit, ihr dringlichstes, dem politischen Zusammenhalt und Frieden abträglichstes soziales Problem fürs erste zu bewältigen. Und sie schafft dies, ohne daß die sozialpolitische, dem Do-ut-des"-Prinzip des kommerziellen Austauschs widerstreitende, Seite ihres Tuns groß in Erscheinung träte und den Protest der Handel- und Gewerbetreibenden provozieren könnte, die für solche Sozialpolitik primär zur Kasse gebeten werden, weil eben dank der Notlage und Kriegssituation, in der die Polis sich befindet, die fehlende ökonomisch-kommerzielle Zweckmäßigkeit der Vorgehensweise sogleich durch ihre offenkundige militärisch-existentielle Notwendigkeit überdeckt und kompensiert wird. So gewiß der Bau und die Bemannung einer kriegstüchtigen Flotte eine Überlebensfrage für die Polis ist, so gewiß bleibt der finanzielle Aufwand, den die Polis zu diesem Zweck treibt, mag er auch nebenbei und indirekt noch so effektiv das Desiderat eines der Rationalität kommerzieller Bereicherung zuwiderlaufenden polisinternen Lastenausgleichs erfüllen, unmittelbar und in der Hauptsache der übergeordneten Rationalität der Selbsterhaltung des eine kommerzielle Bereicherung überhaupt erst ermöglichenden Gemeinwesens als solchen verpflichtet und insofern ein unstrittiges oberstes Gebot.
So also löst mit Hilfe des historischen Zufalls und unter dem Deckmantel der durch den historischen Zufall geschaffenen militärischen Notwendigkeit der dynamische Fokus des Stadtstaatensystems, die Polis Athen, ihr dringlichstes innenpolitisches Problem. Und weil sie es löst, kann sie nun dank ihrer wiedergewonnenen inneren Eintracht und Stärke wie natürlich auch auf der Grundlage ihrer in actu der Rückgewinnung solch innerer Eintracht neugeschaffenen schlagkräftigen Streitmacht zur See der persischen Invasion erfolgreichen Widerstand leisten. Indem sie im Seekampf die persische Flotte zerstört, entzieht sie der überlegenen persischen Landarmee den Flankenschutz und die Nachschubbasis, decouvriert die operativen und logistischen Schwächen des fernab von den eigenen Linien in unwegsamem Feindesland operierenden Kolosses, seine Unbeweglichkeit, seine Angreifbarkeit, seine Versorgungsprobleme, und zwingt ihn zu einem überstürzten und verlustreichen Rückzug. Fragt sich nur, wie es nach der siegreich bestandenen Auseinandersetzung innenpolitisch weitergehen soll? Wie läßt sich der unter dem Deckmantel militärischer Erfordernisse durchgesetzte Lastenausgleich auch über den Anlaß der unmittelbaren Kriegsdrohung und Kriegsführung hinaus fortsetzen? Und daß er fortgesetzt werden muß, will die Polis den nach außen verteidigten Frieden auch im Inneren wahren, liegt auf der Hand, da ja der militärische Erfolg an den ökonomischen Umständen der Polis nichts ändert und durch die neuen kommerziellen Entfaltungs- und ökonomischen Entwicklungschancen, die er eröffnet, die geschilderten akkumulationsbedingten Leiden der Polis höchstens und nur zu verschärfen verspricht.
Zwar, politisch-praktisch betrachtet, scheint die Beibehaltung der Umverteilungsstrategie gar kein akutes Problem zu bilden. Wenn schon der persische Gegner aus dem Felde geschlagen ist, so ist er deshalb noch lange nicht aus der Welt; vielmehr stellt der in seine Schranken verwiesene Koloß in eben diesen Schranken die alte gewichtige Bedrohung dar, vor der auf der Hut und gegen die gewappnet zu bleiben, die Polis Athen mitsamt dem gesamten Stadtstaatensystem allen guten Grund hat, zumal die ionischen Städte die Niederlage der Großmacht nutzen, um sich von deren Oberhoheit zu befreien und sich damit also im kleinasiatischen Raum das alte Reibungsverhältnis und konfliktträchtige Nebeneinander wiederherstellt. Athen muß mit anderen Worten vorläufig kriegsbereit bleiben und das heißt vor allem, seine Flotte in Einsatzbereitschaft halten, was wiederum Arbeit und Sold für all jene, die die Schiffe bauen, warten, ausrüsten und – schließlich, aber nicht zuletzt – bemannen, mithin die Fortsetzung der darin implizierten Umverteilungspolitik bedeutet. Politisch-praktisch also gibt es hier kein Problem, um so mehr aber ökonomisch-ärarisch. Nicht die Rechtfertigung, sondern die Finanzierung dieser Umverteilungspolitik der Polis macht mit anderen Worten die Schwierigkeit. Aus Sicht ihrer außenpolitisch-existentiellen Notwendigkeit voll gedeckt, wird diese Umverteilungsstrategie doch zugleich im Blick auf ihre ökonomisch-kommerzielle Haltbarkeit immer zweifelhafter: sie kostet Geld, dessen Deckung durch tatsächlichen, kommerziell akkumulierte Reichtum zunehmend in Frage steht.
Entlohnt werden die Begünstigten des qua Rüstungspolitik durchgeführten Lastenausgleichs mit Geld, das als symbolischer Repräsentant der auf dem Markt zirkulierenden materiellen Güter in ihre Hände gelangt und das sie zu Markte tragen, um es dort als Äquivalent jener materiellen Güter geltend zu machen, sprich, es gegen Subsistenzmittel auszutauschen. Der Lohn, den sie erhalten, figuriert dabei als Äquivalent für Arbeitsleistungen, genauer gesagt, für materielle und strukturelle Beiträge zu eben der Versorgungseinrichtung Markt, der die Beteiligten mittels ihres Lohnes als Anspruchsberechtigte gegenübertreten. Wie dargelegt, ist es das grundlegende Prinzip des qua Markt organisierten kommerziellen Systems und des dafür maßgebenden Äquivalententauschs, daß die in ihrer doppelten Eigenschaft als Produzenten und Konsumenten Mitwirkenden dem Markt nur soviel an materiellen Gütern entziehen dürfen, wie sie vorher zur Bereitstellung der Gesamtgütermenge anteilig, das heißt, bezogen auf die dafür erforderliche gesamtgesellschaftliche Arbeitsleistung, beigetragen haben – abzüglich, versteht sich, jenes Teils, den die Teilhabenden dem Betreiber des Marktes, dem Handeltreibenden, für seine Vermittlungsdienste von ihrem Anteil abtreten und den ein dem kommerziellen Tun von Anfang an eingefleischtes quasipolitisches Emanzipationsstreben zum Grundstock eines für die gesellschaftliche Reproduktion ebenso folgenreichen wie an sich unabschließbaren kapitalen Akkumulationsprozesses werden läßt.
Von solchen nateriellen oder strukturellen Beiträgen zum Markt kann aber im Falle jenes militärisch begründeten Lastenausgleichs nicht die Rede sein. Wofür die als Helfer bei der Kriegsrüstung und als Schiffsbesatzungen von der Polis in Dienst genommenen Schichten der Armen entlohnt werden, sind Arbeitsleistungen, die für den Markt selbst nicht zu Buche schlagen. Nicht, daß die Arbeitsleistungen deshalb unnötig oder unnütz wären. Schließlich sorgen sie für die Erhaltung der Polis und damit für die Bewahrung des Fundaments, auf dem das Marktsystem ruht und gedeiht. Aber so offenkundig ihre quasi transzendentale Bedeutung für den Markt auch sein mag, einen marktimmanenten Nutzen, einen Nutzen für die Belieferung und Bestückung, die Verwaltung und Pflege des als Markt organisierten Reproduktionssystems der Polis haben sie nicht. So gesehen, dient hier das Geld kraft seiner Funktion eines Arbeitsleistungen vergleichenden und gegeneinander zur Geltung bringenden synthetischen Konstitutivs als ein Vehikel, um unter dem Anschein gewahrter Äquivalenzbeziehungen Personengruppen an den Leistungen des Marktes teilhaben zu lassen, die sich durch keine entsprechenden Gegenleistungen dazu qualifiziert haben. Und damit erfüllt es denn also den Tatbestand der Umverteilung, der ja in nichts anderem besteht als in der Durchbrechung des auf der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung basierenden ökonomischen Distributionsprinzips zugunsten anderer, nichtökonomischer Verteilungsrücksichten und Kriterien distributiver Gerechtigkeit. Bloß, daß dank seiner eingefleischten Funktion als synthetisches Wertkonstitutiv das Geld diese Durchbrechung des Äquivalenzprinzips kaschiert und die Suggestion einer rein ökonomisch-kommerziell fundierten Verteilungspraxis aufrechterhält!
Bedingung dafür, daß sich das Geld ohne Schaden für die Ökonomie im Dienste solcher Umverteilungspolitik einsetzen läßt, ist das tatsächliche Vorhandensein akkumulierten kommerziellen Reichtums, die Verfügbarkeit distribuierbarer Subsistenzmittel und Konsumgüter auf dem Markt. Nur wenn das Geld, das ohne entsprechende Arbeitsleistung beziehungsweise für eine Arbeitsleistung ohne marktspezifische Relevanz gezahlt wird, symbolischer Repräsentant wirklich vorhandener materieller Güter ist, kann es als ihr Äquivalent auf dem Markt auftreten und sich reell gegen sie austauschen. Repräsentiert das für die Umverteilung eingesetzte Geld keine solchen materiellen Werte, ist es also mit anderen Worten nicht Teil der Gesamtsumme an allgemeinem Äquivalent oder reiner Wertform, die der Gesamtmenge an Waren oder Werterscheinungen in der Zirkulation korrespondiert, sondern wird von außerhalb in das kommunizierende System aus Wertform und Werterscheinungen, Geld und Waren hineingeschleust, zum Beispiel durch die Ausbeutung von Silber- oder Goldgruben oder durch die Plünderung von Tempelschätzen, so wirkt es sich ähnlich aus wie das Geld fremder Konsumentengruppen, das durch die oben erwähnte Strategie einer Preiserhöhung zwecks Mehrwertsteigerung ins Spiel gebracht wird. Weil es Leistungsempfängern des Marktes, Konsumenten gezahlt wird, die nicht gleichzeitig Leistungen für den Markt erbringen, Produzenten sind, vergrößert es die in der Zirkulation befindliche Geldmenge, ohne die in der Zirkulation befindliche Warenmenge zu vermehren, und sorgt so für eine Veränderung der Proportion zwischen beiden Mengen, kurz, für eine Erhöhung der Preise, eine inflationäre Entwicklung: Diese verhindert zwar nicht, daß die Empfänger des nicht durch Leistungen gedeckten Geldes kraft dieses Geldes am Konsum teilhaben, wohl aber hintertreibt sie ihre Teilhabe im ursprünglich geplanten Umfange und bewirkt darüber hinaus eine Schädigung der konsumtiven Positionen aller übrigen Teilnehmer am Markt; die Geldentwertung wirkt sich also im Sinne einer Schwächung und Zerrüttung des gesamten in der Markteinrichtung bestehenden gesellschaftlichen Distributions- und Versorgungssystems aus.
Damit es dazu nicht kommt, muß, wie gesagt, das für die Umverteilung eingesetzte Geld Teil der für die Zirkulation erforderlichen Geldmenge, muß symbolischer Repräsentant wirklicher, auf dem Markte vorhandener Güter sein. Es muß mit anderen Worten wertförmiges Pendant jenes Quantums von Werterscheinungen sein, das die Handeltreibenden als ihren Anteil aus den kommerziell betriebenen Distributionsaktivitäten akkumulieren, und zwar zu dem einzigen und ausschließlichen Zweck akkumulieren, es als Grundstock für weitere Akkumulationsprozesse zu verwenden, es ihrem kommerziellen Kapital zuzuschlagen. Indem die Handeltreibenden zulassen oder sogar aktiv daran mitwirken, daß der Teil der auf dem Markt zirkulierenden Geldmenge, der jenem akkumulierten Warenquantum entspricht, für die Vergütung von Arbeitsleistungen zur Disposition steht, die nicht dem Akkumulationserfordernis weiterer Produktionsprozesse dienen, stellen sie de facto des mittels Geld abgewickelten Äquivalententauschs jene akkumulierte Warenmenge für nicht dem Markt zugute kommenden, nicht im Sinne seiner Ausstattung und Erhaltung zu Buche schlagenden Konsum, sprich, für Zwecke einer Kompensation ökonomischer Benachteiligungen zur Verfügung, die ihrerseits ohne ökonomische Kompensation gewährt wird. Damit verstoßen sie gegen das bis dahin für ihr Tun und Treiben absolut maßgebende Akkumulationsprinzip oder lassen jedenfalls zu, daß die politische Führung der Polis dagegen verstößt: Sie nehmen Abstand davon, den in ihren Händen angehäuften Reichtum als kommerzielles Kapital, als zur Anhäufung weiteren potentiellen Reichtums bestimmten potentiellen Reichtum, kurz, als dezidiert ökonomisches Selbstvermehrungsinstrument zu behandeln, und verwenden ihn als sozialen Fürsorgefundus, als zur Beschaffung aktuellen Reichtums oder aktueller Subsistenzmittel verfügbaren potentiellen Reichtum, kurz, als politisch motivierte Versorgungseinrichtung.
Die qua Lastenausgleich praktizierte politische Problemlösung, die unter dem Schutzschild militärischer Notwendigkeit vorgetragen und durchgesetzt wird, geht also eindeutig zu Lasten einer ganz im Zeichen des Akkumulationsprinzips betriebenen ökonomischen Reproduktion: Sie widerstreitet der Intention und Richtung dieser Reproduktion, indem sie den bis dahin angehäuften potentiellen Reichtum dem bis dahin maßgebenden Selbstvermehrungszweck ganz oder teilweise entzieht und in den Dienst der kompensationslosen Kompensation politisch brisanter ökonomischer Benachteiligungen stellt; auf diese Weise verlangsamt sie den weiteren Akkumulationsprozeß oder bringt ihn überhaupt zum Stillstand. Bedenkt man, daß die zu Lasten der kommerziell-akkumulativen Ausrichtung der ökonomischen Reproduktion gelösten politischen Probleme eben jene sind, die Folge der kommerzbedingten Ausrichtung der Wirtschaft am Akkumulationsprinzip sind, scheint solch eine Vorgehensweise durchaus vernünftig. Was könnte vernünftiger sein, als daß die Polis sich aus der Notlage, in die sie sich durch ihre kommerziell betriebene Ökonomie gebracht sieht, auch mit Mitteln dieser Ökonomie wieder heraushilft, zumal, wenn damit gleich auch noch die Bewältigung jener anderen, historischen Notlage der Bedrohung durch den territorialen Nachbarn möglich wird? Und nicht nur vernünftig, auch erfolgversprechend erscheint die zu Lasten der kommerziellen Akkumulation gehende Umverteilung – vorausgesetzt, es gelingt ihr, sich im Rahmen des verfügbaren Mehrprodukts zu halten und das dies Mehrprodukt zur Verfügung stellende kommerzielle Kapital unangetastet zu lassen. Die auf dem Markt akkumulierte Warensammlung, der im ständigen Austausch gegen neue Güter distribuierte potentielle Reichtum in den Händen der Handeltreibenden – dies ist das kommerzielle Kapital, das die Mittel für die Umverteilung zur Verfügung stellt. Aber wohlgemerkt, es stellt sie zur Verfügung, stellt sie nicht etwa selbst dar! Weil der Reichtum in den Händen der Handeltreibenden potentieller Reichtum eben insofern ist, als er der Selbstvermehrung dient und von den Handeltreibenden denen, die ihn als aktuellen Reichtum, als Konsumgut oder Subsistenzmittel, brauchen, nur im Austausch gegen ein Mehr an Reichtum überlassen wird, steht dies Mehr an Reichtum, dieser der kommerziellen Transaktion regelmäßig entspringende Überschuß für Umverteilungszwecke zur Disposition. Statt, wie dem kommerziellen Akkumulationsprinzip entspricht, als potentieller Reichtum fungieren, das heißt, zum bereits vorhandenen potentiellen Reichtum als Zuwachs hinzutreten und zum Zweck der Erzielung weiterer Zuwächse in den Austausch eingehen zu müssen, kann der Überschuß, das Mehrprodukt, kompensationslos kompensatorisch verwendet, kurz, umverteilt werden, ohne daß dies den status quo des ökonomischen Systems beeinträchtigt, das vorhandene Niveau der kommerziellen Gewinnung von Mehrprodukt gefährdet und also auch die Wiederholung und Fortsetzung der Umverteilungspraxis selbst in Frage stellt. Einzige Bedingung ist, daß die Umverteilung sich auf den Zuwachs, das Mehrprodukt, beschränkt, sich nicht am vorhandenen potentiellen Reichtum, der den Zuwachs erzielt, am kommerziellen Kapital als solchem, vergreift. Verstößt sie gegen diese Bedingung, so metzelt sie die Milchkuh, schlachtet sie das Huhn, das die Eier legt. Indem sie für die Umverteilung den Fundus des kommerziellen Kapitals selbst heranzieht statt nur die Erträge, die er abwirft, verringert sie ja nicht nur das Kapital, sondern schmälert zugleich die Erträge, die es abwirft, und muß deshalb bei der nächsten Umverteilung, will sie deren Niveau halten oder gar steigern, das Kapital entsprechend stärker angreifen, so daß sie jenen Fundus, aus dem sie die Umverteilung bestreitet, eben den kommerziell akkumulierten Reichtum, im Nu abgetragen und damit dem ganzen Unternehmen die Grundlage entzogen hat.
Der Lastenausgleich muß also das kommerzielle Kapital, das erreichte Volumen der zirkulierenden Warensammlung, unangetastet lassen, darf nur über die Zinsen, über das mittels der zirkulierenden Warensammlung in die Zirkulation jeweils neu hereingezogene Mehrprodukt, verfügen – und genau diese Bedingung ist schwer oder so gut wie gar nicht zu erfüllen. Und dies aus einem doppelten, teils praktisch-reellen, teils technisch-funktionellen Grund. Praktisch-reell hat der Lastenausgleich eine schier unwiderstehliche Tendenz, außer Kontrolle zu geraten. Die Kompensationen, die für ökonomische Benachteiligungen geleistet werden, schaffen ein Subsistenzniveau, das beim Begünstigten jeweils zur Ausgangsbasis und zum Maßstab gesteigerter subsistentieller Erwartungen und Ansprüche wird. Weil es sich bei den Kompensationen in der Tat nur um Entschädigungen für strukturbedingte Beeinträchtigungen handelt, die indirekt oder von dritter Seite beziehungsweise höherer Stelle, eben vom Staat, geleistet werden, und nicht um eine Wiedergutmachung, die sich die Betroffenen selbst in direkter Auseinandersetzung oder Zusammenarbeit mit den anderen, strukturbedingt bevorteilten gesellschaftlichen Gruppen erstreiten oder erarbeiten können, geraten die Betroffenen in einen Zustand passiver Abhängigkeit von dem, der die Kompensationen leistet, und entwickeln ihm gegenüber eine aus regressivem Zutrauen und aggressivem Begehren gemischte Versorgungsmentalität, die sich in ein aus jedem Akt seiner Befriedigung neu motiviert hervorgehendes, eskalierendes Anspruchsdenken übersetzt. Hinzu kommt, daß dieses Anspruchsdenken auch andere, durch die Umverteilung nicht schon begünstigte Gruppen erfaßt, die sich angesichts der Zuwendungen an die Begünstigten ihrer eigenen ökonomischen Benachteiligungen schmerzlich bewußt werden und auf entsprechende Kompensation dringen. Tatsache ist jedenfalls, daß die Strategie ausgleichender Gerechtigkeit, die im Namen der überparteilichen Instanz oder höheren Macht der Polis selbst von der politischen Führung mit Mitteln derer praktiziert wird, die zu Lasten großer Gruppen der Polisgemeinschaft aus der Existenz des Polisverbundes ökonomischen Gewinn ziehen und Reichtum akkumulieren – daß diese Strategie einer kompensatorischen Distribution, all ihrem Erfolg zum Trotz oder vielmehr im paradoxen Resultat ihres Erfolges, das Gefühl der Belastung und die Kompensationsansprüche nicht zurückführt und verringert, sondern im Gegenteil vergrößert und erweitert und also weit entfernt davon, politische Entlastung zu bringen, den Druck in Richtung zusätzlicher, das Mehrprodukt, das sich ohne Not verteilen läßt, irgendwann übersteigender Kompensationsleistungen immer nur verstärkt.
Aber was dieser praktisch-reellen Schwierigkeit, den Lastenausgleich in ökonomisch vertretbaren Schranken zu halten, allererst ihre volle Durchschlagskraft und Unlösbarkeit verleiht, ist der technisch-funktionelle Umstand, daß die Umverteilung in Geldform vor sich geht. In seiner Eigenschaft als symbolischer Repräsentant des in den Gebrauchsgütern auf dem Markt enthaltenen Werts, das heißt, der in sie qua Werterscheinungen investierten und einen konsumtiven Anspruch begründenden Arbeitsleistung dient das Geld den Handeltreibenden als allgemeines Äquivalent für den Wert, den in Gestalt von neuen Werterscheinungen die Produzenten schöpfen und den sie zu Markte tragen, um ihn mit Hilfe des Geldes gegen den auf dem Markt erscheinenden Wert auszutauschen, mit ihm als mit einem in die Form des allgemeinen Äquivalents überführten Unterpfand Werterscheinungen auf dem Markte einzulösen. Bei diesem Austauschakt aber zwischen dem für den markteigenen Wert einstehenden allgemeinen Äquivalent und dem als neuer Wert an den Markt herangetragenen Produkt des Produzenten figuriert nun das Geld nicht bloß als Mehrwertaneignungsinstrument; das heißt, es sorgt nicht nur dafür, daß der für alle kommerzielle Tätigkeit konstitutive Anspruch des markteigenen Werts, sich gegen ein den Gewinn des Handeltreibenden einschließendes Mehr an Produktwert auszutauschen, in die Tat umgesetzt wird. Es firmiert vielmehr auch und vor allem in der geschilderten Rolle eines synthetischen Konstitutivs des Produktwerts, in der eigentlichen Funktion von Geld; mit anderen Worten, es macht, daß beim Austausch nicht nur der Anspruch des unmittelbaren Produzenten des neu auf den Markt kommenden Produkts, der Anspruch seines materiellen Erzeugers, sondern auch die Ansprüche aller strukturell Mitwirkenden, aller zum Produkt mittelbar Beitragenden, aller an seiner Produktion und Zirkulation zusätzlich Beteiligten, zur Geltung kommen.
So gewiß nicht bloß die unmittelbar in das Produkt einfließende Arbeitsleistung, sondern mehr noch die Summe der Arbeitsleistungen, die den Produktionsprozeß und die qua Markt an ihn anschließende Zirkulation ermöglichen, den tatsächlichen Wert des Produkts bilden und die Gesamtheit der durch ihn repräsentierten Ansprüche auf Gegenleistung begründen, so gewiß übernimmt nun das hierdurch zum Geld avancierende allgemeine Äquivalent die Aufgabe, diesen tatsächlichen Wert in einem förmlichen Feststellungsverfahren, das die Form einer Reihe von Transaktionen hat, in denen das allgemeine Äquivalent gegen diverse Arbeits- und Dienstleistungen ausgetauscht wird, zu ermitteln und dann als gleichermaßen diverse Ansprüche auf Gegenleistung dem Markt gegenüber zur Geltung zu bringen. Während das Produkt des Produzenten von den Handeltreibenden gegen allgemeines Äquivalent eingetauscht wird und in die Zirkulation eingeht, vom Markt als Ware integriert wird, baut sich das allgemeine Äquivalent als quasi metaphysische Epiphanie des Produkts, als Geld, vor dem Markt auf und erhebt ihm gegenüber im Namen des Produkts und mit konstitutiver Bedeutung für dessen Warenwert Ansprüche auf Gegenleistung, die nicht nur die des unmittelbaren Produzenten, sondern aller an der Produktion des Produkts und der Zirkulation der Ware Beteiligten umfassen. Quasi durch eine in Form von allgemeinem Äquivalent geleistete Anzahlung an den unmittelbaren Produzenten vom Markt als Ware vereinnahmt, überläßt es das Produkt dem dadurch zum Geld avancierenden allgemeinen Äquivalent, seine Interessen gegenüber dem Markt fortan zu vertreten und, wie einerseits durch Verkörperung aller an seiner Produktion beteiligten Arbeits- und Dienstleistungen seinen tatsächlichen Wert zu ermitteln und zu konstituieren, so andererseits die diesem Wert entsprechenden Forderungen an den Markt darzustellen und geltend zu machen.
Genau diese synthetisch-konstitutive Funktion ermöglicht es nun dem Geld, unter dem Deckmantel einer qua Äquivalententausch praktizierten Gleichbehandlung auch Leistungen in Rechnung zu stellen und als Forderungen gegenüber dem Markt zur Geltung zu bringen, die keine Beiträge zur Entfaltung und Erhaltung der Warenansammlung auf dem Markt, keine materiell oder strukturell, produktiv oder zirkulativ marktspezifischen Leistungen sind. Weil das Geld die Gesamtforderungen an den Markt maßgeblich vertritt, die der Wert des als Ware in den Markt integrierten Produkts, die in der Ware verkörperte synthetische Arbeitsleistung, begründet, stellt es eine ideale Ebene dar, auch andere, nicht aus der Beteiligung an der Wertbildung resultierende Forderungen an den Markt, nicht in marktspezifischen Arbeitsleistungen gründende Titel auf Waren, unauffällig und das heißt, ohne erkennbare Störung oder Durchbrechung des auf Äquivalententausch basierenden kommerziellen Systems ins Kalkül einzubeziehen und zur Geltung zu bringen. Mit anderen Worten, das Geld ist kraft seiner Eigenschaft als reine Wertform, als generalbevollmächtigter Repräsentant sämtlicher in Werterscheinungen vergegenständlichten Arbeitsleistungen, als epiphanische Verkörperung der in den Werterscheinungen bloß erscheinenden wertbildenden Substanz Arbeit ein perfektes Mittel, Arbeitsleistungen zu vergüten und zu honorieren, Beiträge zum Markt gutzusagen und zu repräsentieren, die eigentlich gar keine kommerziell relevanten Leistungen, keine marktspezifischen Beiträge sind, und auf solche Weise denn also gesellschaftliche Gruppen Anspruch auf den in Gütergestalt gebildeten Wert gewinnen zu lassen, die an der Bildung des Wertes gar nicht beteiligt waren, sprich, sie als Konsumenten in den Zirkulationszusammenhang einzuschleusen, ohne daß sie vorher als Produzenten im weiteren Sinne im Produktionsprozeß engagiert waren. Kurz, das Geld bringt allerbeste Voraussetzungen für die Wahrnehmung von Umverteilungsfunktionen mit.
Aber eben seine hervorragende Eignung zum Umverteilungsgeschäft macht das Geld nun auch gefährlich. Jene Integrationsleistung, die das Geld vollbringt, indem es nicht nur die Gesamtheit der an der Wertbildung Beteiligten in distributiver Absicht zirkulativ synthetisiert, sondern in seine Synthesis mehr noch nichtbeteiligte Gruppen umstandslos einzubeziehen erlaubt – sie geht ja mit einer absoluten Gleichbehandlung aller in Geldform dem Markt präsentierten Ansprüche einher und bedeutet, daß alle, denen aus welchen Quellen auch immer Geld zufließt und zu Gebote steht, in unterschiedsloser Kontinuität auf alle Werterscheinungen, die dem Markt verfügbar sind, unbegrenzt und das heißt, solange das Geld eben reicht, Zugriff haben. Von einer Unterscheidbarkeit der einen Sorte von Ansprüchen, deren konsumtive, werterscheinungsvermittelte Befriedigung durch produktive, in der Erzeugung neuer Werterscheinungen resultierende Leistungen kompensiert oder vielmehr mehrwertig vergütet wird, und der anderen Sorte von Ansprüchen, deren Wirksamkeit sich in ihrer konsumtiven Befriedigung erschöpft und keine Gegenleistungen, geschweige denn mehrwertige, zur Folge hat, will das Geld ebensowenig etwas wissen, wie es jede Kenntnis davon, wann der geldförmige Umfang der letzteren Ansprüche das wertförmige Volumen der in der Konsequenz einer Befriedigung der ersteren erbrachten mehrwertigen Gegenleistungen übersteigt, systematisch hintertreibt und in der Tat kategorisch ausschließt. Genau auf diese Kenntnis aber käme es entscheidend an. Nur auf ihrer Basis könnte ja verhindert werden, daß der erwähnte praktisch-reelle Druck in Richtung einer verstärkten Umverteilung, der von den ökonomisch benachteiligten Gruppen in der Polis ausgeht und sich in Formen politischer Unzufriedenheit geltend macht, das Gemeinwesen über die magische Grenze einer Verteilung der Zinsen, einer Verteilung also des die einfache Reproduktion der Wertmasse auf dem Markt übersteigenden Mehrwerts oder besser gesagt, des Mehrprodukts, als das dieser Mehrwert erscheint, hinaustreibt und dazu bringt, das Kapital anzugreifen, sprich, Teile der qua Markt vorhandenen und für ihre erweiterte, mehrwertige Reproduktion erforderlichen Wertmasse selbst für Umverteilungszwecke zu verwenden.
Weit entfernt davon, daß das Geld eine Handhabe böte, diese Grenze zwischen Verteilung der Zinsen und Umverteilung des Kapitals deutlich zu markieren und also einen Beitrag zur möglichen Wahrung des Rahmens einer vernünftigen Lastenausgleichspolitik zu leisten, tut es vielmehr seiner ganzen Anlage und Funktionsweise nach alles, die Grenze zu verwischen und fließend werden zu lassen, und stellt mithin technisch-funktionell eine entscheidende Bedingung dafür dar, daß unter dem gegebenen praktisch-reellen Druck der ominöse Punkt, an dem die Umverteilung zu Lasten des kommerziellen Reichtums als solchen geht, früher oder später nicht nur erreicht, sondern auch problemlos und vorerst unbemerkt überschritten werden kann. Statt es bei der Verteilung des Mehrwerts zu belassen und dem kommerziellen Kapital, wenn auch die im Mehrwert bestehende Grundlage für weitere Akkumulationsprozesse zu entziehen, so immerhin doch seine einfache Reproduktion, das heißt, seine Erhaltung als Quelle verteilbaren Mehrwerts zu sichern, beugt sich irgendwann die Polis dem politischen Druck der ökonomisch benachteiligten Gruppen und vergreift sich am kommerziellen Kapital selbst, opfert Teile davon dem kompensationslosen Konsum jener benachteiligten Gruppen, gibt der Fleischeslust nach und beginnt mit der Schlachtung der Milchspenderin. Und das technisch-funktionelle Passepartout für diese entscheidende ökonomische Grenzüberschreitung, diesen kapitalen Sündenfall, ist das Geld, weil es eine absolute Gleichbehandlung aller an den Markt herangetragenen Ansprüche ermöglicht, indem es kraft seiner synthetisch-konstitutiven Wertverkörperungsrolle für die Leistungsfundiertheit oder Wertbestimmtheit der durch es honorierten Ansprüche in epiphanisch eigener Gestalt einsteht und deshalb die unter dem praktisch-reellen Druck der Verhältnisse in dieser seiner Gestalt vorgenommene fortschreitende Begünstigung und Befriedigung nicht ökonomisch fundierter Ansprüche zu Lasten der ökonomisch fundierten nicht nur nicht kenntlich macht und als gefährliche Entwicklung sichtbar werden läßt, sondern im Gegenteil kaschiert und damit entscheidend erleichtert.
Und nicht bloß als via regia einer Überführung der den kommerziellen Überschuß der Polis in den Dienst des sozialen Lastenausgleichs stellenden Umverteilungspolitik in einen den Fundus, aus dem der verteilbare Überschuß herkommt, als solchen angreifenden fatalen Auszehrungsprozeß bewährt sich das Geld, es bietet sich auch und mehr noch als veritabler advocatus diaboli einer immer tieferen Verstrickung in die dadurch heraufbeschworene ökonomische Krise an. Was die den kapitalen Fundus, das Volumen des kommerziellen Reichtums, angreifende Umverteilung zugunsten von nicht ökonomisch fundierten Leistungen bewirkt, ist eine Rückführung der für den Markt erbrachten produktiven Leistungen, mithin eine Verminderung des durch die produktiven Leistungen geschaffenen Mehrwerts, mithin eine Verringerung des Mehrprodukts, in dem dieser Mehrwert vergegenständlicht erscheint, mithin eine Abnahme des Warenkontingents, das für eine ökonomisch vertretbare, weil den status quo der kommerziellen Entwicklung respektierende Umverteilung zur Verfügung steht. Würde dem damit eingetretenen neuen Zustand Rechnung getragen und das verminderte kommerzielle Kapitalniveau als Basis für die folgende Umverteilung respektiert, es dürfte noch weniger umverteilt werden, als zur Verfügung stand, ehe der praktisch-reelle Druck der ökonomisch benachteiligten Gruppen die politische Führung dazu bewog, das kommerzielle Kapital selbst für Umverteilungszwecke in Anspruch zu nehmen. Daß dem praktisch-reellen Druck nachgegeben und er durch Einbeziehung von Teilen des kommerziellen Kapitals in die Umverteilung das eine Mal entschärft wurde, hat also zur Folge, daß er anschließend verschärft zurückkehrt und die politische Führung vor noch unlösbarere Probleme des Lastenausgleichs stellt. Den ökonomisch vernünftigen Weg einzuschlagen und die Umverteilungspraxis nach Maßgabe der neuen Situation zu reduzieren oder gar aufzugeben, kann die politische Führung angesichts der Erwartungshaltung der benachteiligten Gruppen und ihres voraussehbaren erbitterten Widerstands nicht wagen. Gibt sie hingegen dem Druck jener Gruppen weiter nach und hält am Niveau der Umverteilung fest oder erhöht es gar, muß sie noch mehr vom kommerziellen Kapital in Anspruch nehmen und damit die künftige Umverteilungspraxis mit der Hypothek einer noch unlösbareren Diskrepanz zwischen den gesellschaftlichen Versorgungsansprüchen und dem für deren Befriedigung verfügbaren Mehrprodukt belasten.
In diesem Dilemma aber bietet sich nun das Geld, wenn auch beileibe nicht als ein Heil- und Lösungsmittel für die verfahrene Situation, so immerhin doch als eine Art Palliativ, ein Mittel zum Überspielen der Krise an. In seiner Eigenschaft als symbolischer Repräsentant der Warensammlung auf dem Markt dient das Geld als allgemeines Äquivalent für marktrelevante Leistungen, die es dadurch, daß es in die Hand ihrer Erbringer überwechselt, als solche gutsagt und das heißt, als Leistungen, die entsprechende Ansprüche gegenüber dem Markt begründen, in epiphanisch eigener Gestalt vertritt. Und kraft dieser ihm zugewachsenen Funktion, Arbeitsleistungen epiphanisch-bevollmächtigt gegenüber dem Markt zu vertreten, bewährt sich nun also das Geld als ein Vehikel, in den von ihm repräsentierten Zusammenhang leistungsbedingter Ansprüche auch andere, nicht marktrelevanten Arbeitsleistungen begründete Ansprüche unauffällig einzubeziehen und am Ende gar unter dem praktisch-reellen Druck derer, die sie erheben, so stark und umfänglich zur Geltung zu bringen, daß ihre Befriedigung nicht mehr nur den Mehrwert aus den kommerziellen Transaktionen aufzehrt, sondern das den Transaktionen zugrundeliegende kommerzielle Kapital selbst angreift und verringert, mit dem Ergebnis, daß auch der den Transaktionen entspringende Mehrwert sich verringert. Während indes der Mehrwert beziehungsweise das Mehrprodukt, als das er sich darstellt, auf diese Weise an Volumen abnehmen, bleibt das Geld mengenmäßig unverändert. Was Handeltreibende und politische Umverteiler als Äquivalent für marktrelevante und nichtmarktrelevante Leistungen ausgeben, das kehrt als Äquivalent für die Waren, die zur Befriedigung ihrer konsumtiven Ansprüche die Leistungserbringer vom Markt beziehen, im vollen Umfange in die Hände der Handeltreibenden und der von ihnen dotierten politischen Umverteiler zurück. Daß infolge der übermäßigen Begünstigung nichtmarktrelevanter Leistungen weniger für den Markt produziert worden ist und also dieser gleichgebliebenen Geldmenge jetzt weniger Wert in Warenform gegenübersteht als vorher, ist dabei auf Anhieb ebensowenig ersichtlich, wie unter normalen, mehrwertbringenden Akkumulationsbedingungen sofort erkennbar ist, daß die dem Markt zufließende Wertmenge in Warenform die als Äquivalent dafür gezahlte Geldmenge übersteigt.
Um teils generell das ökonomische System im Lot zu halten, teils speziell ein realistisches Bild von den für die Umverteilung nunmehr verfügbaren Ressourcen zu gewinnen, muß die Zweckgemeinschaft aus politischer Führung und Handeltreibenden demnach die Geldmenge mit der Wertmenge der Waren wieder zur Deckung bringen, das heißt, sie muß das überschüssige Geld aus der Zirkulation entfernen. Wenn sie das tut, revindiziert sie dem Geld die Rolle eines adäquaten Repräsentanten der in Warenform auf dem Markt vorhandenen Wertmenge und macht ihn wieder zu einem zuverlässigen Maßstab dafür, wie weit sie die Umverteilungen zurücknehmen muß, um sie dem reduzierten Niveau des dem kommerziellen Akkumulationsprozeß entspringenden Mehrwerts anzugleichen, beziehungsweise wie sehr sie vom kommerziellen Kapital selbst zehren muß, will sie ihre in Sachen Umverteilung eingegangenen Verpflichtungen in alter Höhe erfüllen. Im Zweifelsfall allerdings steht zu erwarten, daß sich die Führung der Polis unter dem anhaltenden politischen Druck der ökonomisch Benachteiligten hinter der Fassade der nominell gleichgebliebenen Geldmenge versteckt, so tut, als sei dahinter, nämlich im Fundus der auf dem Markt verfügbaren Warensammlung, alles beim alten, und die vorherige Verteilungsproportion unverändert beibehält. Die Folge ist eine inflationäre Entwicklung, da die für marktrelevante und nichtmarktrelevante Leistungen in der alten Proportion ausgegebene, gleichgebliebene Geldmenge bei der Rückkehr auf den Markt auf die verminderte Warensammlung trifft und sich entsprechend anders auf sie verteilt, das heißt, eine Erhöhung des auf die einzelne Ware entfallenden Geldäquivalents, ihres Preises, bewirkt. Im Zuge dieser inflationären Entwicklung finden sich nun zwar die auf nichtmarktrelevanten Leistungen basierenden, von der Umverteilungspolitik profitierenden gesellschaftlichen Ansprüche mit dem proportional oder relativ gleichen Teil des Warenkontingents befriedigt wie vorher – und dies ist der Vorteil der gleichgehaltenen Geldmenge, der aufrechterhaltenen Fassade, ist ihr durckvermindernd palliatives Moment. Aber gleichzeitig hat ja das Warenkontingent als ganzes abgenommen, so daß der proportional gleiche Anteil in Geldform, der auf sie entfällt, inflationär entwertet ist und sich real oder absolut in weniger Waren darstellt; indem die durch Umverteilung scheinbar unverändert bedachten Anspruchseigner diese Tatsache auf dem Markt realisieren, weicht der Beschwichtigungseffekt rasch der Enttäuschung und Unzufriedenheit.
Und nicht nur die durch Umverteilung befriedigten Anspruchseigner sehen sich durch die inflationäre Entwicklung in ihrer scheinbar unveränderten ökonomischen Stellung realiter beeinträchtigt und teilweise um ihre Befriedigung gebracht, auch diejenigen, die ihre Ansprüche auf marktrelevante Leistungen gründen, finden sich durch die Geldentwertung materialiter in ihren Ansprüchen verkürzt; während also die mit der Beibehaltung der alten Geldmenge verknüpfte inflationäre Entwicklung die beabsichtigte Aufrechterhaltung des Befriedigungsniveaus der durch Umverteilung Begünstigten hintertreibt, verschlechtert sie gleichzeitig auch die ökonomische Position derer, die durch ihre Arbeit den Markt mit Gütern versorgen, und schafft so ein alle Bevölkerungsgruppen umspannendes Klima der Unzufriedenheit. Und schließlich ändert sie auch nichts daran und kaschiert höchstens, daß die Umverteilung weiter am Kapital zehrt und mit jedem neuen Austauschzyklus das auf dem Markt versammelte Warenkontingent verkleinert, statt es akkumulationsgerecht zu vergrößern, weil die durch die Verringerung der Warensammlung auf dem Markt entwertete Geldmenge, wie den konsumtiven Anspruch der mit dem Geld zu Markte gehenden Produzenten beeinträchtigt und ihnen reell weniger Waren, als nominell suggeriert, verfügbar macht, so in unmittelbarer Konsequenz aber auch den Anspruch der Warenbesitzer auf Gegenleistungen der Produzenten entsprechend in Mitleidenschaft zieht und dem Markte reell weniger Produkte zuführt als nominell intendiert. Das Palliativ einer Geldmenge, die nicht entsprechend dem Schrumpfungsprozeß der Warenmenge zurückgeführt wird, erweist sich so als schleichendes Gift oder, besser, als die beschönigende Schminke, unter der sich der Auszehrungsprozeß unaufhaltsam kontinuiert, als eine Vertuschungsveranstaltung, die zwar in der Tat dafür sorgt, daß die Umverteilung in der alten Proportion weitergehen kann, ohne daß es zum Offenbarungseid kommt, die aber beileibe nicht verhindert und im Gegenteil durch ihre Wirksamkeit nur sicherstellt, daß es beim relativ oder proportional gleichbleibenden Verteilungsprozeß absolut oder real immer weniger zu verteilen gibt und daß also der Ausverkauf des kommerziell akkumulierten Reichtums mit der Konsequenz einer Verschlechterung der ökonomischen Position aller beteiligten Gruppen unaufhaltsam weitergeht.
Daß die Lastenausgleichspolitik nicht stante pede in die Krise führt, ist dem Attisch-Delischen Seebund gedankt, der Athen erlaubt, unter dem Deckmantel von Beitragszahlungen zur gemeinsamen Verteidigung die Bundesgenossen zu schröpfen und mit dem tributiv erlangten Geld seinen Umverteilungsverpflichtungen nachzukommen. Die mit militärisch-politischen Mitteln ins Werk gesetzte Bereicherungsstrategie Athens verschiebt das Kräfteverhältnis zwischen aristokratischer Führungsschicht und Handeltreibenden zugunsten der ersteren.
Es bleibt also dabei, daß die Lastenausgleichspolitik der Polis unter dem praktisch-reellen Druck der benachteiligten Gruppen, die Anspruch auf ihre Segnungen erheben, früher oder später, befördert und kaschiert durch den technisch-funktionellen Umstand ihrer geldförmigen Abwicklung, die magische Grenze überschreitet, die den Genuß der Zinsen vom Verzehr des Kapitals, das Verbrauchen des vom kommerziellen Prozeß jeweils erzielten und eigentlich für die weitere Akkumulation bestimmten Mehrwerts vom Aufbrauchen der für die Erzielung solchen Mehrwerts nötigen, bereits akkumulierten kommerziellen Wertmasse trennt, und daß dann, abermals begünstigt durch die als Palliativ und Vertuschungsmittel einsetzbare Geldförmigkeit des Verfahrens, der Abstieg in den ökonomischen Verfall und in die politische Krise unaufhaltsam ist. Das einzige, was der Polis hier helfen könnte, wäre eine den Kompensationsforderungen, die im Zuge der Umverteilungspolitik laut werden, entsprechende und eine Entlastung vom praktisch-reellen Druck, den diese Forderungen erzeugen, ohne Überschreiten der magischen Grenze ermöglichende rasche und massive Vergrößerung des durch den kommerziellen Prozeß verfügbar gemachten Mehrwerts. Woher sollte dieses markante Mehr an Mehrwert aber plötzlich kommen? Es müßte sich entweder auf extensivem Wege ergeben, das heißt, aus einer umfänglichen Expansion des kommerziellen Systems, einer Erweiterung des Teilnehmerkreises, einer Steigerung des Gütervolumens, einer Vermehrung der Transaktionen und damit denn also einer Zunahme des Anteils und Gewinns, der aus solchen Transaktionen dem Markte zufällt. Aber angesichts der Eigenständigkeit und Unzugänglichkeit der territorialen Nachbarn, mit denen der Handel in der Hauptsache getrieben wird, ihrer fronherrschaftlichen Verfassung, die bei ihnen das kommerzielle Tun in der Position eines marginalen, auf Überschüsse beschränkten Phänomens verhält, und angesichts der Tatsache, daß der Hauptvorteil den für die Polis der Handel mit den territorialen Nachbarn hat, nämlich die Möglichkeit, dank des Produktivitätsgefälles zusätzlichen Gewinn bei den Nachbarn zu erzielen, für die Polis selbst neben den positiven Auswirkungen einer raschen Bereicherung bestimmter wirtschaftlicher Gruppen ja auch die negativen Folgen einer Beeinträchtigung anderer Sektoren des Wirtschaftslebens und einer Entstehung benachteiligter Schichten hat, deren gleichermaßen aus politisch-strukturellen und militärisch-akzidentiellen Gründen angezeigte ökonomische Unterstützung jenen Gewinn wieder aufzehrt, der die erste Voraussetzung für eine Ausdehnung des kommerziellen Systems wäre, mit anderen Worten, angesichts des dilemmatischen Umstands, daß die Bekämpfung der sozialen Folgen der kommerziellen Expansion eben die weitere Expansion verhindern, die nötig wäre, um dieser Folgen Herr zu werden – angesichts all dessen erscheint es ausgeschlossen, daß sich ein ernsthaftes Mehr an verteilbarem Mehrwert auf auf extensivem Wege erreichen läßt.
Oder der gesteigerte Mehrwert müßte auf intensive Weise entstehen, das heißt dadurch, daß ein massives Wachstum der Produktivität seinen Niederschlag in einem entsprechend vergrößerten Mehrprodukt fände, das sich entweder dank des nach außen erhöhten Produktivitätsgefälles als gesteigerter Mehrwert darstellte und bei den auswärtigen Handelspartnern ein größeres Warenkontingent einzutauschen erlaubte oder aber wegen der produktivitätsgemäß verminderten durchschnittlichen Arbeitszeit intern zwar den gleichen Mehrwert wie vorher verkörperte, aber dennoch ein größeres verteilbares Warenkontingent darstellte; ganz abgesehen davon, daß diese produktivitätsbedingt veränderte Relation zwischen Wertmenge und Produktmenge es sogar gestattete, den auf die Produzenten entfallenden Wertanteil zu vermindern, ohne ihr Konsumtionspotential, ihren Lebensstandard, zu beschneiden, und auf diese Weise denn also ermöglichte, den verteilbaren Mehrwert beziehungsweise das verteilbare Mehrprodukt, in dem dieser sich darstellte, objektiv zu vergrößern. Für solch intensive Steigerung des Mehrwerts, die in der Entwicklung der Moderne eine maßgebliche Bedeutung erlangt und geradezu als deren Schrittmacher gelten kann, fehlen indes hier, in der Antike, alle technologischen Voraussetzungen; und deshalb bleibt sie ebenso ausgeschlossen wie die extensive.
Es scheint also ausgemacht, daß die Lastenausgleichspolitik, die unter dem politischen Druck der benachteiligten Gruppen die Polis bei Gelegenheit der persischen Aggression zu betreiben beginnt, der Kontrolle der Verantwortlichen rasch entgleiten, die mit der Erhaltung des ökonomischen Status quo vereinbaren Grenzen überschreiten und die Polis in die Krise führen muß. Dennoch geschieht erst einmal nichts dergleichen. Besser gesagt, es geschieht das Gegenteil: Die Polis setzt nach der erfolgreichen Beendigung der Perserkriege ihre Umverteilungsstrategie verstärkt fort, subventioniert ihre verarmende Mittelschicht durch Tagegelder für die Wahrnehmung politischer Funktionen, legt als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die unteren Schichten ein gewaltiges städtisches Bauprogramm auf und erlebt die beispiellose Blüte des Perikleischen Zeitalters. Der Grund für diese auf den ersten Blick überraschende Entwicklung ist rasch benannt: Es ist die Tatsache, daß die Polis, wenngleich ihr die ökonomisch-technologische Möglichkeit fehlt, den für Umverteilungszwecke verfügbaren Mehrwert nachdrücklich zu vergrößern, doch aber einen politisch-militärischen Weg findet, auf dem sich das gleiche Ziel erreichen läßt. Kern dieser mit politisch-militärischen Mitteln verfolgten Bereicherungsmethode ist, daß sich die Polis, die den Brennpunkt des persischen Angriffs bildet und der deshalb bei der Abwehr der Aggression eine Führungsrolle in den Polisgemeinschaften rund um die Ägäis zuwächst, unter der Camouflage dieses als Befreiungsbewegung und Unabhängigkeitsstreben sich verstehenden Abwehrkampfes eine Art Kehrtwendung und inversive Neuorientierung vollzieht und sich aus einem im System tonangebenden Protagonisten in den das System zur Kasse bittenden Hegemonen verwandelt.
Nachdem die unmittelbare Gefahr gebannt ist, die vom Persischen Reich ausging, wird die stattliche Seeflotte und Streitmacht, die zur Abwehr der persischen Bedrohung die Polis Athen aufgebaut hat und die ja, sosehr sie aktuell der militärischen Notwendigkeit entspringt, doch aber strukturell bereits in den Zusammenhang der Umverteilungspolitik gehört, auf die unter dem sozialen Druck benachteiligter Gruppen die Polis verfällt, zu einer unwiderstehlichen Versuchung, sie quasi als Produktionsmittel, nämlich als Instrument zur Beschaffung der für eine Fortsetzung und Erweiterung jener Umverteilungspolitik erforderlichen Ressourcen zu nutzen. Unter Hinweis auf die aktuell zwar gebannte, aber potentiell weiterbestehende persische Bedrohung überzeugt Athen die übrigen Polisgemeinschaften, speziell die kleinasiatischen, von der Notwendigkeit, gerüstet zu bleiben, und schließt mit ihnen ein Schutzbündnis, den Attisch-Delischen Seebund, in dessen Rahmen es mit seiner Flotte und Streitmacht die Führungsrolle übernimmt und die Hauptverteidigungslast trägt, dafür aber auch von den übrigen Bundesmitgliedern zum Majordomus der gemeinsamen Angelegenheiten und Verwalter der gemeinsamen Finanzen, kurz, zum Geschäftsführer und Kassenwart des Vereins, bestellt wird. Auch wenn zu Anfang noch etliche Bundesmitglieder durch eigene militärische Kontingente zur gemeinsamen Verteidigung beitragen, erfüllen doch viele kleinere Polisgemeinschaften ihr Beitragssoll in der Weise, daß sie Athen mit finanziellen Mitteln beim Aufbau und der Erhaltung seiner Flotte und Streitmacht unterstützen und sich also de facto von den Rüstungslasten loskaufen und der Polis Athen die eigentlich dem Bündnis als ganzem gestellte Verteidigungsaufgabe übertragen. Und da dies das ohnehin vorhandene Übergewicht der athenischen Streitkräfte weiter vergrößert und sich zudem zeigt, daß eine große, zentral organisierte und geleitete Streitmacht gleichermaßen ökonomisch-rationeller und militärisch-effektiver ist als ein Konglomerat aus vielen kleinen Kontingenten unter einer vielköpfigen Führung, macht das Beispiel Schule und führt, begünstigt durch die Bequemlichkeit der reichen Bundesgenossen, denen die Zahlungen in die von Athen verwaltete Bundeskasse erst einmal weniger Mühe macht als entsprechende eigene Verteidigungsbeiträge, zu einem militärischen Übergewicht Athens, das die Alliierten und Bundesgenossen allmählich auf die Stellung von bloßen Klienten und Schutzbefohlenen herabdrückt.
Gleichermaßen praktisches Vehikel und symptomatischer Ausdruck dieser Entwicklung ist eine Politik, die vorgibt, das mit dem politischen Schlagwort Demokratisierung belegte ökonomische Lastenausgleichsmodell Athens in die anderen Poleis exportieren zu wollen und die unter diesem Vorwand darauf zielt, die in den jeweiligen Polisgemeinschaften für eine eigene Ordnung und für relative Unabhängigkeit stehende aristokratische Führungsschicht zu entmachten und aus den benachteiligten, unzufriedenen Schichten athenfreundliche, von den falschen Verheißungen des athenischen Modells betörte Gruppen zu rekrutieren und in Führungspositionen zu bringen. Begleitet wird diese Politik in zunehmendem Maß von der militärpolitischen Strategie einer Gründung von Kleruchien, Kolonien athenischer Bürger, die in Wahrheit Garnisonen sind und dem Zweck dienen, die Region oder Polis, in deren Umkreis die Gründung stattfindet, militärisch unter Kontrolle zu halten und fester an Athen zu binden beziehungsweise von allen Abfall- oder Verselbständigungsgelüsten abzuschrecken. Jedenfalls resultiert die Entwicklung in einer auf politischer Konkurrenzlosigkeit und militärischer Überlegenheit basierenden athenischen Hegemonialherrschaft im System der Polisgemeinschaften, die, wie sie die Bundesgenossen zu Schutzbefohlenen herabdrückt, so aus ihren Mitgliedsbeiträgen Schutzgelder oder Tributzahlungen werden läßt, deren Höhe nicht mehr eine Frage bundesinterner Vereinbarungen, sondern weitgehend eine Sache selbstherrlicher athenischer Verfügungen ist und deren Verwendung ebenso weitgehend im Ermessen der politischen Führung Athens liegt. Und diese zögert nun nicht, die als solche kaum noch verhohlenen Tributzahlungen der nachgerade um alle Freiwilligkeit gebrachten Mitglieder des Attisch-Delischen Seebundes im Sinne ihrer polisinternen Umverteilungspolitik einzusetzen, sie also vor allem für den Ausbau und die Erhaltung eben jener Flotte und Streitmacht zu benutzen, die im perfekt zirkelhaften, doppelten Sinne der Umverteilungspolitik dient, weil sie ineins Vehikel der Umverteilung und Instrument zur Beschaffung der dafür nötigen Mittel ist. Aber so reichlich fließen in der Tat die Mittel, für deren in tributärer Beitragsform organisierte Beschaffung sie das Instrument abgibt, daß nicht nur ihre eigenen, vornehmlich auf die untersten Schichten abgestellten Umverteilungskapazitäten voll zur Entfaltung kommen, sondern daß noch genug übrig bleibt, um anderen bedürftigen Gruppen unter die Arme zu greifen und um also teils durch Tagegelder für die Teilnahme an Politik und Rechtsprechung den verarmenden Mittelstand zu unterstützen, teils durch die Perikleischen Projekte zum Umbau und zur Verschönerung der Stadt zusammen mit den notleidenden unteren Schichten auch Handwerker und Künstler, die Opfer des Konzentrationsprozesses in den Gewerben sind, wieder in Brot zu setzen. Daß der Umfang der Bauprojekte gewaltig genug ist, um auch die gewerblichen Betriebe selbst mit Aufträgen zu versorgen und mithin die ohnehin florierende Wirtschaft in der Polis quasi noch staatlich zu subventionieren, wird dabei als ein das Klima in der Stadt zusätzlich verbessernder Nebeneffekt gern in Kauf genommen.
So also löst die Polis Athen mittels des "Produktionsinstruments" ihrer militärischen Übermacht, das heißt, kraft ihres im Bündnissystem der Polisgemeinschaften nicht nur politisch durchgesetzten, sondern mehr noch in klingende Münze umgewandelten Hegemonialanspruchs das ökonomisch gänzlich unlösbare Problem einer dem Umfang ihrer Umverteilungsaufgaben entsprechenden Vergrößerung des für die Umverteilung zur Verfügung stehenden Mehrwerts. In Form der von Tributen kaum mehr zu unterscheidenden Beitragszahlungen zum Bündnis, die in die von ihr verwaltete Bundeskasse fließen, schöpft die Polis Athen Mehrwert bei den Bundesgenossen ab, zapft deren Reichtum an und verwandelt, wie das kommerzielle System der um die Ägäis versammelten Polisgemeinschaften in die Basis ihres speziellen Unterhalts und den Garanten ihres individuellen Gedeihens, so sich selbst aus einem Teil und integrierenden Moment des kommerziellen Systems in dessen Sammelpunkt und integrales Anliegen. Die nach außen, auf das kommerzielle Gesamtsystem, gerichtete Mehrwertaneignungsstrategie, die zwecks Finanzierung ihrer internen Lastenausgleichspolitik die athenische Polis betreibt, bewirkt eine Art von grundlegender Gewichtsverlagerung im System, die das Miteinander der vielen, jeweils um ihre eigene kommerzielle Funktion, ihre lokale Milchkuh, gescharten, aristokratisch verwalteten Polisgemeinschaften durch das Fürsichsein der einen, politisch-militärisch übermächtigen, demokratisch geführten Polis ersetzt, die in den anderen nurmehr Zweig- und Außenstellen ihres kommerziellen Funktionierens, sprich, durch Kleruchien geschützte und bei der Stange gehaltene Vorposten und Niederlassungen ihres handelsimperialen Umsichgreifens, kurz, eine einzige große, zum System der Polisgemeinschaften auseinandergelegte und zu ihrem, der Hegemonialmacht, Wohl in die Welt gesetzte Milchkuh gewahrt.
Die von der athenischen Polis somit vollzogene Auslagerung eines großen, wo nicht sogar maßgeblichen Teiles ihrer als kommerzielle Funktion firmierenden ökonomischen Basis oder Reichtum schaffenden Dynamis in das eben dadurch zur tributären Einflußsphäre und subsidiären Stützungsveranstaltung, zu einem abhängigen Zuliefererbetrieb, distanzierte und entfremdete System der verbündeten Polisgemeinschaften, das heißt, die zwangsweise Delegation des finanziellen Aufwands und der Unterhaltskosten der einen, hegemonialmächtig in Erscheinung tretenden Polis an die vormals gleichberechtigten, jetzt aber in den Hintergrund gedrängten und auf die Stellung eines zahlenden Publikums, um nicht zu sagen, einer ausgebeuteten Gefolgschaft reduzierten übrigen Poleis – diese Gewichtsverschiebung verändert nun aber auch nachhaltig die Geschäftsgrundlage innerhalb der athenischen Polis selbst, und hier zuvörderst das Macht- und Kontraktverhältnis zwischen Aristokratie und Handel- beziehungsweise Gewerbetreibenden, das heißt, zwischen den politisch führenden und den ökonomisch maßgebenden Gruppen. Traditionell ist das Verhältnis zwischen aristokratischer Führung und kommerzieller Initiative so bestimmt, daß die erstere zwar die Sphäre der Öffentlichkeit besetzt und sich als politischer Entscheidungsträger in Szene setzt, während die letztere eher hinter den Kulissen wirkt oder, besser gesagt, im Verborgenen des ökonomischen Betriebs und Getriebes ihre Wirkung entfaltet, daß aber deshalb, weil die letztere konstitutiv für die Existenz der Polis ist und das dynamische Zentrum ihres unabhängigen Bestehens und ihrer freien Entfaltung bildet, sie auch den Handlungsrahmen für die erstere absteckt und die ökonomisch-strategische Richtung angibt, in welche die Polis politisch-praktisch zu führen ist. Sowenig die kommerzielle Initiative sich zwar ohne den Pakt mit der Aristokratie, ohne die Kollaboration der Oberschicht, von den Fesseln der agrarisch fundierten Theokratie, der territorialherrschaftlichen Monarchie, befreien und als das Organisationsprinzip eines neuen politischen Gemeinschaftstyps etablieren könnte, sosehr bleibt sie doch aber die motivationale Seele des Ganzen, eben der initiative Bestimmungsgrund, zu dem die Aristokratie, auch wenn sie dabei das politische Erbe der traditionellen Herrschaft in die neue Allianz einbringt und als herrschaftliche Konkursverwalterin übernimmt, bloß überläuft – dessen Partei sie bloß ergreift, dem sie sich bloß als Anhang und Gefolgschaft zuordnet, auch wenn sie sich dabei als sein öffentlicher Repräsentant und gesellschaftlich bevollmächtigter Sprecher, als quasi die herrschaftlich-exoterische Entscheidungsinstanz des innerlich-maßgebenden Machtfaktors, profiliert. Als eine gesellschaftliche Gruppe, die mit dem vom kommerziellen Prinzip als neuartige distributive Einrichtung geschaffenen Markt im Austauschverhältnis steht und mit seiner Hilfe einen wesentlichen Teil ihrer konsumtiven Bedürfnisse befriedigt, gehört die Aristokratie, selbst wenn ihr der Oikos ein ihre politische Stellung begründendes Moment von Autarkie verleiht, im Prinzip ebensosehr zur Klientel des Marktes wie die gewerbetreibenden Gruppen, die im Kraftfeld des Marktes Schutz und Unterhalt finden; wie sie zusammen mit letzteren die Polis, die den Markt tragende und aus ihm gleichermaßen politische Autonomie gewinnende und ökonomischen Nutzen ziehende Gemeinschaft bilden, so erkennen und respektieren sie den Markt als Konstitutiv, als ihre Beziehungen nach draußen ebensosehr wie ihre inneren Verhältnisse durchwaltende Zentralbestimmung, in deren Kraftfeld sie sich bewegen, als haltgebenden Angelpunkt, um den ihr Leben kreist.
Das aber ändert sich in dem Maß, wie die außenpolitischen Umstände die Aristokratie veranlassen, sich auf ihre kommerzunabhängigen militärischen Tugenden, ihre Kampfkraft, zu besinnen und wie ihre militärische Stärke ihr zu einem Instrument wird, wesentliche Teile der kommerziellen Funktion hinauszuverlagern und unter der Aufsicht von Kleruchien, von als Kolonien getarnten Garnisonen, gleichermaßen auf Distanz und bei der Stange zu halten, oder – genetisch zutreffender beschrieben! – wie sie ihre militärische Stärke nutzt, das System von kommerziell fundierten Polisgemeinschaften, in das die eigene, athenische Polis als äußerstenfalls prima inter pares bis dahin eingebettet ist, in politische Abhängigkeit von letzterer zu versetzen und zu deren ökonomischem Ausbeutungsobjekt zu machen, es also aus einem konkreten Bezugsrahmen, einem strukturellen Umfeld Athens, in dessen abstrakte Voraussetzung, seine funktionelle Grundlage, zu verwandeln. Indem mit Zuckerbrot und Peitsche, nämlich mit Hilfe des Lockmittels ihrer militärischen Unterstützung und des Druckmittels ihrer militärischen Übermacht, die Polis Athen das kommerzielle System der Ägäis in eine als Bundesgenossenschaft getarnte hegemonial kontrollierte Einflußsphäre umorganisiert und die übrigen Polisgemeinschaften zur Kasse bittet, um den bei ihnen abgeschöpften Mehrwert, den bei ihnen in Form von Geldbeiträgen, von allgemeinem Äquivalent, requirierten Anspruch auf deren Reichtum für den Ausbau von Flotte und Heer und zunehmend dann auch für weitere indirekte und direkte Zuwendungen an die athenische Bürgerschaft, kurz, für eine durch Rüstung erreichte Stärkung ihrer außenpolitischen Stellung und eine durch Umverteilung bewirkte Festigung ihrer inneren Ordnung, zu verwenden – indem die athenische Polis oder vielmehr ihre aristokratische Führung so verfährt, hört für sie die in den anderen Polisgemeinschaften verkörperte kommerzielle Funktion auf, ein daseinsbestimmend inneres Konstitutiv zu sein, und wird zu einem bloßen, lebenserhaltend äußeren Substrat; sie ist aus dieser Sicht nun nicht mehr bloß eine zum Vorteil aller – einschließlich ihres eigenen! – kommerziellen Austausch treibende distributive Einrichtung der Gemeinschaft, in der sie ausgeübt wird, sondern mehr noch und vor allem die tributäre Basis einer anderen Gemeinschaft, der sie in einem nicht kommerziell bestimmten Austauschverfahren dafür, daß diese ihr Schutz und Sicherheit – nicht zuletzt vor ihr, der anderen Gemeinschaft, selbst! – gewährt, Unterhaltszahlungen leistet.
Und die so von der athenischen Aristokratie militärisch-politisch durchgesetzte Neubestimmung der kommerziellen Funktion, soweit diese außerhalb Athens im System der ägäischen Polisgemeinschaften geübt wird, das heißt, die Inanspruchnahme jener externen kommerziellen Funktion für die quasiherrschaftliche, kompensationslose Abschöpfung von Reichtum, kurz, ihre Requisition als Milchkuh – sie verändert nun auch zwangsläufig das Verhältnis zwischen Aristokratie und polisinterner kommerzieller Funktion, genauer gesagt, sie verschafft ersterer gegenüber letzterer ein wesentliches strategisches Übergewicht, verhilft mit anderen Worten der aristokratischen Führung der Polis in bezug auf die innerstädtischen Gruppen der Handel- und Gewerbetreibenden zur Position einer aus ökonomischer Patronage geborenen eindeutigen politischen Dominanz. Nicht, daß diese polisinterne kommerzielle Funktion und die sie tragenden Gruppen entbehrlich würden! So gewaltig sind die tributären Beitragszahlungen der Bundesgenossen nun auch wieder nicht, daß sie der athenischen Polis erlaubten, ihren aufgeblähten Haushalt zur Gänze daraus zu finanzieren! Und auch nicht, daß die polisinterne kommerzielle Funktion sich auf die Stufe der polisexternen herabgedrückt sähe und deren Schicksal teilte, als bloße, von der Teilhabe an der Macht, der Mitwirkung an den politischen Entscheidungsprozessen, weitgehend ausgeschlossene Milchkuh zu dienen! Das verhinderte allein schon der für die Existenz der Polis grundlegende Sozialkontrakt, der sich mit einer politischen Diskriminierung und Entrechtung der einen oder anderen an ihm beteiligten Gruppe von Bürgern schlechterdings nicht vertrüge! Was vielmehr die polisinterne kommerzielle Funktion von der politischen Führung der Polis abhängig werden läßt und so die neuartige politische Dominanz der Aristokratie über die handel- und gewerbetreibenden Gruppen begründet, ist die besagte ökonomische Patronage, die diesen Gruppen gegenüber die Aristokratie übernimmt, die Bereicherungschance, die durch ihre mit militärisch-politischen Mitteln praktizierte Form von tributärem Reichtumerwerb die Aristokratie diesen Gruppen eröffnet.
So gewiß die aristokratische Führung der athenischen Polis die Bundesgenossen schröpft, indem sie sich Teile des kommerziell erwirtschafteten Reichtums der letzteren oder, besser gesagt, das allgemeine Äquivalent dieses Reichtums, das Geld, das den Anspruch auf ihn begründet, unter dem Vorwand von Bündnisleistungen aneignet und so gewiß sie diesen Anspruch auf Teile des Reichtums der Bundesgenossen für polisinterne Umverteilungsprozesse verwendet, das heißt, ihn in Form von Rüstungsaufträgen und Soldzahlungen, von Tagegeldern und von öffentlich-bauwirtschaftlichen Programmen, kurz, für – kommerziell gesehen – nichtproduktive Leistungen an die Bürger der Stadt weitergibt, so gewiß fällt nun der polisinternen kommerziellen Funktion beziehungsweise den sie ausübenden Gruppen die Aufgabe zu, auf den Märkten der Bundesgenossen diesen umverteilten geldförmigen Anspruch auf den Reichtum der letzteren zu realisieren, sprich, die im Austausch von Geld gegen Ware bestehenden Transaktionen durchzuführen, durch die den von der Umverteilung profitierenden athenischen Bürgern die materiellen Güter zuteil werden, auf die das per Umverteilung in ihre Hände gelangte allgemeine Äquivalent des bundesgenossenschaftlichen Reichtums ihnen den Anspruch verleiht. Mit anderen Worten, die polisinterne kommerzielle Funktion findet sich damit betraut, die von Athen erhobenen tributären Beitragsleistungen der Bundesgenossen aus der Form von klingender Münze, allgemeinem Äquivalent, in die Gestalt von Befriedigungsmitteln, materiellen Gütern, zu überführen, und verwandelt sich so aus einer herkömmlichen Vergleichs- und Vermittlungsinstanz, die dem Zweck dient, produktive Leistungen und darauf gründende konsumtive Ansprüche zusammenzuführen und zum Austausch zu bringen, in ein Ausführungs- und Vollzugsorgan, das nichts weiter mehr zu tun hat, als die mit Mitteln politisch-militärischen Druckes und ohne produktive Gegenleistungen von der politischen Führung der Stadt bei der externen kommerziellen Funktion, den Märkten der Bundesgenossen, in Form finanzieller Leistungen erhobenen konsumtiven Ansprüche auf eben diesen bundesgenossenschaftlichen Märkten geltend zu machen und einzulösen. Kurz, die interne kommerzielle Funktion der Polis Athen wird zu einer Vollstreckungsgehilfin, einer abhängigen Funktion der politischen Führung und findet ihre Bestimmung zunehmend darin, den von ihrer einstigen systematischen Konsortin, der externen kommerziellen Funktion, zuvor und andernorts akkumulierten kommerziellen Reichtum, auf den die politische Führung mit nichtkommerziellen Mitteln den in die Form finanzieller Zuwendungen gefaßten Anspruch erwirbt, den athenischen Bürgern zuzuführen und in der materiellen Form, in der er ihre konsumtiven Bedürfnisse befriedigt, verfügbar zu machen.
Und dies aber mit Nutz und Frommen für sie, die polisinterne kommerzielle Funktion selbst, da sie ja mit dem allgemeinen Äquivalent, das die politische Führung den Bundesgenossen quasi als Tribut abpreßt und über den Umverteilungsprozeß an sie, die polisinterne Funktion, gelangen läßt, auf den Märkten der Bundesgenossen nicht als – was sie in Wahrheit ist – Konsumentin oder besser Konsumentenbeauftragte, sondern als – was sie ihrer gewohnten Rolle nach scheint – Handeltreibende, eigenständige Sachwalterin des Marktes, auftritt und deshalb auch bei ihrer Einkaufsaktivität, bei der Transaktion Geld gegen Ware, die sie dort tätigt, das ihr auf politischem Wege zugeflossene Geld wie gewohnt als Bereicherungsinstrument, als Handelskapital, einsetzt, sprich, mit ihm die Erwartung eines als Handelsspanne ihr zugute kommenden Wertabschlags bei der für das Geld gekauften Ware verknüpft und diese Erwartung auch erfüllt findet. Nicht genug damit, daß die aristokratische Führung der Polis die Bundesgenossen zur Kasse bittet und diese um den in Geldform bestehenden Anspruch auf Teile des Reichtums, den die im bundesgenossenschaftlichen System operierende externe kommerzielle Funktion akkumuliert hat, erleichtert – die polisinterne kommerzielle Funktion, der nun die Aufgabe zufällt, den in klingender Münze tributär erpreßten Anspruch bei den Bundesgenossen geltend zu machen und in Gestalt nützlicher Güter konsumierbare Wirklichkeit werden zu lassen, tut ein übriges und krönt, indem sie die Tributzahlung in gewohnter Manier als Handelskapital einsetzt, den von der politischen Führung initiierten Expropriationsvorgang durch den Schnitt, den sie selbst dabei macht, den Vorteil, den sie als solche davon hat, benutzt also den den Bundesgenossen mit politischen Mitteln entwendeten Reichtum in Geldform, um ihnen kraft des der Geldform innewohnenden ökonomischen Potentials in eigener Regie und zur eigenen Bereicherung noch ein bißchen mehr Reichtum zu entwenden. Wie die Führung der athenischen Polis beziehungsweise die sie stellende Aristokratie sich bei den Bundesgenossen bedient, so tut das kraft der ökonomischen Form, in der das geschieht, auch die im Windschatten oder Kielwasser der ersteren operierende polisinterne kommerzielle Funktion beziehungsweise die diese Funktion tragende Gruppe von Handel- und Gewerbetreibenden: der hegemonialen Nutznießerrolle, die sich die politische Führung gegenüber den Bundesgenossen anmaßt, korrespondiert die kapitale Schmarotzerrolle, die im Blick auf die bundesgenossenschaftliche, externe kommerzielle Funktion die von der politischen Führung mit der ökonomischen Abwicklung der hegemonialen Geschäfte betraute polisinterne kommerzielle Funktion übernimmt.
Die aristokratische Führungsschicht ist abhängig von Unterschicht und Mittelklasse, die gleichermaßen passive Nutznießer und aktive Träger ihrer Hegemonialpolitik sind. Gegen die konservative Opposition kommt es zum Bündnis zwischen den fortschrittlichen Teilen der aristokratischen Führung und dem demos, dem homogenisierten Stadtvolk, kurz, zur athenischen Demokratie. Diese ist Volksherrschaft im doppeldeutigen Sinne des Wortes. Die politische Handelsfunktion ist der Dritte im konspirativen Bund.
So also ihrer im kommerziellen Austausch von Leistungen und Ansprüchen bestehenden systematischen Synthesistätigkeit entfremdet und als eine Art Erfüllungsgehilfe in den lukrativen Dienst der mit militärisch-politischen Mitteln unter dem Deckmantel von Bündnisverpflichtungen praktizierten Ausbeutung des ägäischen Austauschsystems durch die als Hegemonialmacht zum selbstbezüglichen Wasserkopf des Systems sich aufwerfende athenische Polis genommen, befindet sich nun die polisinterne kommerzielle Funktion beziehungsweise die diese Funktion tragende Gruppe in einer als objektive Komplizenschaft festgefügten, definitiven Abhängigkeit von denen, die sie in Dienst nehmen und ihr die Möglichkeit zur Bereicherung mittels eines in handelskapitaler Eigenschaft verwendeten Tributs eröffnen – nämlich von den die politische Führung der Stadt stellenden großen Oikosbesitzern, der Aristokratie. Wie indes die Rede von einer objektiven Komplizenschaft bereits anzeigt, hat diese Abhängigkeit von der aristokratischen Führung, in die sich der polisinterne Kommerz versetzt findet, mit traditionellen Klientel- und Gefolgschaftsverhältnissen ebensowenig etwas gemein wie die aristokratische Führung selbst mit alten Formen autokratischer, geschweige denn theokratischer, Herrschaft. Mit der Umverteilungsstrategie, die sie zum Kernstück ihres politischen Wirkens erhebt und die gleichermaßen ihre nach außen gerichtete hegemoniale Bündnispolitik motiviert, wie sie nach innen ihren Führungsanspruch begründet, zeigt sich diese aristokratische Führung ja ihrerseits abhängig von der lohnarbeitenden Unterschicht und dem bäuerlichen Mittelstand, abhängig davon, daß sie diese Bevölkerungsgruppen, denen – jedenfalls relativ gesehen und verglichen mit anderen Gruppen – der ökonomische Aufstieg der Polis eher Nachteile bringt, mit Kompensationsleistungen zufriedenstellt und so bei der Stange der Polis hält und daran hindert, sich aus der Solidargemeinschaft der athenischen Bürgerschaft zurückzuziehen.
Und zwar zeigt sich die aristokratische Führung nicht etwa nur strategisch-politisch oder systematisch-intentional abhängig von Unterschicht und Mittelstand, nicht also nur in dem Sinne, daß sie ihre auf Umverteilung zwecks Lastenausgleich abgestellte Politik an diesen Gruppen und ihren Belangen orientiert. Abhängig zeigt sie sich vielmehr auch und zugleich praktisch-militärisch oder empirisch-funktionell von ihnen, insofern sie ja bereits auf sie angewiesen ist, um die auf ihre finanzielle Unterstützung und kompensatorische Befriedigung ausgerichtete Politik überhaupt ins Werk setzen zu können. Schließlich finanziert, wie gesehen, die athenische Polis die Umverteilung, als deren passive Nutznießer die besagten Gruppen firmieren, zunehmend aus dem Thesaurus, dem kommerziellen Reichtum, der Bundesgenossen, den sie mittels militärischen Druckes und mit Hilfe des Passepartouts der Kleruchien aufschließt und in Form tributärer Beitragszahlungen anzapft. Und wer soll nun aber den militärischen Druck ausüben, wer die Ruderer, die Kampftruppen, die Besatzungen für die Kleruchien stellen, wenn nicht die besagten Gruppen, die, so betrachtet, ebensowohl als aktive Träger der Politik fungieren, deren passive Nutznießer sie darstellen? In einem denkwürdigen Zirkel muß also die aristokratische Führung Athens ihre Politik mit Hilfe derer betreiben, um derentwillen sie sie betreibt, muß sie die von ihr Geführten zugleich als Fundament und als Zielpunkt, als Instrument und als Rezipient, als Mittel und als Zweck ihres politischen Tuns begreifen. Was Wunder, daß die dergestalt zum A und O der hegemonialen Strategie Athens avancierten und gleichermaßen unter dem Gesichtspunkt ihrer funktionellen Inanspruchnahme als Träger der Strategie wie im Blick auf ihre intentionale Bestimmung als Adressat der Strategie zur Bürgerschaft sans phrase, zum demos, homogenisierten, um nicht zu sagen egalisierten unteren und mittleren Schichten ein neues Selbstbewußtsein entwickeln und eine über ihre bloße militärische Trägerschaft und reine ökonomische Nutznießerschaft hinausgehende politische Mitwirkung fordern, bestimmenden Einfluß auf die ebensosehr mit ihrer Hilfe wie zu ihren Gunsten von der aristokratischen Führung betriebene Politik nehmen wollen.
Wohlgemerkt, konstruktiv-affirmativ mitwirken, im Sinne einer Beibehaltung und verstärkten Verfolgung der von der politischen Führung bereits eingeschlagenen Richtung Einfluß nehmen wollen sie, nicht etwa einen eigenen Standpunkt behaupten, ein besonderes, vom Staatsinteresse, wie es die aristokratische Führung repräsentiert, abweichendes oder ihm gar entgegengesetztes Interesse zur Geltung bringen. Von Anbeginn seines Erscheinens auf der politischen Bühne ist der demos, der an die Stelle des leitos, der alten Mittelschicht aus landbesitzenden, waffentragenden Freien, tritt und sich als mehr oder minder von staatlichen Umverteilungsmaßnahmen und Unterstützungsleistungen abhängiges und insofern homogenes Bürgervolk herausschält, Partisan der aristokratischen Führung, eine sichere Bank für sie, eine sie zuverlässig unterstützende Basis – und eben deshalb gibt die politische Führung in einer unentwirrbaren Mischung aus Berechnung und Ohnmacht, aus Machtkalkül und politischem Zugzwang seinem Drängen nach. Wenn der demos einen Gegner hat, so ist es die konservative Opposition, die sich dem neuen Kurs des aristokratisch gesteuerten Staatsschiffes widersetzt, sind es jene Teile der Aristokratie und der Handel- und Gewerbetreibenden, denen dieser neue Kurs und die mit ihm einhergehende Veränderung der ökonomischen Optionen, der politischen Kompetenzen und der sozialen Allianzen unheimlich ist und Angst macht. Sie, die vielleicht die von der Polis aus Anlaß des historischen Zufalls der persischen Aggression eingeschlagene und als erstes in die Tat einer Flottenbau- und Aufrüstungspolitik umgesetzte Umverteilungsstrategie um ihres innenpolitischen Befriedungseffekts willen noch gutgeheißen und als ebenso sinnvolle ökonomische Korrekturmaßnahme wie notwendiges militärisches Abwehrverhalten mitgetragen haben – sie können sich nicht damit befreunden, daß sich eine der bisherigen Entwicklung der Polis und den Problemen, die sie schafft, Rechnung tragende korrektive Maßnahme plötzlich als ein zur Problemlösungsstrategie für alle weitere Entwicklung erhobener konstitutiver Akt herausstellt, und widersetzen sich der neuen Richtung. Die Militarisierung der Polis, die neben der Abwehrfunktion im Blick auf die aktuelle Gefahr der persischen Angriffe zugleich die Aufgabe erfüllt, den von der Polis kommerziell akkumulierten Reichtum soweit umzuverteilen, daß die durch die kommerzielle Akkumulation geschaffenen ökonomischen Ungleichgewichte und sozialen Spannungen aus der Welt geschafft werden oder jedenfalls beherrschbar bleiben – sie haben die betreffenden Gruppen noch durchaus akzeptiert und sogar unterstützt. Aber daß nun diese Militarisierung zur Grundlage dafür wird, sich den verteilbaren Reichtum in zunehmendem Maße auf anderem als dem kommerziellen Weg, nämlich auf tributäre Weise, zu verschaffen, daß nicht zwar in der Bedeutung einer ausschließenden Ersetzung, wohl aber im Sinne einer konkurrierenden Ergänzung mehr und mehr an die Stelle der Handelsflotte und eines die Ägäis umspannenden Austauschsystems die Kriegsflotte und ein die Ägäis durchziehendes und bis nach Unteritalien und Sizilien reichendes Netz von Garnisonen tritt, ist ihnen suspekt und treibt sie in die Opposition.
Den unteren und mittleren Schichten hingegen, dem demos, der sich von dieser hegemonialpolitisch-militärisch fundierten tributären Bereicherungsstrategie ebenso umfängliche wie zuverlässige staatliche Kompensationsleistungen und Subventionen in Form von Soldzahlungen, Tagegeldern und öffentlichen Aufträgen erhoffen kann und der mehr noch durch die trägerschaftliche Rolle, die ihm im Blick auf diese Strategie zufällt, das heißt, durch die Tatsache, daß er die Schiffsmannschaften, Truppen und Garnisonsbesatzungen stellt, die der Hegemonialmacht allererst ihre Macht verleiht, ein das Selbstwertgefühl hebendes neues Bewußtsein praktischer Nützlichkeit und politischer Bedeutung erlangt – dem demos also kommt die Entwicklung der Polis zu einer tributfordernden und mittels der Tribute die Umverteilung finanzierenden Hegemonialmacht durchaus zupaß, und er tut alles, damit die hegemonial orientierte aristokratische Führung gegen die Opposition aus dem eigenen Milieu und Lager ihre politische Linie durchsetzen und als den verbindlichen Kurs des Staatsschiffes steuern kann. Und die aristokratische Führung wiederum läßt sich diese Unterstützung durch den demos gefallen und sorgt durch Reformen, die der besagten Mischung aus Machtkalkül und Zugzwang entspringen, dafür, daß der zur Mitwirkung bei den Staatsgeschäften drängende demos hierzu auch den konstitutionellen Rahmen vorfindet und die institutionellen Gelegenheiten erhält.
Das Ergebnis dieser Entwicklung ist die Herrschaftsform der Demokratie, eine Modifikation und Spielart des bis dahin bestehenden aristokratischen Herrschaftsmodus, deren Besonderheit und Neuartigkeit darin liegt, daß in ihr die aristokratische Führung nicht mehr nur unter den mit der Polis gegebenen ökonomischen Voraussetzungen diese politisch verwaltet und militärisch sichert, sondern daß sie ihr politisches Handeln und ihre militärischen Aktionen, ihre zur Militärpolitik verschmelzenden Verwaltungs- und Schutzfunktionen, nutzt, um bestimmte, für die Polis fortan maßgebende ökonomische Bedingungen zu schaffen und zu erhalten. Der aus kleinen Oikosbesitzern und Handwerkern, Hopliten und Zeugiten, zusammengesetzte leitos – er findet seine wirtschaftliche Subsistenz und seine gesellschaftliche Organisation noch unabhängig von dem im engeren Sinne politisch-militärischen Bereich in dem für die Entstehung und den Bestand der Polis grundlegenden kommerziellen Austauschsystem, der für die Struktur der Polisgemeinschaft maßgebenden Ökonomie des Marktes. Der aus den großen, aristokratischen Oikosbesitzern, den territorialen Erben der Monarchie, sich rekrutierenden politischen Führung, der arché, bleibt unter diesen Bedingungen nur die Aufgabe, den mit ökonomischen Mitteln zur Polisgemeinschaft organisierten leitos im Inneren frei von ziviler Zwietracht und juridischem Streit zu erhalten und nach außen diplomatisch zu vertreten und militärisch abzusichern. Dabei müssen die Anwärter auf die arché ihren Anspruch auf ein Führungsamt durch persönliche ökonomische Opfer, die sie der Gemeinschaft bringen, durch Liturgie, legitimieren, genauer gesagt, durch den kraft aufopferungsvollen Wirkens für den leitos geführten Nachweis ihres inneren Adels, ihrer sie als agathos, als "gut", erweisenden wesenhaften Vortrefflichkeit.
Diese Situation aber ändert sich in dem Maße, wie die Polisgemeinschaft durch das für sie grundlegende kommerzielle Austauschsystem und dessen Entwicklung über sich selbst hinausgetrieben wird und wie die kleinen Oikosbesitzer und Handwerker einem verarmten Mittelstand und einer Unterschicht von Lohnarbeitern und Tagelöhnern, der Gruppe der Theten weichen, wie also, kurz, aus den Bürgern das Volk, aus dem leitos der demos wird. Die Entstehung des demos drängt der politischen Führung in der Konsequenz ihres internen Friedenssicherungsamtes die quasi ökonomische Aufgabe einer als Lastenausgleich gedachten und dem kommerziellen Austauschsystem als einem für die Polisgemeinschaft bis dahin verbindlichen Distributionsmechanismus Konkurrenz machenden Umverteilung auf, und die dem historischen Zufall der persischen Aggression geschuldete militär- und rüstungspolitische Form, in der diese Umverteilung praktiziert wird, schafft nun aber jenes aus dem demos sich rekrutierende Machtinstrument, das die politische Führung geradezu dazu einlädt, es für die Beschaffung der weiteren, im Rahmen der Umverteilungsstrategie erforderlichen Finanzmittel zu nutzen und also die politische Organisation der Polis kraft ihrer zugleich verteidigungs- und umverteilungsbedingten Militarisierung aus einer die ökonomische Subsistenz je schon voraussetzenden und auf ihr aufbauenden Veranstaltung in ein die ökonomische Subsistenz allererst ins Werk setzendes und nämlich als Konsequenz politisch-militärischen Handelns gewährleistendes Unternehmen zu überführen.
Aus dem aristokratischen Liturgen, dem Führer einer Bürgerschaft, deren politische Organisation Ausfluß des kommerziellen Austauschsystems ist, an dem sie partizipiert und aus dem sie ihren ökonomischen Unterhalt zieht, wird somit der demokratische Stratege, der Anführer einer Volksmenge, deren ökonomischer Unterhalt Frucht der politisch-militärischen Organisation ist, die ihr den Zugriff auf das kommerzielle Austauschsystem ermöglicht. Demokratie praktiziert der vom Schiffsstifter und Chorführer zum Feldherrn und Garnisonsgründer avancierte Aristokrat also, unmittelbar betrachtet, in dem Sinne, daß er das Volk als Mittel zum Zweck der Durchsetzung einer markant veränderten Subsistenzform der Polisgemeinschaft beherrscht, daß er auf dem demos als auf einem militärisch-politischen Instrument spielt, durch dessen Einsatz sich der Polis auf neuem, nichtkommerziellem Wege die Lebensgrundlage sichern läßt. Aber weil es ja das Volk ist, dem die neue Subsistenzweise zugute kommt, weil es der demos ist, der in seiner Gesamtheit den primären Nutznießer der neuen Strategie einer nichtkommerziellen Beschaffung von Reichtum bildet, kann die auf diese Weise praktizierte Demokratie ebensowohl auch als Volksherrschaft im eigentlichen Sinne gelten, als eine die traditionelle Führung, die Aristokratie, in den Dienst des demos nehmende, sie für das Volk instrumentalisierende und wenn schon nicht auf dessen absolute Selbstbestimmung, so jedenfalls doch auf seine relative Selbstbehauptung zielende gesellschaftliche Organisationsform, die Emanzipation von der Heteronomie der ökonomisch-strukturellen Zwänge und der daraus resultierenden politisch-sozialen Nöte des bis dahin für die gesellschaftliche Synthesis allein maßgebenden kommerziellen Austauschsystems verspricht.
Von Anfang ihres Hervorgehens aus der traditionellen, ebensosehr ökonomisch im Handel begründeten wie politisch vom Adel verwalteten Ordnung der Polis ist die Demokratie in aller Zweideutigkeit Herrschaft durch das Volk, ist sie in unauflöslicher Verquickung Herrschaft der Aristokratie durch das Instrument des Volkes und Herrschaft des Volkes durch die aristokratische Agentur, ist sie ein Zweckverband, in dem jeweils der andere als Mittel fungiert, ist sie eine Interessengemeinschaft zwischen aristokratischer arché und demokratischer ekklesias, die der ersteren mehr politische Macht verleiht und der letzteren mehr ökonomische Sicherheit verschafft, die also beiden nutzt und die deshalb auch von beiden als die neue Ordnung betrieben und durchgesetzt wird – und zwar durchgesetzt gegen den Widerstand der konservativen Kräfte, gegen den Widerstand jener, denen die alten, aus der Allianz von Markt und Oikos geborenen Verhältnisse zuträglich waren und deshalb lieb und teuer sind und die sie um jeden Preis bewahren möchten, das heißt, ohne Rücksicht darauf, daß diese alten Verhältnisse längst sich selber ausgehebelt haben und dabei sind, ihrer eigenen Entwicklungsdynamik zum Opfer zu fallen. Und von Anfang ihres Entstehens an ist Ziel der Demokratie, ist Zweck der Zweckgemeinschaft aus aristokratischer Führung und Volksversammlung die mit politisch-militärischen, nichtkommerziellen Mitteln vollbrachte Abschöpfung kommerziell akkumulierten Reichtums und dessen Umverteilung im Sinne eines Lastenausgleichs, einer Kompensation der ökonomischen Benachteiligungen und Beeinträchtigungen, die der kommerzielle Akkumulationsprozeß für das Subjekt-Objekt der Demokratie, den die Herrschaft ebensosehr im genitivus objectivus als militärisches Instrument tragenden wie im genitivus subjectivus als ökonomischer Adressat übenden demos mit sich bringt.
Die Quelle, von der die Demokratie den Reichtum abschöpft, die Milchkuh, die sie melkt, ist die Veranstalterin des Akkumulationsprozesses selbst, die Betreiberin des Marktes, die kommerzielle Funktion – diese allerdings nicht in ihrer polisintern-athenischen Partialität, sondern in ihrer polisextern-systematischen Totalität. Zwar ist es die kommerzielle Funktion der Stadt selbst, ist es die polisinterne Gruppe der Reichtum akkumulierenden Handel- und Gewerbetreibenden, die als Juniorpartnerin der aristokratischen Führung deren Lastenausgleichsstrategie erst einmal überhaupt ermöglicht und die halb freiwillig, halb genötigt, will heißen, gleichermaßen um des lieben Friedens der Polis und um ihres am Frieden hängenden eigenen ökonomischen Gedeihens willen die Mittel für die Umverteilung ursprünglich zur Verfügung stellt; aber in dem Maß wie der Umverteilungsprozeß der athenischen Führung die Kräfte dieser polisinternen kommerziellen Funktion übersteigt und wie gleichzeitig dank des historischen Zufalls der persischen Aggression die Umverteilung in jenem als Demokratie erscheinenden militärisch-politischen Instrumentarium resultiert, das auf dem Weg über ein als Bundesgenossenschaft getarntes Tributsystem die ganze Ägäis und darüber hinausliegende Regionen für die Mittelbeschaffung in Dienst zu nehmen erlaubt, verschiebt sich der Akzent ebensosehr von der Freiwilligkeit zum Zwang, wie an die Stelle der polisinternen kommerziellen Funktion die externe des ägäischen Austauschzusammenhanges als ganzen tritt und die Rolle der Milchkuh übernimmt. Dagegen fällt nun der polisinternen kommerziellen Funktion, dem athenischen Handel, wie gesehen, die Aufgabe eines Vollstreckungsgehilfen der Demokratie, der militärisch-politischen Allianz aus arché und demos, zu; das heißt, dem athenischen Handel obliegt es, die von der politisch-militärischen Allianz in Form von allgemeinem Äquivalent, Geld, bei den Bundesgenossen erhobenen Tribute auf den Märkten der Bundesgenossen unter dem Deckmantel einer als Äquivalententausch normalen kommerziellen Aktivität geltend zu machen und in Gestalt materieller Güter einzutreiben, wobei es ihm zugleich überlassen bleibt, sich durch den alle kommerzielle Aktivität, allen Austausch von Geld gegen Produkt begleitenden üblichen Wertabschlag, die Handelsspanne, für seine Maklertätigkeit bei den Bundesgenossen schadlos zu halten, diese also noch einmal persönlich zur Kasse zu bitten, in eigener Sache zu schröpfen. Vom Tugendpfad eines rein kommerziell vermittelten Akkumulationsprozesses abweichend und sich statt dessen für eine kommerzielle Realisierung nichtkommerziell erworbener Ansprüche auf Reichtum zur Verfügung stellend, gesellt sich also der athenische Handel der demokratischen Allianz als Dritter im Bunde bei und komplettiert sie zu einer Interessengemeinschaft, die in der Tat die bis dahin als wichtiger Bestandteil und aktiver Beiträger des ägäischen Austauschsystems firmierende Polis Athen in dessen gewichtigen Wasserkopf und repressiven Nutznießer verwandelt.
Dem Anschein, als mache die Demokratie die Produzenten zu den Nutznießern der handelskapitalen Akkumulation und bereite damit der mit dieser Akkumulation verknüpften paradoxen Ziellosigkeit ein Ende, steht entgegen, daß die Nutznießerrolle auf nur einen Teil der Produzenten, eben den athenischen demos, beschränkt bleibt, daß dieser Teil ebensowohl nur Instrument der Befriedigung aristokratischer Machtgelüste und daß schließlich unausgemacht ist, ob nicht die polisinterne Handelsfunktion die eigentliche Nutznießerin ist, indem sie das Streben des demos nach sozialer Wohlfahrt und der Aristokratie nach außenpolitischer Macht in den Dienst einer auf die Polis Athen gemünzten Kapitalkonzentration stellt. Weil jedenfalls alle Beteiligten, allen Zielkonflikten zum Trotz, Nutzen aus der Situation ziehen, wirken sie tatkräftig bei der hegemonialen Expansion mit, die indes einen unverhofften Widerstand provoziert.
Rein aus der Perspektive der Umverteilung betrachtet und diese als Ausdruck eines grundlegend veränderten Verhältnisses zwischen Markt und Volk, kommerzieller Funktion und marktbezogenen Produzenten genommen, könnte die athenische Demokratie auf den ersten Blick wie die unverhoffte Auflösung des weiter oben dargelegten Paradoxes erscheinen, das die kommerzielle Funktion von Anfang ihres Entstehens an charakterisiert – des Paradoxes nämlich eines mittels kommerzieller Funktion ad infinitum betriebenen Akkumulationsprozesses, eines nicht enden wollenden Zwangs zur Kapitalbildung, der, weil er offenbar allen an die Ausübung der kommerziellen Funktion geknüpften unmittelbaren konsumtiven Befriedigungs- und Genußanspruch durchkreuzt und Lügen straft, eine mit solcher Ausübung verfolgte weiterreichende Strategie, die Absicht einer politischen Emanzipation des die kommerzielle Funktion Ausübenden von dem traditionellen Herrschaftssystem, in dem er sie ausübt, sprich, seine Aspiration auf einen auf Basis des Akkumulierten, auf kapitaler Grundlage zu erreichenden quasiherrschaftlichen Status und Unabhängigkeitszustand anzeigt und der doch zugleich auch jene mit ihm verfolgte weiterreichende Emanzipationsperspektive ad absurdum führt, weil deren Möglichkeit unablöslich an seine Fortdauer geknüpft, ihr Wirklichwerden aber mit seiner Fortdauer schlechterdings nicht vereinbar ist. Dieses an eine Unschärferelation gemahnende Dilemma und das in ihm seinen Grund habende kapitale Akkumulationsparadox scheint die athenische Demokratie aufzulösen, indem sie vorführt, daß nicht zwar in der unmittelbaren Personalunion der kommerziellen Funktion selbst, nicht also zwar, wenn der die Akkumulation besorgende handeltreibende Akteur und der das Akkumulierte genießende quasiherrschaftliche Profiteur, der Horter potentiellen Reichtums und der Verzehrer aktuellen Reichtums, partout ein und dieselbe soziale Person sind, wohl aber in einer leicht verschobenen Konstellation, wenn also die Rollen ein bißchen anders verteilt, die sozial-personale Koinzidenz von Erwerber und Verbraucher, Anhäufer und Nutznießer nicht ganz so perfekt ist, die mit der handelskapitalen Akkumulation strategisch verfolgte Emanzipationsabsicht durchaus verwirklichbar ist.
Schließlich ist primärer Nutznießer der athenischen Demokratie, Hauptbegünstigter der zu Lasten der kommerziellen Funktion praktizierten Umverteilung der demos, das heißt, grob gesprochen, die große Gruppe aus kleinen Oikosbesitzern, Handwerkern und Tagelöhnern, die sich im Kraftfeld und unter dem Schirm der kommerziellen Funktion niedergelassen und durch ihrer Hände Arbeit entscheidend zum handelskapitalen Akkumulationsprozeß, zur Anhäufung potentiellen Reichtums, beigetragen haben. Wenn diese Gruppe nun per Umverteilung den angehäuften potentiellen Reichtum als aktuellen Reichtum beziehungsweise als reelle Subsistenzmittel mit Beschlag belegt und in Gebrauch nimmt, was tut sie da anderes, als daß sie den kapitalen Akkumulationsprozeß, an dem sie wesentlich mitgewirkt hat, als einen – all seiner schlecht unendlichen Kontinuität und scheinbaren Ziellosigkeit zum Trotz – zu guter Letzt zweckvollen Vorgang erkennbar werden läßt und nämlich als eine der Devise des "Spare bei der Zeit, dann hast du in der Not" gehorchende Strategie post festum unter Beweis stellt. Und mag auch die Not noch so sehr direkte und indirekte Folge des Sparens sein – was am Ende in puncto umfänglicherer Bedürfnisbefriedigung und höherem Lebensstandard als Haben herausspringt, reicht doch aus, dem Akkumulationsprozeß den Anschein eines durchaus zweckgerichteten Procederes zu verleihen.
Nicht also zwar die mit der Wahrnehmung der kommerziellen Funktion betrauten und sie als solche ausübenden Handeltreibenden selbst, wohl aber diejenigen, die sich im Kraftfeld der kommerziellen Funktion als gleichermaßen hauseigene Klientel und zentraler Faktor der von ihr ins Leben gerufenen Polisgemeinschaft versammeln und die mit ihrer Hände Arbeit entscheidend zum Erfolg des von der kommerziellen Funktion angestrengten kapitalen Akkumulationsprozesses beitragen – sie sind es demnach, die am Ende das Akkumulierte für sich mit Beschlag belegen und in Gebrauch nehmen und die damit zu beweisen scheinen, daß es mit der inneren Widersprüchlichkeit und paradoxen Ziellosigkeit des Vorganges nicht gar so ernst gemeint ist. Den mit der Kapitalbildung offenbar verknüpften und ihre Unaufhörlichkeit, ihre Unentwegtheit zu erklären geeigneten politischen Emanzipationsanspruch – ihn verwirklichen nicht die Handeltreibenden, die Träger der kommerziellen Funktion, selbst, die im Gegenteil als emsiges Faktotum fortgesetzt damit beschäftigt sind, der Verwirklichung des politischen Anspruchs das ökonomische Fundament zu sichern, sondern das Volk, das sich im Windschatten der kommerziellen Funktion entwickelt und zu einer Interessengemeinschaft organisiert hat und das, nachdem es lange genug im Dienste der kommerziellen Funktion an der Akkumulation potentiellen Reichtums mitgewirkt und geduldig die dem Akkumulationsprozeß eigentümlichen Kapricen und lotteriehaften Wendungen ertragen hat, sich nun mittels Umverteilung zu dem von der kommerziellen Funktion an sich intendierten Herrn über das Akkumulierte aufschwingt und beginnt, die mit dessen ökonomischer Nutznießung verknüpften politischen Früchte eines in der kollektiven Form der ekklesias, der Volksversammlung, Gestalt gewordenen quasiherrschaftlichen Status zu genießen.
Indes, diese scheinbare Auflösung der im kommerziellen Akkumulationsverfahren gewahrten Paradoxie durch die athenische Demokratie verdankt sich wohl eher dem abstrakten Blick, der alle näheren Umstände des tatsächlich eingetretenen Verhältnisses von Markt und Volk, alle historischen Spezifika der als Demokratie konkretisierten Beziehung zwischen kommerzieller Funktion und funktionsentsprungenen Produzenten kurzerhand außer acht läßt. Zieht man diese näheren Umstände in Betracht, kann von einer solchen Lösung des Paradoxes schwerlich die Rede noch sein. Vor allen Dingen ist es ja nicht die Gesamtheit des im kommerziellen System subsistierenden Volkes, ist es nicht die Gruppe der marktentsprungenen Produzenten in genere, die sich zum nutznießenden Herrn über die kommerzielle Funktion aufwirft und die Früchte der von letzterer mit ihrer, der Produzenten, tatkräftiger Hilfe betriebenen Akkumulation zu ernten beginnt. Der das tut, ist vielmehr nur der athenische demos, das Volk in specie eines geographisch und machtpolitisch bestimmten Teils des kommerziellen Systems, der sich vom System hegemonial abhebt, sich ihm gegenüber funktionell verselbständigt und es als eine ihm ebensosehr zum Objekt gewordene wie entfremdete Totalität auszubeuten beginnt. Daß der athenische demos die kommerzielle Funktion der Bundesgenossen zur Kasse bittet, sprich, den von dieser kommerziellen Funktion akkumulierten potentiellen Reichtum für Umverteilungszwecke in Anspruch nimmt und aktualisiert, impliziert also nicht etwa eine generelle Veränderung des Macht- und Nutznießungsverhältnisses zwischen kommerzieller Funktion und funktionsentsprungenen Produzenten, zwischen Handeltreibenden und Werktätigen, sondern bedeutet nur eine ganz partielle Revision dieses Verhältnisses, die im Gegenteil voraussetzt, daß ansonsten alles beim alten bleibt und nämlich die kommerzielle Funktion nicht nur im Blick auf die Fronarbeiter ihrer territorialstaatlichen Handelspartner, sondern auch und vor allem hinsichtlich der Werktätigen in dem von Athen hegemonial kontrollierten ägäischen Marktsystem, dem System der von Athen geschröpften Bundesgenossen, ihrer gewohnten Expropriations- und Bereicherungsstrategie unverändert folgen kann.
Hätte die Verkehrung der Nutznießungsbeziehung zwischen kommerzieller Funktion und ihr zuarbeitenden Werktätigen tatsächlich allgemeinen Charakter und wäre sie nicht bloß das Privileg eines kleinen Teils dieser Werktätigen, eben des in der Polisgemeinschaft Athen versammelten demos, der verfügbare Reichtum wäre nur zu bald verteilt und aufgezehrt, und es wäre mangels Nachschub rasch vorbei mit der Herrlichkeit einer marktentsprungen produktiven Klasse, die ihre Mitwirkung am kommerziellen Akkumulationsgeschäft aufkündigt, quasi in den Ruhestand tritt und sich auf den Genuß der von den Handeltreibenden bis dahin akkumulierten Früchte ihrer Arbeit verlegt. So betrachtet, erscheint denn auch die athenische Demokratie nicht so sehr im Lichte einer allgemeinen Verkehrung der Nutznießungsbeziehung zwischen kommerzieller Funktion und Werktätigen, sondern macht eher den Eindruck eines spezifischen Schmarotzerverhältnisses, bei dem eine bestimmte Gruppe von Werktätigen sich mit dem Ziel verschwört, mit militärisch-politischen Mitteln Macht über die kommerzielle Funktion zu erringen und sie zu regelmäßigen Tributzahlungen aus dem Fundus ihres akkumulierten Reichtums zu zwingen und auf diese indirekte Weise denn also die von der kommerziellen Funktion zu Akkumulationszwecken ausgebeuteten übrigen Werktätigen, ganz zu schweigen von den Fronarbeitenden der territorialherrschaftlichen Handelspartner, in den Dienst des eigenen Subsistierens beziehungsweise Wohlergehens zu stellen.
Und die faktische Form dieser Verschwörung führt nun aber auf den zweiten Punkt, der es unsinnig erscheinen läßt, von einer in der athenischen Demokratie Gestalt gewordenen Auflösung der in der kommerziellen Akkumulation gelegenen Paradoxie und von einer Einlösung des mit dem ökonomischen Akkumulationsprozeß verknüpften Versprechens einer politischen Emanzipation zu sprechen. Der athenische demos schert ja nicht auf ganz und gar eigene Faust und in völlig eigener Regie aus der Riege der von der kommerziellen Funktion des ägäischen Austauschsystems ausgebeuteten Werktätigen aus, um sich zum hegemonialen Herrn über die kommerzielle Funktion aufzuwerfen und sich mit ihrer Hilfe seinen ehemaligen Arbeitsgenossen als Schmarotzer und Wasserkopf aufzuhucken. Er tut dies vielmehr im Bunde oder, wenn man so will, in Konspiration mit der aristokratischen Führung der Stadt, die ihn militärisch-politisch überhaupt erst organisiert und ohne deren politische Planung und militärische Strategie er gar nicht die zur Verwirklichung seiner hegemonialen Aspirationen nötige Entschluß- und Durchhaltekraft aufbrächte. Was sich aber die ökonomisch gutsituierte aristokratische Führung von ihrem konspirativen Bund mit dem athenischen demos, ihrer als die athenische Demokratie praktizierten Interessengemeinschaft, erwartet, ist nicht eine durch Umverteilung der Überschüsse des ägäischen Handelssystems zu erreichende bequeme Subsistenz oder angenehme Wohlhabenheit, sondern sie verspricht sich davon politischen Einfluß und militärische Macht: Macht, die, solange die Umverteilung noch eine polisinterne, auf dem Rücken der unmittelbar eigenen kommerziellen Funktion erledigte Angelegenheit bleibt, den konservativen Charakter einer bloßen Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung und Sicherung der daran geknüpften eigenen Führungsposition wahrt und die aber in dem Maß, wie die polisinterne Umverteilung dank ihrer Koinzidenz mit der persischen Aggression in der Schaffung eines neuen, militärisch-politischen Machtinstruments resultiert, ihr Gesicht verändert und die expansiven Züge einer die Umverteilungsstrategie auf das ganze ägäische Handelssystem ausdehnenden okkupatorischen Ordnungsstiftung und hegemonialen Machtausübung hervorkehrt. So gesehen und die athenische Demokratie demnach als Pakt oder Konspiration zwischen dem progressive soziale Wohlfahrt fordernden demos und einer nach expansiver politischer Macht strebenden aristokratischen Führung ins Auge gefaßt, scheint im Quidproquo der wechselseitigen Instrumentalisierung der Beteiligten praktisch unentscheidbar, welchem Zweck die Demokratie letztlich dient, ob also in ihr das Volk die Führung als Agenten zur Befriedigung ökonomischer Umverteilungsansprüche gebraucht oder umgekehrt die Führung das Volk als Instrument zur Befriedigung politischer Machtbedürfnisse benutzt.
Und vollends deutlich, daß die Auflösung der Paradoxie einer ins Unendliche ihrer prinzipiell verfehlten politischen Absicht fortlaufenden kommerziellen Akkumulation durch die als schließliche Nutznießer des Akkumulierten sich herausstellenden Produzenten im eigenen Haus der kommerziellen Funktion weit entfernt davon ist, die Wahrheit der athenischen Demokratie zu sein, macht nun ein Blick auf die dritte der an der Konspiration beteiligten Parteien, nämlich die polisinterne kommerzielle Funktion, die ihre angestammte Rolle eines ebenso eigeninteressierten wie ehrlichen Maklers von Arbeitsleistungen größtenteils aufgibt und den Erfüllungsgehilfen der von der Allianz aus Volk und aristokratischer Führung mit militärisch-politischen Mitteln verfolgten Umverteilungsstrategie spielt, indem sie die der externen kommerziellen Funktion, dem Austauschsystem der anderen Poleis, unter dem Deckmantel von Beitragszahlungen abgepreßten Tributleistungen in Geldform auf den Märkten der Bundesgenossen in verzehrbare Subsistenzmittel, konsumierbaren Reichtum verwandelt. Sosehr als Verwalterin beziehungsweise Vollstreckerin von nicht durch ökonomischen Austausch, sondern mit militärischer Macht erworbenen Ansprüchen auf Reichtum die polisinterne kommerzielle Funktion die Position des ehrlichen Maklers einbüßt, sowenig verliert sie doch aber ihren Eigennutz: Für ihre kommerziellen Bemühungen in Diensten der Hegemonialmacht hält sie sich an den Bundesgenossen schadlos; das heißt, sie simuliert ökonomische Normalität und behandelt den von den Bundesgenossen gezahlten geldförmigen Tribut, den sie bei ihnen zu Markte trägt, obwohl er doch eigentlich nur die auf den bundesgenossenschaftlichen Märkten versammelten Güter repräsentiert, als Repräsentanten des eigenen, athenischen, Marktes, mithin als Produkte in die Zirkulation überführendes Kapital, was bedeutet, daß sie einen Teil des Werts der eingekauften Produkte, ihren qua Handelsspanne üblichen Gewinn, in Abschlag bringt und einbehält und also den geldförmigen Tribut, um den die Bundesgenossen von der Polis Athen in aller Öffentlichkeit geschröpft werden, nutzt, um sie ganz privatim noch einmal zu schröpfen.
So gesehen, setzt also die polisinterne kommerzielle Funktion ungeachtet oder vielmehr dank ihrer neuen Aufgabe als Erfüllungsgehilfe bei der hegemonialen Umverteilungsstrategie ihre kapitale Akkumulationstätigkeit bruchlos fort – nur daß jetzt die von ihr Ausgebeuteten nicht mehr die unmittelbaren Produzenten sind, sondern daß sie deren Ausbeutung der externen kommerziellen Funktion der Bundesgenossen, dem ägäischen Handelssystem, überläßt, um dann im Auftrag und mit Rückendeckung der athenischen Polis auf den Märkten der Bundesgenossen ihren Anteil zu reklamieren und mit Beschlag zu belegen. Wie sich die athenische Polis in genere aus einem geschäftigen Glied des ägäischen Austauschsystems in dessen gefräßiges Haupt verwandelt, so verwandelt sich auch die polisinterne kommerzielle Funktion in specie aus einem konstitutiven Bestandstück des kommerziellen Funktionszusammenhanges in seinen ihn eben dadurch zum externen Ausbeutungsobjekt umfunktionierenden reflexiven Wasserkopf. So die Sache betrachtet, ist denn auch gar nicht mehr klar, ob der Zielkonflikt zwischen der vom demos beanspruchten sozialen Wohlfahrt und der von der Führung angestrebten außenpolitischen Macht die einzige oder auch nur die eigentliche Doppelbödigkeit in der athenischen Demokratie darstellt und ob nicht vielmehr dies Dritte, nämlich die von der polisinternen kommerziellen Funktion auf Kosten der Gesamtfunktion des Systems betriebene ökonomische Akkumulation das wahre Arkanum der Demokratie Athens bildet. Und dieses Arkanum wäre fürwahr dazu angetan, den Schein von der Demokratie als einer Auflösung des Akkumulationsparadoxes in aller Form ad absurdum zu führen, weil sich damit ja als treibendes Motiv der Auflösung von Akkumulation in Konsumtion, der Rückerstattung kommerziell angehäuften Reichtums an wenigstens einen Teil seiner ursprünglichen Erzeuger, wiederum ein kommerzielles Interesse, nämlich die Konzentration des im System verstreut Akkumulierten, wenn nicht in einer Hand, so jedenfalls doch an einer Stelle, nämlich in der hegemonialmächtigen Handelsrepublik Athen erwiese.
So divergierend und eigentlich widersprüchlich die in der athenischen Demokratie zusammenwirkenden gesellschaftlichen Interessen aber auch sein mögen und so sehr es theoretisch gerechtfertigt sein mag, von veritablen unaufgelösten Zielkonflikten zu sprechen, sosehr sind in der Praxis diese Interessen doch aber im Einklang miteinander, weil sie bei all ihrer systematischen Divergenz und kontradiktorischen Ausrichtung sich empirisch zugleich stützen und befördern, sich wechselseitig Mittel zum je eigenen Zweck sind, und sosehr entfaltet deshalb der konspirative Zusammenhang der athenischen Polis eine außerordentliche Dynamik und effektive Expansionskraft. Im Verein mit einem demos, der ihr ebensosehr als militärisches Instrument dient, wie wiederum er sie als Werkzeug für die Durchsetzung seiner ökonomischen Kompensationsansprüche nutzt, und mit einer kommerziellen Funktion, die sie ebensosehr als Geschäftsabwicklerin einsetzt, wie diese umgekehrt sie als Geschäftsanbahnerin braucht, pflanzt die Führung Athens das Panier der Stadt an allen Küsten der Ägäis und Unteritaliens auf und beweist auf der Suche nach neuen Märkten beziehungsweise Reichtumsquellen, die sich unter dem mehr oder minder fadenscheinigen Deckmantel bundesgenossenschaftlicher Verpflichtungen ausbeuten lassen, einen Okkupationsdrang, der bald auch vor dem Landesinneren, dem Hinterland ihres küstenzentrierten Machtbereichs, nicht mehr haltmacht. Hier aber, im Hinterland, stößt die hegemoniale Macht auf Gegenwehr, trifft sie einen Widerstand an, wie ihn ansonsten weder das mit dem Zuckerbrot und der Peitsche des Bündnisses unter Kontrolle gehaltene ägäische Handelssystem noch die durch die Kampfkraft und seebeherrschende Stellung Athens eingeschüchterten benachbarten Territorialherrschaften mehr leisten – einen hergebrachten, eingefleischten Widerstand, der sich von Haus aus und generell gegen die kommerzielle Funktion als ökonomisches Prinzip und gegen die durch sie ins Leben gerufene politische Organisation Polis richtet und der aber nun, da die Polis sich ihrer Urheberin, der kommerziellen Funktion, als quasi privater Reichtumsquelle bemächtigt hat und sie zur Grundlage eines nicht zuletzt der Ausbreitung der kommerziellen Funktion selbst dienlichen hegemonialen Expansionsdranges macht, auch und speziell diesem expansiven Treiben gilt.
Daß die Lastenausgleichspolitik nicht stante pede in die Krise führt, ist dem Attisch-Delischen Seebund gedankt, der Athen erlaubt, unter dem Deckmantel von Beitragszahlungen zur gemeinsamen Verteidigung die Bundesgenossen zu schröpfen und mit dem tributiv erlangten Geld seinen Umverteilungsverpflichtungen nachzukommen. Die mit militärisch-politischen Mitteln ins Werk gesetzte Bereicherungsstrategie Athens verschiebt das Kräfteverhältnis zwischen aristokratischer Führungsschicht und Handeltreibenden zugunsten der ersteren.
Es bleibt also dabei, daß die Lastenausgleichspolitik der Polis unter dem praktisch-reellen Druck der benachteiligten Gruppen, die Anspruch auf ihre Segnungen erheben, früher oder später, befördert und kaschiert durch den technisch-funktionellen Umstand ihrer geldförmigen Abwicklung, die magische Grenze überschreitet, die den Genuß der Zinsen vom Verzehr des Kapitals, das Verbrauchen des vom kommerziellen Prozeß jeweils erzielten und eigentlich für die weitere Akkumulation bestimmten Mehrwerts vom Aufbrauchen der für die Erzielung solchen Mehrwerts nötigen, bereits akkumulierten kommerziellen Wertmasse trennt, und daß dann, abermals begünstigt durch die als Palliativ und Vertuschungsmittel einsetzbare Geldförmigkeit des Verfahrens, der Abstieg in den ökonomischen Verfall und in die politische Krise unaufhaltsam ist. Das einzige, was der Polis hier helfen könnte, wäre eine den Kompensationsforderungen, die im Zuge der Umverteilungspolitik laut werden, entsprechende und eine Entlastung vom praktisch-reellen Druck, den diese Forderungen erzeugen, ohne Überschreiten der magischen Grenze ermöglichende rasche und massive Vergrößerung des durch den kommerziellen Prozeß verfügbar gemachten Mehrwerts. Woher sollte dieses markante Mehr an Mehrwert aber plötzlich kommen? Es müßte sich entweder auf extensivem Wege ergeben, das heißt, aus einer umfänglichen Expansion des kommerziellen Systems, einer Erweiterung des Teilnehmerkreises, einer Steigerung des Gütervolumens, einer Vermehrung der Transaktionen und damit denn also einer Zunahme des Anteils und Gewinns, der aus solchen Transaktionen dem Markte zufällt. Aber angesichts der Eigenständigkeit und Unzugänglichkeit der territorialen Nachbarn, mit denen der Handel in der Hauptsache getrieben wird, ihrer fronherrschaftlichen Verfassung, die bei ihnen das kommerzielle Tun in der Position eines marginalen, auf Überschüsse beschränkten Phänomens verhält, und angesichts der Tatsache, daß der Hauptvorteil den für die Polis der Handel mit den territorialen Nachbarn hat, nämlich die Möglichkeit, dank des Produktivitätsgefälles zusätzlichen Gewinn bei den Nachbarn zu erzielen, für die Polis selbst neben den positiven Auswirkungen einer raschen Bereicherung bestimmter wirtschaftlicher Gruppen ja auch die negativen Folgen einer Beeinträchtigung anderer Sektoren des Wirtschaftslebens und einer Entstehung benachteiligter Schichten hat, deren gleichermaßen aus politisch-strukturellen und militärisch-akzidentiellen Gründen angezeigte ökonomische Unterstützung jenen Gewinn wieder aufzehrt, der die erste Voraussetzung für eine Ausdehnung des kommerziellen Systems wäre, mit anderen Worten, angesichts des dilemmatischen Umstands, daß die Bekämpfung der sozialen Folgen der kommerziellen Expansion eben die weitere Expansion verhindern, die nötig wäre, um dieser Folgen Herr zu werden – angesichts all dessen erscheint es ausgeschlossen, daß sich ein ernsthaftes Mehr an verteilbarem Mehrwert auf auf extensivem Wege erreichen läßt.
Oder der gesteigerte Mehrwert müßte auf intensive Weise entstehen, das heißt dadurch, daß ein massives Wachstum der Produktivität seinen Niederschlag in einem entsprechend vergrößerten Mehrprodukt fände, das sich entweder dank des nach außen erhöhten Produktivitätsgefälles als gesteigerter Mehrwert darstellte und bei den auswärtigen Handelspartnern ein größeres Warenkontingent einzutauschen erlaubte oder aber wegen der produktivitätsgemäß verminderten durchschnittlichen Arbeitszeit intern zwar den gleichen Mehrwert wie vorher verkörperte, aber dennoch ein größeres verteilbares Warenkontingent darstellte; ganz abgesehen davon, daß diese produktivitätsbedingt veränderte Relation zwischen Wertmenge und Produktmenge es sogar gestattete, den auf die Produzenten entfallenden Wertanteil zu vermindern, ohne ihr Konsumtionspotential, ihren Lebensstandard, zu beschneiden, und auf diese Weise denn also ermöglichte, den verteilbaren Mehrwert beziehungsweise das verteilbare Mehrprodukt, in dem dieser sich darstellte, objektiv zu vergrößern. Für solch intensive Steigerung des Mehrwerts, die in der Entwicklung der Moderne eine maßgebliche Bedeutung erlangt und geradezu als deren Schrittmacher gelten kann, fehlen indes hier, in der Antike, alle technologischen Voraussetzungen; und deshalb bleibt sie ebenso ausgeschlossen wie die extensive.
Es scheint also ausgemacht, daß die Lastenausgleichspolitik, die unter dem politischen Druck der benachteiligten Gruppen die Polis bei Gelegenheit der persischen Aggression zu betreiben beginnt, der Kontrolle der Verantwortlichen rasch entgleiten, die mit der Erhaltung des ökonomischen Status quo vereinbaren Grenzen überschreiten und die Polis in die Krise führen muß. Dennoch geschieht erst einmal nichts dergleichen. Besser gesagt, es geschieht das Gegenteil: Die Polis setzt nach der erfolgreichen Beendigung der Perserkriege ihre Umverteilungsstrategie verstärkt fort, subventioniert ihre verarmende Mittelschicht durch Tagegelder für die Wahrnehmung politischer Funktionen, legt als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die unteren Schichten ein gewaltiges städtisches Bauprogramm auf und erlebt die beispiellose Blüte des Perikleischen Zeitalters. Der Grund für diese auf den ersten Blick überraschende Entwicklung ist rasch benannt: Es ist die Tatsache, daß die Polis, wenngleich ihr die ökonomisch-technologische Möglichkeit fehlt, den für Umverteilungszwecke verfügbaren Mehrwert nachdrücklich zu vergrößern, doch aber einen politisch-militärischen Weg findet, auf dem sich das gleiche Ziel erreichen läßt. Kern dieser mit politisch-militärischen Mitteln verfolgten Bereicherungsmethode ist, daß sich die Polis, die den Brennpunkt des persischen Angriffs bildet und der deshalb bei der Abwehr der Aggression eine Führungsrolle in den Polisgemeinschaften rund um die Ägäis zuwächst, unter der Camouflage dieses als Befreiungsbewegung und Unabhängigkeitsstreben sich verstehenden Abwehrkampfes eine Art Kehrtwendung und inversive Neuorientierung vollzieht und sich aus einem im System tonangebenden Protagonisten in den das System zur Kasse bittenden Hegemonen verwandelt.
Nachdem die unmittelbare Gefahr gebannt ist, die vom Persischen Reich ausging, wird die stattliche Seeflotte und Streitmacht, die zur Abwehr der persischen Bedrohung die Polis Athen aufgebaut hat und die ja, sosehr sie aktuell der militärischen Notwendigkeit entspringt, doch aber strukturell bereits in den Zusammenhang der Umverteilungspolitik gehört, auf die unter dem sozialen Druck benachteiligter Gruppen die Polis verfällt, zu einer unwiderstehlichen Versuchung, sie quasi als Produktionsmittel, nämlich als Instrument zur Beschaffung der für eine Fortsetzung und Erweiterung jener Umverteilungspolitik erforderlichen Ressourcen zu nutzen. Unter Hinweis auf die aktuell zwar gebannte, aber potentiell weiterbestehende persische Bedrohung überzeugt Athen die übrigen Polisgemeinschaften, speziell die kleinasiatischen, von der Notwendigkeit, gerüstet zu bleiben, und schließt mit ihnen ein Schutzbündnis, den Attisch-Delischen Seebund, in dessen Rahmen es mit seiner Flotte und Streitmacht die Führungsrolle übernimmt und die Hauptverteidigungslast trägt, dafür aber auch von den übrigen Bundesmitgliedern zum Majordomus der gemeinsamen Angelegenheiten und Verwalter der gemeinsamen Finanzen, kurz, zum Geschäftsführer und Kassenwart des Vereins, bestellt wird. Auch wenn zu Anfang noch etliche Bundesmitglieder durch eigene militärische Kontingente zur gemeinsamen Verteidigung beitragen, erfüllen doch viele kleinere Polisgemeinschaften ihr Beitragssoll in der Weise, daß sie Athen mit finanziellen Mitteln beim Aufbau und der Erhaltung seiner Flotte und Streitmacht unterstützen und sich also de facto von den Rüstungslasten loskaufen und der Polis Athen die eigentlich dem Bündnis als ganzem gestellte Verteidigungsaufgabe übertragen. Und da dies das ohnehin vorhandene Übergewicht der athenischen Streitkräfte weiter vergrößert und sich zudem zeigt, daß eine große, zentral organisierte und geleitete Streitmacht gleichermaßen ökonomisch-rationeller und militärisch-effektiver ist als ein Konglomerat aus vielen kleinen Kontingenten unter einer vielköpfigen Führung, macht das Beispiel Schule und führt, begünstigt durch die Bequemlichkeit der reichen Bundesgenossen, denen die Zahlungen in die von Athen verwaltete Bundeskasse erst einmal weniger Mühe macht als entsprechende eigene Verteidigungsbeiträge, zu einem militärischen Übergewicht Athens, das die Alliierten und Bundesgenossen allmählich auf die Stellung von bloßen Klienten und Schutzbefohlenen herabdrückt.
Gleichermaßen praktisches Vehikel und symptomatischer Ausdruck dieser Entwicklung ist eine Politik, die vorgibt, das mit dem politischen Schlagwort Demokratisierung belegte ökonomische Lastenausgleichsmodell Athens in die anderen Poleis exportieren zu wollen und die unter diesem Vorwand darauf zielt, die in den jeweiligen Polisgemeinschaften für eine eigene Ordnung und für relative Unabhängigkeit stehende aristokratische Führungsschicht zu entmachten und aus den benachteiligten, unzufriedenen Schichten athenfreundliche, von den falschen Verheißungen des athenischen Modells betörte Gruppen zu rekrutieren und in Führungspositionen zu bringen. Begleitet wird diese Politik in zunehmendem Maß von der militärpolitischen Strategie einer Gründung von Kleruchien, Kolonien athenischer Bürger, die in Wahrheit Garnisonen sind und dem Zweck dienen, die Region oder Polis, in deren Umkreis die Gründung stattfindet, militärisch unter Kontrolle zu halten und fester an Athen zu binden beziehungsweise von allen Abfall- oder Verselbständigungsgelüsten abzuschrecken. Jedenfalls resultiert die Entwicklung in einer auf politischer Konkurrenzlosigkeit und militärischer Überlegenheit basierenden athenischen Hegemonialherrschaft im System der Polisgemeinschaften, die, wie sie die Bundesgenossen zu Schutzbefohlenen herabdrückt, so aus ihren Mitgliedsbeiträgen Schutzgelder oder Tributzahlungen werden läßt, deren Höhe nicht mehr eine Frage bundesinterner Vereinbarungen, sondern weitgehend eine Sache selbstherrlicher athenischer Verfügungen ist und deren Verwendung ebenso weitgehend im Ermessen der politischen Führung Athens liegt. Und diese zögert nun nicht, die als solche kaum noch verhohlenen Tributzahlungen der nachgerade um alle Freiwilligkeit gebrachten Mitglieder des Attisch-Delischen Seebundes im Sinne ihrer polisinternen Umverteilungspolitik einzusetzen, sie also vor allem für den Ausbau und die Erhaltung eben jener Flotte und Streitmacht zu benutzen, die im perfekt zirkelhaften, doppelten Sinne der Umverteilungspolitik dient, weil sie ineins Vehikel der Umverteilung und Instrument zur Beschaffung der dafür nötigen Mittel ist. Aber so reichlich fließen in der Tat die Mittel, für deren in tributärer Beitragsform organisierte Beschaffung sie das Instrument abgibt, daß nicht nur ihre eigenen, vornehmlich auf die untersten Schichten abgestellten Umverteilungskapazitäten voll zur Entfaltung kommen, sondern daß noch genug übrig bleibt, um anderen bedürftigen Gruppen unter die Arme zu greifen und um also teils durch Tagegelder für die Teilnahme an Politik und Rechtsprechung den verarmenden Mittelstand zu unterstützen, teils durch die Perikleischen Projekte zum Umbau und zur Verschönerung der Stadt zusammen mit den notleidenden unteren Schichten auch Handwerker und Künstler, die Opfer des Konzentrationsprozesses in den Gewerben sind, wieder in Brot zu setzen. Daß der Umfang der Bauprojekte gewaltig genug ist, um auch die gewerblichen Betriebe selbst mit Aufträgen zu versorgen und mithin die ohnehin florierende Wirtschaft in der Polis quasi noch staatlich zu subventionieren, wird dabei als ein das Klima in der Stadt zusätzlich verbessernder Nebeneffekt gern in Kauf genommen.
So also löst die Polis Athen mittels des "Produktionsinstruments" ihrer militärischen Übermacht, das heißt, kraft ihres im Bündnissystem der Polisgemeinschaften nicht nur politisch durchgesetzten, sondern mehr noch in klingende Münze umgewandelten Hegemonialanspruchs das ökonomisch gänzlich unlösbare Problem einer dem Umfang ihrer Umverteilungsaufgaben entsprechenden Vergrößerung des für die Umverteilung zur Verfügung stehenden Mehrwerts. In Form der von Tributen kaum mehr zu unterscheidenden Beitragszahlungen zum Bündnis, die in die von ihr verwaltete Bundeskasse fließen, schöpft die Polis Athen Mehrwert bei den Bundesgenossen ab, zapft deren Reichtum an und verwandelt, wie das kommerzielle System der um die Ägäis versammelten Polisgemeinschaften in die Basis ihres speziellen Unterhalts und den Garanten ihres individuellen Gedeihens, so sich selbst aus einem Teil und integrierenden Moment des kommerziellen Systems in dessen Sammelpunkt und integrales Anliegen. Die nach außen, auf das kommerzielle Gesamtsystem, gerichtete Mehrwertaneignungsstrategie, die zwecks Finanzierung ihrer internen Lastenausgleichspolitik die athenische Polis betreibt, bewirkt eine Art von grundlegender Gewichtsverlagerung im System, die das Miteinander der vielen, jeweils um ihre eigene kommerzielle Funktion, ihre lokale Milchkuh, gescharten, aristokratisch verwalteten Polisgemeinschaften durch das Fürsichsein der einen, politisch-militärisch übermächtigen, demokratisch geführten Polis ersetzt, die in den anderen nurmehr Zweig- und Außenstellen ihres kommerziellen Funktionierens, sprich, durch Kleruchien geschützte und bei der Stange gehaltene Vorposten und Niederlassungen ihres handelsimperialen Umsichgreifens, kurz, eine einzige große, zum System der Polisgemeinschaften auseinandergelegte und zu ihrem, der Hegemonialmacht, Wohl in die Welt gesetzte Milchkuh gewahrt.
Die von der athenischen Polis somit vollzogene Auslagerung eines großen, wo nicht sogar maßgeblichen Teiles ihrer als kommerzielle Funktion firmierenden ökonomischen Basis oder Reichtum schaffenden Dynamis in das eben dadurch zur tributären Einflußsphäre und subsidiären Stützungsveranstaltung, zu einem abhängigen Zuliefererbetrieb, distanzierte und entfremdete System der verbündeten Polisgemeinschaften, das heißt, die zwangsweise Delegation des finanziellen Aufwands und der Unterhaltskosten der einen, hegemonialmächtig in Erscheinung tretenden Polis an die vormals gleichberechtigten, jetzt aber in den Hintergrund gedrängten und auf die Stellung eines zahlenden Publikums, um nicht zu sagen, einer ausgebeuteten Gefolgschaft reduzierten übrigen Poleis – diese Gewichtsverschiebung verändert nun aber auch nachhaltig die Geschäftsgrundlage innerhalb der athenischen Polis selbst, und hier zuvörderst das Macht- und Kontraktverhältnis zwischen Aristokratie und Handel- beziehungsweise Gewerbetreibenden, das heißt, zwischen den politisch führenden und den ökonomisch maßgebenden Gruppen. Traditionell ist das Verhältnis zwischen aristokratischer Führung und kommerzieller Initiative so bestimmt, daß die erstere zwar die Sphäre der Öffentlichkeit besetzt und sich als politischer Entscheidungsträger in Szene setzt, während die letztere eher hinter den Kulissen wirkt oder, besser gesagt, im Verborgenen des ökonomischen Betriebs und Getriebes ihre Wirkung entfaltet, daß aber deshalb, weil die letztere konstitutiv für die Existenz der Polis ist und das dynamische Zentrum ihres unabhängigen Bestehens und ihrer freien Entfaltung bildet, sie auch den Handlungsrahmen für die erstere absteckt und die ökonomisch-strategische Richtung angibt, in welche die Polis politisch-praktisch zu führen ist. Sowenig die kommerzielle Initiative sich zwar ohne den Pakt mit der Aristokratie, ohne die Kollaboration der Oberschicht, von den Fesseln der agrarisch fundierten Theokratie, der territorialherrschaftlichen Monarchie, befreien und als das Organisationsprinzip eines neuen politischen Gemeinschaftstyps etablieren könnte, sosehr bleibt sie doch aber die motivationale Seele des Ganzen, eben der initiative Bestimmungsgrund, zu dem die Aristokratie, auch wenn sie dabei das politische Erbe der traditionellen Herrschaft in die neue Allianz einbringt und als herrschaftliche Konkursverwalterin übernimmt, bloß überläuft – dessen Partei sie bloß ergreift, dem sie sich bloß als Anhang und Gefolgschaft zuordnet, auch wenn sie sich dabei als sein öffentlicher Repräsentant und gesellschaftlich bevollmächtigter Sprecher, als quasi die herrschaftlich-exoterische Entscheidungsinstanz des innerlich-maßgebenden Machtfaktors, profiliert. Als eine gesellschaftliche Gruppe, die mit dem vom kommerziellen Prinzip als neuartige distributive Einrichtung geschaffenen Markt im Austauschverhältnis steht und mit seiner Hilfe einen wesentlichen Teil ihrer konsumtiven Bedürfnisse befriedigt, gehört die Aristokratie, selbst wenn ihr der Oikos ein ihre politische Stellung begründendes Moment von Autarkie verleiht, im Prinzip ebensosehr zur Klientel des Marktes wie die gewerbetreibenden Gruppen, die im Kraftfeld des Marktes Schutz und Unterhalt finden; wie sie zusammen mit letzteren die Polis, die den Markt tragende und aus ihm gleichermaßen politische Autonomie gewinnende und ökonomischen Nutzen ziehende Gemeinschaft bilden, so erkennen und respektieren sie den Markt als Konstitutiv, als ihre Beziehungen nach draußen ebensosehr wie ihre inneren Verhältnisse durchwaltende Zentralbestimmung, in deren Kraftfeld sie sich bewegen, als haltgebenden Angelpunkt, um den ihr Leben kreist.
Das aber ändert sich in dem Maß, wie die außenpolitischen Umstände die Aristokratie veranlassen, sich auf ihre kommerzunabhängigen militärischen Tugenden, ihre Kampfkraft, zu besinnen und wie ihre militärische Stärke ihr zu einem Instrument wird, wesentliche Teile der kommerziellen Funktion hinauszuverlagern und unter der Aufsicht von Kleruchien, von als Kolonien getarnten Garnisonen, gleichermaßen auf Distanz und bei der Stange zu halten, oder – genetisch zutreffender beschrieben! – wie sie ihre militärische Stärke nutzt, das System von kommerziell fundierten Polisgemeinschaften, in das die eigene, athenische Polis als äußerstenfalls prima inter pares bis dahin eingebettet ist, in politische Abhängigkeit von letzterer zu versetzen und zu deren ökonomischem Ausbeutungsobjekt zu machen, es also aus einem konkreten Bezugsrahmen, einem strukturellen Umfeld Athens, in dessen abstrakte Voraussetzung, seine funktionelle Grundlage, zu verwandeln. Indem mit Zuckerbrot und Peitsche, nämlich mit Hilfe des Lockmittels ihrer militärischen Unterstützung und des Druckmittels ihrer militärischen Übermacht, die Polis Athen das kommerzielle System der Ägäis in eine als Bundesgenossenschaft getarnte hegemonial kontrollierte Einflußsphäre umorganisiert und die übrigen Polisgemeinschaften zur Kasse bittet, um den bei ihnen abgeschöpften Mehrwert, den bei ihnen in Form von Geldbeiträgen, von allgemeinem Äquivalent, requirierten Anspruch auf deren Reichtum für den Ausbau von Flotte und Heer und zunehmend dann auch für weitere indirekte und direkte Zuwendungen an die athenische Bürgerschaft, kurz, für eine durch Rüstung erreichte Stärkung ihrer außenpolitischen Stellung und eine durch Umverteilung bewirkte Festigung ihrer inneren Ordnung, zu verwenden – indem die athenische Polis oder vielmehr ihre aristokratische Führung so verfährt, hört für sie die in den anderen Polisgemeinschaften verkörperte kommerzielle Funktion auf, ein daseinsbestimmend inneres Konstitutiv zu sein, und wird zu einem bloßen, lebenserhaltend äußeren Substrat; sie ist aus dieser Sicht nun nicht mehr bloß eine zum Vorteil aller – einschließlich ihres eigenen! – kommerziellen Austausch treibende distributive Einrichtung der Gemeinschaft, in der sie ausgeübt wird, sondern mehr noch und vor allem die tributäre Basis einer anderen Gemeinschaft, der sie in einem nicht kommerziell bestimmten Austauschverfahren dafür, daß diese ihr Schutz und Sicherheit – nicht zuletzt vor ihr, der anderen Gemeinschaft, selbst! – gewährt, Unterhaltszahlungen leistet.
Und die so von der athenischen Aristokratie militärisch-politisch durchgesetzte Neubestimmung der kommerziellen Funktion, soweit diese außerhalb Athens im System der ägäischen Polisgemeinschaften geübt wird, das heißt, die Inanspruchnahme jener externen kommerziellen Funktion für die quasiherrschaftliche, kompensationslose Abschöpfung von Reichtum, kurz, ihre Requisition als Milchkuh – sie verändert nun auch zwangsläufig das Verhältnis zwischen Aristokratie und polisinterner kommerzieller Funktion, genauer gesagt, sie verschafft ersterer gegenüber letzterer ein wesentliches strategisches Übergewicht, verhilft mit anderen Worten der aristokratischen Führung der Polis in bezug auf die innerstädtischen Gruppen der Handel- und Gewerbetreibenden zur Position einer aus ökonomischer Patronage geborenen eindeutigen politischen Dominanz. Nicht, daß diese polisinterne kommerzielle Funktion und die sie tragenden Gruppen entbehrlich würden! So gewaltig sind die tributären Beitragszahlungen der Bundesgenossen nun auch wieder nicht, daß sie der athenischen Polis erlaubten, ihren aufgeblähten Haushalt zur Gänze daraus zu finanzieren! Und auch nicht, daß die polisinterne kommerzielle Funktion sich auf die Stufe der polisexternen herabgedrückt sähe und deren Schicksal teilte, als bloße, von der Teilhabe an der Macht, der Mitwirkung an den politischen Entscheidungsprozessen, weitgehend ausgeschlossene Milchkuh zu dienen! Das verhinderte allein schon der für die Existenz der Polis grundlegende Sozialkontrakt, der sich mit einer politischen Diskriminierung und Entrechtung der einen oder anderen an ihm beteiligten Gruppe von Bürgern schlechterdings nicht vertrüge! Was vielmehr die polisinterne kommerzielle Funktion von der politischen Führung der Polis abhängig werden läßt und so die neuartige politische Dominanz der Aristokratie über die handel- und gewerbetreibenden Gruppen begründet, ist die besagte ökonomische Patronage, die diesen Gruppen gegenüber die Aristokratie übernimmt, die Bereicherungschance, die durch ihre mit militärisch-politischen Mitteln praktizierte Form von tributärem Reichtumerwerb die Aristokratie diesen Gruppen eröffnet.
So gewiß die aristokratische Führung der athenischen Polis die Bundesgenossen schröpft, indem sie sich Teile des kommerziell erwirtschafteten Reichtums der letzteren oder, besser gesagt, das allgemeine Äquivalent dieses Reichtums, das Geld, das den Anspruch auf ihn begründet, unter dem Vorwand von Bündnisleistungen aneignet und so gewiß sie diesen Anspruch auf Teile des Reichtums der Bundesgenossen für polisinterne Umverteilungsprozesse verwendet, das heißt, ihn in Form von Rüstungsaufträgen und Soldzahlungen, von Tagegeldern und von öffentlich-bauwirtschaftlichen Programmen, kurz, für – kommerziell gesehen – nichtproduktive Leistungen an die Bürger der Stadt weitergibt, so gewiß fällt nun der polisinternen kommerziellen Funktion beziehungsweise den sie ausübenden Gruppen die Aufgabe zu, auf den Märkten der Bundesgenossen diesen umverteilten geldförmigen Anspruch auf den Reichtum der letzteren zu realisieren, sprich, die im Austausch von Geld gegen Ware bestehenden Transaktionen durchzuführen, durch die den von der Umverteilung profitierenden athenischen Bürgern die materiellen Güter zuteil werden, auf die das per Umverteilung in ihre Hände gelangte allgemeine Äquivalent des bundesgenossenschaftlichen Reichtums ihnen den Anspruch verleiht. Mit anderen Worten, die polisinterne kommerzielle Funktion findet sich damit betraut, die von Athen erhobenen tributären Beitragsleistungen der Bundesgenossen aus der Form von klingender Münze, allgemeinem Äquivalent, in die Gestalt von Befriedigungsmitteln, materiellen Gütern, zu überführen, und verwandelt sich so aus einer herkömmlichen Vergleichs- und Vermittlungsinstanz, die dem Zweck dient, produktive Leistungen und darauf gründende konsumtive Ansprüche zusammenzuführen und zum Austausch zu bringen, in ein Ausführungs- und Vollzugsorgan, das nichts weiter mehr zu tun hat, als die mit Mitteln politisch-militärischen Druckes und ohne produktive Gegenleistungen von der politischen Führung der Stadt bei der externen kommerziellen Funktion, den Märkten der Bundesgenossen, in Form finanzieller Leistungen erhobenen konsumtiven Ansprüche auf eben diesen bundesgenossenschaftlichen Märkten geltend zu machen und einzulösen. Kurz, die interne kommerzielle Funktion der Polis Athen wird zu einer Vollstreckungsgehilfin, einer abhängigen Funktion der politischen Führung und findet ihre Bestimmung zunehmend darin, den von ihrer einstigen systematischen Konsortin, der externen kommerziellen Funktion, zuvor und andernorts akkumulierten kommerziellen Reichtum, auf den die politische Führung mit nichtkommerziellen Mitteln den in die Form finanzieller Zuwendungen gefaßten Anspruch erwirbt, den athenischen Bürgern zuzuführen und in der materiellen Form, in der er ihre konsumtiven Bedürfnisse befriedigt, verfügbar zu machen.
Und dies aber mit Nutz und Frommen für sie, die polisinterne kommerzielle Funktion selbst, da sie ja mit dem allgemeinen Äquivalent, das die politische Führung den Bundesgenossen quasi als Tribut abpreßt und über den Umverteilungsprozeß an sie, die polisinterne Funktion, gelangen läßt, auf den Märkten der Bundesgenossen nicht als – was sie in Wahrheit ist – Konsumentin oder besser Konsumentenbeauftragte, sondern als – was sie ihrer gewohnten Rolle nach scheint – Handeltreibende, eigenständige Sachwalterin des Marktes, auftritt und deshalb auch bei ihrer Einkaufsaktivität, bei der Transaktion Geld gegen Ware, die sie dort tätigt, das ihr auf politischem Wege zugeflossene Geld wie gewohnt als Bereicherungsinstrument, als Handelskapital, einsetzt, sprich, mit ihm die Erwartung eines als Handelsspanne ihr zugute kommenden Wertabschlags bei der für das Geld gekauften Ware verknüpft und diese Erwartung auch erfüllt findet. Nicht genug damit, daß die aristokratische Führung der Polis die Bundesgenossen zur Kasse bittet und diese um den in Geldform bestehenden Anspruch auf Teile des Reichtums, den die im bundesgenossenschaftlichen System operierende externe kommerzielle Funktion akkumuliert hat, erleichtert – die polisinterne kommerzielle Funktion, der nun die Aufgabe zufällt, den in klingender Münze tributär erpreßten Anspruch bei den Bundesgenossen geltend zu machen und in Gestalt nützlicher Güter konsumierbare Wirklichkeit werden zu lassen, tut ein übriges und krönt, indem sie die Tributzahlung in gewohnter Manier als Handelskapital einsetzt, den von der politischen Führung initiierten Expropriationsvorgang durch den Schnitt, den sie selbst dabei macht, den Vorteil, den sie als solche davon hat, benutzt also den den Bundesgenossen mit politischen Mitteln entwendeten Reichtum in Geldform, um ihnen kraft des der Geldform innewohnenden ökonomischen Potentials in eigener Regie und zur eigenen Bereicherung noch ein bißchen mehr Reichtum zu entwenden. Wie die Führung der athenischen Polis beziehungsweise die sie stellende Aristokratie sich bei den Bundesgenossen bedient, so tut das kraft der ökonomischen Form, in der das geschieht, auch die im Windschatten oder Kielwasser der ersteren operierende polisinterne kommerzielle Funktion beziehungsweise die diese Funktion tragende Gruppe von Handel- und Gewerbetreibenden: der hegemonialen Nutznießerrolle, die sich die politische Führung gegenüber den Bundesgenossen anmaßt, korrespondiert die kapitale Schmarotzerrolle, die im Blick auf die bundesgenossenschaftliche, externe kommerzielle Funktion die von der politischen Führung mit der ökonomischen Abwicklung der hegemonialen Geschäfte betraute polisinterne kommerzielle Funktion übernimmt.
Die aristokratische Führungsschicht ist abhängig von Unterschicht und Mittelklasse, die gleichermaßen passive Nutznießer und aktive Träger ihrer Hegemonialpolitik sind. Gegen die konservative Opposition kommt es zum Bündnis zwischen den fortschrittlichen Teilen der aristokratischen Führung und dem demos, dem homogenisierten Stadtvolk, kurz, zur athenischen Demokratie. Diese ist Volksherrschaft im doppeldeutigen Sinne des Wortes. Die politische Handelsfunktion ist der Dritte im konspirativen Bund.
So also ihrer im kommerziellen Austausch von Leistungen und Ansprüchen bestehenden systematischen Synthesistätigkeit entfremdet und als eine Art Erfüllungsgehilfe in den lukrativen Dienst der mit militärisch-politischen Mitteln unter dem Deckmantel von Bündnisverpflichtungen praktizierten Ausbeutung des ägäischen Austauschsystems durch die als Hegemonialmacht zum selbstbezüglichen Wasserkopf des Systems sich aufwerfende athenische Polis genommen, befindet sich nun die polisinterne kommerzielle Funktion beziehungsweise die diese Funktion tragende Gruppe in einer als objektive Komplizenschaft festgefügten, definitiven Abhängigkeit von denen, die sie in Dienst nehmen und ihr die Möglichkeit zur Bereicherung mittels eines in handelskapitaler Eigenschaft verwendeten Tributs eröffnen – nämlich von den die politische Führung der Stadt stellenden großen Oikosbesitzern, der Aristokratie. Wie indes die Rede von einer objektiven Komplizenschaft bereits anzeigt, hat diese Abhängigkeit von der aristokratischen Führung, in die sich der polisinterne Kommerz versetzt findet, mit traditionellen Klientel- und Gefolgschaftsverhältnissen ebensowenig etwas gemein wie die aristokratische Führung selbst mit alten Formen autokratischer, geschweige denn theokratischer, Herrschaft. Mit der Umverteilungsstrategie, die sie zum Kernstück ihres politischen Wirkens erhebt und die gleichermaßen ihre nach außen gerichtete hegemoniale Bündnispolitik motiviert, wie sie nach innen ihren Führungsanspruch begründet, zeigt sich diese aristokratische Führung ja ihrerseits abhängig von der lohnarbeitenden Unterschicht und dem bäuerlichen Mittelstand, abhängig davon, daß sie diese Bevölkerungsgruppen, denen – jedenfalls relativ gesehen und verglichen mit anderen Gruppen – der ökonomische Aufstieg der Polis eher Nachteile bringt, mit Kompensationsleistungen zufriedenstellt und so bei der Stange der Polis hält und daran hindert, sich aus der Solidargemeinschaft der athenischen Bürgerschaft zurückzuziehen.
Und zwar zeigt sich die aristokratische Führung nicht etwa nur strategisch-politisch oder systematisch-intentional abhängig von Unterschicht und Mittelstand, nicht also nur in dem Sinne, daß sie ihre auf Umverteilung zwecks Lastenausgleich abgestellte Politik an diesen Gruppen und ihren Belangen orientiert. Abhängig zeigt sie sich vielmehr auch und zugleich praktisch-militärisch oder empirisch-funktionell von ihnen, insofern sie ja bereits auf sie angewiesen ist, um die auf ihre finanzielle Unterstützung und kompensatorische Befriedigung ausgerichtete Politik überhaupt ins Werk setzen zu können. Schließlich finanziert, wie gesehen, die athenische Polis die Umverteilung, als deren passive Nutznießer die besagten Gruppen firmieren, zunehmend aus dem Thesaurus, dem kommerziellen Reichtum, der Bundesgenossen, den sie mittels militärischen Druckes und mit Hilfe des Passepartouts der Kleruchien aufschließt und in Form tributärer Beitragszahlungen anzapft. Und wer soll nun aber den militärischen Druck ausüben, wer die Ruderer, die Kampftruppen, die Besatzungen für die Kleruchien stellen, wenn nicht die besagten Gruppen, die, so betrachtet, ebensowohl als aktive Träger der Politik fungieren, deren passive Nutznießer sie darstellen? In einem denkwürdigen Zirkel muß also die aristokratische Führung Athens ihre Politik mit Hilfe derer betreiben, um derentwillen sie sie betreibt, muß sie die von ihr Geführten zugleich als Fundament und als Zielpunkt, als Instrument und als Rezipient, als Mittel und als Zweck ihres politischen Tuns begreifen. Was Wunder, daß die dergestalt zum A und O der hegemonialen Strategie Athens avancierten und gleichermaßen unter dem Gesichtspunkt ihrer funktionellen Inanspruchnahme als Träger der Strategie wie im Blick auf ihre intentionale Bestimmung als Adressat der Strategie zur Bürgerschaft sans phrase, zum demos, homogenisierten, um nicht zu sagen egalisierten unteren und mittleren Schichten ein neues Selbstbewußtsein entwickeln und eine über ihre bloße militärische Trägerschaft und reine ökonomische Nutznießerschaft hinausgehende politische Mitwirkung fordern, bestimmenden Einfluß auf die ebensosehr mit ihrer Hilfe wie zu ihren Gunsten von der aristokratischen Führung betriebene Politik nehmen wollen.
Wohlgemerkt, konstruktiv-affirmativ mitwirken, im Sinne einer Beibehaltung und verstärkten Verfolgung der von der politischen Führung bereits eingeschlagenen Richtung Einfluß nehmen wollen sie, nicht etwa einen eigenen Standpunkt behaupten, ein besonderes, vom Staatsinteresse, wie es die aristokratische Führung repräsentiert, abweichendes oder ihm gar entgegengesetztes Interesse zur Geltung bringen. Von Anbeginn seines Erscheinens auf der politischen Bühne ist der demos, der an die Stelle des leitos, der alten Mittelschicht aus landbesitzenden, waffentragenden Freien, tritt und sich als mehr oder minder von staatlichen Umverteilungsmaßnahmen und Unterstützungsleistungen abhängiges und insofern homogenes Bürgervolk herausschält, Partisan der aristokratischen Führung, eine sichere Bank für sie, eine sie zuverlässig unterstützende Basis – und eben deshalb gibt die politische Führung in einer unentwirrbaren Mischung aus Berechnung und Ohnmacht, aus Machtkalkül und politischem Zugzwang seinem Drängen nach. Wenn der demos einen Gegner hat, so ist es die konservative Opposition, die sich dem neuen Kurs des aristokratisch gesteuerten Staatsschiffes widersetzt, sind es jene Teile der Aristokratie und der Handel- und Gewerbetreibenden, denen dieser neue Kurs und die mit ihm einhergehende Veränderung der ökonomischen Optionen, der politischen Kompetenzen und der sozialen Allianzen unheimlich ist und Angst macht. Sie, die vielleicht die von der Polis aus Anlaß des historischen Zufalls der persischen Aggression eingeschlagene und als erstes in die Tat einer Flottenbau- und Aufrüstungspolitik umgesetzte Umverteilungsstrategie um ihres innenpolitischen Befriedungseffekts willen noch gutgeheißen und als ebenso sinnvolle ökonomische Korrekturmaßnahme wie notwendiges militärisches Abwehrverhalten mitgetragen haben – sie können sich nicht damit befreunden, daß sich eine der bisherigen Entwicklung der Polis und den Problemen, die sie schafft, Rechnung tragende korrektive Maßnahme plötzlich als ein zur Problemlösungsstrategie für alle weitere Entwicklung erhobener konstitutiver Akt herausstellt, und widersetzen sich der neuen Richtung. Die Militarisierung der Polis, die neben der Abwehrfunktion im Blick auf die aktuelle Gefahr der persischen Angriffe zugleich die Aufgabe erfüllt, den von der Polis kommerziell akkumulierten Reichtum soweit umzuverteilen, daß die durch die kommerzielle Akkumulation geschaffenen ökonomischen Ungleichgewichte und sozialen Spannungen aus der Welt geschafft werden oder jedenfalls beherrschbar bleiben – sie haben die betreffenden Gruppen noch durchaus akzeptiert und sogar unterstützt. Aber daß nun diese Militarisierung zur Grundlage dafür wird, sich den verteilbaren Reichtum in zunehmendem Maße auf anderem als dem kommerziellen Weg, nämlich auf tributäre Weise, zu verschaffen, daß nicht zwar in der Bedeutung einer ausschließenden Ersetzung, wohl aber im Sinne einer konkurrierenden Ergänzung mehr und mehr an die Stelle der Handelsflotte und eines die Ägäis umspannenden Austauschsystems die Kriegsflotte und ein die Ägäis durchziehendes und bis nach Unteritalien und Sizilien reichendes Netz von Garnisonen tritt, ist ihnen suspekt und treibt sie in die Opposition.
Den unteren und mittleren Schichten hingegen, dem demos, der sich von dieser hegemonialpolitisch-militärisch fundierten tributären Bereicherungsstrategie ebenso umfängliche wie zuverlässige staatliche Kompensationsleistungen und Subventionen in Form von Soldzahlungen, Tagegeldern und öffentlichen Aufträgen erhoffen kann und der mehr noch durch die trägerschaftliche Rolle, die ihm im Blick auf diese Strategie zufällt, das heißt, durch die Tatsache, daß er die Schiffsmannschaften, Truppen und Garnisonsbesatzungen stellt, die der Hegemonialmacht allererst ihre Macht verleiht, ein das Selbstwertgefühl hebendes neues Bewußtsein praktischer Nützlichkeit und politischer Bedeutung erlangt – dem demos also kommt die Entwicklung der Polis zu einer tributfordernden und mittels der Tribute die Umverteilung finanzierenden Hegemonialmacht durchaus zupaß, und er tut alles, damit die hegemonial orientierte aristokratische Führung gegen die Opposition aus dem eigenen Milieu und Lager ihre politische Linie durchsetzen und als den verbindlichen Kurs des Staatsschiffes steuern kann. Und die aristokratische Führung wiederum läßt sich diese Unterstützung durch den demos gefallen und sorgt durch Reformen, die der besagten Mischung aus Machtkalkül und Zugzwang entspringen, dafür, daß der zur Mitwirkung bei den Staatsgeschäften drängende demos hierzu auch den konstitutionellen Rahmen vorfindet und die institutionellen Gelegenheiten erhält.
Das Ergebnis dieser Entwicklung ist die Herrschaftsform der Demokratie, eine Modifikation und Spielart des bis dahin bestehenden aristokratischen Herrschaftsmodus, deren Besonderheit und Neuartigkeit darin liegt, daß in ihr die aristokratische Führung nicht mehr nur unter den mit der Polis gegebenen ökonomischen Voraussetzungen diese politisch verwaltet und militärisch sichert, sondern daß sie ihr politisches Handeln und ihre militärischen Aktionen, ihre zur Militärpolitik verschmelzenden Verwaltungs- und Schutzfunktionen, nutzt, um bestimmte, für die Polis fortan maßgebende ökonomische Bedingungen zu schaffen und zu erhalten. Der aus kleinen Oikosbesitzern und Handwerkern, Hopliten und Zeugiten, zusammengesetzte leitos – er findet seine wirtschaftliche Subsistenz und seine gesellschaftliche Organisation noch unabhängig von dem im engeren Sinne politisch-militärischen Bereich in dem für die Entstehung und den Bestand der Polis grundlegenden kommerziellen Austauschsystem, der für die Struktur der Polisgemeinschaft maßgebenden Ökonomie des Marktes. Der aus den großen, aristokratischen Oikosbesitzern, den territorialen Erben der Monarchie, sich rekrutierenden politischen Führung, der arché, bleibt unter diesen Bedingungen nur die Aufgabe, den mit ökonomischen Mitteln zur Polisgemeinschaft organisierten leitos im Inneren frei von ziviler Zwietracht und juridischem Streit zu erhalten und nach außen diplomatisch zu vertreten und militärisch abzusichern. Dabei müssen die Anwärter auf die arché ihren Anspruch auf ein Führungsamt durch persönliche ökonomische Opfer, die sie der Gemeinschaft bringen, durch Liturgie, legitimieren, genauer gesagt, durch den kraft aufopferungsvollen Wirkens für den leitos geführten Nachweis ihres inneren Adels, ihrer sie als agathos, als "gut", erweisenden wesenhaften Vortrefflichkeit.
Diese Situation aber ändert sich in dem Maße, wie die Polisgemeinschaft durch das für sie grundlegende kommerzielle Austauschsystem und dessen Entwicklung über sich selbst hinausgetrieben wird und wie die kleinen Oikosbesitzer und Handwerker einem verarmten Mittelstand und einer Unterschicht von Lohnarbeitern und Tagelöhnern, der Gruppe der Theten weichen, wie also, kurz, aus den Bürgern das Volk, aus dem leitos der demos wird. Die Entstehung des demos drängt der politischen Führung in der Konsequenz ihres internen Friedenssicherungsamtes die quasi ökonomische Aufgabe einer als Lastenausgleich gedachten und dem kommerziellen Austauschsystem als einem für die Polisgemeinschaft bis dahin verbindlichen Distributionsmechanismus Konkurrenz machenden Umverteilung auf, und die dem historischen Zufall der persischen Aggression geschuldete militär- und rüstungspolitische Form, in der diese Umverteilung praktiziert wird, schafft nun aber jenes aus dem demos sich rekrutierende Machtinstrument, das die politische Führung geradezu dazu einlädt, es für die Beschaffung der weiteren, im Rahmen der Umverteilungsstrategie erforderlichen Finanzmittel zu nutzen und also die politische Organisation der Polis kraft ihrer zugleich verteidigungs- und umverteilungsbedingten Militarisierung aus einer die ökonomische Subsistenz je schon voraussetzenden und auf ihr aufbauenden Veranstaltung in ein die ökonomische Subsistenz allererst ins Werk setzendes und nämlich als Konsequenz politisch-militärischen Handelns gewährleistendes Unternehmen zu überführen.
Aus dem aristokratischen Liturgen, dem Führer einer Bürgerschaft, deren politische Organisation Ausfluß des kommerziellen Austauschsystems ist, an dem sie partizipiert und aus dem sie ihren ökonomischen Unterhalt zieht, wird somit der demokratische Stratege, der Anführer einer Volksmenge, deren ökonomischer Unterhalt Frucht der politisch-militärischen Organisation ist, die ihr den Zugriff auf das kommerzielle Austauschsystem ermöglicht. Demokratie praktiziert der vom Schiffsstifter und Chorführer zum Feldherrn und Garnisonsgründer avancierte Aristokrat also, unmittelbar betrachtet, in dem Sinne, daß er das Volk als Mittel zum Zweck der Durchsetzung einer markant veränderten Subsistenzform der Polisgemeinschaft beherrscht, daß er auf dem demos als auf einem militärisch-politischen Instrument spielt, durch dessen Einsatz sich der Polis auf neuem, nichtkommerziellem Wege die Lebensgrundlage sichern läßt. Aber weil es ja das Volk ist, dem die neue Subsistenzweise zugute kommt, weil es der demos ist, der in seiner Gesamtheit den primären Nutznießer der neuen Strategie einer nichtkommerziellen Beschaffung von Reichtum bildet, kann die auf diese Weise praktizierte Demokratie ebensowohl auch als Volksherrschaft im eigentlichen Sinne gelten, als eine die traditionelle Führung, die Aristokratie, in den Dienst des demos nehmende, sie für das Volk instrumentalisierende und wenn schon nicht auf dessen absolute Selbstbestimmung, so jedenfalls doch auf seine relative Selbstbehauptung zielende gesellschaftliche Organisationsform, die Emanzipation von der Heteronomie der ökonomisch-strukturellen Zwänge und der daraus resultierenden politisch-sozialen Nöte des bis dahin für die gesellschaftliche Synthesis allein maßgebenden kommerziellen Austauschsystems verspricht.
Von Anfang ihres Hervorgehens aus der traditionellen, ebensosehr ökonomisch im Handel begründeten wie politisch vom Adel verwalteten Ordnung der Polis ist die Demokratie in aller Zweideutigkeit Herrschaft durch das Volk, ist sie in unauflöslicher Verquickung Herrschaft der Aristokratie durch das Instrument des Volkes und Herrschaft des Volkes durch die aristokratische Agentur, ist sie ein Zweckverband, in dem jeweils der andere als Mittel fungiert, ist sie eine Interessengemeinschaft zwischen aristokratischer arché und demokratischer ekklesias, die der ersteren mehr politische Macht verleiht und der letzteren mehr ökonomische Sicherheit verschafft, die also beiden nutzt und die deshalb auch von beiden als die neue Ordnung betrieben und durchgesetzt wird – und zwar durchgesetzt gegen den Widerstand der konservativen Kräfte, gegen den Widerstand jener, denen die alten, aus der Allianz von Markt und Oikos geborenen Verhältnisse zuträglich waren und deshalb lieb und teuer sind und die sie um jeden Preis bewahren möchten, das heißt, ohne Rücksicht darauf, daß diese alten Verhältnisse längst sich selber ausgehebelt haben und dabei sind, ihrer eigenen Entwicklungsdynamik zum Opfer zu fallen. Und von Anfang ihres Entstehens an ist Ziel der Demokratie, ist Zweck der Zweckgemeinschaft aus aristokratischer Führung und Volksversammlung die mit politisch-militärischen, nichtkommerziellen Mitteln vollbrachte Abschöpfung kommerziell akkumulierten Reichtums und dessen Umverteilung im Sinne eines Lastenausgleichs, einer Kompensation der ökonomischen Benachteiligungen und Beeinträchtigungen, die der kommerzielle Akkumulationsprozeß für das Subjekt-Objekt der Demokratie, den die Herrschaft ebensosehr im genitivus objectivus als militärisches Instrument tragenden wie im genitivus subjectivus als ökonomischer Adressat übenden demos mit sich bringt.
Die Quelle, von der die Demokratie den Reichtum abschöpft, die Milchkuh, die sie melkt, ist die Veranstalterin des Akkumulationsprozesses selbst, die Betreiberin des Marktes, die kommerzielle Funktion – diese allerdings nicht in ihrer polisintern-athenischen Partialität, sondern in ihrer polisextern-systematischen Totalität. Zwar ist es die kommerzielle Funktion der Stadt selbst, ist es die polisinterne Gruppe der Reichtum akkumulierenden Handel- und Gewerbetreibenden, die als Juniorpartnerin der aristokratischen Führung deren Lastenausgleichsstrategie erst einmal überhaupt ermöglicht und die halb freiwillig, halb genötigt, will heißen, gleichermaßen um des lieben Friedens der Polis und um ihres am Frieden hängenden eigenen ökonomischen Gedeihens willen die Mittel für die Umverteilung ursprünglich zur Verfügung stellt; aber in dem Maß wie der Umverteilungsprozeß der athenischen Führung die Kräfte dieser polisinternen kommerziellen Funktion übersteigt und wie gleichzeitig dank des historischen Zufalls der persischen Aggression die Umverteilung in jenem als Demokratie erscheinenden militärisch-politischen Instrumentarium resultiert, das auf dem Weg über ein als Bundesgenossenschaft getarntes Tributsystem die ganze Ägäis und darüber hinausliegende Regionen für die Mittelbeschaffung in Dienst zu nehmen erlaubt, verschiebt sich der Akzent ebensosehr von der Freiwilligkeit zum Zwang, wie an die Stelle der polisinternen kommerziellen Funktion die externe des ägäischen Austauschzusammenhanges als ganzen tritt und die Rolle der Milchkuh übernimmt. Dagegen fällt nun der polisinternen kommerziellen Funktion, dem athenischen Handel, wie gesehen, die Aufgabe eines Vollstreckungsgehilfen der Demokratie, der militärisch-politischen Allianz aus arché und demos, zu; das heißt, dem athenischen Handel obliegt es, die von der politisch-militärischen Allianz in Form von allgemeinem Äquivalent, Geld, bei den Bundesgenossen erhobenen Tribute auf den Märkten der Bundesgenossen unter dem Deckmantel einer als Äquivalententausch normalen kommerziellen Aktivität geltend zu machen und in Gestalt materieller Güter einzutreiben, wobei es ihm zugleich überlassen bleibt, sich durch den alle kommerzielle Aktivität, allen Austausch von Geld gegen Produkt begleitenden üblichen Wertabschlag, die Handelsspanne, für seine Maklertätigkeit bei den Bundesgenossen schadlos zu halten, diese also noch einmal persönlich zur Kasse zu bitten, in eigener Sache zu schröpfen. Vom Tugendpfad eines rein kommerziell vermittelten Akkumulationsprozesses abweichend und sich statt dessen für eine kommerzielle Realisierung nichtkommerziell erworbener Ansprüche auf Reichtum zur Verfügung stellend, gesellt sich also der athenische Handel der demokratischen Allianz als Dritter im Bunde bei und komplettiert sie zu einer Interessengemeinschaft, die in der Tat die bis dahin als wichtiger Bestandteil und aktiver Beiträger des ägäischen Austauschsystems firmierende Polis Athen in dessen gewichtigen Wasserkopf und repressiven Nutznießer verwandelt.
Dem Anschein, als mache die Demokratie die Produzenten zu den Nutznießern der handelskapitalen Akkumulation und bereite damit der mit dieser Akkumulation verknüpften paradoxen Ziellosigkeit ein Ende, steht entgegen, daß die Nutznießerrolle auf nur einen Teil der Produzenten, eben den athenischen demos, beschränkt bleibt, daß dieser Teil ebensowohl nur Instrument der Befriedigung aristokratischer Machtgelüste und daß schließlich unausgemacht ist, ob nicht die polisinterne Handelsfunktion die eigentliche Nutznießerin ist, indem sie das Streben des demos nach sozialer Wohlfahrt und der Aristokratie nach außenpolitischer Macht in den Dienst einer auf die Polis Athen gemünzten Kapitalkonzentration stellt. Weil jedenfalls alle Beteiligten, allen Zielkonflikten zum Trotz, Nutzen aus der Situation ziehen, wirken sie tatkräftig bei der hegemonialen Expansion mit, die indes einen unverhofften Widerstand provoziert.
Rein aus der Perspektive der Umverteilung betrachtet und diese als Ausdruck eines grundlegend veränderten Verhältnisses zwischen Markt und Volk, kommerzieller Funktion und marktbezogenen Produzenten genommen, könnte die athenische Demokratie auf den ersten Blick wie die unverhoffte Auflösung des weiter oben dargelegten Paradoxes erscheinen, das die kommerzielle Funktion von Anfang ihres Entstehens an charakterisiert – des Paradoxes nämlich eines mittels kommerzieller Funktion ad infinitum betriebenen Akkumulationsprozesses, eines nicht enden wollenden Zwangs zur Kapitalbildung, der, weil er offenbar allen an die Ausübung der kommerziellen Funktion geknüpften unmittelbaren konsumtiven Befriedigungs- und Genußanspruch durchkreuzt und Lügen straft, eine mit solcher Ausübung verfolgte weiterreichende Strategie, die Absicht einer politischen Emanzipation des die kommerzielle Funktion Ausübenden von dem traditionellen Herrschaftssystem, in dem er sie ausübt, sprich, seine Aspiration auf einen auf Basis des Akkumulierten, auf kapitaler Grundlage zu erreichenden quasiherrschaftlichen Status und Unabhängigkeitszustand anzeigt und der doch zugleich auch jene mit ihm verfolgte weiterreichende Emanzipationsperspektive ad absurdum führt, weil deren Möglichkeit unablöslich an seine Fortdauer geknüpft, ihr Wirklichwerden aber mit seiner Fortdauer schlechterdings nicht vereinbar ist. Dieses an eine Unschärferelation gemahnende Dilemma und das in ihm seinen Grund habende kapitale Akkumulationsparadox scheint die athenische Demokratie aufzulösen, indem sie vorführt, daß nicht zwar in der unmittelbaren Personalunion der kommerziellen Funktion selbst, nicht also zwar, wenn der die Akkumulation besorgende handeltreibende Akteur und der das Akkumulierte genießende quasiherrschaftliche Profiteur, der Horter potentiellen Reichtums und der Verzehrer aktuellen Reichtums, partout ein und dieselbe soziale Person sind, wohl aber in einer leicht verschobenen Konstellation, wenn also die Rollen ein bißchen anders verteilt, die sozial-personale Koinzidenz von Erwerber und Verbraucher, Anhäufer und Nutznießer nicht ganz so perfekt ist, die mit der handelskapitalen Akkumulation strategisch verfolgte Emanzipationsabsicht durchaus verwirklichbar ist.
Schließlich ist primärer Nutznießer der athenischen Demokratie, Hauptbegünstigter der zu Lasten der kommerziellen Funktion praktizierten Umverteilung der demos, das heißt, grob gesprochen, die große Gruppe aus kleinen Oikosbesitzern, Handwerkern und Tagelöhnern, die sich im Kraftfeld und unter dem Schirm der kommerziellen Funktion niedergelassen und durch ihrer Hände Arbeit entscheidend zum handelskapitalen Akkumulationsprozeß, zur Anhäufung potentiellen Reichtums, beigetragen haben. Wenn diese Gruppe nun per Umverteilung den angehäuften potentiellen Reichtum als aktuellen Reichtum beziehungsweise als reelle Subsistenzmittel mit Beschlag belegt und in Gebrauch nimmt, was tut sie da anderes, als daß sie den kapitalen Akkumulationsprozeß, an dem sie wesentlich mitgewirkt hat, als einen – all seiner schlecht unendlichen Kontinuität und scheinbaren Ziellosigkeit zum Trotz – zu guter Letzt zweckvollen Vorgang erkennbar werden läßt und nämlich als eine der Devise des "Spare bei der Zeit, dann hast du in der Not" gehorchende Strategie post festum unter Beweis stellt. Und mag auch die Not noch so sehr direkte und indirekte Folge des Sparens sein – was am Ende in puncto umfänglicherer Bedürfnisbefriedigung und höherem Lebensstandard als Haben herausspringt, reicht doch aus, dem Akkumulationsprozeß den Anschein eines durchaus zweckgerichteten Procederes zu verleihen.
Nicht also zwar die mit der Wahrnehmung der kommerziellen Funktion betrauten und sie als solche ausübenden Handeltreibenden selbst, wohl aber diejenigen, die sich im Kraftfeld der kommerziellen Funktion als gleichermaßen hauseigene Klientel und zentraler Faktor der von ihr ins Leben gerufenen Polisgemeinschaft versammeln und die mit ihrer Hände Arbeit entscheidend zum Erfolg des von der kommerziellen Funktion angestrengten kapitalen Akkumulationsprozesses beitragen – sie sind es demnach, die am Ende das Akkumulierte für sich mit Beschlag belegen und in Gebrauch nehmen und die damit zu beweisen scheinen, daß es mit der inneren Widersprüchlichkeit und paradoxen Ziellosigkeit des Vorganges nicht gar so ernst gemeint ist. Den mit der Kapitalbildung offenbar verknüpften und ihre Unaufhörlichkeit, ihre Unentwegtheit zu erklären geeigneten politischen Emanzipationsanspruch – ihn verwirklichen nicht die Handeltreibenden, die Träger der kommerziellen Funktion, selbst, die im Gegenteil als emsiges Faktotum fortgesetzt damit beschäftigt sind, der Verwirklichung des politischen Anspruchs das ökonomische Fundament zu sichern, sondern das Volk, das sich im Windschatten der kommerziellen Funktion entwickelt und zu einer Interessengemeinschaft organisiert hat und das, nachdem es lange genug im Dienste der kommerziellen Funktion an der Akkumulation potentiellen Reichtums mitgewirkt und geduldig die dem Akkumulationsprozeß eigentümlichen Kapricen und lotteriehaften Wendungen ertragen hat, sich nun mittels Umverteilung zu dem von der kommerziellen Funktion an sich intendierten Herrn über das Akkumulierte aufschwingt und beginnt, die mit dessen ökonomischer Nutznießung verknüpften politischen Früchte eines in der kollektiven Form der ekklesias, der Volksversammlung, Gestalt gewordenen quasiherrschaftlichen Status zu genießen.
Indes, diese scheinbare Auflösung der im kommerziellen Akkumulationsverfahren gewahrten Paradoxie durch die athenische Demokratie verdankt sich wohl eher dem abstrakten Blick, der alle näheren Umstände des tatsächlich eingetretenen Verhältnisses von Markt und Volk, alle historischen Spezifika der als Demokratie konkretisierten Beziehung zwischen kommerzieller Funktion und funktionsentsprungenen Produzenten kurzerhand außer acht läßt. Zieht man diese näheren Umstände in Betracht, kann von einer solchen Lösung des Paradoxes schwerlich die Rede noch sein. Vor allen Dingen ist es ja nicht die Gesamtheit des im kommerziellen System subsistierenden Volkes, ist es nicht die Gruppe der marktentsprungenen Produzenten in genere, die sich zum nutznießenden Herrn über die kommerzielle Funktion aufwirft und die Früchte der von letzterer mit ihrer, der Produzenten, tatkräftiger Hilfe betriebenen Akkumulation zu ernten beginnt. Der das tut, ist vielmehr nur der athenische demos, das Volk in specie eines geographisch und machtpolitisch bestimmten Teils des kommerziellen Systems, der sich vom System hegemonial abhebt, sich ihm gegenüber funktionell verselbständigt und es als eine ihm ebensosehr zum Objekt gewordene wie entfremdete Totalität auszubeuten beginnt. Daß der athenische demos die kommerzielle Funktion der Bundesgenossen zur Kasse bittet, sprich, den von dieser kommerziellen Funktion akkumulierten potentiellen Reichtum für Umverteilungszwecke in Anspruch nimmt und aktualisiert, impliziert also nicht etwa eine generelle Veränderung des Macht- und Nutznießungsverhältnisses zwischen kommerzieller Funktion und funktionsentsprungenen Produzenten, zwischen Handeltreibenden und Werktätigen, sondern bedeutet nur eine ganz partielle Revision dieses Verhältnisses, die im Gegenteil voraussetzt, daß ansonsten alles beim alten bleibt und nämlich die kommerzielle Funktion nicht nur im Blick auf die Fronarbeiter ihrer territorialstaatlichen Handelspartner, sondern auch und vor allem hinsichtlich der Werktätigen in dem von Athen hegemonial kontrollierten ägäischen Marktsystem, dem System der von Athen geschröpften Bundesgenossen, ihrer gewohnten Expropriations- und Bereicherungsstrategie unverändert folgen kann.
Hätte die Verkehrung der Nutznießungsbeziehung zwischen kommerzieller Funktion und ihr zuarbeitenden Werktätigen tatsächlich allgemeinen Charakter und wäre sie nicht bloß das Privileg eines kleinen Teils dieser Werktätigen, eben des in der Polisgemeinschaft Athen versammelten demos, der verfügbare Reichtum wäre nur zu bald verteilt und aufgezehrt, und es wäre mangels Nachschub rasch vorbei mit der Herrlichkeit einer marktentsprungen produktiven Klasse, die ihre Mitwirkung am kommerziellen Akkumulationsgeschäft aufkündigt, quasi in den Ruhestand tritt und sich auf den Genuß der von den Handeltreibenden bis dahin akkumulierten Früchte ihrer Arbeit verlegt. So betrachtet, erscheint denn auch die athenische Demokratie nicht so sehr im Lichte einer allgemeinen Verkehrung der Nutznießungsbeziehung zwischen kommerzieller Funktion und Werktätigen, sondern macht eher den Eindruck eines spezifischen Schmarotzerverhältnisses, bei dem eine bestimmte Gruppe von Werktätigen sich mit dem Ziel verschwört, mit militärisch-politischen Mitteln Macht über die kommerzielle Funktion zu erringen und sie zu regelmäßigen Tributzahlungen aus dem Fundus ihres akkumulierten Reichtums zu zwingen und auf diese indirekte Weise denn also die von der kommerziellen Funktion zu Akkumulationszwecken ausgebeuteten übrigen Werktätigen, ganz zu schweigen von den Fronarbeitenden der territorialherrschaftlichen Handelspartner, in den Dienst des eigenen Subsistierens beziehungsweise Wohlergehens zu stellen.
Und die faktische Form dieser Verschwörung führt nun aber auf den zweiten Punkt, der es unsinnig erscheinen läßt, von einer in der athenischen Demokratie Gestalt gewordenen Auflösung der in der kommerziellen Akkumulation gelegenen Paradoxie und von einer Einlösung des mit dem ökonomischen Akkumulationsprozeß verknüpften Versprechens einer politischen Emanzipation zu sprechen. Der athenische demos schert ja nicht auf ganz und gar eigene Faust und in völlig eigener Regie aus der Riege der von der kommerziellen Funktion des ägäischen Austauschsystems ausgebeuteten Werktätigen aus, um sich zum hegemonialen Herrn über die kommerzielle Funktion aufzuwerfen und sich mit ihrer Hilfe seinen ehemaligen Arbeitsgenossen als Schmarotzer und Wasserkopf aufzuhucken. Er tut dies vielmehr im Bunde oder, wenn man so will, in Konspiration mit der aristokratischen Führung der Stadt, die ihn militärisch-politisch überhaupt erst organisiert und ohne deren politische Planung und militärische Strategie er gar nicht die zur Verwirklichung seiner hegemonialen Aspirationen nötige Entschluß- und Durchhaltekraft aufbrächte. Was sich aber die ökonomisch gutsituierte aristokratische Führung von ihrem konspirativen Bund mit dem athenischen demos, ihrer als die athenische Demokratie praktizierten Interessengemeinschaft, erwartet, ist nicht eine durch Umverteilung der Überschüsse des ägäischen Handelssystems zu erreichende bequeme Subsistenz oder angenehme Wohlhabenheit, sondern sie verspricht sich davon politischen Einfluß und militärische Macht: Macht, die, solange die Umverteilung noch eine polisinterne, auf dem Rücken der unmittelbar eigenen kommerziellen Funktion erledigte Angelegenheit bleibt, den konservativen Charakter einer bloßen Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung und Sicherung der daran geknüpften eigenen Führungsposition wahrt und die aber in dem Maß, wie die polisinterne Umverteilung dank ihrer Koinzidenz mit der persischen Aggression in der Schaffung eines neuen, militärisch-politischen Machtinstruments resultiert, ihr Gesicht verändert und die expansiven Züge einer die Umverteilungsstrategie auf das ganze ägäische Handelssystem ausdehnenden okkupatorischen Ordnungsstiftung und hegemonialen Machtausübung hervorkehrt. So gesehen und die athenische Demokratie demnach als Pakt oder Konspiration zwischen dem progressive soziale Wohlfahrt fordernden demos und einer nach expansiver politischer Macht strebenden aristokratischen Führung ins Auge gefaßt, scheint im Quidproquo der wechselseitigen Instrumentalisierung der Beteiligten praktisch unentscheidbar, welchem Zweck die Demokratie letztlich dient, ob also in ihr das Volk die Führung als Agenten zur Befriedigung ökonomischer Umverteilungsansprüche gebraucht oder umgekehrt die Führung das Volk als Instrument zur Befriedigung politischer Machtbedürfnisse benutzt.
Und vollends deutlich, daß die Auflösung der Paradoxie einer ins Unendliche ihrer prinzipiell verfehlten politischen Absicht fortlaufenden kommerziellen Akkumulation durch die als schließliche Nutznießer des Akkumulierten sich herausstellenden Produzenten im eigenen Haus der kommerziellen Funktion weit entfernt davon ist, die Wahrheit der athenischen Demokratie zu sein, macht nun ein Blick auf die dritte der an der Konspiration beteiligten Parteien, nämlich die polisinterne kommerzielle Funktion, die ihre angestammte Rolle eines ebenso eigeninteressierten wie ehrlichen Maklers von Arbeitsleistungen größtenteils aufgibt und den Erfüllungsgehilfen der von der Allianz aus Volk und aristokratischer Führung mit militärisch-politischen Mitteln verfolgten Umverteilungsstrategie spielt, indem sie die der externen kommerziellen Funktion, dem Austauschsystem der anderen Poleis, unter dem Deckmantel von Beitragszahlungen abgepreßten Tributleistungen in Geldform auf den Märkten der Bundesgenossen in verzehrbare Subsistenzmittel, konsumierbaren Reichtum verwandelt. Sosehr als Verwalterin beziehungsweise Vollstreckerin von nicht durch ökonomischen Austausch, sondern mit militärischer Macht erworbenen Ansprüchen auf Reichtum die polisinterne kommerzielle Funktion die Position des ehrlichen Maklers einbüßt, sowenig verliert sie doch aber ihren Eigennutz: Für ihre kommerziellen Bemühungen in Diensten der Hegemonialmacht hält sie sich an den Bundesgenossen schadlos; das heißt, sie simuliert ökonomische Normalität und behandelt den von den Bundesgenossen gezahlten geldförmigen Tribut, den sie bei ihnen zu Markte trägt, obwohl er doch eigentlich nur die auf den bundesgenossenschaftlichen Märkten versammelten Güter repräsentiert, als Repräsentanten des eigenen, athenischen, Marktes, mithin als Produkte in die Zirkulation überführendes Kapital, was bedeutet, daß sie einen Teil des Werts der eingekauften Produkte, ihren qua Handelsspanne üblichen Gewinn, in Abschlag bringt und einbehält und also den geldförmigen Tribut, um den die Bundesgenossen von der Polis Athen in aller Öffentlichkeit geschröpft werden, nutzt, um sie ganz privatim noch einmal zu schröpfen.
So gesehen, setzt also die polisinterne kommerzielle Funktion ungeachtet oder vielmehr dank ihrer neuen Aufgabe als Erfüllungsgehilfe bei der hegemonialen Umverteilungsstrategie ihre kapitale Akkumulationstätigkeit bruchlos fort – nur daß jetzt die von ihr Ausgebeuteten nicht mehr die unmittelbaren Produzenten sind, sondern daß sie deren Ausbeutung der externen kommerziellen Funktion der Bundesgenossen, dem ägäischen Handelssystem, überläßt, um dann im Auftrag und mit Rückendeckung der athenischen Polis auf den Märkten der Bundesgenossen ihren Anteil zu reklamieren und mit Beschlag zu belegen. Wie sich die athenische Polis in genere aus einem geschäftigen Glied des ägäischen Austauschsystems in dessen gefräßiges Haupt verwandelt, so verwandelt sich auch die polisinterne kommerzielle Funktion in specie aus einem konstitutiven Bestandstück des kommerziellen Funktionszusammenhanges in seinen ihn eben dadurch zum externen Ausbeutungsobjekt umfunktionierenden reflexiven Wasserkopf. So die Sache betrachtet, ist denn auch gar nicht mehr klar, ob der Zielkonflikt zwischen der vom demos beanspruchten sozialen Wohlfahrt und der von der Führung angestrebten außenpolitischen Macht die einzige oder auch nur die eigentliche Doppelbödigkeit in der athenischen Demokratie darstellt und ob nicht vielmehr dies Dritte, nämlich die von der polisinternen kommerziellen Funktion auf Kosten der Gesamtfunktion des Systems betriebene ökonomische Akkumulation das wahre Arkanum der Demokratie Athens bildet. Und dieses Arkanum wäre fürwahr dazu angetan, den Schein von der Demokratie als einer Auflösung des Akkumulationsparadoxes in aller Form ad absurdum zu führen, weil sich damit ja als treibendes Motiv der Auflösung von Akkumulation in Konsumtion, der Rückerstattung kommerziell angehäuften Reichtums an wenigstens einen Teil seiner ursprünglichen Erzeuger, wiederum ein kommerzielles Interesse, nämlich die Konzentration des im System verstreut Akkumulierten, wenn nicht in einer Hand, so jedenfalls doch an einer Stelle, nämlich in der hegemonialmächtigen Handelsrepublik Athen erwiese.
So divergierend und eigentlich widersprüchlich die in der athenischen Demokratie zusammenwirkenden gesellschaftlichen Interessen aber auch sein mögen und so sehr es theoretisch gerechtfertigt sein mag, von veritablen unaufgelösten Zielkonflikten zu sprechen, sosehr sind in der Praxis diese Interessen doch aber im Einklang miteinander, weil sie bei all ihrer systematischen Divergenz und kontradiktorischen Ausrichtung sich empirisch zugleich stützen und befördern, sich wechselseitig Mittel zum je eigenen Zweck sind, und sosehr entfaltet deshalb der konspirative Zusammenhang der athenischen Polis eine außerordentliche Dynamik und effektive Expansionskraft. Im Verein mit einem demos, der ihr ebensosehr als militärisches Instrument dient, wie wiederum er sie als Werkzeug für die Durchsetzung seiner ökonomischen Kompensationsansprüche nutzt, und mit einer kommerziellen Funktion, die sie ebensosehr als Geschäftsabwicklerin einsetzt, wie diese umgekehrt sie als Geschäftsanbahnerin braucht, pflanzt die Führung Athens das Panier der Stadt an allen Küsten der Ägäis und Unteritaliens auf und beweist auf der Suche nach neuen Märkten beziehungsweise Reichtumsquellen, die sich unter dem mehr oder minder fadenscheinigen Deckmantel bundesgenossenschaftlicher Verpflichtungen ausbeuten lassen, einen Okkupationsdrang, der bald auch vor dem Landesinneren, dem Hinterland ihres küstenzentrierten Machtbereichs, nicht mehr haltmacht. Hier aber, im Hinterland, stößt die hegemoniale Macht auf Gegenwehr, trifft sie einen Widerstand an, wie ihn ansonsten weder das mit dem Zuckerbrot und der Peitsche des Bündnisses unter Kontrolle gehaltene ägäische Handelssystem noch die durch die Kampfkraft und seebeherrschende Stellung Athens eingeschüchterten benachbarten Territorialherrschaften mehr leisten – einen hergebrachten, eingefleischten Widerstand, der sich von Haus aus und generell gegen die kommerzielle Funktion als ökonomisches Prinzip und gegen die durch sie ins Leben gerufene politische Organisation Polis richtet und der aber nun, da die Polis sich ihrer Urheberin, der kommerziellen Funktion, als quasi privater Reichtumsquelle bemächtigt hat und sie zur Grundlage eines nicht zuletzt der Ausbreitung der kommerziellen Funktion selbst dienlichen hegemonialen Expansionsdranges macht, auch und speziell diesem expansiven Treiben gilt.