2. Kommerz und kommunale Freiheit
Die zur dynamischen Exzentrik und topischen Exterritorialität hinzukommende ökonomische Eigenständigkeit der als kultische Mittler und moralische Zensoren in die säkulare Gesellschaft integrierten klösterlich-klerikalen Gemeinschaften verschafft diesen eine relative politische Autonomie.
Auch wenn also die neue Territorialherrschaft, die nach dem Untergang des zum imperialen Ausbeuter hypertrophierten kommerziellen Stadtstaats entsteht, keine Theokratie, keine mittels der Verdrängung der Negativität des anderen Subjekts und seiner Umfunktionierung in die Göttermacht, die der Herrscher in eigener Person repräsentiert, zustande kommende Formation mehr ist, sondern sich als Gottesgnadentum etabliert, als eine Konstruktion, die auf der Anerkennung jener Negativität des anderen Subjekts und seiner Erklärung zum schlechthinnigen Positiven aufbaut, zu einem Reich Gottes, das in der Geistlichkeit seine eigene irdische Repräsentanz besitzt, die die Aufgabe hat, es als ineins den letzten Zweck und das höchste Kriterium allen weltlichen Regiments zur Geltung zu bringen – auch wenn also die neue Territorialherrschaft, anders als die alte, kein durch Verdrängung des absoluten Widerspruchs, sondern durch seine Relativierung, durch Vertrag mit ihm, ins Werk gesetztes System, kein Gebilde aus einem Guss mit anderen Worten, sondern ein zwieschlächtiger Organismus, ein korporativer Verbund ist – ihrer Konsistenz und Stabilität tut das keinerlei Abbruch. So gewiss es dieser Territorialherrschaft neuen Stils gelingt, das in seiner Exzentrik und Exterritorialität absolut kontradiktorische Konstitutionsprinzip, dem sie offen huldigt, in die heilsperspektivisch-dynamische Garantiemacht und den gesellschaftsstiftend-topischen Aktivposten ihres eigenen Bestehens und Wohlergehens umzumünzen, so gewiss beweist sie die gleiche, von späteren, unruhigeren Gesellschaften als statisch verschriene Ausgeglichenheit und Beharrungskraft wie ihre antike Vorgängerin.
Oder vielmehr bewiese sie das gleiche Beharrungsvermögen, wäre da nicht ein mit der dynamischen Exzentrik und der topischen Exterritorialität einhergehendes drittes Charakteristikum der ihr als Fremdkörper inkorporierten und in ein wesentliches Organ ihrer kultischen Selbstvergewisserung und ihrer moralischen Erbauung umgemünzten klösterlich-klerikalen Gemeinschaft – deren ökonomische Eigenständigkeit nämlich. Nicht, dass diese ökonomische Eigenständigkeit der klösterlich-klerikalen Gemeinschaft der Bildung einer territorialherrschaftlich-säkularen Gesellschaft von Haus aus oder aktuell zuwiderliefe und deshalb so wie die beiden anderen Charakteristika nach einer Umfunktionierung in ein paradoxes Konstitutiv beziehungsweise Aktivum der letzteren verlangte! Insofern sie die neu entstehenden säkularen Gesellschaften davon entbindet, die kultisch und moralisch in ihren Zusammenhang integrierten klerikalen Gemeinschaften durch fronwirtschaftliche Anstrengungen zu unterhalten und mitzuversorgen, entlastet sie die ersteren sogar, indem sie ihnen erlaubt, ihre noch schwachen und unentwickelten ökonomischen Kräfte voll und ganz für den Aufbau der eigenen weltlichen Einrichtungen einzusetzen.
Ihrer Natur nach oder potenziell allerdings birgt diese ökonomische Eigenständigkeit gewaltigen Sprengstoff, sprich, die Drohung in sich, die säkulare Gesellschaft mitsamt ihrer territorialherrschaftlichen Ordnung aus den Angeln zu heben, weil sie auf Vergesellschaftungsprinzipien und Verkehrsformen beruht, die der territorialherrschaftlichen Organisationsstruktur stracks zuwiderlaufen und aufgrund ihrer Produktivität und Effektivität die Territorialherrschaft zugleich doch zwingen, sie, die widerstreitenden Vergesellschaftungsprinzipien und Verkehrsformen, nicht nur zu tolerieren, sondern mehr noch im eigenen, dadurch mehr und mehr auf die Zerreißprobe gestellten Kontext zur Geltung zu bringen und wirksam werden zu lassen.
Dabei ist die ökonomische Eigenständigkeit der klösterlich-klerikalen Gemeinschaften ursprünglich nur eine situativ bedingte, durch die anfängliche Not in einem Kaiserreich, das sich zielstrebig zugrunde richtet und in voller Auflösung begriffen ist, diktierte, kurz, eine historisch akzidentielle Errungenschaft. Weil das in schiere Agonie verfallene und seinem Untergang entgegenstrebende Römische Reich sich in zunehmendem Maße außerstande zeigt, den Gemeinwesen eine wenigstens minimale politische Ordnung und eine zumindest residuale ökonomische Kontinuität zu garantieren, und weil es im Gegenteil durch seine in Form militärischer Selbstzerfleischung sich vollziehende Agonie die Gemeinwesen auseinandersprengt und ihr in der politischen Ordnung und der ökonomischen Kontinuität verankertes Sozialgefüge zertrümmert, bleibt den Bürgern des Reiches gar nichts anderes übrig, als sich auf eigene Faust durchzuschlagen und sei's in privater Isolation, sei's im familiären Verbund, sei's in der Notgemeinschaft einer kommunalen oder sonstigen, dem biographischen Zufall geschuldeten Gruppe für ihr materielles und persönliches Überleben zu sorgen.
Das gilt auch und ebenso wohl für all diejenigen, die sich dem heiligen Leben verschreiben und ihren Erdenwandel in der Nachfolge Christi absolvieren. Auch sie müssen sich, solange sie auf Erden weilen, mangels staatlicher Gewalt und gesellschaftlicher Organisation und jeglicher an die staatliche Gewalt geknüpften politischen Ordnung und auf der gesellschaftlichen Organisation fußenden ökonomischen Kontinuität selbst erhalten, müssen den für ihr materielles Dasein und ihre persönliche Existenz erforderlichen Stoffwechsel mit der Natur in eigener Regie und ohne Hoffnung beziehungsweise Aussicht auf äußere Hilfe und Unterstützung durch einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang ins Werk setzen. So sehr sie ihr irdisches Leben bereits auf das erhoffte himmlische Leben ausrichten, ihr zeitliches Dasein in den Dienst des erstrebten ewigen Seins stellen und also ihre innerweltliche Existenz als transitorische, nach Möglichkeit rasch zu überwindende Durststrecke begreifen und behandeln mögen, daran, dass sie, solange ihre innerweltliche Existenz währt, sich nicht ausschließlich darauf konzentrieren können, ihren Durst nach dem Heil, ihr Verlangen nach dem Himmelreich zu löschen, sondern, wie immer beiläufig und anspruchslos, auch ihren Durst und Hunger nach Überlebensnotwendigem zu stillen, dass sie essen und trinken und andere, sich im Leben gebieterisch geltend machende Bedürfnisse befriedigen müssen – daran führt kein Weg für sie vorbei.
Konfrontiert aber mit dieser Überlebensnotwendigkeit einer wenn auch ebenso marginalen wie minimalen Bedürfnisbefriedigung, was können die zu Nachfolgern Christi passionierten Heilssucher da Vernünftigeres tun, als sich zusammenzuschließen und die praktischen Vorkehrungen fürs Überleben in ihrem dem himmlischen Sein geweihten irdischen Dasein gemeinsam zu treffen, die für ihre Selbsterhaltung im heiligen Leben erforderliche körperlich-geistige Arbeit in arbeitsteiliger Kooperation zu verrichten. Schließlich eint sie das in der Aufhebung des weltlichen Daseins, in der Verneinung des irdischen Lebens paradox kulminierende Lebensziel, sind sie allesamt Brüder im Geiste Christi, ihres sie aus der chronischen Scheinwelt des Erdkreises in das ewige Sein des Himmelreichs zu transfigurieren bestimmten wahren Selbstes; und auch wenn dies Lebensziel vom eremetischen Einzelnen genauso gut oder sogar besser zu erreichen, dies wahre Selbst genauso gut oder sogar besser im mönchischen Alleingang ins göttliche Werk zu setzen ist, weil es ja mit dem irdischen Menschen auch dessen Gesellschaftlichkeit, seine sozialen Bindungen und persönlichen Verpflichtungen abzulegen und zurückzulassen verlangt –unter den im agonalen Imperium und in dem Chaos, das es hinterlässt, gegebenen historischen Umständen sind jedenfalls die irdischen Voraussetzungen für die Verfolgung jenes himmlischen Ziels, die materiellen Bedingungen für die Beförderung jenes immateriellen Selbstes im Verein und in koordinierter Anstrengung leichter zu schaffen und sicherzustellen als in eremitischer Isolation, im mönchischen Alleingang. Davon, dass die Menschen im Kollektiv, in arbeitsteiliger Kooperation ihr generelles Überleben weit besser gewährleisten und ihre spezifischen Absichten im Leben weit effektiver in die Tat umsetzen als in der als Selbstherrlichkeit getarnten Isolation und als Eigenständigkeit verbrämten Ohnmacht der einzelnen Existenz, legt schließlich die ganze Geschichte der Menschheit beredtes Zeugnis ab.
Und tatsächlich nicht nur als allgemeine Bedingung der Möglichkeit eines unter den gegebenen historischen Umständen des imperialen Konkurses zu erhaltenden heiligen Lebens bietet sich der Zusammenschluss der Mönche zum klösterlichen Kollektiv an, sondern mehr noch als besondere Bedingung der Wirklichkeit dieses heiligen Lebens bewährt sich das klösterliche Kollektiv. Weil es nicht nur generell dabei hilft, die materiellen Voraussetzungen fürs irdische Dasein und die praktischen Lebensbedingungen zu schaffen und zu gewährleisten, sondern mehr noch dank des in Kooperation und Arbeitsteilung bestehenden Geheimnisses menschlicher Produktivität speziell dazu taugt, jene Daseinsvoraussetzungen und Lebensbedingungen weit effektiver zu schaffen und entschieden kontinuierlicher zu gestalten, birgt es nolens volens die Konsequenz, dem, was es generell zu fundieren und zu erhalten dient, dem in der Nachfolge des Herrn verbrachten heiligen Leben, speziell dadurch Hilfestellung und Vorschub zu leisten, dass es letzterem mehr Lebenszeit zuzuwenden, ihm sich umfänglicher und uneingeschränkter zu widmen erlaubt. Durch die Gemeinschaftlichkeit ihrer Arbeitsleistung und Selbsterhaltungsanstrengung können die Mönche dem unabdingbar subsistenziellen Mittel zum paradox essenziellen Zweck ihrer Existenz weit besser und schneller Rechnung tragen und also auch für eben diesen essenziellen Zweck und seine Verfolgung, sprich, für Gebete und Meditationen, Fasten und Kasteiungen, Gottes- und Missionsdienst, sakramentale Handlungen und Akte der Nächstenliebe, weit mehr Zeit und Kraft erübrigen, als ihnen dies auf ganz und gar eigene Faust und in splendider Isolation möglich wäre.
So gesehen, ist es nur zu verständlich, um nicht zu sagen logisch, dass in dem ökonomischen Chaos, den politischen Wirren und der sozialen Unordnung der Zeit nach dem endgültigen Untergang des Imperiums das als Mönchsorden organisierte klösterliche Kollektiv zum Grundmodell und verbindlichen Rahmen der von den Nachfolgern Christi bevorzugten Lebensführung wird. Unter der Devise eines "ora et labora" schließen sich die Nachfolger Christi zu Orden, zu geordneten, das Verhalten des einzelnen und seine Stellung im Corpus strikt regelnden Lebensgemeinschaften zusammen, deren praktisches Ziel es ist, die die irdische Existenz begründende ökonomische Subsistenz zu sichern, um auf diese Weise dem paradox eigentlichen Zweck dieser Existenz, ihrer durch die Sanierungsmethode, die der Weg Christi ist, ebenso zielstrebig verfolgten wie durch das Heilsmittel, das der Leib Christi ist, am Ende vollbrachten Aufhebung und Verklärung ins ewige Sein, nicht nur in genere den Boden zu bereiten und die Voraussetzungen zu liefern, sondern mehr noch in specie Raum zu schaffen und Vorschub zu leisten.
Im Bemühen um gleichermaßen die empirische Grundlegung und praktische Beförderung ihrer eigentlichen Zielsetzung, ihres himmlischen Zwecks, entwickeln sich die als Orden organisierten klösterlichen Kollektive zu Arbeitsgemeinschaften, arbeitsteiligen Kooperativen, die inmitten der allgemeinen sozialen Auflösung und der allgegenwärtigen politischen Umwälzungen ihren Mitgliedern ein relativ autarkes Dasein gestatten und die, weil sich ja die ganze Umgebung christianisiert und, sofern sie sich nicht überhaupt ihnen anschließt, sie zumindest doch als vorbildlich und ebenso erhaltenswert wie ehrfurchtgebietend ansieht, diesem ihrem autarken Dasein auch relative politische Autonomie, sprich, eine in der Paradigmatik und Sakrosanktheit ihrer Lebensführung begründete Unantastbarkeit und Ungestörtheit zugesteht.
Diese arbeitsgemeinschaftliche Struktur, das dem ora beigesellte labora, unterscheidet die klösterlichen Kollektive christlicher Machart von den Mönchsgemeinschaften buddhistischen Zuschnitts, so sehr im übrigen beide in ihrer, negativ gefasst, auf Weltflucht, positiv ausgedrückt, auf Überwindung der Welt abgestellten und das irdische Dasein einem Nachfolgegebot und Imitationsdekret, das es von Grund auf verwandelt, unterwerfenden Heilssuche übereinstimmen mögen. Anders als die klösterlichen Kollektive der frühen Christenheit, die selber für ihre materiellen Existenzbedingungen, für die weltliche Basis ihres in der Nachfolge Christi stehenden geistlichen Lebens sorgen und die deshalb im Turnus eines disziplinierten, von Müßiggang weit entfernten Daseins arbeiten und beten, sich um ihren irdischen Unterhalt kümmern und sich ihrer himmlischen Bestimmung widmen, weihen die Aschram-Gemeinschaften des Buddhismus das ganze Leben dem meditativen Streben nach Erlösung, der geistlichen Vorbereitung auf die große Freiheit, und verlassen sich, was ihren Unterhalt betrifft, auf die Mildtätigkeit, die Freigebigkeit ihrer laizistischen Umgebung, in die sie ausschweifen und in der sie vorsprechen, wenn sie materielle Bedürfnisse befriedigen müssen – weshalb denn auch diese Gemeinschaften gar nicht eigentlich als Kollektive gelten können, sondern so, wie der Aschram selbst den abstrakten Charakter einer asketischen Einsiedelei behält, wenig mehr sind als eine periodische und immer wieder in allgemeine Zerstreuung umschlagende Zusammenrottung einzelgängerischer Heilssucher, ein immer wieder dem Zerfall preisgegebenes Aggregat von Mönchen sans phrase.
Und der Grund für diesen wesentlichen, funktionsbedingt-organisatorischen Unterschied zwischen den beiden Gemeinschaftstypen liegt auf der Hand. Während die christlichen Klosterkollektive in einer historischen Situation entstehen und sich formieren, in der alles öffentliche Leben und alle staatliche Ordnung zum Teufel gegangen ist und nichts mehr herrschen als soziale Auflösung und politisches Chaos und in der deshalb auch die Losung der Zeit, das "Rette sich, wer kann", eine über die heilsperspektivisch-spirituelle Bedeutung nolens volens hinausgehende daseinspraktisch-materielle Konnotation hervorkehrt, treten die buddhistischen Mönchsgemeinschaften in einem historischen Milieu in Erscheinung, das bei all der ökonomischen Not und dem sozialen Elend, die es bereithält, doch aber eine relative politische Stabilität und Kontinuität staatlicher Ordnung beweist und in dem deshalb das "Rette sich, wer kann" auf seinen rein spirituellen Sinn beschränkt und konzentriert bleiben kann, weil – zumal in dem Maße, wie es im Blick auf die ökonomische Not und das soziale Elend um es herum eine quietistisch-palliative, herrschaftsdienlich-ordnungsförderliche Funktion gewinnt – seine Propagatoren und Anhänger darauf bauen können, dass eben jenes vergleichsweise intakte Milieu, die ständehierarchisch fortdauernde Gesellschaft, ihnen bei ihrem sie voll und ganz okkupierenden Weltfluchtgeschäft unter die Arme greift und mit Almosen und Stiftungen für ihren Lebensunterhalt Sorge trägt.
Im Klosterwesen der christlichen Gesellschaften treten Erscheinungen, die dem Typus der ausschließlich mit dem Heilserwerb befassten buddhistischen Mönchsgemeinschaft vergleichbar sind, nicht von ungefähr erst im hohen Mittelalter auf, als diese Gesellschaften auf Basis ihrer einzigartigen Kombination aus universal-feudaler Ordnung und lokal-kommerzieller Initiative genug ständehierarchische Stabilität, fronwirtschaftlichen Wohlstand und stadtkulturelle Zivilisation erreicht haben, um jenem anderen Gemeinschaftstyp das entsprechende Milieu, sprich, den nötigen materiellen Unterhalt und sozialen Rückhalt bieten zu können. Da erst kommt es auf dem Boden beziehungsweise im Rahmen der praktischen Notgemeinschaft aus den Anfängen, des ebenso sehr arbeitenden wie betenden, ebenso sehr mit seiner Daseinssicherung wie seiner Heilsaussicht befassten klösterlichen Kollektivs, zur Bildung von Bettelorden, von ausschließlich der Heilsperspektive sich weihenden und ihre materielle Versorgung der gläubigen Laiengesellschaft überlassenden besitz- und heimatlosen "jüngeren Brüdern" Christi, deren Auftreten unter den gegebenen historischen Umständen allerdings weniger als heilsreligiös-originäre Entwicklung, denn als reaktive Bewegung, als Einspruch gegen die mittlerweile vollzogene Verwandlung der klösterlich-notgemeinschaftlichen Einrichtung aus den Anfängen in ein quasifeudal-abteiliches Institut zu verstehen ist und deren Wirkung sich demgemäß auch in inneren Strukturreformen, in einer religiösen Erneuerung des traditionellen Ordenswesens erschöpft und weit entfernt von einem Paradigmenwechsel, einer Ersetzung des christlichen Klosterkollektivs durch einen neuen, der buddhistischen Mönchsgemeinschaft entsprechenden Typus bleibt.
Jedenfalls sorgt – um zum eigentlichen Thema und zu dem historischen Punkt, an dem die Darstellung angelangt ist, zurückzukehren! – das den gesetzlosen Zuständen und der Überlebensnot der ersten Jahrhunderte nach dem Untergang des Römischen Imperiums geschuldete klösterliche Kollektiv dafür, dass die zu ihm sich zusammenfindenden Nachfolger Christi, indem sie sich als Klerus mit den neu entstehenden territorialherrschaftlich-säkularen Gesellschaften vereinbaren und nach Maßgabe dieser Vereinbarung, wie einerseits den neuen Gesellschaften als kultische Mittler und moralische Zensoren zur Verfügung stehen, so andererseits die Anerkennung und mehr noch Gewährleistung ihrer strukturellen Apartheit, ihrer organisatorischen Sonderstellung durch die neuen Gesellschaften beanspruchen – dass die als klerikale Gemeinschaften mit den säkularen Gesellschaften einen zwieschlächtigen Organismus, einen korporativen Verbund bildenden Nachfolger Christi also ihre Sonderstellung nicht nur dynamisch, durch ihre exzentrische Orientierung, und nicht nur topisch, durch ihren exterritorialen Status, sondern auch und ebenso sehr ökonomisch, sprich, in der Weise geltend machen, dass diese ihre klerikalen Gemeinschaften in die sich neu formierenden säkularen Gesellschaften als weitgehend selbstgenügsame, weil selbstversorgende Gebilde, als autarke, auf der Basis ihrer kooperativ-arbeitsteiligen Reproduktionstätigkeit ohne nennenswerte Unterstützung durch den Gesamtorganismus lebensfähige Organe eingebettet sind.
So sehr sie sich von der feudalen Gesellschaft als Funktionäre, als in moralischer ebenso sehr wie in kultischer Hinsicht in Anspruch genommene Dienstleister vereinnahmt finden, so sehr bleiben sie dank ihrer ökonomischen Eigenständigkeit, ihrer weitgehenden Selbstversorgung, ihrer relativen Autarkie doch zugleich politisch unabhängige, daseinspraktisch nicht weniger als heilsperspektivisch selbstbestimmte, autonome Gemeinschaften, Gemeinschaften, die die Unantastbarkeit, die Sakrosanktheit, die mit ihrer kompensatorisch-kultischen Mittlerrolle und ihrer paradigmatisch-moralischen Lebensführung verknüpft ist, vor Gewalttaten und Übergriffen ihrer säkularen Nachbarn, ihrer feudalen Vertragspartner schützt und die unter diesem Schutz, den die Religionsübung ihnen gewährt, und auf der Grundlage eben jener Autarkie sich zwar nicht von der säkularen Gesellschaft und deren Sozialdynamiken beziehungsweise Organisationsweisen überhaupt abkoppeln, aus ihnen kurzerhand ausklinken, aber doch gegen sie verwahren und als eigenständiger Gemeinschaftstyp behaupten, sprich, eigene organisatorische Wege gehen und institutionelle Mechanismen ausbilden können.
Die einzige, ebenso unaufhebbare wie unmittelbare Abhängigkeit der klösterlichen Kollektive von der säkularen Gesellschaft besteht am Ende darin, dass erstere wegen ihrer geschlechtlichen Enthaltsamkeit, ihres Verzichts auf die biologische Reproduktion, auf Zuzug aus letzterer angewiesen, sprich, gezwungen sind, letztere als permanente Rekrutierungsbasis in Anspruch zu nehmen, die mönchischen Reihen immer wieder aus der Laienschar aufzufüllen. Aber weil die unter der Heilsperspektive stehende Gesellschaft das klösterliche Kollektiv als im Prinzip die paradigmatische Form menschlichen Zusammenlebens und ihre eigene Existenz als eigentlich eine Abweichung von der Norm, als ebenso sehr der moralisch-disziplinarischen Leitung wie der kultisch-kompensatorischen Heilung bedürftigen defizienten Modus ansieht, ist sie weit entfernt davon, aus dieser demographischen Abhängigkeit des klösterlichen Kollektivs von ihr Ansprüche beziehungsweise ein Recht auf Einflussnahme herzuleiten und betrachtet es vielmehr – aus der Perspektive der betroffenen Individuen selbst – als zu nichts als zu Dank verpflichtendes größtes Glück und – aus der Sicht der die Individuen entsendenden Familien oder Kommunen – als ihren Lohn in sich tragende höchste Ehre, die Klöster mit Personal versorgen zu dürfen.
So real die Abhängigkeit der klerikalen Gemeinschaft von der säkularen Gesellschaft also auch ist, sozial bleibt sie vollständig irrelevant und ändert nicht das Geringste an der weitgehenden ökonomischen Eigenständigkeit und darauf fußenden relativen politischen Unabhängigkeit, die jene mönchischen Gemeinschaften aus ihrer Entstehungsgeschichte, den katastrophalen historischen Umständen, unter denen sie sich bilden, mitbringen und die sie aufgrund ihrer sakrosankten Stellung in der säkularen Gesellschaft, aufgrund der kultischen Unentbehrlichkeit und moralischen Unanfechtbarkeit, die ihnen letztere konzediert, auch zu bewahren vermögen.
Im Glacis der relativ autonomen klösterlichen Gemeinschaften siedeln sich vornehmlich handwerklich tätige Laiengruppen an, mit denen die Gemeinschaften auf der Basis ihrer landwirtschaftlichen Produktion eine durch Tauschhandel vermittelte Symbiose eingehen, wobei sie dank des schriftkulturellen antiken Erbes, das sie verwalten, ihre eigene landwirtschaftliche Arbeit wie auch die der handwerklichen Laienbrüder produktionstechnisch zu fördern und zu verbessern vermögen.
Die eine relative politische Autonomie begründende weitgehende ökonomische Autarkie der klösterlichen Gemeinschaften, die zu ihrer dynamischen Exzentrik und topischen Exterritorialität hinzukommt und ihren durch jene beiden Eigentümlichkeiten konstituierten Sonderstatus in der weltlichen Gesellschaft im buchstäblichen Sinne unterfüttert – diese ökonomische Autarkie hat nun aber eine Konsequenz, die, so marginal und zufällig sie sich anfangs darbietet, sich doch zugleich dank der ihr innewohnenden triebkräftig-weiteren Implikationen als überaus folgenreich und – ganz ohne Übertreibung – revolutionär herausstellt. Dass die Klöster eigene kleine funktionsfähige Reproduktionssysteme bilden, dass sie sich als im Großen und Ganzen zur Selbstversorgung kapazitierte Wirtschaftsräume en miniature etablieren, eröffnet nämlich denen, die wieder Lebensmut fassen und sich – zwar mit der Heilsaussicht vor Augen, aber doch mit weltlichen Glücksverheißungen im Blick – als Laien neu im irdischen Dasein einrichten, im Prinzip die Möglichkeit, sich zwischen der Mitgliedschaft in der territorialherrschaftlich-säkularen Gesellschaft und der Verbindung mit der klösterlich-klerikalen Gemeinschaft zu entscheiden. Weil als funktionierende ökonomische Einheiten die klösterlichen Gemeinschaften den Laien die Chance bieten, auf ihrem Boden und in ihrem Rahmen zu arbeiten und sich ihren Unterhalt zu erwirtschaften, verfügen die letzteren im Prinzip über die Option, sich ihnen als Laienbrüder anzuschließen und zu unterstellen, statt sich der jeweiligen Territorialherrschaft zu unterwerfen und in die von ihr fronwirtschaftlich ausgebeutete und gewaltmonopolistisch verwaltete weltliche Gesellschaft als Untertanen eingliedern zu lassen.
Wohlgemerkt "im Prinzip" – denn tatsächlich ist diese Möglichkeit und Option so sehr mit geographischen Einschränkungen verknüpft und an berufliche Qualifikationen gebunden, dass sie sich eher als die Ausnahme denn als die Regel, eher als ein Glücksfall denn als der Normalfall darbietet. Erstens und vor allem nämlich besteht die Option nur in der unmittelbaren Nachbarschaft und Umgebung der klösterlichen Einsprengsel in das herrschaftliche Territorium, nur in dem engen Saum und marginalen Bereich, den der schirmende Arm oder, besser gesagt, die bannende Aura der klerikalen Gemeinschaft noch erfasst und als ein der Hochburg des Heilands zugehöriges Glacis aller säkularen Willkür und Anmaßung überhebt. Nur in diesen schmalen Randzonen der exterritorialen Freiräume, die als Pforten zum Himmel das mönchisch-unbeirrte Streben nach dem Heil in das irdische Territorium stanzt, nur in diesen Randzonen, vor denen die herrschaftliche Gewalt Halt macht, der Elan der territorialen Hoheit erlahmt, finden die Laien Schutz vor der Gewalt des Feudalherren, können sie sich seinem Frondienst entziehen, während sie überall sonst der weltlichen Herrschaft ausgeliefert sind, die sie in die neue, halb der notständischen Organisation des späten Imperiums entlehnte, halb aus den kriegsrechtlichen Strukturen der Stammeswanderungszeit übernommene Gesellschaftsordnung eingliedert und ihnen darin ihren durch die beiden Koordinaten der sozialen Zugehörigkeit und der professionellen Tätigkeit determinierten Platz zuweist.
Und zweitens sind es auch nicht Angehörige der breiten bäuerlichen Schichten, denen die Möglichkeit offen steht, sich dem feudalherrschaftlichen System und seiner territorialen Hoheit zu entziehen und statt dessen dem Schutz und Schirm des klerikalen Kollektivs zu unterstellen: Um diesen bäuerlichen Gruppen Flächen für ihre Arbeit, die Landbebauung, zur Verfügung zu stellen, sind die in die feudalen Territorien eingesprengten Besitzungen der klösterlichen Kollektive viel zu begrenzt, zumal diese Flächen ja von den Mitgliedern des Kollektivs selbst, den Mönchen, gemäß ihrer in der Ordensregel kodifizierten Lebenspraxis bereits ebenso qualifiziert wie diszipliniert bestellt werden. Vielmehr sind es vorzugsweise Spezialarbeiter, Angehörige aus handwerklichen Gruppen, die, weil die mönchischen Gemeinschaften nicht groß und beruflich diversifiziert genug sind, um durch ihre Arbeitsleistung alle mit dem Gemeinschaftsleben einhergehenden Bedürfnisse befriedigen zu können, Interesse beim klösterlichen Kollektiv und Aufnahme in das als laienbrüderlicher Appendix dem sakrosankten Bezirk des Klosters vorgelagerte Glacis finden.
Es ist also klar, dass die Option einer laienbrüderlichen Assoziation mit dem klösterlichen Kollektiv nur funktional ebenso wie lokal beschränkten und im Verhältnis zur Gesamtpopulation tatsächlich verschwindend kleinen Gruppen zu Gebote steht. So klein diese Gruppen aber auch sind, sie bilden sich, und die Symbiose, die sie mit der mönchischen Gemeinschaft eingehen, erweist sich als nach Maßgabe ihres Erfolges folgenreich. Um eine Symbiose stricto sensu, das heißt, um eine zum wechselseitigen Nutz und Frommen geknüpfte Verbindung, handelt es sich dabei in der Tat. Der Hauptnutzen für die mönchische Gemeinschaft besteht, wie gesagt, in der Komplettierung ihrer Selbstversorgung, der Befestigung ihrer die relative politische Autonomie begründenden weitgehenden Autarkie. Dadurch, dass sie Laien in ihren Vorwerken wohnen und den Schutz der heiligen Stätte genießen lassen, um sich mit ihnen zu einer, wie man will, koexistenziellen Arbeits- oder kooperativen Lebensgemeinschaft zusammenzufinden, verschaffen sie sich ein subsistenzielles Potenzial, das sie aus Eigenem niemals auf die Beine zu stellen vermöchten, ein Potenzial, das sich in seiner vorwiegend handwerklichen Ausrichtung als gleichermaßen nützlich für die Ausstattung des klösterlichen Kollektivs mit Arbeitsmitteln, Werkzeugen, und für seine Versorgung mit Befriedigungsmitteln, mit Einrichtungs-, Haushalts- und Ritualgegenständen, erweist. Und sein Nutzen muss für umso größer gelten, als ja dem in der Nachfolge Christi wandelnden und dessen ebenso gewaltloser wie von Herrschaftsansprüchen freier Lebensweise verpflichteten klösterlichen Kollektiv die der feudalen Herrschaft gegebene Möglichkeit zur Zwangsrekrutierung und fronwirtschaftlichen Ausbeutung von Arbeitskräften – in diesen frühen Zeiten zumindest –verschlossen bleibt und das Kollektiv also gar keine Chance hätte, sich auf anderem Wege als dem der gütlichen Einigung und Verbindung zu einer Interessengemeinschaft eine personale Verstärkung diesseits der vollen Ordination aus der umgebenden säkularen Gesellschaft zu verschaffen.
Und auf der anderen Seite ist es genau diese ihre gütliche Verpflichtung und interessenbestimmte Rekrutierung, worin für die Laien der wesentliche Nutzen und die Hauptattraktion ihrer ökonomischen Arbeitsgemeinschaft und darauf fußenden politischen Assoziation mit dem klerikalen Kollektiv besteht: Sie entrinnen damit jener Zwangsrekrutierung und fronwirtschaftlichen Ausbeutung, die unter der territorialen Herrschaft ihr Los ist, und gehen statt dessen eine Beziehung ein, bei der die Zwangsrekrutierung einer vertraglichen Vergütung weicht, an die Stelle der Ausbeutung Austausch tritt, die kompensationslose Leistung durch eine relative Gegenleistung aufgehoben, die einseitige Beanspruchung in eine wechselseitige Begünstigung überführt erscheint.
Nicht, dass nicht auch die feudale Herr-Knecht-Beziehung für sich reklamierte, eine Beziehung auf Gegenseitigkeit und zum wechselseitigen Vorteil, kurz, ein Verhältnis des Do ut des zu sein. Tatsächlich gibt es keine Verbindung zwischen Menschen, und schon gar nicht zwischen Gruppen von Menschen, die, wenn sie nur einigermaßen von Dauer und Bestand sein will, ohne die Institution oder zumindest die Suggestion eines Do ut des, eines wechselseitigen Leistungsverhältnisses auskommt! Bei der feudalen Herr-Knecht-Beziehung freilich erweist sich, schaut man genauer hin, dieses wechselseitige Leistungsverhältnis doch eher als gewalttätig-zirkelhafte Erschleichung. Was die Herren den Knechten als Gegenleistung für ihre Frondienste bieten, ist militärischer Schutz und politische Sicherheit, Landfrieden und zivile Ordnung. Diesen Schutz und diese Sicherheit aber bieten die Herren den Knechten im Wesentlichen ja vor sich und ihresgleichen, vor den Angriffen und Einfällen ihrer Standesgenossen aus anderen Territorien und vor ihren eigenen Übergriffen und Willkürakten im Innern. Die Gefahren, vor denen sie die Untertanen schützt, beschwört die feudale Herrschaft durch ihre eigene Existenz herauf, die Sicherheit, die sie ihnen bietet, muss sie gegen die eigene Unberechenbarkeit und Asozialität durchsetzen.
Die einzige positive, nicht in der Unterdrückung der eigenen Aggressivität sich erschöpfende Leistung der feudalen Herrschaft besteht so am Ende darin, dass ihre Vertreter den in klösterlichen Kollektiven organisierten und im Rahmen der säkularen Gesellschaft als klerikales Corpus etablierten Nachfolgern Christi eine unantastbare, sakrosankte Existenz konzedieren beziehungsweise sogar aktiv Schutz und Förderung angedeihen lassen und sich damit denn auch um die Heilsperspektive ihrer Untertanen verdient machen, sprich, dafür Sorge tragen, dass letztere ungestörten Zugang zum Klerus haben und regelmäßigen Umgang mit ihm pflegen können, um in den Besitz jener kultischen und moralischen Segnungen zu gelangen, die unabdingbar für den Gewinn des künftigen Heils, des ewigen Lebens, sind.
Aber diese Segnungen erhalten jene kleinen Gruppen von Untertanen, denen die räumliche Affinität zu den klösterlichen Kollektiven beziehungsweise die berufliche Attraktivität für sie ermöglicht, sich ihrem Schutz und Schirm zu unterstellen und quasi an ihrer Sakrosanktheit teilzuhaben, sich mit anderen Worten dem feudalen Untertanenstatus, der sonst ihr Los wäre, zu entziehen – diese Segnungen erhalten jene kleinen Gruppen ja nun direkt und ohne dafür die Zwangsrekrutierung und fronwirtschaftliche Ausbeutung durch die feudale Herrschaft in Kauf nehmen zu müssen. Frei vom politischen Zugriff und den ökonomischen Forderungen der feudalen Herrschaft, können sie mit den klösterlichen Kollektiven eine Symbiose pflegen, die, abgesehen vom bloß negativen Gewinn ihrer politischen und ökonomischen Freisetzung, ihnen mehr noch ein offenkundiges Positivum, nämlich die Ersetzung der Pseudoreziprozität des herrschaftlichen Verhältnisses durch wirklichen Austausch, durch eine echte, Leistung mit Gegenleistung kompensierende Beziehung zum wechselseitigen Nutzen bringt.
Und diese positive Austauschbeziehung beschränkt sich nicht auf die spirituellen Gegenleistungen, mit denen die Mönche den laienbrüderlichen Beitrag zur Erhaltung des klösterlichen Kollektivs honorieren, erschöpft sich nicht darin, dass das klösterliche Kollektiv die materiellen Dienste, die ihm sein laizistischer Anhang leistet, natürlich zuvörderst und mit Lust durch jene kultischen und moralischen Segnungen vergilt, die es im Übrigen ja auch für die säkulare Gesellschaft insgesamt bereithält und durch die es seine territoriale Eigenständigkeit und politische Unabhängigkeit im Rahmen der säkularen Gesellschaft rechtfertigt. Die Austauschbeziehung erstreckt sich vielmehr ebenso wohl aufs rein Materielle, da das klösterliche Kollektiv aufgrund der erwähnten historischen Umstände, die es ins Leben rufen, ja nicht nur betet, nicht nur seiner himmlischen Bestimmung lebt, sondern auch arbeitet, dies himmlisch bestimmte Leben durch eigenhändig-irdische Anstrengung fristet und unterhält, und da es diese, vornehmlich der fundamentalen Versorgung, der Lebensmittelerzeugung durch Landbau, geltende irdische Anstrengung und eigenhändige Arbeit, unabgelenkt durch sonstige irdische Begierden oder Interessen und gewöhnt an die Disziplin und Ordnung monomaner Zielgerichtetheit, mit so viel Erfolg unternimmt, dass der Lohn der Anstrengung, die Frucht der Arbeit den mönchischen Eigenbedarf, das zur Erhaltung des klösterlichen Kollektivs selbst Notwendige bald schon ebenso zunehmend wie zuverlässig übersteigt.
Dieser produktive Überschuss steht nun also, da die auf Verzicht und Armut, auf Entsagung und Askese gegründete Lebensweise der Mönche seine Verwendung als Überfluss, seinen quasiherrschaftlichen Konsum verbietet und ausschließt, dem laienbrüderlichen Anhang der klösterlichen Gemeinschaft als Gegenleistung für die vornehmlich spezialisiert-handwerklichen Leistungen, die er für letztere erbringt, zur Verfügung und begründet recht eigentlich die Symbiose zwischen beiden Gruppen, ihr reales, beiden zum wechselseitigen materiellen Nutzen gereichendes Austauschverhältnis. Indem die Laienbrüder für die Klostergemeinschaft vornehmlich handwerkliche Arbeiten verrichten, tun sie dies nicht in Fronarbeit, finden sie sich mit anderen Worten nicht mit Gegenleistungen abgefunden, deren Zirkelschlüssigkeit darin besteht, dass sie ihnen im Grunde nichts weiter bieten als die Möglichkeit, ihre Arbeit in Frieden und ungestört zu verrichten, und erschöpfen sich die Gegenleistungen auch nicht im Spirituellen, nicht in der kultischen Sanierung und moralischen Aufrüstung, die ihnen hinsichtlich des heilsperspektivisch letzten Zwecks ihres Daseins zuteil wird, sondern sie können mehr noch erwarten, im realen Austausch für ihre materiellen Leistungen von der Klostergemeinschaft eine nicht minder materielle Kompensation zu erhalten, eine Kompensation, die sich an dem in materiellen Tauschhandelsbeziehungen seit jeher gültigen empirischen, will heißen, auf den erfahrungsgemäßen Vergleich der zur Produktion der Sachen jeweils aufgewandten leiblich-seelischen Kräfte, auf ein Gleichgewicht zwischen Verausgabung von Kraft und Kraftschöpfen gerichteten Äquivalenzprinzip bemisst.
Und zu dem spirituellen Gewinn und dem materiellen Nutzen, die im Unterschied zur territorialherrschaftlich-fronwirtschaftlichen Arbeit den Laien ihre unter dem Schutz und Schirm der Klostergemeinschaft geleistete und auf diese bezogene Arbeit bringt, kommt noch ein weiterer nicht zu verachtender Vorteil hinzu, der das betrifft, was man als den industriellen Aspekt solcher Arbeit bezeichnen könnte. Er ergibt sich aus der Tatsache, dass die mönchischen Kollektive als die einzige Einrichtung, die sich direkt und in toto aus den Zeiten des Römischen Reiches herleitet und in einer Art von historischer Kontinuität aus der imperialen Vergangenheit in die feudale Gegenwart hinüberreicht, wegen ihrer in der monotheistischen Schriftgläubigkeit, dem Glauben an die Heilige Schrift, an die Schrift als authentische göttliche Ausdrucks- und Mitteilungsform begründeten schriftkulturellen Orientierung, um nicht zu sagen, literaten Fixierung als Erbe und Verweser all dessen firmieren, was das Römische Reich und die wiederum von ihm beerbten anderen mittelmeerischen Kulturen an Bildung, Wissenschaft und Technik aufzuweisen hatten – jedenfalls soweit diese Erbschaft in schriftlicher Form niedergelegt und festgehalten wurde und soweit sie, nicht zuletzt dank der mönchischen Schriftgläubigkeit, die Wirren und Zerstörungen des imperialen Konkurses überlebt hat.
Nicht, dass die mönchischen Kollektive auf diese zivilisatorische Erbschaft von Haus aus besonderen Wert legten, auf ihre Überlieferung und Pflege besonders erpicht wären! Es ist vielmehr ihre der Tatsache, dass seit der Zeit des Exils, seit dem Verschwinden Gottes in einer einzig und allein noch durch die messianische Präsenz revozierbaren gnostischen Absenz, das Gotteswort ausschließlich Schriftform hat, geschuldete Schriftgläubigkeit ganz allgemein, die sie nötigt, jedwede schriftlichen Zeugnisse der zugrunde gegangenen Zivilisation, Schriftzeugnisse welcher Art auch immer, aufzubewahren und ihren Bibliotheken einzuverleiben. Ihr Interesse finden von Haus aus nur die heiligen Schriften selbst und deren Exegesen durch Angehörige des klerikalen Corps. Wenn sie die anderen, profanen, irdischen Angelegenheiten gewidmeten Schriften studieren, dann nur, um darin weitere Belege für die Wahrheit des Gotteswortes, prophetische, philosophische, moralische Bestätigungen für den Heilsprozess zu finden, den Gott mit der Geschichte seines auserwählten Volkes und dem Leben und Sterben seines eingeborenen Sohnes gewirkt hat.
Immerhin aber gelangen sie auf diese Weise dazu, das in ihren Klöstern versammelte profane Schrifttum in Augenschein zu nehmen, und hier erweist sich nun unter den besonderen Bedingungen, unter denen sie leben, unter den Bedingungen eines Daseins, das sie nur dann der himmlischen Perspektive, der spirituellen Erlösung verschreiben können, wenn sie zugleich selber für seine irdische Erhaltung, seinen materiellen Unterhalt Sorge tragen, die praktische Brauchbarkeit jener Erbschaft der zugrunde gegangenen Zivilisation. So gewiss sich die Mönchskollektive unter den gegebenen Umständen nicht ausschließlich dem Orare, dem Denken ans ewige Leben, weihen können, sondern auch und zugleich mit dem Laborare, der Sorge fürs zeitliche Dasein, befasst sind, so gewiss erkennen sie die Tauglichkeit jener um Themen wie Agronomie und Gartenbau, Hauswirtschaft, Pflanzen- und Heilkunde, Mathematik, Astronomie, Mechanik und Baukunst kreisenden profanen Schriften wenn schon nicht für den letzten Zweck des Oratoriums, des lebenspendenden Gottesdienstes, so doch für die näheren Absichten des Laboratoriums, der daseinserhaltenden Selbstversorgung.
Was sie aus jenen Schriften erfahren, was das in ihnen niedergelegte Wissen sie lehrt, taugt allgemein gesprochen dazu, ihre Daseinsbedingungen zu verbessern, ihren Lebensstandard zu heben, ist spezifischer gesagt dazu angetan, ihnen durch die astronomisch detaillierte Antizipation des jahreszeitlichen Zyklus und die kalkulatorisch fundierte Planung der in seinem Verlauf zu erbringenden Arbeitsleistungen eine zuverlässigere und effektivere Organisation ihrer ökonomischen Aktivitäten zu ermöglichen, sie beim Bau von Kult-, Wohn- und Nutzgebäuden anzuleiten und auf geometrische Konstruktionsmethoden und architektonische Lösungen verfallen zu lassen, sie mit Werkzeugen, Meliorisationsverfahren, Kulturen und Anbautechniken bekannt zu machen und ihnen Formen der Verarbeitung und Konservierung von Nahrungsmitteln und der Vorratswirtschaft und Haushaltsführung nahezubringen, ihren biologischen Stoffwechsel zu regulieren und ihre Widerstandskraft gegen Krankheiten beziehungsweise ihre Heilaussichten bei Siechtum und Verletzungen zu erhöhen.
Ihre eigentlich nur ad majorem gloriam dei gedachte, unter den gegebenen Umständen aber der eigenen Lebensführung zugute kommende Beschäftigung mit der wissenschaftlich-technischen Hinterlassenschaft der untergegangenen Zivilisation hat zur Folge, dass die klösterlichen Kollektive einen industriellen Entwicklungsschub durchmachen, der ihnen in qualitativer ebenso wie in quantitativer Hinsicht, in Sachen Erfindungsreichtum ebenso wie in punkto Produktivkraft einen klar erkennbaren Vorsprung vor ihrer feudalherrschaftlich-säkularen Umgebung verschafft und sie vor dem Hintergrund der fronwirtschaftlichen Organisationsformen und herkömmlichen Produktionsprozesse der letzteren als ebenso effektive Musterbetriebe wie progressive Versuchsanstalten ausweist. Und von diesem dem Entwicklungspotenzial des antiken Erbes entspringenden industriellen Vorsprung profitiert nun natürlich auch das laienbrüderlich-handwerkliche Glacis der Klosterkollektive, sei's indirekt dadurch, dass die Laien sich an dem Tun der Mönche ein Beispiel nehmen und sich Verfahrenstechniken, Produktionsmittel und Produktformen bei ihnen abschauen, sei's direkt dadurch, dass sie vom Wissensfundus der Mönche zehren und sich bei ihnen Anregungen und Hilfen für die Herstellung praktischer Apparaturen, die Erfindung mechanischer Werkzeuge und die Lösung technischer Probleme holen können.
Des spirituellen Gewinns gewiss, den der direkte kultische und moralische Einfluss der klerikalen Gemeinschaft ihnen im Blick auf ihr himmlisches Leben beschert, und des materiellen Nutzens teilhaftig, den der Güteraustausch mit dem Landwirtschaft treibenden Klosterkollektiv ihnen in Ansehung ihres irdischen Daseins bringt, können die unter dem Schutz und Schirm der klösterlichen Institution niedergelassenen Laiengruppen sich auf ihre diversen, handwerklich spezialisierten Arbeiten konzentrieren und dank teils des praktischen Vorbilds, teils des theoretischen Beistands der Mönche Produkte kreieren und Produktionsniveaus erreichen, die in qualitativer wie in quantitativer Hinsicht weit übertreffen, was das in Sachen Arbeitsmoral, Spezialisierung und technischem Know-how mit Abstand primitivere Umfeld, die feudal verfasste, säkulare Gesellschaft zustande bringt.
Die produktivitätsbedingten Überschüsse, die die klösterlich fundierten handwerklichen Produzentengemeinschaften erzielen, rufen die mit dem Imperium zugrunde gegangene kommerzielle Funktion erneut auf den Plan. Diese ist aber nun keine aus herrschaftlichen Verhältnissen herausprozessierte und mit Hilfe eines aristokratischen Moments von territorialer Herrschaft eine handelsstädtisch-handwerkliche Produzentengemeinschaft kreierende Einrichtung, sondern jetzt präsentiert sie sich umgekehrt als die Kreation einer im herrschaftlichen Kontext dank klösterlicher Autonomie spontan ins Leben tretende Gemeinschaft handwerklicher Produzenten.
Und die Folge dieses in qualitativer wie in quantitativer, in produktspezifischer wie in produktionseffektiver Hinsicht avancierten Produktionsniveaus sind gefragte Güter in überschüssiger Menge, die weder von der auf ein bedürfnislos einfaches Leben, auf subsistenzielle Bescheidung eingeschworenen mönchischen Gemeinschaft als Tauschobjekte in Anspruch genommen noch von einer als Fronherr bereitstehenden Feudalherrschaft als Überfluss mit Beschlag belegt werden und die deshalb, um dennoch von Nutzen zu sein, nach einem anderen, in den langen Wirren des imperialen Konkurses und der postimperialen Konkursabwicklung fast zum Erliegen gekommenen, fast verschwundenen gesellschaftlichen Mechanismus, der kommerziellen Funktion, verlangen. Sollen die von einer Erfindungsgabe und einer Produktivkraft, denen das antike Erbe auf die Sprünge hilft, erzeugten überschüssigen Güter nicht nutzlos produziert werden, so müssen sie an den Mann und an die Frau gebracht werden. Und zwar – da ja in diesen durch die klösterlichen Exklaven fundierten Freiräumen die im Übrigen herrschende Form fronwirtschaftlicher Exploitation und territorialherrschaftlicher Expropriation außer Geltung ist – nach dem gleichen Modus, nach dem sie auch im Rahmen eben jenes Freiraums an den Mann beziehungsweise den Mönch gebracht werden: mittels sächlicher Transaktionen, Gütertausch.
Dabei ist freilich von Anfang an klar, dass solche zur Nutzung des gleichermaßen qualitativen und quantitativen Überschusses, den der klösterliche Freiraum produziert, erforderlichen Transaktionen nicht auf dem Niveau des in letzterem selbst praktizierten einfachen, unmittelbaren Tauschhandels verharren und nicht nach seinem Muster vor sich gehen können. Zu groß nämlich sind die räumlichen Entfernungen, die überwunden werden müssen, und zu kompliziert die gesellschaftlichen Beziehungen, die geknüpft und unterhalten werden müssen, um die Transaktionen statthaben und von Erfolg gekrönt sein zu lassen, als dass der im klösterlichen Wirtschaftsraum eingebürgerte unmittelbare Gütertausch der Situation noch gerecht werden könnte. In der Klostergemeinschaft selbst, die in ihrer mit den handwerklichen Laiengruppen etablierten Symbiose bereits ausreichend versorgt und in ihrer kargen Lebensweise auch nicht weiter bedürftig ist, lassen sich nämlich für die dank des Erfindungsgeists und der Produktivkraft, die das antike Erbe nährt, wachsenden Überschüsse, eben weil es Überschüsse sind, keine Abnehmer finden. Im Gegenteil, die Klostergemeinschaft verschärft den durch die handwerkliche Überschussproduktion erzeugten und in Richtung Austausch wirkenden Druck noch dadurch, dass sie in ihrem ebenfalls durch das antike Erbe inspirierten landwirtschaftlichen Betrieb ihrerseits Überschüsse produziert, die, um nicht unnütz erzeugt worden zu sein und den menschlichen Sinn fürs Haushalten mit den eigenen Fähigkeiten und Kräften nicht zu frustrieren und zu demotivieren, nach Austausch verlangen.
Und ebenso wenig erwarten lässt sich, dass die vom mustergültigen Wirtschaftsraum der klösterlichen Kollektive produzierten Überschüsse in den angrenzenden Territorialherrschaften absetzbar sind, da dies ja entsprechende, durch ihre qualitative Beschaffenheit nicht weniger als durch ihr quantitatives Vorhandensein als Tauschobjekte taugliche Überschüsse bei den territorialen Nachbarn voraussetzte, die aber das besagte Produktivitätsgefälle zwischen den beiden Wirtschaftsräumen, die Tatsache, dass technisch avancierte, ihre Selbstversorgung in eigener Regie und mit der Intensität, die eine vom Ingenium geleitete Arbeit gestattet, betreibende Gemeinschaften technisch rückständigen, ihren Unterhalt auf den extensiven Einsatz und die gedankenlose Ausbeutung fremder Arbeitskraft gründenden Herrschaften gegenüberstehen, praktisch ausschließt.
Die klösterlichen Gemeinschaften beziehungsweise die an sie angelehnten laizistischen Gruppen müssen also, wenn sie ihre Überschüsse in der gewohnten Weise, per modum des Austauschs, loswerden wollen, weiter ausgreifen, über die benachbarten herrschaftlichen Territorien hinausgelangen, um sei's in anderen, ähnlich avancierten, ins territorialherrschaftliche Gelände eingesprengten, klerikal fundierten Exklaven, sei's in entfernten, durch andere Produkte oder günstigere Produktionsbedingungen ausgezeichneten Regionen die für den Absatz ihrer Überschüsse erforderlichen Tauschobjekte ausfindig zu machen. Und sie müssen, um ihre überschüssigen Produkte gegen Güter tauschen zu können, an denen es ihnen mangelt oder nach denen es sie verlangt, nicht nur räumlich ausgedehnte Transporte und zeitlich längere Reisen in Kauf nehmen, sie müssen mehr noch damit rechnen, dass sie erst auf Umwegen, sprich, mittels eines mehrere Stationen durchlaufenden Ringtauschs, an Tauschobjekte gelangen, die als Gebrauchsgegenstände beziehungsweise Bedürfnisbefriedigungsmittel ihr eigenes Interesse erregen. Sie müssen mit anderen Worten damit rechnen, dass sie zwar in der Ferne auf Leute stoßen, die mit den Überschüssen, die sie mitführen, etwas anfangen können, dass die Tauschobjekte, die diese Leute anzubieten haben, aber nicht notwendig und vielmehr nur im Ausnahmefall solche sind, mit denen wiederum sie etwas anfangen können, und müssen deshalb darauf vorbereitet sein, mit jenen, sie selber nicht interessierenden Gütern, die sie eingetauscht haben, ihre Handelsfahrt fortzusetzen, auf der Suche nach wiederum anderen Gütern, mit denen sie vielleicht auch nichts anfangen können, die sich aber an einem dritten Ort als austauschbar gegen Güter erweisen, die tatsächlich für sie als Mangelware oder akutes Befriedigungsmittel in Betracht kommen.
Die Bewältigung dieser ebenso sehr räumlich-zeitlich erschwerten wie prozesstechnisch komplizierten Tauschsituation erfordert nun aber die Einführung zweier Neuerungen, die das vor Ort des klosterzentrierten Wirtschaftsraums geübte unmittelbare Tauschsystem definitiv sprengen und die freilich, insofern sie nichts weiter bewirken als die Überführung jenes unmittelbaren Tauschs in den vermittelten Austausch, den die zugrunde gegangene antike Zivilisation als kommerzielle Transaktion kannte und praktizierte, sich zugleich als Neuerungen dementieren und als simple Wiederherstellung eines zwischenzeitlich, in den Wirren des imperialen Konkurses, verloren gegangenen Status quo ante zu erkennen geben.
Zum einen nämlich impliziert die räumlich-zeitliche Erschwerung der Tauschbeziehungen die Notwendigkeit, das ganze Geschäft von den Produzenten selbst auf Mittelsleute zu übertragen, die damit befasst sind, die Tauschbeziehungen zu knüpfen und aufrechtzuerhalten, den Transport und Vertrieb der Tauschobjekte ins Werk zu setzen und durchzuführen, kurz, die Sorge um die kommerzielle Nutzung der Überschüsse zu ihrer, sie als ihre Spezialaufgabe hauptberuflich okkupierenden Sache zu machen. Es bildet sich mit anderen Worten ein Stand von Händlern oder Kaufleuten, deren Profession es ist, zwischen den klösterlichen Exklaven beziehungsweise den avancierten Wirtschaftsräumen, die sich um sie herum formieren, und den vereinzelten territorialen Regionen, in denen klimatisch, geographisch oder biologisch besondere Gegebenheiten für natürlichen Überfluss sorgen, eine Verbindung herzustellen und zu halten, um auf den geschaffenen Verbindungswegen, den bald schon alle herrschaftlichen Territorien durchziehenden Handelsrouten, die in jenen industriell avancierten Wirtschaftsräumen und von der Natur begünstigten Regionen erzeugten Überschüsse zu vertreiben und sie am jeweils anderen Ort ihre Abnehmer finden, sprich, sich nach Maßgabe der lokal und regional verschiedenen Bedürfnisse und Versorgungslage gegeneinander austauschen zu lassen.
Es kommt, wenn man so will, zu einer Wiederholung der in den frühen Zivilisationen, dem vorklassischen Altertum, statthabenden Entwicklung, in deren Verlauf Handelsfahrer, reisende Kaufleute, zwischen den verschiedenen Territorialherrschaften hin und her pendeln, um die Überschüsse der einen Herrschaft, die von einer anderen Herrschaft als Befriedigungsmittel goutiert beziehungsweise als Mangelware begehrt werden, gegen Überschüsse dieser anderen Herrschaft auszutauschen, die wiederum der ersteren als Befriedigungsmittel oder Mangelware zusagen – wobei jene Kaufleute anfangs nur als Kommissionäre und Beauftragte, als Diener und Faktota der einen oder anderen Herrschaft agieren, in dem Maße aber, wie sie kommerziellen Reichtum in eigenen Händen akkumulieren, Selbständigkeit und eine von territorialherrschaftlicher Beauftragung oder Bevormundung relativ dispensierende Bewegungsfreiheit gewinnen und mittels des in ihren Händen akkumulierten kommerziellen Reichtums direkte, nicht mehr territorialherrschaftlich kontrollierte beziehungsweise fronwirtschaftlich vermittelte Austauschbeziehungen zu Produzentengruppen aufbauen, bis schließlich in Regionen, wo der territorialherrschaftliche Einfluss und Zugriff aus Gründen der räumlichen Distanz, der geographisch geschützten Lage oder der ethnisch-politischen Eigenart der Betreffenden schwach ist und wo zugleich die Bedingungen für ein weitgespanntes Handelsnetz günstig sind, an Küsten und auf Inseln, die am Rande der Territorialherrschaften beziehungsweise in ihren Übergangszonen liegen – bis also schließlich dort im dynamischen Kraftfeld beziehungsweise Kristallisationspunkt der kommerziellen Funktion Produzentengemeinschaften entstehen, die sich in relativer ökonomischer Selbstbestimmtheit und politischer Unabhängigkeit zu behaupten vermögen und einen von den fronwirtschaftlichen Territorialherrschaften, die bis dahin die Norm bilden, markant verschiedenen, wenn auch mit ihnen ökonomisch kontrahierenden und sich politisch arrangierenden neuen Gesellschaftstyp, die antike Handelsstadt, ins Leben rufen.
Jene politisch-ökonomisch so überaus folgenreiche Gruppe von Händlern und Kaufleuten tritt also unter den postimperialen, feudalgesellschaftlichen Bedingungen erneut in Erscheinung, nur dass jetzt die von fronwirtschaftlicher Ausbeutung relativ dispensierte und der territorialherrschaftlichen Bevormundung relativ entzogene Produzentengemeinschaft keineswegs das Resultat oder, wenn man so will, den Effekt und Ausfluss, sondern im Gegenteil die Voraussetzung und in der Tat den Grund und Anlass der kommerziellen Aktivitäten bildet. Die von fronwirtschaftlicher Ausbeutung und territorialherrschaftlicher Kontrolle relativ freie Produzentengemeinschaft im Rahmen feudalgesellschaftlicher Verhältnisse ist mit anderen Worten nichts, was durch das Wirken der kommerziellen Funktion erst aus den feudalgesellschaftlichen Verhältnissen herausprozessiert und als deren paradoxes Geschöpf zustande gebracht werden müsste, sondern sie ist eine unabhängig von den feudalgesellschaftlichen Verhältnissen und wie von selbst sich einstellende, unmittelbare Gegebenheit, die nun umgekehrt nach der kommerziellen Funktion verlangt und diese quasi aus dem Hut ihres produktiven Tuns und Beginnens hervorzaubert.
Und unmittelbare Gegebenheit und damit quasi natürliche Voraussetzung für das Wiederaufleben kommerzieller Aktivitäten ist die unter feudalgesellschaftlichen Verhältnissen wie von selbst entstehende Produzentengemeinschaft nun auch nicht etwa in der Gestalt, die sie in der Antike hatte, als ein ebenso prekäres wie peripheres Gebilde, eine an den Rändern und in den Interstitien der herrschaftlichen Territorien sich einnistende Abnormität, eine sich gegen die Allmacht der territorialen Herrschaft nur mühsam verwahrende Eigenheit, sondern jetzt ist sie ein inmitten der herrschaftlichen Territorien allenthalben raumgreifender Sonderfall, eine in den feudalen Herrschaftszusammenhang, wie man will, eingebettete oder eingesprengte und die Regel feudaler Herrschaft ebenso sehr systemisch-generell bestätigende wie empirisch-individuell bestreitende und in diesem Sinne ihrerseits regelmäßige Ausnahme. Anders als die von der Fronwirtschaft befreiten antiken Produzentengemeinschaften, die, weil sie durch das Wirken der kommerziellen Funktion aus dem territorialen Herrschaftszusammenhang quasi herausgesprengt werden und sich ihm gegenüber behaupten müssen, von den territorialen Herrschaften auch nur als unbezwingliche Kontrahenten akzeptiert beziehungsweise als nützliche Lieferanten toleriert werden, finden sich die von der Fronwirtschaft ausgenommenen postimperialen Produzentengemeinschaften neuen Typs, weil sie dank ihrer Symbiose mit den die Territorien allenthalben perforierenden Pforten zum Himmel, den sakralen Bereichen der Klosterkollektive, in den territorialen Herrschaftszusammenhang quasi eingesprengt und in seiner Mitte sicher aufgehoben sind, von den territorialen Herrschaften als in die territoriale Sonderstellung der Klosterkollektive einbezogene und an deren Selbsterhaltungsunternehmen partizipierende Laiengruppen respektiert beziehungsweise sanktioniert.
Damit ist der entscheidende Grund und tragende Boden für die sowohl die dynamisch-systematische Anordnung der Elemente, die Geschehensabfolge, als auch die topisch-phänomenologische Beschaffenheit des Ereignisses, die Erscheinungsweise, betreffende Differenz benannt, in der sich die Produzentengemeinschaft neuen Typs gegenüber der Produzentengemeinschaft der antiken Handelsstadt präsentiert: Es ist die Existenz jener klösterlichen Bezirke, jener klerikalen Exklaven, die den Produzentengemeinschaften gleichermaßen als neutrales Entstehungsmedium und als katalytisches Prozessferment dienen und in deren Schatten beziehungsweise unter deren Schutz und Schirm die letzteren sich quasi naturwüchsig, als durch die günstigen Lebens- und Wachstumsbedingungen, die das neutrale Medium und katalytische Ferment ihnen bietet, ebenso sehr beförderte wie herausgeforderte zwanglose Form gesellschaftlicher Reproduktion entwickeln können.
Dieses neutrale Medium und katalytische Ferment, diese klösterliche Vitrine oder Retorte, worin sie entstehen und gedeihen, erspart der Produzentengemeinschaft postimperialen Typs zugleich jene soziale Zwieschlächtigkeit, von der die antike Produzentengemeinschaft am Ende zerrissen wird, jene politische Kompromissbildung, die der Polis letztlich zum Verderben gereicht. Weil die alte Produzentengemeinschaft erst mühsam durch die kommerzielle Funktion aus dem territorialherrschaftlichen Kontext, als dessen integrierendes Moment, dessen Faktor oder Faktotum die letztere selbst von Haus aus firmiert, herausprozessiert werden muss, bleibt, um jene von der kommerziellen Funktion inszenierte Emanzipationsbewegung zu einem glücklichen Abschluss zu bringen und für die von der territorialen Herrschaft emanzipierte neue Gemeinschaft eine bleibende Bühne, einen haltbaren Zufluchtsort und Freiraum zu finden, den Akteuren gar nichts anderes übrig, als ein wie immer peripheres beziehungsweise marginales Stück des territorialherrschaftlichen Kontextes für sich zu gewinnen und auf ihre Seite zu ziehen, sich mit diesem territorialen Teil gegen das Ganze zu verbünden und es in ein Bollwerk gegen alle eventuellen Rekuperations- und Redintegrationsgelüste des Ganzen umzufunktionieren. Dem die Emanzipationsdynamik entfesselnden und die Produzentengemeinschaft neuen Typs ins Leben rufenden kommerziellen System bleibt, eben weil es von Haus aus oder an sich nur funktionelles Moment des territorialherrschaftlichen Komplexes ist, gar nichts anderes übrig, als mit einem aus geographischen, demographischen oder ethnischen Gründen zum Partikularismus disponierten Segment des Komplexes zu komplizieren und dieses Segment zu einer sich gegenüber dem Gesamtkomplex behauptenden Basis seines dauerhaften Bestehens und seines dank der neuen Produzentengemeinschaft, die hier ihre Heimstatt findet, erfolgreichen Wirkens werden zu lassen.
Keine antike Handelsstadt, für die nicht diese Verbindung aus treibendem kommerziellem Element und tragendem territorialem Fundament konstitutiv wäre! Keine Polis oder Urbs mit anderen Worten, die ohne Einbettung in ein aristokratisch-grundherrschaftliches Milieu und ohne das gemeinschaftsdienliche Engagement, die liturgische Unterstützung dieser dem theokratisch-territorialherrschaftlichen Komplex entrissenen, in einen Bundesgenossen der kommerziellen Unternehmung und ihrer Produzentengemeinschaft umgewendeten und dafür mit sozialem Ansehen und politischer Macht, mit der Befreiung vom despotischen Regiment des theokratischen Kultdienstes, des rituellen Funktionärstums belohnten Aristokratie auskäme! Diese ihrer angestammten Heimat, der theokratischen Kultgemeinde, entfremdete und den liturgischen Rahmen für die neue handelsstädtische Gemeinschaft abgebende Aristokratie, die, verführt durch die materiellen und ideellen Prämien, die letztere für sie bereit hält, die alten Bindungen selbstherrlich kappt und die an anderer Stelle beschriebene Konversion vom Kult der die Welt affirmierenden göttlichen Mächte zu dem des die Welt negierenden wesentlichen Seins vollzieht – sie ist es, die zum neuen Gemeinwesen die nötige territoriale Verankerung, militärische Widerstandskraft und politische Selbstbehauptungsenergie mitbringt und die damit diesem neuen Gemeinwesen allererst Halt und Bestand verleiht. Freilich ist sie es auch, die das, was sie tatkräftig zu kreieren und zu erhalten dient, am Ende ebenso tatkräftig in den Ruin treibt, weil sie den ökonomischen Spaltungen und Krisen, die das für die Entwicklung des Gemeinwesens maßgebende kommerzielle Prinzip dank seiner Dynamik und revolutionären Durchschlagskraft heraufbeschwört, machtlos gegenübersteht beziehungsweise nur mit den ihr vertrauten, letztlich krisenverschärfenden Mitteln einer palliativen Distributionspolitik im Innern und einer offensiven Expansionsstrategie nach außen beizukommen bemüht ist.
Auf dieses zweifelhafte und am Ende verderbenbringende liturgische Fundament kann die nicht dem Wirken einer kommerziellen Funktion, die von Haus aus herrschaftlicher Faktor ist, entsprungene, sondern quasi aus der Retorte, in vitro gezeugte Produzentengemeinschaft der feudalgesellschaftlichen Ära verzichten, weil ihr liturgischer Nährboden eben jenes neutrale Medium des klerikalen Freiraums, jenes Glasgefäß des klösterlichen Kollektivs ist, das, befasst mit toto coelo anderen Geschäften als dem Streben nach irdischem Glück und materiellem Wohlergehen, der sich in seinem Kraftfeld sammelnden Produzentengemeinschaft für den Schutz und Schirm, den es ihr bietet, keinerlei ökonomische Gewinnbeteiligung abverlangt und nicht den geringsten politischen Herrschaftsanspruch ihr gegenüber geltend macht und das in der Tat, zusätzlich zu dem nützlichen Gütertausch, den das symbiotische Verhältnis beider impliziert, für die Produzentengemeinschaft günstigste Entwicklungsbedingungen schafft, weil es ihr durch die disziplinierte Arbeit, die es selber verrichtet, und durch das überlieferte Schrifttum, das es getreulich bewahrt und studiert, gleichermaßen als Vorbild und Lehrer, als praktischer Prototyp und technischer Instrukteur zu dienen vermag.
Und im Zuge der gedeihlichen Entwicklung, die ihr dieses klösterlich-künstliche Medium, in dem sie quasi natürlich entsteht, ermöglicht, bringt nun also die Produzentengemeinschaft neuen Typs die kommerzielle Funktion wieder ins Spiel: als ihr eigenes Geschöpf, das ganz und gar ihren besonderen Interessen entspringt und entspricht und von Haus aus mit der umgebenden territorialen Herrschaft und deren Bedürfnissen und Aspirationen nichts zu schaffen hat. Sowenig die kommerzielle Funktion sich hier in der vormaligen Rolle eines als Faktor der territorialen Herrschaft vorausgesetzten Erzeugers der handwerklichen Produzentengemeinschaft präsentiert und sosehr sie jetzt umgekehrt als originales Geschöpf eben dieser handwerklichen Produzentengemeinschaft erscheint, die ihrerseits eine Spontangeburt der ins säkular-herrschaftliche Territorium als klerikal-klösterliche Nährböden oder Matrizen eingesprengten Pforten zum Himmel ist, sowenig hat sie nun natürlich auch mit der territorialen Herrschaft und deren Ansprüchen und Erwartungen von Haus aus etwas gemein und sosehr ist sie durch die Absichten und Pläne eben der Produzentengemeinschaft bestimmt, als deren originale Funktion sie wieder ersteht.
Und diese Absichten und Pläne, denen die wiedererstandene kommerzielle Funktion dient, betreffen die Überschüsse, die dank des avancierten Stands ihrer Produktion die Produzentengemeinschaft neuen Typs erzeugt, und beziehen sich auf den Austausch dieser Überschüsse mit andernorts erzeugten Überschüssen, das heißt, mit Gütern, die sich im Normalfall an vergleichbar avancierten, im territorialherrschaftlichen Gefüge verstreuten und durch die klerikalen Exklaven, denen sie zugeordnet sind, vor territorialherrschaftlichem Zugriff relativ geschützten Produktionsstätten sowie im Ausnahmefall in entfernten Regionen finden lassen, die durch natürliche Bedingungen begünstigt und mit Überfluss der einen oder anderen Art gesegnet sind.
Die territorialherrschaftlichen Nachbarn kommen wegen ihrer vergleichsweisen ökonomischen Primitivität, ihrer technischen Rückständigkeit und ihres fronwirtschaftlichen Mangels an Unternehmungs- und Innovationsgeist, als Austauschpartner im Zweifelsfall nicht in Betracht, und so bleibt den an der kommerziellen Verwendung ihrer Überschüsse interessierten Produzentengemeinschaften gar nichts anderes übrig als an den territorialherrschaftlichen Nachbarn vorbei mit ihresgleichen und mit von der Natur begünstigten fernen Regionen in Kontakt zu treten und kommerzielle Transaktionen zu tätigen. Nichts anderes als dies Erfordernis von im Wortsinne der Präposition "trans" zu verstehenden Transaktionen, von ebenso sehr räumlich ausgedehnten, weite Strecken überwindenden wie verfahrenstechnisch komplizierten, unter Umständen viele Stadien durchlaufenden Austauschprozessen, ruft nun also die kommerzielle Funktion und die sie berufsmäßig wahrnehmende Gruppe von Händlern und Kaufleuten erneut auf den Plan – als ein Bindeglied, eine Vermittlungsinstanz, die, weit entfernt davon, sich auf die territorialherrschaftlichen Gebiete zu beziehen und mit deren Herrschaften in Kontrakt zu stehen, vielmehr ihren Initiator und Auftraggeber einzig und allein in jenen apart vom System feudaler Herrschaft im Schatten der klerikalen Exklaven wie Pilze aufschießenden Produzentengemeinschaften findet und von Haus dieser seiner Zuordnung aus einzig und allein die Aufgabe hat, durch ihre Transaktionen jene verstreuten Produzentengemeinschaften zu einem System sui generis zusammenzuführen, sie in gegenweltlicher Abstraktheit vom feudalen Herrschaftssystem oder, wie gesagt, an ihm vorbei zu einem funktionierenden Austauschzusammenhang zu synthetisieren.
Die durch Überschussproduktion bedingte Überführung des materialen Tauschs in kommerziellen Austausch bringt die Wiederaufnahme der Geldfunktion, des Edelmetalls in der Rolle eines universalen Austauschobjekts oder allgemeinen Äquivalents mit sich. Der Einsatz des Edelmetalls in seiner regressiv-archaischen Bedeutung, seine Verwendung als Tribut, sorgt dafür, dass die feudale Herrschaft den Handel zwischen den Produzentengemeinschaften, dessen Wege nolens volens durch ihre Territorien führen, tolerieren. Gleichzeitig aber erweisen sich die Tributzahlungen als List der kommerziellen Vernunft, weil sie die feudalen Herrschaften dazu animieren, Handelswaren zu kaufen und so nicht nur die Tribute, sondern in zunehmendem Maße auch ihren eigenen herrschaftlichen Thesaurus als Mittel zur konsumtiven Teilhabe am kommerziellen Austausch zu nutzen.
Allerdings ist da das Problem, dass stricto sensu an den territorialherrschaftlichen Nachbarn vorbei oder, wie eben formuliert, in gegenweltlicher Abstraktheit von ihnen die von den Produzentengemeinschaften klerikaler Dependenz initiierten kommerziellen Transaktionen sich unmöglich durchführen lassen. So gewiss die feudalen Nachbarn Nachbarn sind und mit ihren Territorien an die Exklaven der klösterlichen Freiräume angrenzen und sie, die sich deshalb ebenso wohl als Enklaven betrachten lassen, einschließen, so gewiss müssen die kommerziellen Transaktionen durch die feudalen Gebiete hindurch verlaufen und sind abhängig von der Bereitschaft der Feudalherren, sie passieren zu lassen. Diese Bereitschaft aber lässt sich mitnichten als selbstverständlich voraussetzen. Im Gegenteil ist damit zu rechnen, dass die Feudalherren die ihr Territorium durchziehenden Händler als in ihre Gewalt gegebene Fremde und die Waren, die sie mit sich führen, als ihnen kraft ihrer territorialen Hoheitsrechte zustehendes Beutegut betrachten.
Schließlich bewegen sich anders als die im Schatten und unter dem Schirm der klösterlichen Kollektive niedergelassenen Produzentengemeinschaften selbst, die durch die topische Nähe zu und ökonomische Verbindung mit dem klerikalen Freiraum von dessen Unantastbarkeit profitieren, jene für die Produzentengemeinschaften aktiven Händler quasi im offenen Gelände der feudal verfassten säkularen Gesellschaft und finden sich damit automatisch der Herrschaft ausgeliefert, die in dieser Gesellschaft Gewalt übt und Gericht hält. Und mag sich die Gewaltübung und Gerichtsbarkeit der säkularen Herrschaft im eigenen Gemeinwesen und gegenüber den eigenen Untertanen durch das soziale Mitbringsel des Stammesbrauchs, die imperiale Hinterlassenschaft von Staatsgesetzen und die klerikale Zutat der kultisch fundierten christlichen Moral noch so beschränkt und von Willkür entfernt zeigen, was sollte die säkularen Herren daran hindern, gegenüber den ihr Territorium durchziehenden und durch keine Gruppenzugehörigkeit oder Satzung geschützten Fremden eben diese Willkür herauszukehren, ihnen die mitgeführten Güter abzunehmen und sich für großmütig zu halten, wenn sie den Beraubten immerhin das Leben lassen?
Freilich, wenn die feudalen Herrschaften so verfahren, werden sie von den ihr Territorium durchziehenden Händlern nicht lange profitieren. Sie werden die aufkeimende kommerzielle Tätigkeit im Keim ersticken, durch ihre Raubsucht und Habgier das im Entstehen begriffene System der zwischen den Produzentengemeinschaften neuen Typs verlaufenden Transaktionen im Voraus vereiteln. Wie, wenn sie auf den Gewinn der ganzen Beute verzichten, sich mit weniger, einem Tribut, einem Wegezoll, zufrieden geben, und dafür aber das Geschehen aus einem einmaligen oder unverhofft seltenen Ereignis zu einem regelmäßigen, zuverlässig zu erwartenden Vorgang wird? Wie, wenn sie den Durchzug der Händler tolerieren, ihnen gar Schutz und sicheres Geleit zuteil werden lassen, und dafür stipulierte Zuwendungen, einen Teil des Handelsguts als quasi Vermittlungsgebühr erhalten?
Recht geleitet und mit Verstand begabt, lässt sich eben die Raubgier und Habsucht der feudalen Herrschaft, die dem aufkommenden System kommerzieller Transaktionen zum frühen Verderben zu gereichen droht, in einen Anreiz und Köder verwandeln, der die feudale Herrschaft im genauen Gegenteil jenem System als Wegbereiter und Schutzherr zur Seite springen lässt. Bleibt allerdings die Frage, wie es den Händlern gelingen soll, für ihre feudalen Schutzherren auch immer einen sie interessierenden und befriedigenden Tribut und Wegezoll zur Hand zu haben, ganz zu schweigen von dem Problem der quantitativen Zumessung und praktischen Abtrennung des den Schutzherren jeweils als Tribut und Wegezoll zu überlassenden Handelsguts.
Aber da ist ja auch noch die zweite, bislang unerwähnt gebliebene Neuerung, die mit dem Bedürfnis der Produzentengemeinschaften neuen Typs, ihre Überschüsse nutzbringend zu verwenden, ins Spiel kommt und die sich ebenso wie die erste bei näherem Hinschauen als bloße Wiederaufnahme einer bereits in den Tagen der alten Handelsstädte und in den Zeiten des Imperiums gängigen und in der Tat grundlegenden Einrichtung erweist. Wie nämlich die durch die Produzentengemeinschaften neuen Typs geschaffene Situation wegen der mit ihr gegebenen räumlich-zeitlichen Ausdehnung der Tauschbeziehungen die Wiedereinführung von Händlern und Kaufleuten erforderlich macht, von kommerziellen Mittelsmännern oder Maklern, die von Berufs wegen mit der Herstellung und Pflege eben jener Tauschbeziehungen befasst sind, so lässt sie zugleich wegen der in ihr implizierten prozesstechnischen Komplizierung oder Vernetzung der Tauschbeziehungen den erneuten Einsatz einer als allgemeines Äquivalent firmierenden Universalware, des aus Edelmetall bestehenden und als ein Passepartout für den Zugang zu allen anderen Waren dienenden Geldes nötig werden.
Nötig wird das in der Funktion von allgemeinem Äquivalent, Geld, eingesetzte Edelmetall aus ganz und gar systemeigenen Gründen, aus Gründen mit anderen Worten, die ganz und gar in der Logik des sich zwischen den Produzentengemeinschaften neuen Typs anbahnenden Systems von Transaktionen liegen: weil es das probate Mittel ist, um den als Normalfall der Handelstätigkeit sich erweisenden Ringtausch, das kommerzielle Verfahren, bei dem mehrere Tauschakte durchlaufen werden müssen, um ein anfängliches Produkt, das überschüssig ist, schließlich durch ein Gut, das gebraucht wird, zu ersetzen – um also dies im Zweifelsfall erforderliche Ringtauschverfahren vergleichsweise komplikations- und reibungslos zu bewältigen. Indem das Edelmetall abwechselnd die zum Tausch gebrachten Objekte repräsentiert und bald das überschüssige Produkt, bald das benötigte Gut vertritt, dient es als ein Übergangsmoment, ein Zwischenglied, das aus dem Tausch allererst den so zu nennenden, weil Offenheit, Wahlfreiheit implizierenden Austausch werden lässt und nämlich den einfachen, einmaligen Platzwechsel der Objekte, der nur Erfolg verheißt, wenn sich das gewünschte Objekt bereits in greifbarer Nähe befindet, in eine Prozession überführt, die dank seiner Platzhalterrolle einen wiederholten, eine Reihe von Objekten sukzessive durchlaufenden Positionswechsel erlaubt und jedes gewünschte Gut, im Prinzip zumindest, in Reichweite rückt. Durch seine Haltbarkeit, seine Teilbarkeit und seine Transportfähigkeit für jene Platzhalterrolle, jene Funktion eines Universalguts oder allgemeinen Äquivalents bestens geeignet, fungiert das Edelmetall im Austauschprozess, der per definitionem der Entschränkung und Ausweitung des Tausches zum Austausch Prozess ist, gleichermaßen als die Motivation liefernde, in der Bedeutung eines Guts der Güter den Prozess in Gang setzende Copula und als für Kontinuität sorgendes, im Sinne einer Münze des Marktes den Prozess in Gang haltendes katalytisches Ferment.
Und dies für die kommerziellen Transaktionen sowohl wegen ihrer räumlich-zeitlichen Ausdehnung als auch wegen ihrer prozesstechnischen Komplizierung als universales Passepartout, allgemeines Äquivalent unentbehrliche Edelmetall ist nun zugleich aber auch das gegebene Gut, das natürliche Mittel, um die jedem Handelsverkehr verderbliche Raubgier und Habsucht der die Produzentengemeinschaften neuen Typs umlagernden Feudalherren auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und in mit solchem Handelsverkehr vereinbaren Grenzen zu halten, sprich, die Strategie einer Antizipation und Verhinderung der von Seiten der Feudalherren zu gewärtigenden gewaltsamen Ausplünderung und zwangsweisen Enteignung durch die freiwillige Leistung bestimmter Tribute, die regelmäßige Zahlung ausgehandelter Wegezölle in die Tat umzusetzen.
Das natürliche Mittel, um jener Strategie zum Erfolg zu verhelfen und die Feudalherren zu ködern und kirre zu machen, ist dabei das Edelmetall nicht schon deshalb, weil es durch seine erwähnten physischen Eigenschaften, seine Haltbarkeit, Teilbarkeit und Transportfähigkeit, im Unterschied zu anderen Gütern den Kaufleuten ermöglicht, es jederzeit und in immer gleicher Beschaffenheit mit sich zu führen und den Feudalherren nach Bedarf dosiert zuzuwenden, sondern zuvörderst und vor allem wegen seiner kuriosen, quasi metaphysischen Qualität, trotz seines geringen praktischen Nutzens allgemein geschätzt und jedermann willkommen zu sein oder, um eine an anderer Stelle verwendete Formulierung aufzugreifen, allgemeine Wertschätzung mit geringem Gebrauchswert zu verbinden. Ohne die Qualität des Edelmetalls, jedermann als ein ungeachtet seiner fehlenden Lebensnotwendigkeit dringendes Desiderat zu erscheinen, ohne seine von subsistenziellen Erfordernissen unabhängige allgemeine Attraktivität und seine daraus resultierende und überall und jederzeit nutzbar zu machende Austauschträchtigkeit wären jene anderen, austauschpraktischen Eigenschaften, die das Edelmetall besitzt, ja überhaupt nicht von Interesse und kämen gar nicht erst zum Zuge.
Diese es zum universalen Tauschobjekt oder allgemeinen Äquivalent prädestinierende Qualität aber, trotz seiner subsistenziellen Unerheblichkeit von jedermann geschätzt und begehrt zu sein, bringt das ins kommerzielle System übernommene und als zentrale Funktion integrierte Edelmetall aus der territorialherrschaftlichen Sphäre mit, wo es schon lange vor der Entstehung kommerzieller Zusammenhänge als herrschaftlicher Schatz und Reichtumssymbol fungiert. So gesehen, mag es als eine Ironie der Geschichte erscheinen, dass nun das ins kommerzielle System integrierte und in ihm als universales Passepartout des Austauschs firmierende Edelmetall dazu dient, in der alten thesaurisch-symbolischen Bedeutung, die es als Zoll und Tribut hervorkehrt, dem kommerziellen System, negativ ausgedrückt, Dispens und Verschonung von den Zu- und Übergriffen der feudalen Herrschaft zu erkaufen und, positiv gefasst, inmitten der territorialherrschaftlichen Sphäre und durch sie hindurch Bewegungsfreiheit und Entfaltungsraum zu sichern. Wie einst, in den Tagen der frühen, theokratischen Territorialherrschaften, das als herrschaftlicher Schatz gehortete Edelmetall dazu herhielt, den in herrschaftlichen Diensten sich entspinnenden kommerziellen Aktivitäten als allgemeines Äquivalent Bahn zu brechen und auf die Sprünge zu helfen, so taugt das in seiner Äquivalentfunktion erneut zum Einsatz gebrachte Edelmetall jetzt, unter Bedingungen der neuen, feudalen Territorialherrschaften, dazu, den dank der Freiräume, die die Jenseitsreligion eröffnet, auf der Basis der Produzentengemeinschaften, die diese Freiräume nutzen, unabhängig von der feudalen Herrschaft sich entwickelnden kommerziellen Aktivitäten die Unabhängigkeit von der feudalen Herrschaft und Unangefochtenheit durch sie zu erhalten, indem es nämlich, seiner Äquivalentfunktion, seiner kommerziellen Bedeutung sich partiell entkleidend, als Tribut und Wegezoll in die Rolle des archaischen Schatzes und Reichtumssymbols zurückfällt und in dieser Rolle dem kommerziellen System Freiheit von herrschaftlicher Einmischung und Gewaltübung zu erkaufen dient. Fürwahr, eine Ironie der Geschichte!
Tatsächlich aber eine Ironie der Geschichte, die sich bei näherem Hinsehen eher wohl als eine Strategie des Kalküls oder, wenn man so will, List der Vernunft herausstellt. Jenes in der regressiven Eigenschaft eines Schatzes und Reichtumssymbols eingesetzte allgemeine Äquivalent, jenes als Tribut und Wegezoll, sprich, als ein Lösegeld, das die kommerziellen Aktivitäten von herrschaftlicher Intervention und Gewalt freikaufen soll, der feudalen Herrschaft überlassene Edelmetall erweist sich nämlich, näher betrachtet, mehr noch als ein Lockmittel, ein Köder, der, während er zum einen die Aufgabe erfüllt, die feudale Herrschaft als einen dem kommerziellen System bedrohlichen und abträglichen Faktor zu bannen und fernzuhalten, es zum anderen schafft, eben diese feudale Herrschaft als einen dem kommerziellen System freundlichen und förderlichen Akteur anzusprechen und zu rekrutieren. Während, mit anderen Worten, das als Tribut und Wegezoll eingesetzte Edelmetall die feudale Herrschaft als politischen Widersacher und Spielverderber ausschaltet oder, besser gesagt, besänftigt und stillstellt, gibt es ihr gleichzeitig Anlass und regt sie dazu an, sich als ökonomischer Interessent und Mitspieler zu versuchen.
Zwar haben, wie bemerkt, die feudalen Herrschaften an Gütern des Gebrauchs und Genusses im Zweifelsfall wenig anzubieten, was den Händlern den Austausch mit den von ihnen mitgeführten Waren lohnend erscheinen ließe, aber was die Herrschaften ja durch die territorialen Lösegelder oder Stillhalteprämien erhalten, die ihnen die ihr Gebiet durchquerenden Händler zahlen, ist Edelmetall, das, wiewohl ihnen, den Herrschaften, in der regressiv-archaischen Bedeutung eines thesaurischen Herrenguts und Reichtumssymbols überlassen, doch aber den Händlern selbst allemal in der progressiv-systematischen Funktion eines universalen Austauschobjekts oder allgemeinen Äquivalents für die von ihnen mitgeführten Waren präsent ist und deshalb auch von den Herrschaften jederzeit genutzt werden kann, um bei den Händlern Waren im Gegenwert eben dieses ihnen zuvor in thesaurischer Maskierung von den Händlern überlassenen allgemeinen Äquivalents zu erwerben.
Ein und dasselbe Mittel, das primär dem Zweck dient, die feudalen Herren als aggressive Entwender und Aneigner zu neutralisieren und aus dem kommerziellen System herauszuhalten, beweist also sekundär das Vermögen, sie als transaktive Abnehmer und Verbraucher zu interessieren und in das kommerzielle System hineinzuziehen. Das den feudalen Herren als Tribut überlassene Edelmetall erlaubt es, sie, die in sächlicher Hinsicht nichts zum kommerziellen System beizutragen haben, dennoch in persönlicher Eigenschaft mit dem kommerziellen System kontrahieren und sich in ihm engagieren zu lassen – zwar nicht als Beiträger, wohl aber als Teilhaber, nicht als Produzent, wohl aber als Konsument.
Nicht, dass dies per Tribut provozierte feudale Engagement, diese durch das Lösegeld, das für den ungestörten Warenverkehr gezahlt wird, erkaufte Teilhabe der feudalen Herrschaft an den Waren selbst den Händlern einen ökonomischen Gewinn brächte. Im Normalfall, das heißt, bei ihren Transaktionen mit den neuen Produzentengemeinschaften, denen sie ihre historische Wiedergeburt verdanken, geben die Händler das allgemeine Äquivalent Edelmetall ja für materiale Güter, für Waren, aus, die sie dann weiterverkaufen und durch deren Verkauf sie sich das Edelmetall zurückholen – und zwar zuzüglich jenes Mehr an Edelmetall, jenes qua Edelmetall realisierten Mehrwerts, der ihren Anteil, ihren durch die Transaktion erzielten Gewinn bildet, einen Profit, der dadurch zustande kommt, dass die Produzenten ihre Produkte den Händlern für ein geringeres Quantum allgemeines Äquivalent überlassen, als dem Produktwert eigentlich entspricht, dass sie das Äquivalenzprinzip außer Kraft setzen, um den Händlern zum Lohn für ihre Transaktionstätigkeit einen Teil des Produkts unentgeltlich zu übereignen, und der tatsächlich aus Sicht der Händler den alleinigen Sinn und Nutzen der ganzen Transaktion darstellt, jenen merkwürdigen Sinn und Nutzen, der in nichts anderem als darin besteht, mehr allgemeines Äquivalent in kommerzieller Hand zu versammeln, nur um damit mehr materiales Produkt zu erstehen und dies wiederum in mehr allgemeines Äquivalent umzusetzen, kurz, um den unendlichen Zirkel kommerzieller Akkumulation zu betreiben.
In dem besonderen, als Tributzahlung deklarierten Fall hingegen, von dem hier die Rede ist, geben die Händler ja das Edelmetall nicht für Güter, sondern, kalauernd gesagt, für Güte, nicht für materiales Wohlergehen, sondern für soziales Wohlverhalten aus. Die feudalen Herrschaften erhalten mit anderen Worten das allgemeine Äquivalent nicht, weil sie dafür eine materiale Gegenleistung erbringen, sondern nur, damit sie sich sozialkonform verhalten, sprich, das kommerzielle System als Ganzes in Frieden und gewähren lassen. Wenn sie nun mit dem allgemeinen Äquivalent zu den Händlern zurückkehren und es gegen deren materiale Güter austauschen, so läuft dies, da sie ja zum materialen Güterbestand der Händler nichts beitragen, darauf hinaus, dass sie mittels des ihnen von den Händlern überlassenen Äquivalents von diesem Bestand kompensationslos zehren, den in materialen Gütern, in Waren, bestehenden Reichtum der Händler nicht mehren, sondern im Gegenteil mindern.
Natürlich ist dies kein Einwand gegen den Sinn und Nutzen der Tributleistungen der Händler. Auch wenn sie sich damit keinen ökonomischen Gewinn verschaffen, erkaufen sie sich doch immerhin die politischen Rahmenbedingungen dafür, dass sie ihrer kommerziellen Tätigkeit überhaupt nachgehen und in deren Verlauf ökonomischen Gewinn erzielen können. Und dies ist ihnen das Opfer, das sie bringen müssen, allemal wert, die Minderung des ökonomischen Gewinns, den sie erzielen könnten, müssten sie nicht einen Teil ihrer Waren, ihres Kapitals, für die Herstellung jener politischen Rahmenbedingungen ihres ökonomischen Geschäfts drangeben.
Genauer besehen indes ist das Opfer gar keines, jedenfalls keines in der Bedeutung eines im Mindesten kompensationslosen Verlusts; es erweist sich als nicht einmal aus der ökonomischen Perspektive sinn- und fruchtlos gebracht. Hier nämlich kommt die erwähnte Strategie des Kalküls oder List der Vernunft ins Spiel. Indem die Händler den feudalen Herrschaften allgemeines Äquivalent als Tribut und Wegezoll überlassen, eröffnen sie ihnen in den Grenzen des Wertes, den die Tributzahlung hat, freien Zugang zu ihren Waren. Sie laden die Herrschaften gewissermaßen ein, die Nützlichkeit beziehungsweise die Vorzüge und Annehmlichkeiten der Güter, die sie vertreiben, kennen zu lernen. Sie bringen die Herrschaften quasi auf den Geschmack, geben ihnen Gelegenheit, sich an den Konsum, den sie ihnen durch ihren Tribut ermöglichen, zu gewöhnen. Aus der Perspektive moderner Verkaufstechniken gesprochen, dienen die den Herrschaften durch die Tributzahlungen der Händler zugänglich gemachten Handelsgüter als Werbegeschenke, als Gratisproben, deren Funktion es ist, die Herrschaften an das Sortiment heranzuführen und mit ihm vertraut zu machen, auf dass sie es in Zukunft aus induziert eigenem Antrieb oder resultativ persönlichem Bedürfnis frequentieren und in Anspruch nehmen.
Und nicht nur aus eigenem Antrieb, sondern auch mit eigenen Mitteln, nicht nur kraft persönlichen Bedürfnisses, sondern auch dank privaten Vermögens! Wenn die Händler den feudalen Herrschaften Edelmetall als Tribut und Wegezoll überlassen, dann unterwerfen sie es ja, wie gesagt, einer regressiven Bestimmung, der zufolge es seine kommerziell genutzte Funktion als allgemeines Äquivalent wieder mit der habituell geschätzten Bedeutung einer herrschaftlichen Pretiose vertauscht, und verwandeln mit anderen Worten ihr allgemeines Äquivalent zurück in jenes Herrengut und Reichtumssymbol, dem es ursprünglich entstammt und aus dem es in seiner neuen Funktionalität einst durch die kommerziellen Transaktionen mühsam herausprozessiert werden musste. Und wenn die feudalen Herrschaften das Edelmetall dankbar in Empfang nehmen und sich durch seine Gabe besänftigen und zum Stillhalten beziehungsweise zum Entgegenkommen bereden lassen, dann deshalb, weil sie es nach wie vor in seiner alten Bedeutung goutieren und hochhalten, es nach wie vor als Herrengut begehren, als Schatz schätzen. Und nicht nur passiv begehren, sondern durchaus aktiv erstreben, nicht nur theoretisch hochhalten und schätzen, sondern mehr noch praktisch festhalten und horten! Dass die Herrschaften, wo immer sie Edelmetall kriegen können, es auch nehmen, dass sie erfüllt sind von einem unstillbaren, weil quasi metaphysischen Hunger nach Edelmetall – das verbürgt die Tatsache, dass der herrschaftlichen Existenz das Edelmetall unverändert in seiner archaischen Bedeutung als Reichtumssymbol, als Signum herrschaftlicher Verfügung vor Augen steht.
Dabei sind sie zur Befriedigung ihres Verlangens nach Edelmetall keineswegs und nicht einmal primär auf die Tributzahlungen der Händler angewiesen. Tatsächlich fehlt es ihnen nicht an Bezugsquellen, um sich auch auf nichtkommerziellem Weg in den Besitz von Edelmetall zu setzen. Da sind die nichtkommerziellen Tributzahlungen durch ihresgleichen beziehungsweise durch Vasallen, da sind die Kostbarkeiten, die Gesandtschaften mitbringen, und die Brautschätze, die durch Eheschluss in ihre Hände gelangen, da ist die Beute aus Kriegszügen und Raubfahrten, und da ist schließlich und vor allem die Ausbeute aus der Quelle sans phrase, das Edelmetall, das ihnen auf ihrem Territorium befindliche natürliche Vorkommen und leicht schürfbare Fundstellen liefern.
Die feudalen Herrschaften sind also im Zweifelsfall, der der Normalfall ist, auch ohne Zutun der kommerziellen Tributzahler in Sachen Edelmetall bereits gut bestückt und verfügen über wohlgefüllte Schatzkammern. Und sie sind, so gesehen, in der Lage, auch über den begrenzten Zugang, den die Tributzahlungen der Händler ihnen eröffnen, hinaus auf deren Waren zuzugreifen. Wenn sie nur wollen, können sie ihren auf nichtkommerziellem Wege angehäuften Schatz jederzeit in der von den Händlern honorierten Funktion eines allgemeinen Äquivalents zum Erwerb der von letzteren feilgebotenen materialen Güter verwenden.
Wenn sie nur wollen! Und dass sie wollen, dafür sorgen die eben deshalb hinter der Fassade ihrer Besänftigungs- und Freikaufsbedeutung als Strategie des Kalküls oder List der Vernunft erkennbaren Tributzahlungen, die die Händler an die Herrschaften entrichten. Indem die Händler den Herrschaften coram conventu oder im Angesicht der von ihnen mitgeführten materialen Güter Edelmetall überlassen, laden sie sie ein oder, besser gesagt, verführen sie sie, dies Edelmetall gegen jene materialen Güter auszutauschen, es gleich wieder in sie umzusetzen. Indem die Händler pro forma ihrer kompensationslosen Tributzahlung das allgemeine Äquivalent auf die Rolle des thesaurischen Reichtumssymbols regredieren lassen, provozieren sie pro materia seiner topischen Nähe und systematischen Verbundenheit mit den zur Schau gestellten Handelswaren die Herrschaften dazu, das thesaurische Reichtumssymbol umgekehrt gleich wieder in der Funktion eines universalen Austauschobjekts, die ihm das kommerzielle System vindiziert, zu realisieren, sprich, es als allgemeines Äquivalent zur Geltung kommen zu lassen. Während die Händler pro forma ihrer Tributzahlungen der alten Ordnung einer die Aneignung territorialen Reichtums flankierenden herrschaftlichen Schatzbildung Tribut zollen, betreiben sie pro materia der postwendenden Reklamation des Tributs als eines für den Kauf der mitgeführten materialen Güter tauglichen universalen Austauschobjekts die Einübung der Herrschaften in die Kunst des kommerziellen Austauschs und die Umfunktionierung des herrschaftlichen Schatzes als Ganzen in einen nach Maßgabe der bei den Herrschaften geweckten Bedürfnisse ihnen, den Händlern, zur Verfügung stehenden Ausdruck kommerziellen Werts.
Durch die als Gratisproben firmierenden materialen Güter, die ihnen der Tribut der Händler in die Hände spielt, geködert und durch das ständige Quidproquo zwischen Schatz und Äquivalent, das Wechselspiel zwischen habituellem Reichtumssymbol und funktionellem Wertausdruck auf Trab gebracht beziehungsweise ins transaktive Geschehen, ins kommerzielle Geschäft eingeübt, fangen die feudalen Herrschaften an, zur Befriedigung ihrer durch die Waren der Händler geweckten Bedürfnisse auf den herrschaftlichen Schatz, ihr eigenes, in der Schatzkammer gehortetes Edelmetall, zurückzugreifen, und werden so zu aktiven Mitwirkenden beim kommerziellen Prozess, sprich, zu wesentlichen Faktoren im kommerziellen System. Tatsächlich nämlich verändert sich in dem Augenblick, in dem sie ihren Zugriff auf die Waren der Händler aus eigenen Mitteln zu finanzieren, ihren herrschaftlichen Schatz als kommerzielles Äquivalent einzusetzen beginnen, ihre ökonomische Bedeutung entscheidend oder gewinnen sie, besser gesagt, überhaupt erst eine ökonomische Funktion.
In dem Maße, wie die feudale Herrschaft sich daran gewöhnt, mittels ihres Thesaurus an den Handelsgütern der handwerklichen Produzentengemeinschaften zu partizipieren und aber wegen ihrer Rückständigkeit in produktionstechnischer Hinsicht ausschließlich in dieser konsumtiven Form partizipiert, wächst sie in die Rolle des für das Funktionieren des akkumulativen kommerziellen Systems unabdingbaren Mehrwertrealisierers hinein. Sie erfüllt damit für das nachimperiale Handelssystem die gleiche Aufgabe, die den zwar über Edelmetall, nicht aber über nennenswerte Handelsgüter verfügenden Stammespopulationen im westlichen Mittelmeer im System der antiken handelsstädtischen Produktionsgemeinschaft zufällt, wobei allerdings jenes System letztlich an der Hypothek des territorialherrschaftlichen Kontextes scheitert, dem es entspringt und von dem es sich nicht zu emanzipieren vermag.
Solange die feudale Herrschaft ausschließlich mittels der Tributzahlungen an dem in Händlerhand versammelten Warenbestand partizipiert, kommt ihr, unbeschadet des sozialen Wohlverhaltens und der politischen Verträglichkeit, die ihr dadurch abgenötigt wird, und ungeachtet also der grundlegenden Bedeutung, die diese Partizipation für die Existenz des kommerziellen Systems als gesellschaftlicher Einrichtung hat, eine kommerzielle Rolle oder ökonomische Funktion höchstens und nur im negativen oder ironischen Sinne zu. Wenn die Händler anderen Edelmetall überlassen, dann im Normalfall nur, weil sie im Austausch dafür von den anderen materiale Güter erhalten. In Edelmetall und dem allgemeinen Äquivalent, das es im kommerziellen System verkörpert, bestehende Ansprüche an die Warensammlung in ihren Händen räumen die Händler im Normalfall anderen nur ein, wenn diese als Produzenten firmieren und einen entsprechenden Beitrag zur Warensammlung leisten. Der Beitrag, den sie als Produzenten zur kommerziellen Warensammlung leisten, stellt die erste ökonomische Funktion jener anderen dar, mit denen im Normalfall die Händler kontrahieren. Dass jene anderen dann ihre in Edelmetall bestehenden Ansprüche an den Markt realisieren, dass sie mit anderen Worten das ihnen von den Händlern überlassene allgemeine Äquivalent wiederum gegen materiale Güter in Händlerhand austauschen, das Edelmetall im Austausch gegen Waren, die sie gebrauchen können, in die Hände der Händler zurückkehren lassen, stellt ihre zweite, sie als Konsumenten definierende ökonomische Funktion dar, die den Kreislauf des kommerziellen Gebens und Nehmens vollendet, mit der sich der als Verwertungsprozess funktionierende Zirkel, den das allgemeine Äquivalent beschreibt, schließt.
Anders im Falle der Tributzahlungen an die feudale Herrschaft! Hier räumen die Händler der letzteren quasi ungedeckte Ansprüche auf ihre Warensammlung ein, sprich, sie bestehen nicht auf einer Kompensation der der feudalen Herrschaft eingeräumten äquivalenten Ansprüche durch einen von der letzteren zu leistenden, wertmäßig korrespondierenden Beitrag zur kommerziellen Warensammlung. Die feudale Herrschaft findet sich deshalb auch von den Händlern ausschließlich in der zweiten ökonomischen Funktion gefordert, nur als Abnehmer, Konsument, nicht auch als Beiträger, Produzent. Die Tributzahlungen ermöglichen der feudalen Herrschaft, auf etwas Ansprüche geltend zu machen und es sich anzueignen, was nicht sie, sondern andere geschaffen und beigetragen haben. Formell betätigen sie sich wie die anderen als Realisierer von Wert, als Rückverwandler der von den Händlern vertriebenen materialen Güter oder Waren in die im Austausch dafür von den Händlern verlangte Münze des Marktes, das allgemeine Äquivalent, reell aber spielen sie damit die Rolle von reinen, dem kommerziellen System ins Haus fallenden Nutznießern, kurz, von Schmarotzern, weil ihre Ansprüche an den Markt ja mangels eigener Beiträge nolens volens denen der anderen ins Gehege kommen und mit ihnen konkurrieren.
Dass die den Tributzahlungen unvermittelt entspringenden Ansprüche der feudalen Herrschaft die der anderen nicht auch beschneiden und schmälern und also nicht gleich das kommerzielle System als solches in Frage stellen, weil sie seine Fähigkeit beeinträchtigen, jene Ansprüche an die Warensammlung, die sich die anderen durch eigene Beiträge erworben haben, ordnungsgemäß und im vollen Gegenwert zu befriedigen, verdankt sich einzig und allein dem erwähnten Umstand, dass alle kommerziellen Transaktionen ab ovo darauf angelegt sind, einen Mehrwert, ein Mehr an Edelmetall in Händlerhand, zu erzielen, und dass dies dadurch erreicht wird, dass, wie oben festgestellt, die Produzenten ihre Produktion den Händlern für ein geringeres Quantum allgemeines Äquivalent überlassen, als dem Produktwert eigentlich entspricht, dass sie den Händlern zum Lohn für ihre Transaktionstätigkeit einen Teil des Produkts unentgeltlich übereigenen. Dies unter der Camouflage des Austauschs von allgemeinem Äquivalent gegen materiale Güter, den sie mit den Produzenten praktizieren, unentgeltlich angeeignete Mehrprodukt können die Händler nun der feudalen Herrschaft im Austausch gegen die ihr zuvor geleisteten Tributzahlungen überlassen, ohne den Ansprüchen an die Warensammlung, die sich die Produzenten durch ihre Beiträge erworben haben, in die Quere zu kommen und ohne also den grundlegenden Funktionsmechanismus des kommerziellen Systems in Gefahr zu bringen.
Statt das kommerzielle System in seiner aufs Do ut des mit den Produzenten abgestellten Grundfunktion zu beeinträchtigen, schädigen die Händler nur sich selbst beziehungsweise die Ausbau- und Entfaltungsambitionen, die sie quasi naturgemäß mit dem kommerziellen System verbinden; sie schädigen mit anderen Worten nicht den mechanischen Fortgang, wohl aber die organische Entwicklung des Systems. Und das gleich in doppelter Hinsicht! Denn erstens geht das allgemeine Äquivalent, das die Händler für die Tributzahlung hingeben, zu Lasten der Summe allgemeinen Äquivalents, die sie im Normalfall dazu verwenden, neue mehrwertige materiale Güter bei den Produzenten zu erstehen; als Tributzahlung verliert also das allgemeine Äquivalent seine akkumulative Qualität. Und zweitens dient das als Tributzahlung hingegebene allgemeine Äquivalent, indem es als konsumtiver Anspruch zu den Händlern zurückkehrt, zur Realisierung des Mehrwerts der in Händlerhand befindlichen Gütersammlung; das heißt, durch das Alias oder den Strohmann der feudalen Herrschaft betätigen sich die Händler selbst als Konsumenten, realisieren sie aus eigenen Mitteln den Wert des Mehrprodukts in ihrer Hand, statt andere als Konsumenten zu gewinnen, andere den Mehrwert realisieren zu lassen, und finden so den eigentlichen Zweck der kommerziellen Veranstaltung, die Wertakkumulation, die Vermehrung von allgemeinem Äquivalent in Händlerhand, vereitelt. Gleich in doppelter Hinsicht also lässt sich von einer ökonomischen Funktion der mittels der Tributzahlungen der Händler am kommerziellen Austausch partizipierenden feudalen Herrschaft höchstens und nur im negativen oder ironischen Sinne reden.
Genau das aber ändert sich in dem Augenblick, in dem es via die Tributzahlungen und kraft der in ihnen wirksamen Macht des zirkulativen Kalküls oder List der kommerziellen Vernunft den Händlern gelingt, die feudale Herrschaft soweit an ihre Partizipation am Austausch zu gewöhnen, dass sie bereit ist, auch unabhängig von den Tributzahlungen teilzunehmen und ihre Teilnahme mit Edelmetall aus eigenen Beständen, sprich, aus ihrer zur Quelle allgemeinen Äquivalents instrumentalisierten Schatzkammer, zu bestreiten. Indem die feudale Herrschaft dies tut, legt ihre Partizipation am Austauschgeschäft alle Züge einer negativen oder ironischen Funktionalität ab und gewinnt schlagartig ein auch und gerade in ökonomischer Hinsicht affirmatives Ansehen und in der Tat eine durch und durch konstruktive Bedeutung.
Erstens nämlich geht, was die feudale Herrschaft an allgemeinem Äquivalent zum Austausch beisteuert, damit nicht mehr zu Lasten der den Händlern für den Erwerb neuer materialer Güter zur Verfügung stehenden Summe, nicht mehr zu Lasten ihres akkumulativen Fonds, ihres liquiden Kapitals. Und zu dieser negativen Ersparnis kommt zweitens der positive Gewinn hinzu, dass die feudale Herrschaft tatsächlich nun genau jene Aufgabe einer Realisierung des in der materialen Gütersammlung der Händler steckenden Mehrwerts erfüllt, deren Erledigung sie zuvor durch ihre die Tributzahlungen der Händler ins Treffen werfende Dazwischenkunft durchkreuzte, dass sie tatsächlich nun in eigener Person als eben jene anderen figuriert, denen sie bis dahin als unwillkommenes Alterego der Händler, als von den Händlern wider Willen beziehungsweise mit der List und Tücke langfristigen Kalküls eingeführter Strohmann zuvorkam und den Auftritt vermasselte.
Besetzt und ausgefüllt werden muss jene Rolle des den Mehrwert, der in der kommerziellen Warensammlung steckt, realisierenden Konsumenten ja auf jeden Fall, soll das von den Händlern inszenierte Austauschspiel auf Dauer, und ohne der Hektik und galoppierenden Hypertrophie eines Schneeballsystems zu verfallen und am Ende zu erliegen, funktionieren. So gewiss der ganze Kontrakt der Händler mit den Produzenten darauf abgestellt ist, mehr Produkt in Händlerhand zu versammeln, als dem dafür gezahlten allgemeinen Äquivalent wertmäßig entspricht, und dieses Mehrprodukt dann als Mehrwert zu realisieren, sprich, per Austausch in allgemeines Äquivalent zu transferieren, so gewiss sind die Händler zur Erfüllung dieses für ihr Austauschgeschäft maßgebenden Zwecks auf andere Austauschpartner als die Produzenten, mit denen sie kontrahieren, angewiesen. Jenen Produzenten überlassen sie ja nur so viel von der Warensammlung in ihrer Hand, wie dem Wert des allgemeinen Äquivalents entspricht, das sie ihnen zuvor für ihren Beitrag zur Warensammlung gezahlt haben; es bleibt also logischerweise immer das Mehrprodukt übrig, das die Produzenten ihnen für das gezahlte allgemeine Äquivalent geliefert haben – und für dieses Mehrprodukt müssen als Käufer, als Wertrealisierer andere als die Produzenten gefunden werden.
Zwar können das erst einmal neue Produzenten sein, die mit dem allgemeinen Äquivalent, das sie für ihre eigenen materialen Beiträge zur Warensammlung der Händler erhalten, den in dem Mehrprodukt der alten Produzenten steckenden Mehrwert realisieren, aber solange diese neuen Produzenten für das allgemeine Äquivalent, mit dem sie ihre Mehrwertrealisierungsfunktion erfüllen, zur Warensammlung in Händlerhand wiederum mehrwertiges Produkt hinzufügen, vergrößern sie die in der Warensammlung steckende und ihrer Realisierung oder Einlösung harrende Wertsumme nur immer weiter und verschärfen mithin die Diskrepanz zwischen diesem in der Warensammlung steckenden materialen Wert und dem für seine Realisierung oder Einlösung verfügbaren allgemeinen Äquivalent.
Der Logik eines kommerziellen Systems zufolge, das – jedenfalls aus Sicht seiner Initiatoren und Betreiber – wesentlich akkumulativ orientiert ist, das also nur produzieren lässt, um mehr produzieren lassen zu können, und das zur Durchführung dieser seiner akkumulativen Strategie auf den Mechanismus einer regelmäßigen redemptiven Überführung des mehrwertigen Produkts in allgemeines Äquivalent zwecks investiver Rücküberführung des allgemeinen Äquivalents in neues mehrwertiges Produkt angewiesen ist – der Logik eines solchen Systems folgend, führt deshalb kein Weg an kommerziell Mitwirkenden vorbei, die primär oder in der Hauptsache als Konsumenten am Austausch beteiligt sind, die mit anderen Worten mehr allgemeines Äquivalent als materialen Produktwert in die Zirkulation, den Austauschprozess, einspeisen und die durch diesen ihren rein konsumtiven, das heißt, keiner vorherigen produktiven Leistung geschuldeten Beitrag an allgemeinem Äquivalent die Funktion erfüllen, die in der Zirkulation, dem Austauschprozess zwischen Produzenten und Händlern, befindliche Menge an allgemeinem Äquivalent der durch den Austauschprozess ständig vergrößerten materialen Wertmenge immer neu anzugleichen, um auf diese Weise den Händlern zu ermöglichen, den vollen Wert des in ihrer Hand versammelten mehrwertigen materialen Produkts in die Beschaffung neuen mehrwertigen materialen Produkts zu investieren, sprich, erfolgreich Akkumulation zu betreiben.
Genau dieser Stellenbeschreibung eines das Mehrprodukt als Mehrwert realisierenden, weil produktionsunabhängig konsumierenden Mitwirkenden entspricht nun aber die feudale Herrschaft – jedenfalls von dem Augenblick an, in dem sie anfängt, ihren Konsum aus eigenen Edelmetallbeständen statt aus den Tributzahlungen der Händler zu bestreiten, und also den bloßen Schein einer Einspeisung zusätzlichen allgemeinen Äquivalents in die Zirkulation und einer dadurch erwirkten monetären Egalisierung oder pekuniären Bilanzierung der in der Zirkulation befindlichen materialen Wertmenge gediegene Wirklichkeit werden lässt.
Und zwar genügt die feudale Herrschaft der Stellenbeschreibung in besonderem Maße und auf geradezu perfekte Weise, weil sie nämlich mangels eigener Produktionskapazitäten und materialer Beiträge zum Austauschprozess die konsumtive Funktion in Reinkultur wahrnimmt, den Konsumenten par excellence verkörpert. Eben das, was sie für den kommerziellen Austauschprozess, der sich zwischen den unter klerikalem Schutz und Schirm etablierten Produktionsgemeinschaften neuen Typs anspinnt, als aktive Mitwirkende untauglich macht, sie als produktive Teilnehmer kategorisch von ihm ausschließt: ihre fronwirtschaftliche Rückständigkeit und Armseligkeit und ihr dementsprechender Mangel an kommerziell verwertbaren Produkten, an Handelswaren – eben das verleiht der feudalen Herrschaft unter der wie selbstverständlich gegebenen Voraussetzung ihrer Verfügung über das Herrengut Edelmetall beste Tauglichkeit für die im kommerziellen System ebenfalls vorgesehene Rolle des rezeptiven Interessenten, lässt sie wie geschaffen für den von der Logik des Systems implizierten Part des konsumtiven Teilhabers sein.
Als eine soziale Gruppe, die zwar über als allgemeines Äquivalent brauchbares Edelmetall verfügt, zur materialen Warensammlung der Händler aber nichts als das der eigenen Mangelsituation geschuldete konsumtive Bedürfnis nach ihr beizutragen vermag, zeigt sich die feudale Herrschaft perfekt für die Aufgabe geeignet, das in dieser Warensammlung stets enthaltene Mehrprodukt in seinem Wert zu realisieren und so die Bedingung für jene jeweils wertmäßig erweiterte Reproduktion des Austauschprozesses zu erfüllen, ohne die der letztere seinen wesentlichen Beweggrund einbüßte. Aus einer gesellschaftlichen Instanz, die im Blick auf den zwischen den Produktionsgemeinschaften neuen Typs sich entspinnenden Austauschprozess faktisch-unmittelbar nichts als einen Störfaktor und Hemmschuh zu bilden verspricht, wird so die feudale Herrschaft wie von Zauberhand, sprich, systematisch-vermittelt, zu einem, wie man will, treibenden Motor oder befördernden Katalysator zwar nicht für den kommerziellen Austauschprozess als solchen, wohl aber für die Erfüllung der dem Prozess von Seiten der Händler als seine ultima ratio, sein Grundmotiv, eingeschriebenen Akkumulationsabsicht.
Wenn man so will, spielt die feudale Herrschaft für die in den sakrosankten Freiräumen der postimperial-territorialherrschaftlichen Gesellschaften entstehenden Produktionsgemeinschaften neuen Typs eine ganz ähnliche Rolle, wie sie für die an der maritimen Peripherie der präimperial-territorialherrschaftlichen Gesellschaften sich etablierenden Vorgänger jener neuen Produktionsgemeinschaften, sprich, für die antiken Handelsstädte, die außerhalb der territorialherrschaftlichen Sphäre siedelnden rückständigen, noch weitgehend stammesförmig organisierten Populationen des mediterranen Westens spielen. Gemeinsam ist beiden, der postimperial-feudalen Herrschaft und den nichtterritorialherrschaftlichen Populationen der präimperialen Zeit, das Zugleich von Mangel an materialen Gütern und Überfluss an allgemeinem Äquivalent, und diese Gemeinsamkeit macht sie beide tauglich, lässt sie wie geschaffen sein für die Aufgabe, den jeweiligen Produktionsgemeinschaften ihr Mehrprodukt abzunehmen und durch die Realisierung des im Mehrprodukt verkörperten Mehrwerts das Funktionieren des kommerziellen Akkumulationsprozesses zu gewährleisten.
Nur mit dem wichtigen Unterschied, dass die feudale Herrschaft den postimperialen Produktionsgemeinschaften als konsumtiver Wertrealisierer praktisch von Anfang an und quasi in der Bedeutung eines beim Aufbau des kommerziellen Austauschsystems sekundierenden Faktors zur Verfügung steht, wohingegen die nichtterritorialherrschaftlichen Populationen als konsumtive Wertrealisierer erst in dem Augenblick ins Spiel kommen, in dem das kommerzielle Austauschsystem schon weit entfaltet ist und wegen der in den antiken Handelsstädten entwickelten Produktivität und der daraus konsequierenden Absatzprobleme in die Krise gerät, so dass jene Populationen also eher in der Rolle eines auf der Bühne erscheinenden Nothelfers, eines dem System in seiner Zwangslage von außerhalb beispringenden deus ex machina auftreten!
Wie oben erwähnt und an anderer Stelle1 näher ausgeführt, sind die neuartigen Produktionsgemeinschaften der antiken Handelsstädte Resultat eines vorangegangenen langen, ausschließlich zwischen Territorialherrschaften verlaufenden kommerziellen Austauschprozesses und finden sich durch die im Zuge jenes Prozesses dank der ihm ab ovo eigenen Akkumulationsstrategie zunehmend an Stärke und Eigenständigkeit gewinnende kommerzielle Funktion aus jenem rein territorialherrschaftlichen Kontext förmlich herausprozessiert. Ursprünglich nur mit Territorialherren kontrahierend, die in Personalunion und in wechselnder Funktion beides sind, durch seine Untertanen und Knechte fronwirtschaftlich materiale Güter erzeugender Produzent und mittels des als allgemeines Äquivalent firmierenden Herrenguts Edelmetall die materialen Güter in ihrem kommerziellen Wert realisierender Konsument, und zwischen denen die Handeltreibenden anfänglich bloß als Faktota, als Agenten ihrer Herren, und schließlich dann aber als Unternehmer, als selbständige Kaufleute, ein wachsendes und den Territorialherren zumal in ihrer Konsumenteneigenschaft immer unentbehrlicher werdendes kommerzielles Zirkulationssystem entfalten – ursprünglich also nur mit Territorialherren kontrahierend, finden sich die Handeltreibenden durch die Schranken, die das ebenso schwerfällige wie ambitionslose fronwirtschaftliche Erzeugersystem der Güterproduktion und der von ihr abhängigen kommerziellen Entfaltung setzt, zu guter Letzt dazu getrieben, den Produktionssektor, vorzugsweise in seinen handwerklichen Erscheinungsformen, wo immer möglich von seiner fronwirtschaftlichen Einbindung beziehungsweise Fesselung zu befreien und als eine ihnen direkt zuarbeitende, mit ihnen unmittelbar, ohne territorialherrschaftliche Vermittlung, kontrahierenden Faktor zu etablieren – was ihnen auf der territorialen Basis und mit der regionalen Unterstützung bestimmter, an der maritimen Peripherie der großen Territorialherrschaften siedelnder, von Haus aus unbedeutender und im Bemühen, sich gegenüber letzteren in ethnischer, soziostruktureller und kultureller Eigenständigkeit zu behaupten, an dem Einfluss und Reichtum, den der kommerzielle Aktivposten mit sich bringt, interessierter Gemeinschaften auch gelingt.
Das in Gestalt der antiken Handelsstadt damit ins Leben gerufene Modell einer in arbeitsteilig-kooperativer Verbindung mit der kommerziellen Funktion und in subsistenzieller Angewiesenheit auf sie agierenden, kurz, als Markt sich entfaltenden Produktionsgemeinschaft erweist sich wegen der ökonomischen Chancen, die es den Beteiligten bietet, und der politischen Freiheiten, die es ihnen eröffnet, als so innovativ und produktiv, dass die Handelsstadt sich nicht nur gegen die Begehrlichkeiten und die Gewalt der territorialherrschaftlichen Nachbarn defensiv zu behaupten und gegebenenfalls offensiv durchzusetzen vermag, sondern dass sie auch bald schon mit ihrem Güterangebot, ihrer kommerziellen Kapazität an die Grenzen der Aufnahmefähigkeit beziehungsweise der Konsumbereitschaft ihrer herrschaftlichen Handelspartner stößt, die, weil sie ja selber fronwirtschaftliche Produzenten beziehungsweise über weite Strecken Selbstversorger sind, teils an den Gütern, die ihnen die Handelsstadt anbieten könnte, keinen Bedarf haben, teils ihre Konsumtätigkeit mit eigenen Produkten finanzieren und damit die Absatzprobleme der kommerziellen Funktion nur prolongieren und verschärfen.
Aus dieser, durch die Produktivkraft der handelsstädtischen Produktionsgemeinschaft heraufbeschworenen Absatzkrise befreit nun also der Handel mit den besagten, außerhalb der territorialherrschaftlichen Sphäre, im westlichen Mittelmeer, siedelnden zivilisatorisch rückständigen Stammespopulationen, die mit ihrer fehlenden oder unentwickelten Güterproduktion bei gleichzeitiger Verfügung über Edelmetallvorkommen als ein regelrechter deus ex machina in dem durch die Produktivität der Polis heraufbeschworenen Austauschdrama figurieren. Und mit jenen neuen, unproduktiven Austauschpartnern ist zugleich die Aufspaltung und Zerlegung der in den alten, territorialherrschaftlichen Handelspartnern ungeschiedenen beiden Funktionen des Produzenten und des Konsumenten perfekt.
Wie die mangelnde Produktivkraft oder Produktionsbereitschaft der territorialherrschaftlichen Handelspartner das kommerzielle System zum ersten dazu veranlasst, die Produzentenfunktion aus ihrer fronwirtschaftlichen Einbindung herauszulösen und in Gestalt der handelsstädtischen Produktionsgemeinschaft als ein der kommerziellen Funktion unmittelbar zugeordnetes Moment neu zu etablieren, so findet sich jetzt zum zweiten das kommerzielle System durch die der neuen Produktionsgemeinschaft eigene Produktivität und Innovationskraft dazu angetrieben, auch die Konsumentenfunktion als ein vom territorialherrschaftlichen Kontext unabhängiges Moment zu realisieren und durch – die territorialherrschaftliche Sphäre transzendierende – Austauschbeziehungen sui generis in Position zu bringen.
Dem oben angedeuteten idealiter kontinuierlichen Akkumulationsverfahren, bei dem Produzenten, deren Subsistenz ganz und gar vom Markt abhängt, für den Markt ein Mehrprodukt erzeugen, das einer kraft des marktunabhängigen allgemeinen Äquivalents, über das sie verfügt, als Konsumenten firmierenden anderen Gruppe zufällt, die wiederum dadurch, dass sie mittels des allgemeinen Äquivalents das Mehrprodukt als Mehrwert realisiert, den Handeltreibenden ermöglicht, die Produzenten in einem quantitativ erweiterten beziehungsweise qualitativ gesteigerten, mehr Personen einbeziehenden beziehungsweise das vorhandene Personal zu größeren Leistungen antreibenden neuen Produktionsprozess zu engagieren – einem solch kontinuierlichen Akkumulationsverfahren steht also eigentlich nichts mehr im Wege.
Oder vielmehr ist das Einzige, aber schwergewichtig Entscheidende, was ihm im Wege steht, das alte, dem handelsstädtischen Marktsystem vorausgehende territorialherrschaftliche Austauschsystem, aus dem jenes hervorgegangen ist und das nun aber durch seine in spannungsgeladener Parallelität oder vielmehr konfliktträchtiger Komplizität fortdauernde Existenz seinem Geschöpf beziehungsweise – angesichts der Unfreiwilligkeit der Hervorbringung besser gesagt – seiner Ausgeburt, eben dem handelsstädtischen Marktsystem, wie ein Klotz am Bein hängt oder wie eine durch ihr Schwergewicht erdrückende Hypothek die Bewegungsfreiheit raubt und den weiteren, einer rein kommerziellen Entwicklungslogik alles andere als entsprechenden Weg diktiert.
So sehr es nämlich dem handelsstädtischen System gelingt, dank der relativen sozialen Ungebundenheit und politischen Freiheit der in ihm Arbeitenden einen markanten ökonomisch-technischen Entwicklungsvorsprung vor der territorialherrschaftlichen Sphäre zu erringen, und so sehr das in diesem Entwicklungsvorsprung implizierte Produktivitätsgefälle dazu führt, dass die Handelsstadt unverhältnismäßig günstige, sprich, exorbitant lukrative Austauschbeziehungen zu den Territorialherrschaften zu unterhalten vermag, so sehr erweist sich dieser Triumph des neuen, handelsherrlich-städtischen über das alte, fronherrschaftlich-territoriale doch zugleich als ein zweischneidiges Resultat, ein Pyrrhussieg, weil der außerordentliche Reichtum, der damit in die Stadt gelangt, nur den an jenen Handelsbeziehungen beteiligten Gruppen zugute kommt, während er andere, für den Bestand des handelsstädtischen Komplexes nicht weniger wichtige Gruppen, nämlich die mit der Pflege und Sicherung der territorialen Basis der Handelsstadt befassten Schichten, den bäuerlichen Anhang der aristokratisch-politischen Führung der Stadt, um die Existenzgrundlage bringt und verarmen lässt, und weil dieser Reichtum somit soziale Spannungen und politische Konflikte heraufbeschwört, die wiederum die aristokratische Führung dadurch zu lösen oder jedenfalls zu bewältigen sucht, dass sie mit Unterstützung der verarmten Volksschichten das für die Stadt maßgebende kommerzielle System, partiell zumindest, suspendiert und durch direktere Methoden der Aneignung fremden Reichtums ergänzt, wo nicht gar ersetzt – sei's dass sie, wie im Falle der athenischen Polis, diese Aneignungsstrategie auf ihresgleichen, die anderen, als Bundesgenossen zur Kasse gebetenen Handelsstädte, beschränkt, sei's dass sie, wie es die Urbs Romana tut, die ganze territorialherrschaftliche Sphäre mit Kontributionen und Konfiskationen zu besteuern und auszuplündern beginnt. In diesem neuen, mittels bürokratischem Zwang oder militärischer Gewalt expropriativen Erwerbssystem, das aus der Handelsstadt ein hegemoniales beziehungsweise imperiales Gebilde werden lässt, spielt zwar die kommerzielle Funktion als appropriatives und zirkulatives Faktotum, als Eintreiber und Verteiler, nach wie vor eine wichtige Rolle, aber als maßgebende Instanz, als durch den marktförmigen Austausch, den sie in Szene setzt, für die soziale Ordnung und die politische Machtverteilung grundlegende Einrichtung hat sie ausgedient.
So also ist es das alte, dem handelsstädtischen Marktsystem ebenso sehr vorausgesetzte wie gleichzeitig mit ihm perennierende und als Handelspartner kontrahierende territorialherrschaftliche Austauschsystem, das durch die politisch ebenso verderblichen wie ökonomisch günstigen Austauschrelationen, die es der Handelsstadt bietet, diese zerrüttet und in Unordnung stürzt und zwecks Sicherung ihres Bestands und Zusammenhalts zu einer nicht kommerziell vermittelten, machtpolitisch fundierten Entwicklung motiviert, die ihr zwar erst einmal eine glänzende und geradezu atemberaubende Karriere ermöglicht und zu einer angesichts ihrer territorialen Kleinheit und personalen Beschränkung hypertroph anmutenden Machtstellung verhilft, sie am Ende aber auch überfordert und in den Ruin ihrer bloß geborgten, sprich, schmarotzerischen und nämlich indirekt oder direkt vom Überfluss der territorialherrschaftlichen Sphäre zehrenden Existenz treibt.
Die kraft der Produktivität des handelsstädtischen Marktsystems zuvor durchgesetzte und vollendete Trennung der ökonomischen Funktionen durch Einführung eines dem reinen Produzenten der städtischen Produktionsgemeinschaft korrespondierenden und im Rahmen der außerterritorialherrschaftlichen Handelsbeziehungen mit den Stammespopulationen des westlichen Mittelmeers Gestalt annehmenden reinen Konsumenten und die durch diese Funktionstrennung im Prinzip ermöglichte systematische kommerzielle Entfaltung und im heutigen Sinne konsequente Akkumulationsstrategie scheitern an dieser durch das Verhältnis zur territorialherrschaftlichen Sphäre provozierten nichtkommerziellen Krisenbewältigung der Handelsstadt, ihrer Umrüstung in ein hegemoniales beziehungsweise imperiales Instrument zur Beschaffung von Reichtum, und bleibt Episode. Der seine hypothekarische Bedeutung wirksam kaschierende Kredit, den das territorialherrschaftliche Austauschsystem dem handelsstädtischen Marktsystem, das sich aus ihm herausgearbeitet hat, einräumt, erweist sich am Ende als fatal und lockt die Handelsstadt, ehe sie ihr Marktsystem als einen funktionsteilig in sich geschlossenen Kreislauf, als einen selbsttragenden Organismus, einen aus eigenen Stücken repetitiven Automatismus dauerhaft etablieren kann, in das Verderben der hegemonialen Persönlichkeitsveränderung oder imperialen Charakterkonversion, in das sie der Versuch, mit seinen politisch-ökonomischen Folgen fertig zu werden, unaufhaltsam hineintreibt.
Anders als die zum territorialherrschaftlichen Kontext peripheren antiken Handelsstädte durchzieht das Marktsystem, das die in den klerikalen Freiräumen entstandenen handwerklichen Produktionsgemeinschaften zusammenschließt, die feudalherrschaftlichen Territorien wie ein Myzel. Allerdings ist es im Widerspruch zu seiner dynamisch-systematisch maßgebenden Rolle, topisch-syntagmatisch betrachtet, nur erst ein verschwindend sporadisches Element in der feudalgesellschaftlichen Totalität und bedarf, um actu der zentrale Faktor zu werden, der es potentia ist, gleichermaßen der Größe und der Anzahl seiner in den handwerklichen Produktionsgemeinschaften bestehenden konstitutiven Elemente nach eines gewaltigen Wachstums.
Von solchem Kredit und den darin versteckten verderbenbringenden hypothekarischen Belastungen weiß das neuartige, postimperiale Marktsystem rein gar nichts. Es weiß ebenso wenig davon, wie es überhaupt von einem ihm vorausgesetzten und als ebenso sehr sein fortlaufendes Milieu, sein Hintergrund, wie als seine ursprüngliche Matrix, sein Entstehungsort fungierenden territorialherrschaftlichen Austauschsystem weiß. Seinen Ursprung hat das neuartige Marktsystem feudalgesellschaftlicher – nicht etwa Provenienz oder auch nur Dependenz, sondern einzig und allein – Zuordnung und Einbettung vielmehr in den als Pforten zum Himmel etablierten religiösen Freiräumen, von denen der territoriale Zusammenhang der Feudalherrschaft durchsetzt ist; seinen Anfang nimmt es in dem geschützt retortenähnlichen Medium und unter den versuchsanstaltsförmigen Bedingungen, die jene Freiräume ihm bieten.
Weit entfernt davon, dass es wie einst aus ihm fremden, um nicht zu sagen widrigen, sozialen Verhältnissen mühsam herausprozessiert, durch die Labor fronwirtschaftlicher Produktivkraft und die Hebammendienste der kommerziellen Funktion nach und nach hervorgetrieben werden müsste, tritt dank des Schutzes und Schirms, den die religiösen Freiräume, die klostergemeinschaftlichen Exklaven ihm bieten, das Marktsystem quasi als Spontangeburt ins Leben – als eine Vielzahl vornehmlich handwerklicher Produktionsgemeinschaften, die im symbiotischen Verbund mit den agrarisch tätigen Klostergemeinschaften eben das empiriologisch sind, was die antike Figur der Athene, der Schutzgöttin der Handelsstadt, nur erst mythologisch imaginiert oder prätendiert: eine dem Kopf entstiegene, sprich, der Ratio einer Überlebensstrategie, die dank der sakral-transzendenten Perspektive, unter der sie steht, von immanenzeigenen habituellen Rücksichten und rituellen Zwängen weitgehend frei ist, entsprungene gesellschaftliche Vereinigung beziehungsweise aus dem Kalkül einer Existenzsicherung, die dank der final-jenseitigen Bestimmung, der sie dient, diesseitsspezifischen Sinnfragen und Zweifeln so ziemlich enthoben ist, hervorgegangene menschliche Unternehmung.
Und sowenig diese in vitro klösterlicher Exterritorialität gezeugten, quasi also der Gnade Gottes geschuldeten Produzentengemeinschaften in einem anders gearteten ökonomischen Zusammenhang wie dem territorialherrschaftlichen Austauschsystem des Altertums ihre Voraussetzung oder Grundlage haben, sowenig bedürfen sie nun natürlich auch einer als Geburtshelferin wirksamen, als Triebkraft aktiven kommerziellen Funktion, um sie solch heterogener ökonomischer Voraussetzung überhaupt erst zu entreißen, sie aus solch heteronomer systematischer Grundlage allererst herauszuprozessieren. Weit entfernt davon, als Maieutikum, als extern treibendes Motiv gebraucht zu werden, ist die kommerzielle Funktion ausschließlich als Faktotum, als intern organisierendes Moment gefragt. Wie die postimperialen Produzentengemeinschaften selbst eine letztlich der religiösen Orientierung der territorialherrschaftlichen Gesellschaften feudalen Typs, ihren heilsgeschichtlichen Auslassungen oder Zäsuren, ihren Pforten zum Himmel, gedankte Spontangeburt sind, so ist wiederum die kommerzielle Funktion, fern aller urheberschaftlichen Bedeutung oder Hebammenrolle, eine spontane Hervorbringung und natürliche Implikation eben jener Spontangeburt, sprich, ein Verknüpfungs- und Transaktionsmechanismus, den die verstreuten Produzentengemeinschaften aus ganz und gar eigenen Stücken ins Werk setzen, um durch den wechselseitigen Austausch ihrer materiellen Überschüsse und industriellen Neuerungen gleichermaßen die für ihre Subsistenz und ihr Überleben rationellsten Bedingungen zu schaffen und das ihrem Gedeihen und ihrem Wohlstand förderlichste Kalkül in Kraft zu setzen.
Freilich führt diese nicht, wie in der Antike, die Produzentengemeinschaften allererst auf den Plan rufende, sondern umgekehrt von den präsenten Produzentengemeinschaften freihändig in Szene gesetzte und die disparaten arbeitsteilig-kooperativen Kollektive in ein Marktsystem überführende kommerzielle Funktion das Prinzip mit sich, das ihr ab ovo ihrer herrschaftlichen Provenienz und ursprünglichen Konstitution so wesentlich ist wie sie sich selbst, nämlich das Akkumulationsprinzip, das da macht, dass kein Marktsystem, kein System von durch den Markt dotierten und für den Markt arbeitenden Produzenten ohne Konsumenten auskommt, die für die erweiterte Reproduktion des Systems, seine extensive Ausdehnung beziehungsweise intensive Entfaltung Sorge tragen, dass mit anderen Worten das Marktsystem erst dann ein System sans phrase, ein komplettes Ganzes ist, wenn es besondere Gruppen einschließt, die als Abnehmer des ex principio der kommerziellen Funktion auf dem Markt erscheinenden Mehrprodukts fungieren können, weil sie über das zur Realisierung des Mehrprodukts als Mehrwert nötige marktunabhängige allgemeine Äquivalent verfügen, und die durch diese Realisierung des Mehrprodukts als Mehrwert der kommerziellen Funktion ermöglichen, das von den Produzenten dem Markt gelieferte Produkt in seinem vollen, auch den Mehrwert umfassenden Wert in einen neuen, mehrwertigen Produktionsgang zu investieren, es als Mehrwert schaffenden Wert zur Geltung zu bringen, sprich, das ihr, der kommerziellen Funktion, als archaische Erbschaft eingeschriebene Akkumulationsbedürfnis zu befriedigen.
Und die Erfüllung dieses mit jedem Marktsystem einhergehenden Desiderats, die Besetzung der die Produzentenfunktion und den kommerziellen Mechanismus allererst zum System komplettierenden Konsumentenrolle – sie ist nun recht eigentlich das Tüpfelchen auf dem i der inmitten der Gesellschaftsverhältnisse territorialherrschaftlich alter Prägung aus der Retorte klerikaler Exterritorialität hervorgehenden und sich zu einem territoriumsübergreifenden Austauschzusammenhang eigener Ordnung, wenn schon nicht eigenen Rechts, organisierenden Produzentengemeinschaften neuen Typs. Niemand anders als die feudale Herrschaft selbst nämlich erfüllt dies Desiderat, schlüpft in die Konsumentenrolle oder findet sich, besser gesagt, zu ihr verführt und in sie gedrängt. Nicht genug damit, dass die territoriale Herrschaft und ihr fronwirtschaftliches System keine genetische Voraussetzung für das entstehende Marktsystem bilden, nicht als gleichermaßen äußere Grundlage und heteronomes Pendant des Marktsystems fungieren, sieht sich mehr noch und umgekehrt die Territorialherrschaft in ihrer konditionalen Bedeutung für das Marktsystem allererst durch das letztere selbst gesetzt, sieht sie sich als tragendes Moment oder Funktionselement des Marktsystems durch es generiert und rekrutiert.
So sehr die als feudale restituierte Territorialherrschaft als äußeres Milieu, als quasi natürliche Umwelt vorhanden ist, so sehr ist sie doch dem in ihren religiösen Freiräumen, ihren klerikalen Poren spontan entstehenden Marktsystem unmittelbar äußerlich und gemäß ihrer Äußerlichkeit im Zweifelsfall feindlich und hinderlich und gewinnt für letzteres nur in dem Maße als Positivum Relevanz und als Aktivposten Interesse, wie sie sich aufgrund ihres Mangels an Konsumgütern und ihrer Verfügung über Edelmetall als Konsument vereinnahmen lässt und so dem Marktsystem erlaubt, mit einem Schlage sowohl ihrer Feindseligkeit zu wehren beziehungsweise ihren Widerstand zu brechen als auch das Modell einer funktionsteilig in sich geschlossenen akkumulativen Zirkulation, eines aus eigenem Vermehrungstrieb wachsenden ökonomischen Organismus durch das noch fehlende Funktionselement zu ergänzen, sprich, komplett zu machen.
Die Territorialherrschaft bequemt sich mit anderen Worten hier zu eben der systemintegrierenden Funktion, die in der Antike, im Zuge der ersten Entstehung eines Marktsystems, die außerterritorialherrschaftlichen Stammesgruppen und rückständigen Populationen übernehmen und die damals allerdings, wie das entstehende Marktsystem insgesamt, Episode bleibt, weil dort, wie gezeigt, das Marktsystem seine Voraussetzung und Matrix in einem territorialherrschaftlichen Austauschsystem hat, das ihm als Klotz am Bein auch weiterhin anhängt, als eine schwere Hypothek, die umso schwerer wiegt, als sie ihren hypothekarischen Charakter durch die Blume kreditiven Entgegenkommens und gewinnträchtigster Begünstigung zur Geltung bringt, eine Hypothek, die durch die sozialen Verwerfungen und politischen Spaltungen, in denen sie sich artikuliert, das Marktsystem in den Konkurs zu treiben droht und, indem sie es zwingt, sich zur Abwendung des Konkurses bis zur Unkenntlichkeit zu entstellen und die Fasson eines hegemonial-kontraktiven Schmarotzers oder imperial-extraktiven Ausbeuters anzunehmen, es nur umso sicherer in sein auf diese Weise selbstgewirktes Verderben führt.
Vor solcher Fatalität des Entstehens ist das neue, postimperial sich regenerierende Marktsystem offenbar bestens geschützt. Und zwar nicht nur negativ deshalb, weil es dank des eigentümlichen Mediums seiner Bildung, seines als klerikaler Freiraum firmierenden Mutterbodens, gar keine territorialherrschaftliche Voraussetzung hat, keiner in einem Austauschsystem, das eine nur erst als herrschaftliches Faktotum fungierende kommerzielle Funktion zwischen Fronwirtschaften knüpft, bestehenden Matrix, die sich dann später hypothekarisch geltend machen könnte, entspringt, sondern mehr noch positiv dadurch, dass es jene, ihm mitnichten genetisch vorausgesetzte, sondern bloß historisch zugeordnete Territorialherrschaft je schon als Moment seiner selbst vereinnahmt, als klar definiertes Funktionselement seinem System integriert, indem es ihr, wie gezeigt, die Rolle des reinen Konsumenten, des Mehrwertrealisierers vom Dienst überträgt, und dass es so der in seinen kommerziell-systematischen Kontext Eingeführten und Eingebundenen von vornherein jede Möglichkeit verschlägt, sich gegen es in welcher Weise auch immer als heteronome Bestimmung und hypothekarische Belastung in Stellung zu bringen.
Ehe sie weiß, wie ihr geschieht, findet sich die Territorialherrschaft durch ihre materiellen Bedürfnisse und ihren herrschaftlichen Schatz, dessen allgemeine Äquivalenz, dessen universalen Tauschwert die Tribute der Händler ihr zu Bewusstsein bringen, in das durch die Händler organisierte Marktsystem hineingezogen und in ihm funktionalisiert und damit jeder Chance beraubt, sich jenem System gegenüber noch als das eigene Ganze, das sie von Haus aus ist, zum Tragen zu bringen und ihm sei's durch störfaktorelle Einflussnahme und aktive Sabotage, sei's einfach durch trägheitsmomentanes Beharrungsvermögen und passiven Widerstand in die Quere zu kommen.
Dabei ist strukturelle Bedingung für den durchschlagenden Erfolg dieser jede substanziell-genetische Abhängigkeit von vornherein ausschließenden beziehungsweise unterlaufenden systematisch-funktionellen Vereinnahmungsstrategie, durch die sich die Territorialherrschaft wie von Zauberhand aus einem das Marktsystem potenziell konterkarierenden Störfaktor in ein aktuell integrierendes Moment des Marktsystems transformiert zeigt, natürlich der in der Topik des letzteren, in seiner Assoziation mit den religiösen Freiräumen, den klostergemeinschaftlichen Exklaven, einbegriffene Umstand, dass es nicht wie in der alten Welt peripher zur territorialherrschaftlichen Sphäre und in Bezug auf sie randständig-sporadisch in Erscheinung tritt, sondern vielmehr in medias res der territorialherrschaftlichen Sphäre Einzug hält und sich im Verhältnis zu ihr punktförmig-pandemisch in Szene setzt. Weil es wie die ihm Schutz und Entfaltungsraum gewährenden klösterlich-klerikalen Pforten zum Himmel, denen es anhängt und die es umlagert, die territorialherrschaftliche Sphäre allenthalben durchsetzt und quasi universal perforiert, ist das neue Marktsystem in Gestalt seiner einzelnen Produktionsgemeinschaften überall vor Ort und am Mann, wenn es gilt, durch die zwecks seiner Etablierung als System von ihm ebenso ubiquitär generierte kommerzielle Funktion die einzelnen Territorialherrschaften ihrer systemkonformen Rolle als Konsumenten sans phrase, reine Mehrwertrealisierer zu überführen.
Dank seiner nach Maßgabe des religiösen Organisationsgeflechts die territorialherrschaftliche Sphäre pandemisch punktierenden Standorte und der diese Standorte vernetzenden kommerziellen Verbindungen durchzieht das Marktsystem die ganze Sphäre wie ein Myzel und hat wegen dieser seiner generellen Objektnähe oder Feindberührung geringe Mühe, den potenziellen Feind zum aktuellen Partner zu gewinnen, den feudalen Kontrahenten zum kommerziellen Kontrakt zu bewegen, sprich, die jeweilige Territorialherrschaft zu jener eigentümlichen Symbiose anzustiften, der zufolge es der letzteren Nährstoffe, materiale Güter, liefert und dafür von ihr das für die Nährstoffproduktion oder vielmehr für deren Wachstum erforderliche katalytische Ferment, allgemeines Äquivalent, erhält.
Der Hinweis auf die von aller marginalen unde sporadischen Existenz weit entfernte Medialität und Omnipräsenz des Marktsystems wäre freilich unvollständig und unter Umständen sogar irreführend ohne die gleichzeitige Erwähnung der eklatanten Diskrepanz zwischen dieser seiner – systematisch genommen – unbezweifelbaren Zentralität und Signifikanz und seiner – syntagmatisch betrachtet – vorläufig ebenso unbestreitbaren Punktualität und Geringfügigkeit. So sehr mit anderen Worten das Marktsystem dynamisch-systematisch als das organisierende Zentrum gelten kann, an das die Territorialherrschaften, ohne zu wissen, wie ihnen geschieht, anschießen und durch das sie sich im Nu in ein integrierendes Moment, ein kommerzielles Funktionselement transformiert finden, so sehr erscheint das Marktsystem doch aber topisch-syntagmatisch nur erst als ein quasi archimedischer Punkt, der, seiner Vielzahl zum Trotz, ob seiner relativen Kleinheit und respektiven Unbedeutendheit in der voluminösen territorialherrschaftlichen Sphäre im Großen und Ganzen der fronwirtschaftlich-feudalen Gesellschaft, regelrecht verschwindet und verborgen liegt und der erst gefunden oder, besser gesagt, in seiner Wirkmächtigkeit entfaltet werden, sich als das Potenzial, das er ist, aktualisieren muss, ehe er seinem archimedischen Namen Ehre machen und die Welt aus den Angeln heben, genauer gesagt, die territorialherrschaftliche Sphäre nach seinem akkumulationsstrategischen Bilde umformen kann.
Eingebettet in das weite Feld fronwirtschaftlich-territorialherrschaftlicher Dependenz, sind die durch die kommerzielle Funktion ihres Zeichens organisierten Produzentengemeinschaften nur erst die Samen- und Senfkörner, die aufgehen und wachsen müssen, ehe sie realiter werden, was sie idealiter bereits sind, ein die Erde überziehender und sich in den Acker und Nährboden für seine spezifische Produktion, die Schöpfung von Wert, und sein eigentümliches Produkt, den Wert, der sich selbst verwertet, der zu seiner eigenen Schöpfung dient, verwandelnder Organismus.
Das Ensemble der zusammen mit den Himmelspforten, die den irdischen Gesellschaftsleib heilsperspektivisch aufschließen, den religiösen Poren, die ihn in seiner Erdenschwere christologisch ventilieren, in den feudalgesellschaftlichen Kontext eingelassenen Produzentengemeinschaften neuen Typs, die kraft der kommerziellen Funktion, die zwischen ihnen die Verbindung herstellt, ein Marktsystem bilden, ist also eine Potenz, die durch die ökonomische Integration der feudalen Herrschaft, durch ihre Vereinnahmung als Mehrwertrealisierer, potenziell zwar oder im systematischen Prinzip bereits das gesamte feudalgesellschaftliche Corpus in Dienst nimmt und ihren Zwecken gefügig macht, die sich aber aufgrund der überwältigenden Leibesfülle jenes feudalgesellschaftlichen Corpus, aufgrund der dem Corpus eigenen und seine Integration ins Marktsystem jeweils zum punktuellen Ereignis, zur winzigen Episode verflüchtigenden empirischen Existenz, aktuell oder in Wirklichkeit noch weitgehend in der Latenz des feudalgesellschaftlichen Lebens verhalten und auf ein, kaum dass es darin erscheint, auch schon wieder von ihm verschlungenes, kursorisches Moment, eben auf eine Art von biographischem Samenkorn beschränkt findet.
Während das Marktsystem zwar die feudale Herrschaft als Konsumenten rekrutiert und so zu einem integrierenden Funktionselement seiner eigenen erweiterten Reproduktion werden lässt, bleibt ihm doch zugleich das dieser Herrschaft fronwirtschaftlich dienstbare, bäuerliche Gros der feudalen Gesellschaft noch weitgehend entzogen und tritt ihm als ein heterogen-syntagmatisches Umfeld entgegen beziehungsweise umgibt es wie ein fremdartig-anorganisches Milieu, worin es sich als ein nur punktuell wirksames und, aufs gesellschaftlich Ganze gesehen, immer wieder verschwindendes Moment verliert und gleichermaßen seine systematische Geltung und sein organisches Funktionieren in enge Grenzen gebannt und in der Tat zum Ausnahmefall degradiert findet.
Um aktuell oder in Wirklichkeit zu werden, was es potenziell oder dem Prinzip nach bereits ist, und um also das in ihm gestaltgewordene Modell marktwirtschaftlich-akkumulativen Produzierens in die Tat der feudalgesellschaftlichen Totalität umzusetzen, muss es gleichermaßen der Größe und der Anzahl seiner konstitutiven Elemente nach, sprich, sowohl im Volumen als auch in der Menge jener relativ unabhängigen Produzentengemeinschaften, aus denen die kommerzielle Funktion es, das System, organisiert, gewaltig zulegen und völlig andere Dimensionen erreichen.
Die Vervielfältigung der durchs Marktsystem zusammengeschlossenen Produzentengemeinschaften erweist sich als die via regia zur Entfaltung des Systems, weil die feudalen Herrschaften wegen der habituell-konsumtiven und der strukturell-kompetitiven Vorteile, die jene handwerklichen Produzentengemeinschaften ihnen bieten, und weil sie sich als finanziell lukrativ erweisen, nach Kräften darum bemüht sind, sie auf ihren Territorien anzusiedeln. Um sie bei sich heimisch zu machen, räumen sie den Kommunen ökonomische Entfaltungsmöglichkeiten und politische Freiheiten ein und lassen zu, dass sie sich zu weitgehend eigenständigen und selbstverwalteten Gemeinwesen entwickeln.
Was die Größe, das Volumen der einzelnen Produzentengemeinschaft angeht, so liegen freilich Zunahme und Wachstum in der Natur des Systems selbst. So gewiss das erstmals in der klassischen Antike in Szene gesetzte und jetzt unter anderen Vorzeichen, in anderer Konstellation und mit anderem Personal wieder auf den Plan tretende Modell aus marktwirtschaftlich organisierten und integrierten Produzenten, den Markt herstellender kommerzieller Funktion und den markteigenen Produktionsüberschuss verwertenden hauptberuflichen Konsumenten seine ultima ratio in der Wertakkumulation, der stets erweiterten Reproduktion des immer Gleichen, der um der Zirkulation willen angestrengten Produktion und einer um der Produktion willen betriebenen Zirkulation findet, so gewiss impliziert dieses Modell ein naturgemäß fortlaufendes extensives beziehungsweise intensives, die Zahl der Produzenten beziehungsweise ihre Produktivkraft betreffendes Wachstum der jeweiligen, das System tragenden Elemente, der einzelnen Produzentengemeinschaften.
Von den kommerziellen Betreibern des Systems mit einem dank der herrschaftlichen Konsumenten und ihrer Funktion als Mehrwertrealisierer von Mal zu Mal vergrößerten Wertquantum, einem kontinuierlichen Mehr an allgemeinem Äquivalent konfrontiert, das ihnen als marktgängige Münze zur Verfügung steht, sofern sie ein entsprechendes Mehr an Produktionsleistung erbringen, können die Produzentengemeinschaften eigentlich gar nicht anders, als diese Chance zur Vergrößerung ihres Wohlstands mittels vermehrter Arbeit zu nutzen und sei's ihre Reihen durch weitere Produzenten aufzufüllen, sei's durch technische Neuerungen oder arbeitsorganisatorische Verbesserungen ihre Produktivität, sprich, die Arbeitsleistung des vorhandenen Personals, zu steigern.
Allerdings stehen dieser in der Natur des Marktssystems beschlossenen Wachstumstendenz der Produzentengemeinschaften äußere, aus dem factum brutum des feudalherrschaftlichen Kontextes resultierende Einschränkungen und Hemmnisse entgegen, die, wenn schon das Wachstum nicht überhaupt zu durchkreuzen und zu unterbinden, so jedenfalls doch zu behindern und stark zu verlangsamen geeignet sind. Da ist erstens die räumliche Enge der auf die klösterlichen Exklaven, die klerikalen Freiräume beziehungsweise auf deren unmittelbaren Umkreis eingeschränkten Produzentengemeinschaften, die einer Entfaltung nur zu rasch Grenzen setzt. Und da sind zweitens die personalen Nachschubprobleme, die aus der Tatsache resultieren, dass sich die im territorialherrschaftlichen Umfeld der Produzentengemeinschaften lebende Bevölkerung in fronwirtschaftlicher Abhängigkeit von der Feudalherrschaft befindet und diese eine Desertion und Abwanderung ihrer Untertanen in die relative produzentengemeinschaftliche Freiheit im Normalfall nicht toleriert.
Angesichts solch gravierender Hindernisse, mit denen sich die einzelne Produzentengemeinschaft im Blick auf die ihr vom Marktsystem nahegelegte, um nicht zu sagen, abgeforderte Expansion und Vergrößerung konfrontiert findet, kommt offenbar alles auf die Wirksamkeit und den Erfolg der zweiten zur marktsystematischen Durchdringung des feudalgesellschaftlichen Zusammenhangs geeigneten Methode, nämlich der Vermehrung der Produzentengemeinschaften, ihrer zahlenmäßigen Vervielfältigung an. Auf den ersten Blick scheint nun zwar dieses zweite Verfahren noch weniger aussichtsreich, weil es ja angesichts der topischen Verhältnisse, der Raumaufteilung zwischen durchgängigen feudalherrschaftlichen Territorien und eingestreuten klösterlich-klerikalen Freiräumen, ein Vordringen der Produzentengemeinschaften auf feudalherrschaftliches Gebiet, sprich, einen Transfer der im klösterlich-klerikalen Freiraum gegebenen besonderen politisch-ökonomischen Existenzbedingungen in die ihnen stracks widerstreitende und sie nach Maßgabe ihrer lehnsrechtlich-fronwirtschaftlichen Verfassung regelrecht ausschließende herrschaftliche Domäne voraussetzte. Wie sollte wohl ausgerechnet der auf Loyalität statt auf Reziprozität und auf persönliche Abhängigkeit statt auf sächlichen Austausch gegründete feudale Kontext den konstitutiven Elementen des neu entstehenden Marktsystems, den kommerziell miteinander verknüpften Produzentengemeinschaften neuen Typs, eine Freistätte und einen Entfaltungsraum bieten und so die Grundlage für das besagte zweite Verfahren zum Auf- und Ausbau des Marktsystems, nämlich die Vermehrung und Vervielfältigung eben dieser für das System konstitutiven Produzentengemeinschaften liefern?
Indes, was auf den ersten Blick geradezu ausgeschlossen erscheint, stellt sich auf den zweiten vielmehr als die via regia der weiteren Karriere des Marktsystems heraus. Und zwar deshalb, weil die Wort- und Geschäftsführer der feudalgesellschaftlichen Sphäre, eben die feudalen Herrschaften selbst, gegenüber jenem Verfahren einer fortgesetzten Streuung und Vervielfältigung der Produzentengemeinschaften, sprich, ihrer Dissemination und Ausbreitung in die feudalgesellschaftliche Sphäre hinein, nicht etwa bloß Toleranz und Aufgeschlossenheit an den Tag legen, sondern sich mehr noch als seine begeistertsten Partisanen und entschiedensten Förderer erweisen.
Tatsächlich sind sie es, die feudalen Herrschaften, die darauf verfallen, im Blick auf die dank der klerikalen Freiräume ihrer territorialen Herrschaft weitgehend entzogenen Produzentengemeinschaften eine Ausnahme von der Regel der lehnsrechtlich-fronwirtschaftlichen Verfassung der von ihnen beherrschten Gesellschaften zu machen und solchen Gemeinschaften nämlich auf den eigenen Territorien einen rechtlichen Rahmen und politisch-ökonomische Bedingungen zu bieten, die ihnen ein vergleichbar unabhängiges Wirtschaften wie in den klerikalen Freiräumen ermöglicht. In der Tat sind sie es, die feudalen Herrschaften, die der Bildung und Etablierung solcher Produzentengemeinschaften auf ihrem Territorium Vorschub leisten, indem sie im Verhältnis zu ihnen all die feudalherrschaftlichen Rechte und Ansprüche außer Kraft beziehungsweise hintan setzen, die ihre Bildung und Etablierung in der feudalherrschaftlichen Sphäre eigentlich ausschließen. Was die feudalen Herrschaften dazu motiviert, den Produzentengemeinschaften Avancen zu machen und sie auf ihrem Hoheitsgebiet bereitwillig Fuß fassen zu lassen, ihnen dort neue, durch profane Verträge, statt durch klerikale Protektion gesicherte Standorte einzuräumen, sind die offenkundigen, öffentlichen ebenso sehr wie privaten und staatlichen nicht weniger als persönlichen, Vorteile, die sie aus der unmittelbaren Präsenz und dem innerterritorialen Wirken der Gemeinschaften ziehen.
Keineswegs nämlich sind es nur habituelle, die Konsumgewohnheiten, den Lebensstandard betreffende Annehmlichkeiten, die, wie schon ausgeführt, die durch die kommerzielle Funktion zum Marktsystem organisierten Produzentengemeinschaften dank ihres von fronwirtschaftlicher Bevormundung und Ausbeutung relativ befreiten und vom eigenen Interesse, von der Aussicht auf eigeninitiativen Wohlstand bestimmten Arbeitens und Wirtschaftens und dank ihrer dadurch genährten Produktiv- und Erfindungskraft den feudalen Herrschaften mittels kommerzieller Funktion zu bieten vermögen und die natürlich umso größer und umso zuverlässiger zu haben sind, wie die Produzentengemeinschaften in nächster räumlicher Nähe und im engsten sozialen Kontakt zu den feudalen Herrschaften tätig sind. Mindestens ebenso schwer wie die habituell-konsumtiven Annehmlichkeiten wiegen vielmehr die strukturell-kompetitiven Vorteile, die teils darin bestehen, dass dank der auf ihren Territorien stationierten Produzentengemeinschaften die feudalen Herrschaften einen direkten Zugang zum jeweils letzten Stand der Technik gewinnen und vergleichsweise unmittelbar von den in den Produzentengemeinschaften vorangetriebenen neuesten Entwicklungen, ihren jeweils jüngsten inventorischen Errungenschaften profitieren, teils darin, dass das die Produzentengemeinschaften organisierende Handelssystem die betreffende Territorialherrschaft in entsprechend verstärktem Maß in sein Netz aus Handelswegen und Handelsniederlassungen einbezieht und sie durch den wachsenden Strom von Gütern und Menschen, den es in sie hinein und aus ihr herauspumpt, ebenso sehr für Einflüsse aus der umgebenden Welt öffnet wie selber auf die umgebende Welt Einfluss nehmen lässt.
Was das erstere, den Zugang zum technischen Fortschritt und die Teilhabe an der Produktivitätsentwicklung betrifft, so beschränkt sich das Interesse der feudalen Herrschaften keineswegs nur auf den rüstungsrelevanten Bereich, den Festungsbau und die Metallbearbeitung, sondern erstreckt sich auf zahlreiche andere Gebiete wie etwa die landwirtschaftliche Produktion, den Werkzeug- und Fahrzeugbau, den Bergbau und die für die herrschaftliche Repräsentation wichtigen Produktionssparten wie etwa die Tuchmacherei oder die Feinschmiedekunst. All diese Gewerke steigern und stärken in dem Maße, wie die feudale Herrschaft sie in ihrer unmittelbaren Nähe zu verankern, sie auf dem eigenen Territorium zu etablieren vermag und wie sie ihr, wenn auch strikt vermittelt durch den Austauschmechanismus der kommerziellen Funktion, zu Gebote stehen, die materiellen Ressourcen, die militärische Macht und das soziale Ansehen der jeweiligen Herrschaft.
Und was das zweite angeht, die wachsende Einbeziehung der jeweiligen Herrschaft in das als Marktsystem ausgelegte Handelssystem, so befördert sie nicht nur praktisch-ökonomisch deren Gewicht und Aktualität, sondern dient ebenso sehr politisch-ideologisch ihrem Ansehen und ihrer Attraktivität. In einem Herrschaftssystem wie dem feudalen, das wesentlich auf persönlichen Abhängigkeiten und verwandtschaftlichen Beziehungen aufbaut und unter der Drohung eines dank Belehnungen, Ehebündnissen und Erbschaften ständigen internen Wandels, einer permanenten kaleidoskopartigen Verschiebung, Neuaufteilung und Neuanordnung seiner territorialen Einheiten steht – in einem solchen Herrschaftssystem stellen für die einzelne Einheit materielle Kräftigungen und funktionelle Stabilisierungen wie die beschriebenen keinen geringen Wettbewerbsvorteil und unter Umständen den Fortbestand der Herrschaft sichernde Aktivposten dar.
Und zu diesem strukturell-kompetitiven Vorteil, den für die jeweilige Feudalherrschaft die Präsenz des neuen Marktsystems und etlicher beziehungsweise möglichst vieler seiner konstituierenden Elemente in ihrem Herrschaftsbereich bedeutet, kommt nun zu allem Überfluss noch der finanziell-lukrative Aspekt hinzu, den diese Einlassung und Eingliederung marktwirtschaftlicher Produzentengemeinschaften ins feudalherrschaftliche Territorium für den Feudalherren hat. Wie sich schon die anfängliche Handelsfunktion, während sie noch nur erst die auf die klösterlich-klerikalen Freiräume beschränkten Produzentengemeinschaften marktwirtschaftlich miteinander verknüpft, bereit findet, für den ungehinderten beziehungsweise geschützten Durchzug und Güterverkehr durch die dazwischen liegenden feudalen Territorien deren Herrschaften Tribut oder Wegezoll zu zahlen, so sind nun auch die mittlerweile auf den feudalen Territorien Fuß fassenden und sich dort häuslich einrichtenden Produzentengemeinschaften willens, sich den territorialen Herrschaften für den besonderen Status, den diese ihnen einräumen, materiell erkenntlich zu zeigen, ihnen die ausnehmenden Freiheiten, die sie von ihnen gewährt bekommen, finanziell zu honorieren.
Dafür, dass die feudalen Herrschaften sie von fronwirtschaftlichen Verpflichtungen und Dienstleistungen ausnehmen und ihnen weitgehende Freiheit nicht nur bei ihren ökonomischen Unternehmungen, sondern auch bei ihrer politischen Organisation lassen sowie ihnen Selbstverwaltungs- und Gerichtsbarkeitskompetenzen zugestehen, sind die Produzentengemeinschaften gerne bereit, den Herrschaften die Dispensationen und Privilegien, die sie von ihnen erhalten, finanziell zu vergüten und sie durch regelmäßige Wege-, Markt- und Warenzölle sowie durch Sonderleistungen in Notzeiten oder im Verteidigungsfall an dem Wohlstand, den sie unter herrschaftlichem Schutz erwirtschaften, in Maßen teilhaben zu lassen. Das fällt ihnen umso leichter, als – vergleichbar den Tributen, die die kommerzielle Funktion in den frühesten, noch weitgehend klerikal gefärbten Anfängen des Marktsystems an die Territorialherren entrichtet und die ja neben der negativen Funktion einer Sicherung des Handelsverkehrs gegen herrschaftliche Eingriffe auch noch die positive Aufgabe einer Einübung der Herrschaft in die Konsumentenrolle erfüllen – auch diese der Territorialherrschaft geleisteten Zölle und Zahlungen nicht einfach tote Kosten sind, sondern neben ihrer Funktion einer Honorierung des Status quo dazu dienen, der Herrschaft immer weiter den Schneid ihres Souveränitätsanspruchs gegenüber den auf ihrem Territorium heimischen Produzentengemeinschaften abzukaufen, ihr das Zugeständnis immer weiterer ökonomischer Konzessionen, politischer Freiheiten und sozialer Rechte an die letzteren als sinnvoll, weil finanziell lohnend erscheinen zu lassen.
Die feudale Herrschaft erfährt also die durch die kommerzielle Funktion zum interterritorialen Marktsystem organisierten Produzentengemeinschaften aus der Retorte der klerikalen Freiräume, wenn es ihr gelingt, sie aus ihrer Retortenexistenz in die territorialherrschaftliche Empirie zu überführen und dort heimisch werden zu lassen, gleich in mehrfacher Hinsicht als eine Bereicherung ihrer Herrschaft und Stütze ihres Strebens nach Macht und nach Kontinuität der Macht. Nicht genug damit, dass die auf dem Territorium heimischen Produzentengemeinschaften, habituell-konsumtiv gesehen, der jeweiligen Herrschaft willkommen sind, weil sie ihren Lebensstandard, ihr materielles Wohlergehen befördern, sie kommen ihr auch, strukturell-kompetitiv betrachtet, gelegen, weil sie ihre Konkurrenzfähigkeit im Verhältnis zu den anderen Territorialherrschaften vergrößern, sprich, gleichermaßen ihre ökonomisch-reale Macht erhöhen und ihren politisch-sozialen Status stärken, und sie erweisen sich zu allem Überfluss auch noch als eine für die Herrschaft selbst, das Staatssubjekt als Privatperson und sein Vermögen, den Fiskus, finanziell-lukrative Einrichtung, weil sie bereit sind, dies Staatssubjekt dafür, dass es ihnen auf seinem Hoheitsgebiet eine Freistatt einräumt, durch Zölle und Abgaben an den Gewinnen aus ihren handwerklich-industriellen Produktionen beziehungsweise den auf ihren Produktionen basierenden kaufmännisch-kommerziellen Transaktionen teilhaben zu lassen.
Was Wunder, dass die diversen Feudalherrschaften darin wetteifern, solche Produzentengemeinschaften auf ihren Territorien anzusiedeln und ihnen ihre von den klerikalen Freiräumen her gewohnten und für ihr erfolgreiches Funktionieren unentbehrlichen Lebensbedingungen zu schaffen beziehungsweise zu garantieren, ihnen also im offenkundigen Widerspruch zur herrschenden, von fronwirtschaftlicher Abhängigkeit und persönlichen Dienstleistungen geprägten Verfassung der feudalen Gesellschaft relative ökonomische Eigeninitiative und politische Selbstbestimmung zuzugestehen. Was Wunder, dass sie sogar die Abwanderung und Flucht von Untertanen (lieber allerdings aus fremden Herrschaftsgebieten als aus den eigenen) und deren Übersiedlung in die von ihnen geschaffenen beziehungsweise garantierten Freiräume tolerieren – im Interesse des Wachsens und Gedeihens dieser die Freiräume okkupierenden Gemeinschaften, die ihrer Herrschaft in so vielerlei Hinsicht Vorteile bringen und von Nutzen sind.
Und was Wunder, dass sich so mit paradox-tatkräftiger Hilfe der Feudalherrschaft die ihr in der politischen Idee ebenso wie im ökonomischen Prinzip stracks widerstreitende Produzentengemeinschaft neuen Typs vervielfältigt und in alle feudalen Territorien hinein ausbreitet und, vermittelt und vernetzt durch die kommerzielle Funktion, binnen zwei, drei Jahrhunderten zu einem Marktsystem entfaltet, dessen Struktur die des fronwirtschaftlich-feudalherrschaftlichen Zusammenhangs durchgängig komplementiert und zu einer Art von – wenn auch weniger paralleler, als kontrapunktischer – Doppelhelix gestaltet, einem Marktsystem, das sich wegen seiner ökonomischen Leistungen und Beiträge zum Feudalsystem aus diesem bald schon nicht mehr wegdenken lässt und ihm am Ende so unentbehrlich und wesentlich ist als es sich selbst.
Durch ihre Integration ins Marktsystem ebenso sehr ökonomisch gestärkt und zum Wachstum angeregt, wie durch die feudale Förderung und Privilegierung befestigt und zur Eigenständigkeit disponiert, verwandeln sich dabei die überall, wenn auch abhängig von geographischen, ökologischen und demographischen Bedingungen in unterschiedlicher Streuung und Dichte etablierten Produzentengemeinschaften in regelrechte Gemeinwesen, entwickeln sich mit anderen Worten jene innerterritorialen Produktionsstätten mit Sonderstatus und herrschaftlichem Freibrief zu städtischen Gemeinden mit eigenen, vom fronwirtschaftlich-territorialherrschaftlichen Umfeld klar unterschiedenen Gruppenbildungen und Sozialstrukturen, mit stadtspezifisch eigenen Satzungen, Verwaltungseinrichtungen, Ordnungsfunktionen.
Und wie die ihnen wegen ihrer mehrfachen Nützlichkeit für die territoriale Herrschaft von dieser konzedierte Eigeninitiative und Selbstbestimmung und ihre auf Basis solcher Freiheit realisierte Integration in das territorienübergreifende Marktsystem den Produzentengemeinschaften also ermöglicht, politisch nicht weniger als ökonomisch eigene Wege zu gehen und nämlich nicht nur ökonomisch an den technischen Neuentwicklungen und Produktivitätsfortschritten ihrer Handelspartner zu partizipieren und davon zu profitieren, sondern mehr noch politisch eine ihrer Produktionsweise und ihren Handelsinteressen gemäße Organisation ihrer sozialen Beziehungen und Selbstverwaltung ins Leben zu rufen und zu institutionalisieren, so versetzen sie nun der materiale Wohlstand oder die realen Ressourcen, die ihnen ihr ökonomischer Erfolg einträgt, und das personale Volumen oder die soziale Masse, die sie dank dieses ökonomischen Erfolgs erreichen, darüber hinaus in die Lage, ihre politischen Errungenschaften, ihre städtischen Freiheiten und autonomen Einrichtungen, militärisch zu untermauern und zu befestigen und gegebenenfalls aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln gegen Anfeindungen und Übergriffe von Seiten ihrer feudalherrschaftlichen Nachbarn zu verteidigen.
Auf Basis ihres sächlichen Wohlstands und ihres numerischen Wachstums können es sich die Populationen der dank feudalherrschaftlicher Protektion und Privilegierung aus den Produzentengemeinschaften neuen Typs als halbwegs autonome politische Einheiten hervorgehenden städtischen Gemeinwesen leisten, Befestigungen und Verteidigungsanlagen zu bauen, Waffenarsenale anzulegen und entweder die eigenen Bürger sich in der Kunst des Kriegshandwerks ausbilden zu lassen oder aber für die Verteidigung und Abwehr kriegerischer Bedrohungen Söldner in Dienst zu nehmen. Ihr ökonomisches Gedeihen und ihr numerisches Wachstum erlauben es ihnen mit anderen Worten, Vorkehrung zum Schutz ihres im territorialherrschaftlichen Kontext halbwegs exterritorialen Status, zur Bewahrung ihrer städtischen Freiheit zu treffen und nämlich für den immer möglichen und – wie die historische Erfahrung zeigt – zunehmend wahrscheinlicheren Fall gerüstet zu sein, dass bei der einen oder anderen Feudalherrschaft das für die Tolerierung und Privilegierung solch halbwegs autonomer städtischer Gemeinwesen grundlegende Motiv partizipativen Interesses und friedlichen Eigennutzes nicht ausreichend verfängt und der offenen Raubgier oder herrschaftlicher Willkür weicht.
An Wahrscheinlichkeit gewinnt dieser Fall, eben weil im Zuge der historischen Entwicklung die halbwegs autonomen städtischen Gemeinwesen dank ihrer Produktivität und ihrer kommerziellen Aktivitäten immer wohlhabender und, was gleichermaßen ihren technischen Stand und ihren konsumtiven Lebensstandard betrifft, immer beneidenswerter und verführerischer werden und weil aus Gründen, die noch zu erörtern sein werden, die Feudalherrschaften, zumindest in Teilen, im Vergleich damit immer stärker ins Hintertreffen geraten und immer mehr verbauern und verarmen. Angesichts des Reichtums und der Pracht, die die Städte entfalten, und des Lebensstils, den sie pflegen, muss bei all den feudalen Herrschaften, die mangels Kaufkraft die ihnen vom Marktsystem zugewiesene Konsumentenrolle nicht mehr oder nur noch unzulänglich wahrzunehmen vermögen, die Neigung oder Versuchung wachsen, mit dem einzig ihnen verbliebenen Pfund, ihrer militärischen Schlagkraft, zu wuchern und sich mit Gewalt zu holen, was das sich fortentwickelnde, kommerziell organisierte Produktionssystem ihnen vorenthält beziehungsweise entzieht.
Ein und dasselbe städtische Wachsen und Gedeihen aber, das in den in ihren Burgen und Herrensitzen residierenden und an den Segnungen, die solchem Wachsen und Gedeihen entspringen, nicht mehr wie gewünscht teilhabenden feudalen Herrschaften die Raubgier weckt, gibt den Städten auch die Mittel an die Hand, solcher Raubgier zu trotzen und einen Riegel vorzuschieben und den feudalen Herrschaften den Respekt vor der Freiheit und Integrität der städtischen Gemeinwesen als wenn schon nicht im eigenen Interesse gelegene, so doch der politischen Klugheit entsprechende, als wenn schon nicht von innerer Motivation getragene, so doch durch die äußeren Umstände gebotene Haltung vor Augen zu führen.
Verschiedene Faktoren treiben die klerikalen Freiräume dazu, sich als ständisch definierte Territorien dem feudalen Herrschaftssystem einzugliedern, womit sie ihre topische Exterritorialität und ihre ökonomische Eigenständigkeit verlieren und die dynamische Exzentrik des Klerus sich teils zur bloßen Kultdienerschaft funktionalisiert, teils zur irdischen Landnahmelust verwildert.
Dass die sich in alle herrschaftlichen Territorien ausbreitenden und im Medium des Marktsystems, das sie bilden, zu mehr oder minder freien beziehungsweise autonomen städtischen Gemeinwesen entfaltenden Produzentengemeinschaften sich so dauerhaft festsetzen und, geschützt gleichermaßen durch die ökonomische Nützlichkeit, die sie für die Feudalherrschaft besitzen, und durch die militärische Widerstandskraft, mit der sie herrschaftlichen An- und Übergriffen gegebenenfalls begegnen, zu einem nicht mehr wegzudenkenden und in der Tat fortschreitend an ökonomischem Gewicht und politischer Bedeutung gewinnenden Bestandteil der feudalen Gesellschaft avancieren, geschieht zu ihrem Glück und just zur rechten Zeit, weil sie ihrer ursprünglichen, quasi exterritorialen Standorte in den klösterlich-klerikalen Freiräumen in dem Maße verlustig gehen, wie die letzteren sich feudalisieren und, einen territorialherrschaftlich-fronwirtschaftlichen Charakter annehmend, in die Reihen ihrer säkularen Nachbarn eingliedern – zwar als Gebiete mit geistlichen Herren von den Territorien mit weltlichen Herren ständisch-zeremoniell unterschieden, aber in allen praktisch-funktionellen Hinsichten, in den Dominialrechten auf ihr Gebiet, den Lehnspflichten gegenüber dem Oberherrn und den Leistungsansprüchen an ihre Untertanen den weltlichen Territorien ebenso sehr angeglichen wie gleichgestellt.
Begründet ist diese Feudalisierung der klerikalen Freiräume erstlich in der zur Gewohnheit sich auswachsenden Neigung der säkularen Lehns- und Oberherren, die Leiter großer Klostergemeinschaften und die Oberhirten der Laiengemeinden, Äbte und Bischöfe, mit Gütern zu belehnen und in Vasallendienst zu nehmen, weil bei diesen Vasallen naturgemäß keine Erbfolgen, keine familiären Machtkonzentrationen und Anspruchshaltungen, kurz, keine dynastischen Verwicklungen zu erwarten sind und weil im Normalfall diese Vasallen den feudalen Verwandtschaftssystemen, den großen Adelssippschaften, hinlänglich fremd und abstrakt gegenüberstehen, um sich dem Lehns- und Oberherrn, dem allein sie ihre herrschaftliche Stellung verdanken, besonders verpflichtet zu fühlen und sich mangels sonstigen Rückhalts in besonderer Abhängigkeit von ihm zu befinden und einer besonderen Anhänglichkeit an ihn zu befleißigen.
Zum zweiten leistet der Feudalisierung der kirchlichen Gebiete die vom Klerus gemäß der Devise, dass der Appetit mit dem Essen kommt, zunehmend propagierte laizistische Werkheiligkeit Vorschub, sprich, die Doktrin, dass materiale Stiftungen an die Kirche im Allgemeinen und territoriale Schenkungen und Hinterlassenschaften an Diözesen und Abteien im Besonderen dem Seelenheil des Stifters, Gebers oder Erblassers förderlich sind und seine Aussichten auf schließliche Errettung entscheidend verbessern können. Zumal in dem Maße, wie der Klerus der fortschreitenden Verdiesseitigung der Laien, ihrer durch materiale Fortschritte und Hebung des Lebensstandards bedingten wachsenden Indifferenz gegenüber der Heilsperspektive zu wehren beziehungsweise zu steuern sucht und zwecks Erhaltung seiner moralischen Zensorenrolle ein letztes Gericht und die damit verknüpfte Möglichkeit ewiger Verdammnis und Höllenpein in den heilsperspektivischen Vordergrund rückt, wächst die individuelle Bereitschaft, die Kirche in Person ihrer bischöflichen Vertreter oder in Gestalt ihrer klösterlichen Gemeinschaften mit Schenkungen zu bedenken und als Erben einzusetzen, um auf diese Weise Verschonung von den Schrecken des Jüngsten Gerichts zu erlangen oder jedenfalls die Aussicht auf solche Verschonung zu verbessern.
Und drittens wird die Feudalisierung des Klerus noch durch die Kolonisationstätigkeit, die in Bevölkerungsdruck und territorialem Vergrößerungsstreben begründete Eroberung und Unterwerfung der nichtchristlichen Gebiete in der Mitte und im Osten des europäischen Kontinents vorangetrieben, bei der in Erfüllung seines Missionsauftrages der mönchische und episkopalische Klerus ebenso sehr eine expansionsstrategische Vorreiterrolle spielt wie eine siedlungspolitische Grundlegungsaufgabe erfüllt und dafür vom jeweiligen säkularen Initiator oder Förderer der Landnahme, egal, ob es sich um die königliche Macht selbst oder um Regionalfürsten handelt, vorzugsweise mit den neuen Territorien belehnt und mit den in ihnen anfallenden Verwaltungs- und Ordnungsfunktionen betraut wird.
All das wirkt zusammen, um die mönchisch-klösterlichen Gemeinschaften in specie und die episkopalisch-klerikalen Organisationen in genere allmählich ihre topische Exterritorialität verlieren und ihre ebenso ökonomisch fundierte wie politisch artikulierte Eigenständigkeit aufgeben zu lassen, so dass sich am Ende die einstigen kirchlichen Freiräume unter dem Gewicht und Einfluss der ihnen zugewachsenen beziehungsweise zugefallenen neuen, territorialherrschaftlich-fronwirtschaftlich verfassten Gebiete als ständisch definierte Territorien in das feudale Herrschaftssystem überführt und ihm vollständig eingegliedert zeigen. Seine dynamische Exzentrik, seine professo modo heilsperspektivische Ausrichtung, und seine daraus hervorgehenden kommunalen Organisationsformen und Lebensweisen beziehungsweise seine daran geknüpften sozialen Dienstleistungen und Funktionen dagegen behält der Klerus in seinen beiden Haupterscheinungsformen, der mönchisch-klösterlichen und der episkopalisch-diözesanen, mehr oder minder bei und führt sie in wie immer modifizierter, wie immer seinem neuen feudalen Realfundament angepasster Weise fort. Das muss er auch, da ja diese seine, bezogen auf das säkular-irdische Dasein, relative Exzentrik und seine sich daraus herleitenden Rollen des kultisch-sakramentalen Nothelfers und des praktisch-moralischen Wegweisers den letzten Rechtfertigungsgrund, die ultimative Legitimationsbasis auch noch und unverändert für seine dem feudalgesellschaftlichen Kontext nunmehr integrierte ständisch besonderte Existenz, sprich, für den korporativen Status bilden, den er im säkular-irdischen Dasein dank seiner ihm zugewachsenen territorialen Verankerung und Verantwortung an der Seite der feudalen Herrschaft und im Verbund mit ihr jetzt innehat.
Freilich kann, dass die dynamische Exzentrik der klerikalen Existenz und die ihr entspringenden gesellschaftlichen Dienstleistungen und Funktionen des Klerus sich damit aller als topische Exterritorialität und ökonomische Eigenständigkeit firmierenden irdischen Basis sui generis beraubt und, eingebettet in und gekettet an die ihnen stracks widerstreitende Daseinsform einer korporativen Teilhabe und aktiven Mitwirkung am Geschäft irdischer Machtausübung und territorialer Herrschaft, auf einen bloßen Rechtfertigungsgrund oder, besser gesagt, Berechtigungsnachweis für eben jene Teilhabe und Mitwirkung an der weltlichen Herrschaft reduziert zeigen – freilich kann dies, mag es auch an den als gleichermaßen tragende Elemente und Ausdrucksmittel der Exzentrik etablierten Organisationsformen und Lebensweisen des Klerus wenig ändern und ihre traditionellen Strukturen weitgehend unberührt lassen, doch aber nicht ohne gravierende Rückwirkungen auf die vom Klerus kraft dieser seiner exzentrischen Organisationsformen und Lebensweisen erbrachten sakramentalen Dienstleistungen und ausgeübten sozialen Funktionen beziehungsweise auf deren verhältnismäßige Gewichtung und relative Bedeutung bleiben. Während die kultisch-sakramentale Nothelferrolle, die den Laien geleistete Hilfestellung bei der Erlangung des Heilsmittels, als der harte Kern seines gesellschaftlichen Rechtfertigungsgrunds oder Berechtigungsnachweises dem Klerus vollständig erhalten und seine zentrale Aufgabe bleibt, tritt die praktisch-moralische Wegweiserfunktion, die den Laien gegebene Anleitung zur Führung eines gottgefälligen Lebenswandels oder heiligen Lebens, weitgehend in den Hintergrund und büßt jene Komplementarität, jene konditionale Unabdingbarkeit ein, die sie dem Klerus zur unabweislichen Pflicht machte.
Wie sollte auch der Klerus, der nunmehr gleichermaßen seine reale Existenz und seine soziale Stellung kaum weniger als der säkulare Adel oder höchstens ständisch von ihm unterschieden auf den Status quo einer fronwirtschaftlich beziehungsweise dienstmannschaftlich organisierten und so oder so in weltlicher Arbeit und Geschäftigkeit verhaltenen, mit natürlichen und gesellschaftlichen, materiellen und strukturellen Reproduktionsaufgaben beladenen Untertanenschaft gründet – wie sollte wohl dieser Klerus noch daran interessiert sein und ernsthaft daran arbeiten, durch eine als praktische Heranführung und Angleichung des profanen Daseins ans heilige Leben wohlverstandene moralische Lenkung und Erbauung jenen weltlichen Status quo zu überwinden und aufzuheben oder jedenfalls zu bessern und zu veredeln? So gewiss das heilige Leben des Klerus, durch die Feudalisierung der klerikalen Freiräume seiner exterritorialen Grundlage und ökonomischen Eigenständigkeit weitgehend entkleidet, nun materiell und strukturell auf dem gleichen säkularen Fundament ruht wie die feudale Herrschaft, so gewiss verliert der Klerus allen Impetus, diesen laizistischen Status quo seiner eigenen, klerikalen Existenz anzugleichen, also durch moralische Erbauung quasi die Aufhebung des weltlichen Fundaments zu dem geistlichen Bau, den es doch tragen soll, zu betreiben, kurz, sich den Boden zu entziehen, der ihn nunmehr trägt, den Ast abzusägen, auf dem er mittlerweile sitzt.
So aber aller Vorbildlichkeit und Wegweiserfunktion für das laizistische Dasein beraubt, reduziert sich das heilige Leben, auch wenn es für den einzelnen Kleriker selbst als via regia zum Heil fortbestehen, für ihn persönlich oder subjektiv die Bedeutung einer wesentlichen Heilsbedingung behalten mag, objektiv oder gesellschaftlich auf eine für die sakramentale Aufgabe, die der Klerus zu erfüllen hat, unabdingbare Voraussetzung, ein von der Nothelferrolle, kraft deren er den Laienständen den Weg zum Heil erschließt, nicht wegzudenkendes Requisit. Tatsächlich tritt damit genau das ein, was die dem Klerus übertragene praktisch-moralische Aufgabe, seine Rolle als spiritus rector und Zensor der Laienschaft, ja gerade verhindern soll: nämlich die Funktionalisierung oder, besser gesagt, Instrumentalisierung des durch sein heiliges Leben bestimmten Klerus zum reinen Kultdiener, zu einem für die Aufrechterhaltung der Heilsperspektive durch die sakramentale Versorgung der Gesellschaft mit dem Heilsmittel zuständigen Funktionär.
Und diese sakramentale Instrumentalisierung des Klerus und des heiligen Lebens, das ihn auszeichnet, diese seine Abdankung in der Rolle einer die Laiengesellschaft durch ihr heiliges Leben zu erbauen bestimmten praktisch-moralischen Instanz, schlägt nun aber nolens volens auch auf die Heilsperspektive selbst, auf den als Jenseitskonzept definierten Inhalt oder Zielpunkt der vom Klerus behaupteten dynamischen Exzentrik zurück. Seine Vorbildlichkeit, seine Verbindlichkeit als Paradigma verdankt das heilige Leben ja seinem Anspruch, als Hinwendung zum ewigen Leben zugleich ein Vorgriff auf es zu sein, für den künftigen Heilszustand in dem Maße bereit und geschickt zu machen, wie es ihn präfiguriert und in ihn einführt. Geht nun aber das heilige Leben seiner praktisch-moralischen Paradigmatik verlustig und wird zu einem reinen Funktionselement der heilsperspektivischen Nothelferrolle des Klerus, zu einem bloßen kultisch-sakramentalen Requisit, so geht mit der Vorbildlichkeit auch und zugleich der Vorgriffscharakter verloren, büßt das heilige Leben mit der Orientierungs- und Wegweiseraufgabe auch und zugleich sein Vorstellungsvermögen, seine Darstellungskraft ein, gerät mit der Präparationsfunktion, die das heilige Leben hinsichtlich des ewigen Lebens erfüllt, ebenso wohl das Präfigurationsmoment, mit der per actum des heiligen Lebens wegweisenden Ausrichtung aufs ewige Leben ebenso wohl dessen per medium des heiligen Lebens haltgebende Vorführung in Vergessenheit.
Das aber bedeutet, dass für die Laien dies ewige Leben, dieser jenseitige Inhalt und Gegenstand der mönchischen Exzentrik, kurz, der künftige Heilszustand, all die Anschaulichkeit und Bestimmtheit, all die Vergleichbarkeit mit irdischen Zuständen und Affinität zu diesseitigen Verhältnissen, die ihm das heilige Leben bis dahin verlieh, einbüßt und zur Zielscheibe, zur Projektionsfläche beliebiger irdischer Bedürfnisse und kaum verhohlen diesseitiger Absichten werden kann. Die krasseste und historisch schwerwiegendste Folge dieses Obsoletwerdens des heiligen Lebens in der Rolle eines kraft seines Vorgriffs aufs ewige Leben wirksamen Vorbilds für das menschliche Dasein und der darin beschlossenen Entspezifizierung und Freisetzung des ewigen Lebens selbst zum Gegenstand einer von durchaus irdischen Beweggründen beflügelten Phantasie und Inhalt eines ganz und gar diesseitigen Triebkräften entspringenden Verlangens sind die unter dem Namen Kreuzzüge in die Geschichte eingegangenen Raub- und Eroberungsfahrten des abendländischen Adels, bei denen in Reaktion auf die Bevölkerungszunahme in der Oberschicht, auf einen wachsenden Überschuss an Herrschaftspersonal, und im Gewahrsam der geographischen und ökonomischen Aussichten, die der in die Territorien des alten Römischen Reiches ausgreifende kommerzielle Zusammenhang den überschüssigen feudalen Gruppen eröffnet, die Orientierung aufs himmlische Jerusalem der Kaprizierung aufs irdische Palästina beziehungsweise auf die letzteres umschließenden und der Christenheit vorenthaltenden muslimischen Reiche weicht und an die Stelle des Strebens nach dem Himmelreich und nach Einkehr, nach jenseitig-spiritueller Erfüllung, der Kampf um weltliche Landnahme und Bereicherung, um diesseitig-materielle Befriedigung tritt.
Auch wenn es sich bei dieser Ersetzung des himmlischen durch das irdische Jerusalem um keine einfache Verdrängung handelt und der formale Anspruch, durch die Einnahme der irdischen Wirkungsstätte des Heilsbringers dem himmlischen Heil einen wesentlichen Schritt näher zu kommen, subjektiv, im Bewusstsein des Einzelnen, höchste Relevanz beansprucht und selbstredende Evidenz behauptet, objektiv oder materialiter bleibt der Vorgang eine so nachhaltige Deklination der Exzentrik, eine so gravierende Verschiebung des heilsperspektivischen Ziel- und Interessenpunktes, dass demgegenüber alles Kontinuitätsbewusstsein des Einzelnen, alles subjektiv unveränderte Streben nach dem himmlischen Heil als vom eroberungssüchtigen und raubgierigen Kollektiv dem Einzelnen zur Verfügung gestellter Vorwand, als gesellschaftlich kommode Rationalisierung erscheint. Wie sehr diese als Untermauerung getarnte Unterminierung des himmlischen Telos durch einen irdischen Topos in die traditionelle Exzentrik, die gewohnte perspektivische Ausrichtung auch und gerade des heiligen Lebens des Klerus eingreift und wie wenig der nunmehr in feudaler Herrschaftlichkeit und ständischer Etabliertheit befangene und sein heiliges Leben nurmehr als Kondition seiner kultisch-sakramentalen Wirksamkeit führende Klerus selbst dieser Verschiebung in der Heilsorientierung etwas entgegenzusetzen hat, zeigt die Entstehung der Ritterorden, klerikaler Abenteurertrupps und Kampfgruppen, bei denen – zumal in der Phase ihrer an die orientalischen Eroberungsfahrten anschließenden Kolonisierungstätigkeit im europäischen Osten – die Weihe zum heiligen Leben und zur mönchischen Gemeinschaft nichts weiter mehr darstellt als die kirchlich erteilte Lizenz zur territorialherrschaftlichen Expansion und zur Wahrnehmung feudalherrschaftlicher Funktionen und Prärogative.
Diese einer Entstellung und Verunstaltung der unzweideutig heilsperspektivischen Orientierung auch und sogar des Klerus selbst, seiner Nachfolge Christi, seines heiligen Lebens, gleichkommende inhaltliche Verschiebung und gegenständliche Verwilderung der dynamischen Exzentrik ist letzte Konsequenz jener Feudalisierung, jener ständischen Etablierung des Klerus, deren unmittelbare Folge der Verlust der dem Klerus bis dahin eigenen topischen Exterritorialität und ökonomischen Eigenständigkeit, kurz, das Verschwinden der kirchlich sanktionierten Freiräume ist. Eben die dem feudalgesellschaftlichen Zusammenhang entzogenen kirchlichen Freiräume, denen die vom fronwirtschaftlichen Produktionssystem ausgenommenen Produzentengemeinschaften neuen Typs und ihre Spontangeburt, die wiedererstandene kommerzielle Funktion, ihre Existenz und Lebensfähigkeit verdanken, verschwinden in dem Maße, wie sich der Klerus als ständisches Corpus der feudalherrschaftlichen Formation eingliedert und dank Belehnungen, Schenkungen, Stiftungen und Vermächtnissen ein fronwirtschaftlich organisiertes Fundament erwirbt.
Die freien Städte setzen die durch die vormaligen klerikalen Freiräume begründete topische Exterritorialität und ökonomische Eigenständigkeit fort, während die Ritualisierung der dynamischen Exzentrik durch den sich feudalisierenden Klerus selbst ihnen erlaubt, letztere aus einer ihr profanes Dasein transzendierenden Direktive in eine es bloß noch strukturierende Rahmenbestimmung zu überführen.
Von daher gesehen, kann es in der Tat als ein Glück, um nicht zu sagen, als ein Fall von prästabilierter Harmonie erscheinen, dass bereits vor jenem Prozess der Feudalisierung des Klerus und dann parallel zu ihm die neuen Produzentengemeinschaften das gleichermaßen durch ihre konsumtiven Leistungen, ihre kompetitiven Vorzüge und ihre lukrativen Beiträge genährte Interesse, das die weltlichen Herrschaften an ihnen nehmen, zur Expansion in die territorialherrschaftlichen Gebiete zu nutzen verstehen. Indem die Produzentengemeinschaften sich auf territorialherrschaftlichem Boden niederlassen und dank des Interesses der feudalen Herrschaft an ihrer Präsenz ökonomisch-organisatorische Privilegien und politisch-bürokratische Freiheiten für sich zu erwirken vermögen, die ihren Gemeinwesen eine im Verhältnis zum fronwirtschaftlichen Umfeld definitive Sonderstellung und relative Autonomie sichern, gelingt es ihnen in der Tat, sich aus dem Konkurs der klerikalen Freiräume zu retten und eine die dort genossenen Standortvorteile kontinuierende Ausnahmestellung zu behaupten.
Wenn man so will, erweisen sich die inmitten der feudalen Hoheitsgebiete Raum greifenden und sich als mehr oder minder selbstbestimmte Gemeinwesen, mehr oder minder freie Städte etablierenden Produzentengemeinschaften als die Erben jener mit dem Verschwinden der klerikalen Freiräume dem Klerus zugleich verloren gehenden topischen Exterritorialität und ökonomischen Eigenständigkeit. Diese feudalherrschaftlicher Macht entzogene topische Exterritorialität und fronwirtschaftlicher Kontrolle unzugängliche ökonomische Eigenständigkeit erhalten die freien Städte in ihren Mauern und mit ihren Mitteln aufrecht und in Geltung. In ihren Mauern und mit ihren Mitteln – will heißen, in klärlich modifizierter Form und nämlich nicht mehr bedingt durch die orientierende Aussicht auf das bevorstehende und das irdische Dasein auf ein bloßes Durchgangsmoment, eine schmale Pforte reduzierende Himmelreich und durch die dominierende Absicht, dies irdische Dasein in den ausschließlichen Dienst eines für das Himmelreich bereit und geschickt machenden heiligen Lebens zu stellen, sondern nunmehr begründet in dem dirigierenden Bestreben, das eigene, produktionsgemeinschaftlich-aparte Dasein in größtmöglicher Distanz zu und Unabhängigkeit von dem herrschenden Modus fronwirtschaftlich-kollektivistischer Knechtschaft zu behaupten, und in dem okkupierenden Interesse, es bestmöglich zu nutzen, um die Subsistenz zu verbessern und auf Erden ein gedeihliches Leben führen zu können.
Nicht also mehr der Schaffung eines aus dem Jammertal des irdischen Daseins kategorisch herausführenden Flüchtlingslagers, eines einzig und allein für die Vorbereitung auf die Seligkeit der himmlischen Gefilde geeigneten Übergangsraumes dienen die topische Exterritorialität und ökonomische Eigenständigkeit, die die freien Kommunen von ihrer ursprünglichen Heimat, ihrer Matrix, als Erbe übernehmen, sondern diese Exterritorialität und Eigenständigkeit stehen jetzt im Dienste der Einrichtung einer der Not und Knechtschaft feudalgesellschaftlicher Verhältnisse spezifisch enthebenden Produktionsstätte, eines den Beschränkungen durch die Feudalherrschaft relativ entzogenen und dem Wohlergehen auf Erden, der Befriedigung materieller Bedürfnisse und kultureller Ansprüche nach Möglichkeit förderlichen Entfaltungsraumes. Nicht mehr wie in den klerikalen Freiräumen dem Seelenheil, der spirituellen Erlösung, einem qualitativ anderen, ewigen Leben sollen die von den freien Kommunen der feudalen Territorien aufrechterhaltenen beziehungsweise erneut durchgesetzten Konstitutiva topischer Exterritorialität und ökonomischer Eigenständigkeit Vorschub leisten, sondern ihr zentraler Zweck ist es nun, den Grund für einen aus der Rückständigkeit und Stagnation feudalgesellschaftlicher Reproduktion ausbrechenden leiblichen Wohlstand und materiellen Fortschritt, für die Hebung der Qualität des zeitlichen Daseins selbst zu legen.
Dabei bedeutet die in Gestalt der innerterritorialen freien Kommunen vollzogene Säkularisierung der zuvor sakral begründeten, als konstitutive Merkmale der klerikalen Freiräume bestimmten beiden Momente topischer Exterritorialität und ökonomischer Eigenständigkeit, ihre Umfunktionierung aus dem Streben nach himmlischem Heil dienlichen Lebensumständen in dem Bemühen ums irdische Wohl förderliche Daseinsbedingungen, natürlich keineswegs, dass auch das dritte, für die klerikalen Freiräume charakteristische Moment, die als heiliges Leben sich artikulierende dynamische Exzentrik, in jenen Kommunen eine säkularisierte Fortsetzung findet. Dies dritte Moment ist ja schon in den klösterlich-klerikalen Freiräumen kein Anliegen der in ihrem Schatten und Schutz siedelnden handwerklichen Produzentengemeinschaften, sondern die ausschließliche Okkupation der die Freiräume etablierenden klösterlich-mönchischen Gruppen und bildet die spezifische Differenz zwischen den als Laienschaft agierenden ersteren und den als Klerus offiziierenden letzteren. Und daran ändert sich auch nichts, wenn nun die Produzentengemeinschaften sich des Schattens und Schutzes der kirchlichen Freiräume begeben und sich mit Duldung beziehungsweise Förderung der säkularen Herrschaften auf deren Territorien als besondere politische Einheiten, als selbstverwaltete Kommunen einrichten, die, was die beiden Momente der topischen Exterritorialität und der ökonomischen Eigenständigkeit angeht, durchaus als Erben oder Verweser der klösterlich-klerikalen Freiräume auftreten können.
Das dritte Moment, die sich als heiliges Leben artikulierende Exzentrik, hingegen bleibt ganz und gar auszeichnendes Privileg oder definierendes Merkmal der mönchisch-klerikalen Gruppen. Allerdings in der bei aller Kontinuität der Gestalt gründlich veränderten Funktion einer jeder praktisch-moralischen Vorbildlichkeit für das irdische Dasein entkleideten und nurmehr als Bedingung der kultisch sakramentalen Nothelferrolle, in der der Klerus dem irdischen Dasein beispringt, interessierenden Spezialdisziplin! Wie gezeigt, legt mit fortschreitender Feudalisierung des Klerus dessen in der Askese, Keuschheit, Armut und Barmherzigkeit der Nachfolge Christi ihren Ausdruck findende dynamische Exzentrik oder exklusive Ausrichtung aufs himmlische Heil die bis dahin in Anspruch genommene wegweisende Bedeutung oder normative Sollfunktion für die irdische Lebensführung, das Dasein der Laien, ab, um im speziellen Extremfall, wie ihn die Ritterorden exemplifizieren, dies himmlische Heil im Quidproquo irdischer Eroberungen und Kolonisierungen zu entdecken, oder im generellen Normalfall, wie ihn der Klerus als feudalgesellschaftlicher Stand demonstriert, sich auf ein reines Funktionselement, eine conditio sine qua non, innerweltlicher Kultdienerschaft und sakramentaler Versorgung des Laienstands mit dem Heilsmittel zu reduzieren.
Für die zu halbwegs autonomen innerterritorialen Stadtbürgerschaften avancierten nichtfeudalen Produzentengemeinschaften bedeutet diese Entparadigmatisierung der dynamischen Exzentrik, diese mit der Feudalisierung des Klerus einhergehende Einbuße an moralischer Verbindlichkeit und imperativischem Sollcharakter, die das vom Klerus als Nachfolge Christi praktizierte heilige Leben erleidet, keinen geringen Gewinn, wenn man es aus dem Gesichtspunkt der den stadtbürgerlichen Laien aufgegebenen weltlichen Okkupation und zum Ziel gesetzten irdischen Lebensgestaltung betrachtet. Schließlich bedeutet die praktisch-moralische Vorbildlichkeit des heiligen Lebens für das profane Dasein den ständigen Einfluss des ersteren auf letzteres, den permanenten Anspruch des ersteren, sich letzteres anzuähneln oder nachzubilden, es in der ihm eigenen Geschäftigkeit und Betriebsamkeit zu unterbrechen und stillzustellen, um es im Sinne seiner Abwendung vom Irdischen und Hinwendung zum Himmlischen, seiner Ausrichtung aufs heilsperspektivisch letzte Ende und höchste Gut zu revidieren, zu modifizieren, zu meliorisieren, zu sublimieren.
So sehr nun diese ständige Einmischung des heiligen Lebens ins weltliche Dasein, diese fortlaufende maßgeblich-normative Einwirkung des Klerus auf die Laien auf territorialherrschaftlich-fronwirtschaftlichem Gebiet von sozialpolitischem Nutzen sein und dort nämlich zu einer Entspannung und Humanisierung der andernfalls von Verrohung und Terror bedrohten Sozialbeziehungen, zu einer Entlastung und Zivilisierung des andernfalls in nackte Willkür und Gewalt auszuarten disponierten Herr-Knecht-Verhältnisses beitragen mag, so sehr wirkt sie sich im stadtbürgerlich-produzentengemeinschaftlichen Bereich störend und hinderlich aus. Sie stört die Konzentration aufs tätige Leben und irdische Geschäft, behindert die Arbeitsroutine und den Produktionsfluss. Als wiederkehrende Forderung, sich aktiv und verhaltenspraktisch dem Himmelreich zuzuwenden und auf die Ewigkeit vorzubereiten, geht sie zu Lasten der irdischen Erfordernisse, lenkt von den zeitlichen Zielsetzungen ab.
Insofern kommt die mit der Feudalisierung des Klerus, seiner ständischen Integration ins feudalgesellschaftliche Corpus einhergehende Befreiung der Laien von der praktisch-moralischen Paradigmatik des heiligen Lebens, kommt die Reduktion des letzteren auf eine bloße zureichende Bedingung der kultisch-sakramentalen Funktion, die der Klerus für die Laien wahrnimmt, den stadtbürgerlichen Produzentengemeinschaften durchaus zupass, weil sie sich nun ohne moralisches Bedenken und ohne praktischen Vorbehalt zu ihrem Streben nach materiellem Wohlstand bekennen und der dafür nötigen Arbeit und Geschäftigkeit widmen können.
Nicht, dass die Preisgabe der praktisch-moralischen Vorbildlichkeit, die das heilige Leben bis dahin für das profane Dasein beansprucht, gleichbedeutend wäre mit dem Verlust überhaupt jeglicher Mustergültigkeit und Verbindlichkeit des Lebens des Klerus für das Dasein der Laien. So gewiss vielmehr der Klerus auch nach seiner Feudalisierung und ständischen Integration ins säkulare Herrschaftssystem an den traditionellen Formen seiner exzentrischen Lebensführung als an Bedingungen wenngleich nurmehr seiner kultisch-sakramentalen Wirksamkeit im Wesentlichen festhält, so gewiss bleiben auch die als direkter Ausfluss beziehungsweise Reflex dieser traditionellen Lebensführung des Klerus das Dasein der Laien durchwaltenden und prägenden Verrichtungen und Verpflichtungen im Großen und Ganzen erhalten. Nach wie vor huldigen auch die nunmehr vom moralischen Stigma, ein minderwertiges und, verglichen mit dem geistlichen Leben, eigentlich unhaltbares und verwerfliches weltliches Dasein zu führen, befreiten Laien der Mustergültigkeit dieses geistlichen Lebens, besuchen regelmäßig Messe und Gottesdienst, halten sonn- und festtägliche Einkehr, beten und fasten, spenden Almosen, üben zu bestimmten Zeiten sexuelle Enthaltsamkeit.
Nur dass diese dem heiligen Leben abgeschauten und ins profane Dasein als Beweise für dessen heilsperspektivische Grundorientierung eingegliederten Verhaltensformen und Gewohnheiten nun, da der von der dynamischen Exzentrik des heiligen Lebens ursprünglich ausgehende normative Anspruch und Nachfolgedruck gewichen ist, die Bedeutung einer moralischen Sollbestimmung, einer doktrinellen Forderung, sich zu verändern, eingebüßt und den Charakter einer bloßen praktischen Pflichtübung, einer rituell fixierten Dienstvorschrift angenommen haben! Zwar sind die dem heiligen Leben Reverenz erweisenden und seiner Mustergültigkeit Tribut zollenden religiösen Rituale nach wie vor fester Bestandteil des profanen Lebens und Unterpfand seiner in letzter Instanz sakralen Ausrichtung, aber die ihnen zuvor als gewissensnötigen Bekenntnisakten innewohnende Tendenz, das profane Leben als defizienten Modus ihrer selbst aktuell in Frage und an den Pranger zu stellen, es im Sinne seiner Konversion zu einem unmodifiziert heiligen, kompromisslos christlichen Leben zu dynamisieren, sprich, über sich hinaus zu treiben beziehungsweise zu transzendieren – diese Tendenz haben sie verloren.
Indem sie das profane Dasein komplementieren beziehungsweise strukturieren, statt es zu dynamisieren beziehungsweise zu transzendieren, verwandeln sich diese der mönchisch-klösterlichen Nachfolge Christi abgeschauten und nachgebildeten Handlungen und Verhaltensweisen aus kritischen Momenten, die mit ihrem Eintreten das profane Dasein, jedes Festhalten an der Welt tendenziell vor den Fall seiner Verwerflichkeit und Sündhaftigkeit bringen, in kriterielle Elemente, die durch ihre Präsenz dem profanen Dasein, allem weltlichen Tun und Treiben aktuell seine Unbedenklichkeit attestieren, es als einen modus vivendi eigenen Rechts sanktionieren.
Dabei steht außer Frage, dass diese sakralen Rituale und Verpflichtungen das profane Leben in einem gewissen Maße nach wie vor belasten und stören, dass sie seine Kontinuität zerreißen, es von seinen irdischen Geschäften ablenken, in seiner weltlichen Zielstrebigkeit behindern, in seiner produktiven Tätigkeit stillstellen. Aber erstens scheinen in einer nach wie vor unter der Heilsperspektive stehenden, sprich, nach wie vor der reservatio mentalis einer im Prinzip totalen Entwertung des jetzigen Erdendaseins durch das künftige Himmelreich unterworfenen Gesellschaft solche vorübergehenden Unterbrechungen und Einschränkungen des profanen Daseins kein zu hoher Preis dafür, dass die sakralen Rituale und Verpflichtungen mit ihrem Ritualismus, ihrem Pflichtübungscharakter alle moralische Dynamik, allen exzentrischen Nachfolgeimpetus eingebüßt haben und das profane Dasein nun also, statt es zu kritisieren oder gar zu verwerfen, vielmehr zu konsolidieren und als solches zu sanktionieren dienen. Und zweitens zeigt sich, dass die sakralen Rituale und Verpflichtungen den Schaden, den sie in Bezug auf die Kontinuität des Wirtschaftslebens und die Intensität der Werktätigkeit stiften, zum Teil auch wieder wettmachen beziehungsweise kompensieren, indem sie, wie etwa das Fasten oder die heiligen Feste, den Grund für Bedürfnisse etwa nach Fleischersatz und Prunkentfaltung legen, die für eine außerordentliche Belebung von Sparten des Wirtschaftslebens wie etwa des Fischfangs, der Salzgewinnung, der Tuchindustrie und der Feinschmiedekunst sorgen.
Dank des mehrfachen Interesses, das die Feudalherrschaft an ihnen nimmt, und der vielfältigen Förderung, die sie ihnen angedeihen lässt, in der Lage, hinsichtlich topischer Exterritorialität und ökonomischer Eigenständigkeit das Erbe ihrer Entstehungsorte, der klerikalen Freiräume, zu übernehmen, und gleichzeitig durch die Feudalisierung des Klerus vom praktisch-moralischen Nachfolgedruck, den bis dahin die sich als geistliches Leben artikulierende dynamische Exzentrik des letzteren auf das weltliche Dasein ausübt, befreit und dazu legitimiert, die Anerkennung der Vorbildlichkeit des geistlichen Lebens auf kirchliche Pflichterfüllung, auf rituell-symbolische Gesten des guten Willens und rechten Glaubens zu beschränken – so also disponiert, können die inmitten der territorialherrschaftlichen Regime als freie Kommunen sich etablierenden handwerklich-gewerblichen Produzentengemeinschaften sich ebenso sehr ökonomisch entfalten wie politisch behaupten und im System der die nördlichen Provinzen des vormaligen Imperiums okkupierenden territorialherrschaftlichen Gesellschaften als eine ebenso integrierende wie zunehmend an sozialem Gewicht und strategischer Bedeutung gewinnende Komponente zur Geltung bringen.
So sehr sich diese Komponente ihrer ökonomischen Struktur und politischen Organisation nach vom anderen Bestandstück des Systems, dem fronwirtschaftlich-feudalen Zusammenhang, unterscheiden und so groß deshalb die Reibung zwischen ihnen sein beziehungsweise so konfliktreich ihr Verhältnis sich gestalten mag, beide Systemteile sind wegen der ökonomischen, strategischen und finanziellen Vorteile, die der erstere dem letzteren bringt, und wegen der politischen, sozialen und konsumpraktischen Abhängigkeit, in der sich der erstere von letzterem befindet, unabwendbar aufeinander angewiesen und untrennbar miteinander verknüpft und könnten ab einem relativ frühen Stadium ihrer Kohabitation gar nicht mehr ohne einander existieren oder jedenfalls als die Subsysteme, zu denen sie sich vermittels des jeweils anderen entwickelt haben, funktionieren.
Vom Handelssystem der Antike unterscheidet das postimperiale Marktsystem, dass das kommerzielle und das territoriale Element in topisch-allgegenwärtiger Kohabitation und ökonomisch-durchgängiger Kommunikation miteinander existieren. Dabei lässt sich das postimperiale Marktsystem durchaus als Erbin der klösterlich-klerikalen Freiräume betrachten, nur dass seine Dienstleistungen, die es für das gesellschaftliche Ganze erbringt, nicht mehr spirituell-moralischer, sondern kulturell-zivilisatorischer Natur sind und dass das gesellschaftliche Ganze seinerseits dem Marktsystem materiell-ökonomische statt ideell- strategische Hilfestellung leistet.
Die Konstellation erinnert an das zwieschlächtige System der mittelmeerischen klassischen Antike mit seinem Zugleich von theokratisch-monarchischen, fronwirtschaftlich strukturierten Territorialherrschaften und aristokratisch-republikanischen, kommerziell organisierten Stadtstaaten, deren geographisches Neben- und soziales Gegeneinander sich durch die kommerziellen Aktivitäten der letzteren in ein symbiotisches Mit- und funktionelles Füreinander transformiert findet. Nur dass im Unterschied zu den antiken Stadtstaaten die freien Kommunen der postimperialen, feudalgesellschaftlich restaurierten Zeit keine peripheren Einrichtungen sind, das heißt, ihre kommerziellen Aktivitäten nicht vom äußersten Rand, von den Küsten der Territorialherrschaften her, entfalten müssen und letztlich auch nur entfalten können, weil sie sich ihrerseits nur dank einer der territorialherrschaftlichen Nachbarschaft vergleichbaren und aber ethnisch, soziostrukturell und kulturell von ihr hinlänglich verschiedenen eigenen territorialherrschaftlichen Grundlage als selbständiges Gebilde zu behaupten imstande sind – dass im Unterschied dazu diese freien Kommunen dank des Unterschlupfes, Schutzes und Entfaltungsraums, den die das säkulare Territorium durchsetzenden Himmelspforten, die klerikalen Freiräume, ihnen bieten, inmitten der territorialherrschaftlichen Sphäre auftauchen und ins Spiel kommen und sich mit den Territorialherrschaften aufgrund des mehrfachen Interesses, das diese an ihnen nehmen, nach und nach zu der beschriebenen, nicht weniger durch die topisch-allgegenwärtige Kohabitation der komplementären Elemente als durch ihre ökonomisch-durchgängige Kommunikation ausgezeichneten symbiotischen Totalität verschränken.
Und der zweite, nicht minder wichtige Unterschied betrifft die ökonomische Kommunikation selbst, die in der Antike aus ursprünglich nur zwischen Territorialherrschaften, die jeweils zugleich und wechselweise als Produzenten und Konsumenten firmieren, unterhaltenen sporadisch-marginalen Handelsbeziehungen hervorgeht und die auch, nachdem es in der Konsequenz jener Handelsbeziehungen der kommerziellen Funktion gelingt, das Produzentenelement in actu der Handelsstadt zu isolieren und unvermischt zu kultivieren, doch aber an ihren Ursprungsort, die territorialherrschaftlichen Gesellschaften, als wesentlichen Bezugspunkt und unverzichtbaren Austauschpartner gebunden bleibt und eine den reinkulturellen Produzentengruppen, wie sie sich in actu der antiken Handelsstadt aus dem territorialherrschaftlichen Kontext extrapoliert und als solche realisiert zeigen, eigentlich korrespondierende reine Konsumentenschicht nur in Form von Dritten, in Gestalt nämlich von rückständigen Stammesgruppen, die außerhalb der territorialherrschaftlichen Sphäre siedeln und ebenso sehr Mangel an Zivilisationsgütern leiden wie über Edelmetall verfügen, ins Spiel und zur Geltung zu bringen vermag.
In der postimperialen, unter heilsperspektivischen Vorzeichen restauriert-territorialherrschaftlichen, sprich, feudalen, Welt hingegen gelingt es dank der Tatsache, dass die handelsstädtischen Produzentengemeinschaften quasi aus der Retorte der klerikalen Freiräume hervorgehen und im wie immer beschränkten Rahmen ihrer vornehmlich handwerklichen Produktion mittels der spontan von ihnen generierten kommerziellen Funktion einen die territorialherrschaftlichen Gebiete durchziehenden, internen, die Gemeinschaften zu einem Marktsystem miteinander verknüpfenden Austausch pflegen – hier also gelingt es dank dieser besonderen Ausgangslage der ökonomischen Kommunikation, das territorialherrschaftliche Element, das sich, was materiale Rückständigkeit und pekuniäres Vermögen, Mangel an Produktivkraft und Fülle an Kaufkraft, betrifft, durchaus den außerterritorialherrschaftlichen Stammesgruppen der Antike vergleichen lässt, von vornherein auf deren Part festzulegen und einzuschränken, das heißt, es in der Rolle des reinen Konsumenten in Anspruch zu nehmen und dem Marktsystem zu integrieren, und damit aber eben das komplette marktwirtschaftliche Modell aus kommerzieller Funktion, für den Markt produzierenden und durch ihn subsistierenden Produzenten sowie das Mehrprodukt mittels marktexternem Äquivalent in seinem Wert realisierenden Konsumenten von Anfang der kommerziellen Entwicklung an in Szene zu setzen, das in der Antike erst am Ende der Entwicklung in Erscheinung tritt und dort auch nur unvollkommen, nur im Verein mit den gleichzeitig fortbestehenden alten, unreinen Austauschbeziehungen zu den zugleich als Produzenten und Konsumenten firmierenden und aber in beiden Funktionen durch die jeweils andere gehemmten und eingeschränkten beziehungsweise durch das Verhältnis zur Handelsstadt vereinseitigten und in Schieflage gebrachten Territorialherrschaften Wirklichkeit wird.
Und so gewiss nun aber, wie an anderer Stelle dargelegt, diese Unvollkommenheit und amphibolische Natur der ökonomischen Kommunikation für die handelsstädtische Marktgesellschaft der Antike tiefgreifende strukturelle Probleme heraufbeschwört und letztlich den Keim des Verderbens für das ganze, von ihr entfaltete kommerzielle System in sich birgt, so gewiss bleibt nun umgekehrt die Marktgesellschaft der postimperialen freien Kommunen deshalb, weil sie ein relativ geschlossenes, einheitliches kommerzielles System bildet, das das artfremde feudalgesellschaftliche Element von Anfang an auf die streng marktgesellschaftlich definierte Konsumentenrolle vereidigt und nur in dieser Funktion Eingang ins kommerzielle System und Relevanz für es gewinnen lässt, geschützt vor den ökonomischen Verwerfungen und Schieflagen und den daraus resultierenden sozialen Konflikten und Fehlorientierungen, an denen das System der Antike scheitert.
Weil die feudalherrschaftliche Gesellschaft weder via kommerzielle Funktion als produktiver Ursprungsort der städtischen Marktgesellschaft firmiert noch überhaupt in ihrem kommerziellen System eine nennenswerte Produzentenrolle spielt und vielmehr strikt auf die herrschaftliche Konsumfunktion abonniert und beschränkt ist, kann sie auch, anders als die Territorialherrschaften der Antike, die städtischen Handeltreibenden weder vor den tatsächlich ebenso unheilvollen wie scheinbar glücklichen Fall von im Austausch mit ihr als Produzentin zu erzielenden produktivitätsbedingt außergewöhnlichen Profiten kommen lassen noch via obliqua dieser exorbitanten Profite in der Handelsstadt selbst Pauperisierungsprozesse und soziale Konflikte heraufbeschwören; und sie kann demnach auch nicht den Grund und Anlass für jene als Konfliktbewältigungsstrategie intendierte ökonomische Umorientierung und politische Neukonstituierung liefern, in deren Konsequenz die Handelsstadt sich indirekt oder dann direkt mit nichtkommerziellen, militärisch-bürokratischen Mitteln auf Kosten der Territorialherrschaften, ihrer einstigen Handelspartner, zu sanieren strebt und an deren bitterem Ende sie doch nur selber in dem Konkurs, in den sie die Territorialherrschaften hineintreibt, mit zugrunde geht.
Weil die freien, handeltreibenden Kommunen der postimperialen Feudalherrschaften gleichermaßen in topisch-allgegenwärtiger Kohabitation und in ökonomisch-durchgängiger Kommunikation mit dem feudalherrschaftlichen Element leben, weil sie, anders als die Handelsstädte der Antike, mit dem territorialherrschaftlichen Gegenüber in ebenso streng definierter Funktionsteilung kontrahieren wie im ubiqitär assoziativen Verbund existieren, bieten sich ihnen keine außergewöhnlichen Bereicherungschancen, wie sie den antiken Handelsstädten beziehungsweise deren kommerzieller Funktion die amphibolische, in der topisch äußerlichen Verknüpfung zweier grundverschiedener Gesellschaftstypen, stadtstaatlich-marktwirtschaftlicher und territorialherrschaftlich-fronwirtschaftlicher Gesellschaften, bestehende Natur des mittelmeerischen Handelssystems eröffnet, und bleiben sie deshalb auch davor bewahrt, unter dem Druck und Diktat der mit solcher außergewöhnlichen Bereicherung einhergehenden Schattenseiten und Hypotheken eine das Handelssystem unterminierende und letztlich sprengende nichtkommerziell-exaktive, sprich, mit militärisch-bürokratischen Mitteln expropriative Entwicklungsrichtung einzuschlagen.
Nicht, dass nicht auch die Feudalgesellschaften und die freien Kommunen der postimperialen Zeit grundverschiedene Gesellschaftstypen verkörperten. Aber weil das Marktsystem, zu dem sich die freien Kommunen mittels kommerzieller Funktion organisieren, erstens ein durch die weitgehende Beschränkung auf den Austausch handwerklicher Produkte relativ homogenes und in sich geschlossenes System bildet, dem zweitens die klerikalen Freiräume und klösterlichen Güter, unter deren Schutz und Schirm es seinen Anfang nimmt, eine unter- und außerhalb seiner, als Tauschhandel, funktionierende Versorgung mit agrarischen Erzeugnissen sichert, weil drittens das feudalgesellschaftliche System ausschließlich in Form der Konsumentenrolle, die die Feudalherrschaft übernimmt, Eingang und Aufnahme in das Marktsystem findet, weil mit anderen Worten die Relevanz und der Einfluss des feudalgesellschaftlichen Elements von vornherein streng nach Maßgabe des aus marktabhängigen Produzenten, konsumtiven Nutznießern des Markts und kommerzieller Funktion bestehenden rein marktwirtschaftlichen Modells definiert und limitiert ist und weil viertens dank der auch auf ihr unmittelbares territoriales Umfeld sich erstreckenden Marktrechte, die ihnen bei ihrer Etablierung auf territorialherrschaftlichem Gebiet die Feudalherrschaften einräumen, die freien Kommunen ihren aus den klerikalen Freiräumen gewohnten Tauschhandel in dem neuen Milieu praktisch unverändert beibehalten können, sich hinsichtlich ihrer Versorgung mit Nahrungsmitteln hier ähnlich gut gestellt finden wie dort und eine unterhalb der Ebene ihrer eigentlichen marktwirtschaftlichen Aktivitäten praktizierte und paradoxerweise mit Produktionskapazitäten des anderen Gesellschaftstyps ins Werk gesetzte Quasi-Autarkie genießen – weil dies alles sich so verhält, können die freien Kommunen, ihrer strukturellen Fremdkörperhaftigkeit im feudalgesellschaftlichen Kontext, ihrer sozialtypischen Verschiedenheit von ihm ungeachtet, sich mit letzterem zu einer systematischen Einheit oder symbiotischen Totalität verbinden, die stabiler und haltbarer ist als alles, was das aus seiner perpipheren Position heraus sowohl mit Territorialherrschaften als auch mit reinen Konsumentengruppen Austausch pflegende amphibolische Marktsystem der mittelmeerischen Antike zu bieten hat.
Weder nämlich lässt die funktionell eindeutige Beziehung und positionell durchgängige Verschränkung der beiden Bestandteile dieser symbiotischen Totalität, ihre allerorts praktizierte kommerzielle Arbeitsteilung, Raum für das System gefährdende oder es letztlich sprengende Eskapaden, für auf Kosten des anderen Systemteils verfolgte Sonderwege und Eigenentwicklungen, noch bleibt unter diesen Bedingungen den beiden Systemteilen überhaupt die Möglichkeit, außerhalb ihrer Symbiose eigenständig zu existieren beziehungsweise eine in Kontinuität zu ihrer Existenz innerhalb der Symbiose stehende Identität zu wahren. Würden die in die feudalen Territorien eingebetteten freien Kommunen sich ihrer symbiotischen Beziehung zu den Feudalherrschaften entziehen, sie hätten, anders als die Handelsstädte der Antike, kein peripher-eigenes Territorium, auf dem sie weiterexistieren könnten, und würden jenes feudalgesellschaftlichen Umfeldes oder Milieus verlustig gehen, das die ihnen von der Feudalherrschaft eingeräumten lokalen Marktrechte zu ihrem subsistenziellen Glacis werden lässt und im Tauschhandel mit dem sie ihre Versorgung mit Nahrungsmitteln sicherstellen.
Und würden andererseits die Feudalherrschaften ihre symbiotische Beziehung zu den freien Kommunen abbrechen, sie würden sich, anders als die Territorialherrschaften der Antike, nahezu vollständig jener handwerklichen Kunstfertigkeit und zivilisatorischen Fortschrittlichkeit berauben, die sich in den freien Kommunen konzentriert finden und die den Feudalherrschaften nicht nur ein dem Stand der technischen Entwicklung gemäßes konsumtives Niveau und lebenspraktisches Befinden sichern, sondern ihnen darüber hinaus auch als Stütze ihrer politischen Stellung und Macht und als finanzielle Bereicherungsquelle dienen; sie würden mit anderen Worten ohne die auf ihren Territorien etablierten freien Kommunen beziehungsweise abstrakt von der in ihnen versammelten handwerklich-technischen Produktivität in der Primitivität und Verwahrlosung, der feudalgesellschaftlich organisierten und mehr schlecht als recht bewältigten Not- und Zwangslage verharren, in der der Zusammenbruch und Zerfall des Römischen Imperiums sie zum Vorschein bringt.
Beide Systemteile sind also strikt aufeinander angewiesen und bilden jene merkwürdige symbiotische Totalität, die, je nachdem ob man sie politisch oder ökonomisch ins Auge fasst, ein vexierbildlich anderes Ansehen gewinnt: Während sie, politisch oder topisch-empirisch betrachtet, als ein feudalgesellschaftlich-fronwirtschaftlicher Komplex erscheint, in den zwecks Befriedigung feudalherrschaftlicher Konsum- und Geltungsbedürfnisse handwerklich-produzentengemeinschaftliche Dienstleistungszentren eingesprengt sind, stellt sie sich, ökonomisch oder dynamisch-systematisch gesehen, als stadtbürgerlich-marktwirtschaftlicher Verbund dar, der das feudalherrschaftlich-fronwirtschaftliche Umfeld, in das er eingebettet ist, gleichermaßen als Nährboden, als für seine Versorgung mit agrarischen Erzeugnissen erforderliches Glacis braucht und als Absatzgebiet, als für das produzentengemeinschaftliche Mehrprodukt und dessen Realisierung als Mehrwert nötige Konsumentensphäre in Anspruch nimmt.
Während sich mit anderen Worten aus dem topisch-empirischen Blickwinkel die freien Kommunen als ein der feudalgesellschaftlichen Struktur eingegliedertes Funktionselement suggerieren, präsentieren sie sich umgekehrt aus dynamisch-systematischer Perspektive als ein Strukturzusammenhang, der das feudalgesellschaftliche Milieu, in dem er sich entfaltet, teils in genere seiner landwirtschaftlichen Produzenten als materiale Versorgungsbasis nutzt, teils in specie seiner herrschaftlichen Konsumenten in ein analytisches Ferment oder, besser gesagt, ein metabolisches Agens seiner eigenen Entfaltung umfunktioniert.
Wenn man so will, lässt sich das Verhältnis der marktwirtschaftlich-freien Kommunen zu den fronwirtschaftlich-feudalen Gesellschaften, in die sie eingebettet sind, durchaus der Beziehung vergleichen, die vor der Feudalisierung des Klerus, vor seiner Integration in die feudalgesellschaftliche Hierarchie, die klösterlich-klerikalen Freiräume zu den sie umgebenden herrschaftlich-säkularen Territorien unterhalten. Nicht nur, was die topische Exterritorialität und die ökonomische Eigenständigkeit betrifft, können, wie gesagt, die freien Kommunen als direkte Erben der klösterlich-klerikalen Gemeinschaften, aus deren Umkreis und Schatten sie hervorgegangen sind, gelten, sondern auch, was ihr auf dieser Exterritorialität und Eigenständigkeit basierendes lebenspraktisch-funktionelles Verhältnis zu den sie umgebenden territorialherrschaftlichen Gesellschaften angeht, knüpfen die städtisch-freien Kommunen an die Tradition der klösterlich-klerikalen Gemeinschaften an und weisen eine klar erkennbare strukturelle Parallelität zu letzteren auf.
Wie die geistlichen Gemeinschaften in ihren Freiräumen unterhalten auch die bürgerlichen Kommunen in ihren freien Städten eine symbiotische Beziehung zu den umgebenden territorialen Gesellschaften, die je nach Perspektive, je nachdem, ob man das Ganze empirisch oder systematisch, als realen Prospekt oder als intentionales Projekt ins Auge fasst, die klerikalen beziehungsweise kommunalen Gemeinschaften als Dienstleister der territorialen Gesellschaften oder umgekehrt die territorialen Gesellschaften als Steigbügelhalter der klerikalen oder kommunalen Gemeinschaften erscheinen lässt. Nur dass im einen Fall die Dienstleistungen, die die aparte Gemeinschaft für das gesellschaftliche Ganze, das empirische Faktum, erbringt, spirituell-moralischer Natur sind, während es sich im anderen Fall um kulturell-zivilisatorische Dienste handelt, und dass umgekehrt die steigbügelhalterische Hilfestellung, die das gesellschaftliche Ganze der aparten Gemeinschaft, dem systematischen Verum, leistet, im einen Fall ideell-strategischen Charakter hat, während sie im anderen Fall von materiell-ökonomischer Beschaffenheit ist.
Während die geistlichen Gemeinschaften, abgesehen von ihrer kultisch-sakramentalen Nothelferrolle, die sie ja dann auch als den bleibenden Legitimationsgrund ihrer ständischen Existenz in ihr feudalisiertes Dasein mit hinübernehmen – während also die geistlichen Gemeinschaften den feudalen Gesellschaften moralisch-praktischen Beistand bieten und zensorisch-kritischen Einfluss auf sie nehmen, sprich, sie zu sozialem Frieden und ziviler Gesittung anleiten, versorgen die stadtbürgerlichen Kommunen die feudalherrschaftlichen Territorien mit technisch-zivilisatorischen Hilfsmitteln und lebensartlich-kulturellen Gütern, sprich, sie versorgen sie mit herrschaftlichem Konsum und höfischem Komfort. Und während umgekehrt die feudalherrschaftlichen Territorien den geistlichen Gemeinschaften Entfaltungsraum lassen und militärischen Schutz gewähren, sichern sie den bürgerlichen Kommunen die Versorgung mit Lebensmitteln und kommerziellen Absatz.
Aber so verschieden die Güter, die jeweils geliefert, und die Leistungen, die erbracht werden, auch sein, so wenig sie als einerseits spirituelle, andererseits kulturelle oder einerseits ideelle, andererseits materielle sich einfach miteinander vergleichen lassen mögen, die symbiotische Totalität, die sie im einen und im anderen Fall begründen, das Zugleich von topisch-allgegenwärtiger Kohabitation und ökonomisch-durchgängiger Kommunikation der beteiligten gesellschaftlichen Formationen, worin sie so oder so resultieren, weist eine unverkennbare strukturelle Ähnlichkeit auf und präsentiert sich in beiden Fällen als ein System, das, ungeachtet der Verschiedenartigkeit seiner tragenden Elemente oder gerade wegen ihrer Verschiedenartigkeit, wegen der Tatsache, dass die systematisch verknüpften gesellschaftlichen Formationen Leistungen erbringen, die die jeweils andere braucht, ohne sie im mindesten selbst erbringen zu können, und weil diese funktionelle Verschränkung inmitten der feudalgesellschaftlichen Territorien selbst und an einer Vielzahl von Lokalitäten stattfindet – ein System also, das wegen dieser ebenso durchgängigen wie umfassenden wechselseitigen Abhängigkeit seiner tragenden Elemente eine Stabilität und Kontinuität besitzt, wie sie das aus fronwirtschaftlichen Territorialstaaten und marktwirtschaftlichen Stadtstaaten ebenso marginal wie äußerlich zusammengesetzte und durch die kommerzielle Funktion mehr schlecht als recht zusammengehaltene amphibolische System der mittelmeerischen Antike niemals kennt.
Dank der kommerziellen Akkumulation ist die Stabilität der postimperialen Gesellschaft nicht gleichbedeutend mit Stagnation. Vehikel und Erscheinungsform der Akkumulation ist das Geld, das nicht nur die Asymmetrie überwindet, an der der kommerzielle Austausch andernfalls scheitern müsste, sondern das auch die Einbeziehung von nicht produktiv, sondern nur konsumtiv am Markt Beteiligten und damit die Realisierung des vom Markt erzielten Mehrprodukts als Mehrwert, eine Grundvoraussetzung der Akkumulation, ermöglicht.
Gerade freilich im Zuge der säkularen Wendung, die das Gesellschaftssystem in dem Maße nimmt, wie an die Stelle des sich feudalisierenden Klerus der städtische Bürger und an die Stelle der moralisch-praktischen Dienste, die der Klerus der Gesellschaft leistet, die zivilisatorisch-technischen Leistungen treten, die das Bürgertum für die Gesellschaft erbringt, wird deutlich, dass Stabilität hier nicht etwa mit Stagnation verwechselt werden darf und Kontinuität nicht das Geringste mit Monotonie zu tun hat, sondern dass im genauen Gegenteil die Stabilität nichts weiter ist als das Ergebnis ununterbrochener Störungen eines ebenso ununterbrochen wiederhergestellten Gleichgewichts, dass hier die Kontinuität einzig und allein als Funktion fortlaufenden Wandels existiert.
Auch wenn strukturelle Umbrüche, Paradigmenwechsel wie die der Antike ausgeschlossen bleiben, findet doch ein Entfaltungsprozess statt, der das, was hier Struktur heißt, als bloßen, abstrakten Grundriss eines in seinen wirklichen Dimensionen und wahren Implikationen allererst auszuführenden und zu konkretisierenden Bauwerks erweist. Auch wenn es nicht wie in der Antike zur Ersetzung beziehungsweise Umfunktionierung der prinzipiellen Funktionen kommt, sind doch diese prinzipiellen Funktionen anfangs nur erst generelle Dispositionen, die, um als tragende Teile, als wirksame Mechanismen des ausgeführten Bauwerks zu taugen, eines sie wenn nicht von Grund auf entstellenden, so doch grundlegend gestaltenden Ausbildungs- und Spezifizierungsprozesses bedürfen.
Träger dieses, die symbiotische Totalität aus herrschaftlichen Territorien und freien Kommunen beherrschenden Entwicklungsdrangs, der, wenn er auch nicht geeignet ist, das System als solches zu sprengen, so doch aber dazu taugt, es auf Trab zu halten und sich fortlaufend in die Revision schicken und umgestalten zu lassen – Träger dieses Dranges sind, wie nicht anders zu erwarten, da es hierbei ja nicht um die Totalität so, wie sie empirisch gegeben, sondern so, wie sie systematisch angelegt ist, mit anderen Worten um sie nicht als realen Prospekt, sondern als intentionales Projekt geht, die freien Kommunen, genauer gesagt, die durch die kommerzielle Funktion zum Marktsystem organisierten städtischen Produktionsgemeinschaften. Und hier wiederum sind es nicht eigentlich die Gemeinschaften selbst, die den Entwicklungsdrang in sich tragen und an den Tag legen, sondern das den Drang gleichermaßen Verkörpernde und Erzeugende ist vielmehr der die Gemeinschaften zum Marktsystem organisierende Faktor, die sie verknüpfende Kopula, die kommerzielle Funktion oder, besser gesagt, das dieser kommerziellen Funktion als archaisches Erbe, als im anfänglichen Kontrakt der Handeltreibenden mit der territorialen Herrschaft implizites Emanzipationsmoment eingeschriebene Akkumulationsprinzip.
Für sich genommen, sind die dem Markt arbeitsteilig zuarbeitenden Produzenten ja nur darauf aus, für ihre Beiträge zum Markt ein Äquivalent, ein dem Produkt, das sie dem Markt liefern, im Wert entsprechendes Quantum Subsistenzmittel zu erhalten, unbeschadet ihrer der Expansion des Marktes förderlichen eventuellen Bereitschaft, durch Mehrarbeit beziehungsweise Steigerung ihrer Produktivkraft, ihre Beiträge zu vergrößern, um eine entsprechende Verbesserung ihrer Subsistenz, ihres Lebensstandards zu erreichen. Für die Produzenten ist also der Markt nur ein Distributionsmechanismus, für den sie arbeiten, um durch ihn zu subsistieren; eine andere Erwartung als die, dass er zuverlässig funktioniert und gesteigerte Arbeitsleistungen in verbesserte Lebensqualität umsetzt, verbinden sie nicht mit ihm.
Für die kommerzielle Funktion hingegen beziehungsweise für die sie ausübenden Handeltreibenden ist der Markt uno actu seines Funktionierens als Distributionsmechanismus ein Akkumulationsinstrument, will heißen, eine Apparatur, die es ihnen erlaubt, beim Austausch mit den Produzenten, beim Austausch also zwischen den Produkten, die die Produzenten dem Markt liefern, und den äquivalenten Gütern, die sie dafür vom Markt bekommen, die Äquivalenz zu Gunsten des Marktes außer Kraft zu setzen oder jedenfalls zu modifizieren und sich ein quasi als Marktanteil, als in ihrer kommerziellen Vermittler- oder Maklertätigkeit implizierter Lohn firmierendes Mehrprodukt zu sichern. Dieses im Austausch mit den Produzenten gewonnene Mehrprodukt interessiert dabei die Betreiber des Markts nicht etwa als eine für sie selber brauchbare Materie, als für die eigene biologisch-soziale Reproduktion in Anspruch zu nehmende Subsistenzmittel, sondern es interessiert sie geradeso wie auch die übrigen im Austausch mit den Produzenten dem Markt zugeführten Produkte ausschließlich als wiederum äquivalentes Gut, als in neue Austauschprozesse mit den Produzenten zwecks Erlangung weiteren Mehrprodukts zu investierende Ware.
Eben darin besteht ja das für allen Markt maßgebende Prinzip der Akkumulation, dass diejenigen, die den Markt betreiben, an den Produkten, die sie auf ihm versammeln, nicht als an zu distribuierenden Subsistenzmitteln, sondern als an äquivalenten Gütern interessiert sind, deren einziger Sinn es aus ihrer Sicht ist, im Zuge ihrer Distribution ihre eigene Funktion als Äquivalent Lügen zu strafen und im Austausch mit den Produkten der Produzenten dem Markt ein größeres Quantum von ihresgleichen zuzuführen, und zwar zu dem einzigen, qua Akkumulation ausgesprochenen Zweck, das dem Markt zugeführte Mehr an Produkten wiederum zu investieren, sprich, es immer wieder in der gleichen Funktion von Gütern einzusetzen, die unter der Camouflage ihrer Äquivalenz materialiter weiteres Mehrprodukt in die Hände der Handeltreibenden gelangen lassen – mit der logischen Folge, dass der Markt beziehungsweise die Sammlung von äquivalenten Gütern oder Waren, die er umfasst, ein immer größeres Volumen erreicht, das immer mehr Produzenten beziehungsweise Produktivkraft zu kommandieren, sprich, zur Versorgung des Marktes mit Mehrprodukt einschließenden Produkten zu mobilisieren vermag.
Gleichermaßen Vehikel und Erscheinungsform dieser paradoxen, weil im kritischen Augenblick, im Augenblick des Austauschs zwischen Produzenten und Handeltreibenden, suspendierten oder jedenfalls modifizierten Äquivalenz, die die für die Betreiber des Marktes maßgebende Perspektive bildet, ist das so genannte allgemeine Äquivalent, die Münze des Marktes, das Geld. Es verdankt sich einer durchaus praktischen und für das Entstehen und den Bestand von Handel und Markt praktisch entscheidenden Rücksicht, der Rücksicht darauf, dass asymmetrische Austauschbeziehungen, will heißen, Beziehungen, in denen der eine etwas besitzt, was der andere braucht, der andere hingegen nichts Entsprechendes, nichts, was seinem Gegenüber nützen könnte, der Normfall sind und dass es, um diese den Austausch vereitelnde Asymmetrie zu überwinden, eines Übergangsobjektes bedarf, das, auch wenn es derjenige, der es erwirbt, nicht eigentlich braucht, doch bei ihm und allen anderen hinlängliche Wertschätzung genießt, um sich jederzeit und bei jedermann gegen Dinge, die der Betreffende tatsächlich braucht, wieder austauschen zu lassen und letzterem deshalb als ein ihm Zugang zu allen auf dem Markt befindlichen Gütern eröffnendes Passepartout, eben als allgemeines Äquivalent, zur Verfügung zu stehen. Dies Übergangsobjekt ist das Geld, das durch die menschliche Geschichte hindurch in den verschiedensten Gestalten erscheint, die von Vieh, Salz oder Kaurimuscheln über die in historischer Zeit maßgebenden Edelmetalle bis zu den heute herrschenden Formen des Papiergelds, des Kontoauszugs und der Kreditkarte reichen. Es überbrückt und überwindet die im Normalfall gegebene Asymmetrie der Austauschbeziehungen und macht so eine nennenswerte kommerzielle Aktivität überhaupt erst möglich.
Allerdings spaltet es dabei den Austauschvorgang in zwei, sich relativ unabhängig voneinander gerierende Akte auf, den einen Akt, in dem der Produzent die Produkte, die er liefert, mit allgemeinem Äquivalent vergütet bekommt, und den anderen Akt, in dem er dieses allgemeine Äquivalent nutzt, um die spezifischen Güter zu erwerben, die er braucht – und es ist genau diese Aufspaltung der einen Austauschhandlung in zwei, scheinbar unabhängig voneinander zu vollziehende Akte, die der kommerziellen Funktion beziehungsweise dem von ihr als eigenständiges Austauschsystem inszenierten oder organisierten Markt teils in genere ihren Lebens- und Entfaltungsraum eröffnet, teils in specie den modus procedendi, den geeigneten Funktionsmechanismus für die als Grundmotiv allen kommerziellen Funktionierens firmierende Akkumulationstätigkeit erschließt.
Indem die marktförmig operierende kommerzielle Funktion in einem ersten Akt den Produzenten die Produkte, die sie zu Markte tragen, mit als Passepartout für den Zugang zum Markt, als generalisierter Anspruch auf die Warensammlung des Marktes wohlverstandenem allgemeinem Äquivalent honoriert und ihnen damit ermöglicht, in einem zweiten Akt als Konsumenten dies allgemeine Äquivalent gegen die von ihnen benötigten äquivalenten Güter des Marktes einzulösen, ist diese Prozedur die Camouflage, der Deckmantel, worunter die Betreiber des Markts ihren Anspruch auf Mehrprodukt durchsetzen. Während nämlich im zweiten Teil der Gesamtaustauschhandlung, in dem Akt, in dem er als Konsument auftritt, der Produzent für das allgemeine Äquivalent, das er als Anspruch an den Markt geltend macht, äquivalente Güter, seinem Geld im Wert entsprechende Waren erhält, hat er im ersten Akt, in dem er als Produzent firmiert, bei dem allgemeinen Äquivalent, das er für die Produkte erhält, die er zu Markte trägt, einen Abschlag, einen Diskont, in Kauf nehmen, hat er mit anderen Worten jene den Äquivalententausch Lügen strafende Nichtäquivalenz akzeptieren müssen, kraft deren in die Hände der Betreiber des Marktes mehr materiales Gut gelangt, als dem allgemeinen Äquivalent, das sie dem Produzenten dafür überlassen, im Wert entspricht.
Wenn hier von Camouflage oder Deckmantel die Rede ist, so sind diese Begriffe im vorliegenden Zusammenhang nicht etwa gleichbedeutend mit Täuschung und Betrug, sondern stehen eher für eine Art von Rechtfertigung oder Legitimierung, Vindikation oder Rationalisierung. Mag auch das allgemeine Äquivalent, das Geld, durch die Aufspaltung der Austauschhandlung in zwei Akte die Nichtäquivalenz im ersten Austauschakt, sprich, die Aneignung von Mehrprodukt durch die Betreiber des Markts, kaschieren und insofern erleichtern, eine funktionslogische Bedingung oder ein Sine qua non des Aneignungsvorganges ist diese Verschleierung nicht. Auch wenn der Produzent sich dessen bewusst ist, dass er weniger an allgemeinem Äquivalent erhält, als er an Produktwert liefert, dass also jedem Austausch mit dem Markt, den er in seiner Eigenschaft als Produzent tätigt, ein Moment von Expropriation innewohnt, wird er im Zweifelsfall, der der Normalfall ist, den Abschlag oder Diskont, mit dem der Betreiber des Markts ihm sein Produkt abnimmt, als gerechtfertigt oder jedenfalls verständlich akzeptieren.
Er honoriert damit die durch das allgemeine Äquivalent vollbrachte Überwindung der Asymmetrie in den Austauschverhältnissen, die ja das Austauschgeschehen rasch wieder zum Erliegen zu bringen beziehungsweise nie nennenswerte Dimension erreichen zu lassen droht, honoriert, dass dort, wo sein spezielles Produkt ihm höchstens ausnahmsweise oder zufällig direkten Zugang zu einem von ihm begehrten Gut eröffnet oder ihn jedenfalls dazu zwingt, zur Erlangung des von ihm begehrten Guts einen umständlichen Ringtausch zu durchlaufen – dass also dort das generelle Äquivalent, das Geld, als Münze des Marktes, als auf das gesamte Marktgebäude gemünztes Passepartout ihm im Prinzip Zugriff auf sämtliche per Markt versammelten Güter gewährt. Dies ist die Leistung, die das von den Betreibern des Marktes den Produzenten als Gegenwert für ihr Produkt überlassene Geld erbringt, und dafür nehmen die Produzenten den ihnen von den Betreibern des Marktes zugemuteten Wertabschlag auf ihr Produkt, wenn nicht gern, so doch bereitwillig in Kauf.
Die für einen regelmäßigen und umfassenden Handel unabdingbare Überwindung der Asymmetrie in den Austauschbeziehungen und die dadurch gerechtfertigte oder rationalisierte Aneignung von Mehrprodukt durch die Betreiber des Marktes sind aber nicht die einzige Leistung, die das allgemeine Äquivalent, das Geld, erbringt. Das Geld legt außerdem den Grund für den oben genannten Entwicklungsdrang des kommerziellen Systems, für den vom System verfolgten Akkumulationsprozess als solchen, dafür mit anderen Worten, dass der kommerzielle Austausch mitsamt der in ihm implizierten Aneignung von Mehrprodukt durch den Markt sich nicht nur in abstracto seiner Funktionalität als praktikabel erweist, sondern dass er auch in concreto seiner Intentionalität, in der von ihm betriebenen permanent erweiterten Reproduktion jener Aneignung, Wirklichkeit wird. Und diese zweite, grundlegende Leistung kommt paradoxerweise dadurch zustande, dass das Geld ein Problem zu lösen dient, das es zuvor selber schafft und das ohne seine Intervention gar nicht existierte.
Gemeint ist das Problem der Realisierung des Mehrprodukts als Mehrwert. Weil das, was die Produzenten den Betreibern des Marktes liefern, materiale Güter, spezifische Bedürfnisbefriedigungsmittel sind, es sich hingegen bei dem, was die Betreiber des Marktes den Produzenten dafür geben, um pekuniäres Entgelt, allgemeines Äquivalent, handelt, müssen, damit neue Austauschprozesse in Gang kommen können, die an den Markt gelieferten Produkte erst einmal in allgemeines Äquivalent umgesetzt, konvertiert werden, das sich dann den Produzenten wieder als Entgelt für die Lieferung neuer Produkte zur Verfügung stellen lässt. Die materialen Produkte müssen mit anderen Worten in die Form des allgemeinen Anspruches an den Markt, der in ihrer besonderen Gestalt nur erst impliziert ist, überführt, müssen als das allgemeine Äquivalent, das sie an sich sind, gesetzt, als der Tauschwert, den sie nur erst haben, der sie aber mehr noch sein müssen, um Wirksamkeit für den Markt zu erlangen, realisiert werden. Diese Realisierung des Werts der Produkte, ihre Verwandlung in die Münze des Marktes, das Geld, geschieht auf die für die Einrichtung des Marktes überhaupt konstitutive Weise, dass die Produzenten mit dem ihnen für ihre Produkte von den Betreibern des Markts überlassenen Geld erneut zu Markte gehen, um es als Konsumenten dem Markt zurückerstatten, sprich, es gegen auf dem Markt befindliche Güter, die sie zum Lebensunterhalt beziehungsweise zur Bedürfnisbefriedigung brauchen, auszutauschen.
Hier entsteht nun allerdings das logische, in der Doppelfunktion des Geldes als zugleich einer Vermittlungsinstanz und eines Mittels zur Aneignung von Mehrprodukt angelegte Problem, dass auf Seiten der Produzenten für dieses Mehrprodukt partout kein Geld vorhanden ist, dass die Produzenten, weil sie ja für das Geld den Betreibern des Marktes ihr Produkt zuzüglich des Mehrprodukts überlassen, ihnen das Mehrprodukt quasi als Zugabe, unentgeltlich, geliefert haben, außerstande sind, dies Mehrprodukt, auch wenn sie es durchaus brauchen könnten, Bedarf an ihm hätten, in seinem Wert zu realisieren, sprich, zu kaufen. Im geschlossenen System eines Marktes, dem Menschen ebenso sehr als Produzenten zuarbeiten, wie sie als Konsumenten von ihm abhängig sind, beschwört das uno actu als katalytisches Ferment für den Güteraustausch und als Extraktionsmittel für die Aneignung von Mehrprodukt durch den Markt fungierende Geld notwendig das Problem herauf, dass die Konsumkraft der dem Markt zuarbeitenden Produzenten, das allgemeine Äquivalent, das ihnen zur Realisierung des Werts der auf dem Markt versammelten Güter zur Verfügung steht, für die Realisierung des Werts des von den Produzenten gelieferten Mehrprodukts und also dessen Überführung in die allgemeine Äquivalentform, die es braucht, um neue Produktionsprozesse in Gang setzen zu können, nicht ausreicht.
Für dieses Problem aber, das es mit sich bringt, hält das Geld auch gleich die Lösung bereit. Weil dank der Dazwischenkunft des Geldes die eine Austauschhandlung in zwei unabhängig voneinander vollzogene Akte aufgespalten wird, kann nämlich nun der zweite, "konsumtive" Akt, der Austausch von allgemeinem Äquivalent gegen auf dem Markt befindliche besondere Güter, stattfinden, ohne dass dafür der erste, "produktive" Akt, der Eintausch von besonderen Produkten gegen auf dem Markt befindliches allgemeines Äquivalent, die unmittelbare Voraussetzung bildete. Das heißt, es können Personen, ohne zum Markt einen produktiven Beitrag geleistet zu haben, zu Markte gehen und sich dort als Konsumenten betätigen. Das Einzige, was sie dazu brauchen, ist allgemeines Äquivalent, das sie, da ihnen ja mangels eigener produktiver Beiträge zum Markt keines aus Markthänden zugeflossen ist, aus anderen, marktunabhängigen Quellen mitbringen müssen.
Was das Geld mit anderen Worten ermöglicht, ist die umstandslose Einbeziehung von nicht zur Produzentenschar gehörenden und, sofern der Markt seiner abstrakten Definition nach ein System zur Distribution arbeitsteilig erzeugter Güter an die arbeitsteiligen Erzeuger ist, außerhalb des Marktes stehenden Gruppen in die marktspezifischen Transaktionen. Dank der Intervention des Geldes, seiner die Momente des Austauschs separierenden Rolle als universales Übergangsobjekt, können Gruppen, die nicht aktiv am Markt beteiligt sind, nicht zu den unmittelbar Mitwirkenden gehören, dennoch in die Zirkulation einbezogen und als Abnehmer des Mehrprodukts, als Realisierer des im Mehrprodukt steckenden Wertes rekrutiert werden.
Insofern diese Gruppen kraft des Geldes aus marktunabhängigen Quellen, über das sie verfügen, von den Segnungen des Marktes profitieren, ohne für ihn etwas beitragen, materiale Leistungen für ihn erbringen zu müssen, erscheinen sie als die wahren Nutznießer des Markts, scheint dieser geradezu für sie gemacht. Während der Markt den Produzenten, seinen Beiträgern, als Gegenleistung für ihre Beiträge die Subsistenz ermöglicht, das heißt, sie in die Lage versetzt, in ihrer Beitragstätigkeit fortzufahren, sorgt er gleichzeitig durch die zusätzliche Leistung, die er ihnen für die Sicherung ihrer Subsistenz unter der Camouflage ihrer pekuniären Vergütung abfordert, durch das Mehrprodukt mit anderen Worten, das er ihnen abverlangt, dafür, dass andere, nichtproduktive Gruppen an den Beiträgen der Produzenten partizipieren, von ihm, dem Markt, mitversorgt werden können. So gesehen, diente also das ganze Marktsystem dazu, Gruppen von Menschen dazu zu bringen, durch ihre arbeitsteilige Arbeit nicht bloß die eigene Subsistenz zu sichern, sondern mehr noch anderen, von der Arbeit entbundenen Gruppen ihren Lebensunterhalt zu verschaffen.
Aus Sicht der Betreiber des Marktes freilich ist dies schwerlich als der Zweck der Veranstaltung geltend zu machen. Ihnen geht es ja einzig und nur darum, die materialen Produkte, die ihnen die Produzenten gegen allgemeines Äquivalent liefern, einschließlich des darin einbegriffenen Mehrprodukts wieder in allgemeines Äquivalent zu verwandeln, um es in neue, Mehrprodukt einschließende Produkte investieren zu können. Ihnen geht es mit anderen Worten darum, unter Bedingungen geldvermittelten Austauschs Akkumulation zu betreiben, sprich, unter dem Deckmantel einer permanent wiederholten Verwandlung von allgemeinem Äquivalent in nichtäquivalente Güter, von Wert in Mehrprodukt, von Geld in mehr Ware und Rückverwandlung der nichtäquivalenten Güter in allgemeines Äquivalent, des Mehrprodukts in Wert, der vermehrten Ware in Geld, dem Markt die Verfügung über eine immer größere Gütermenge zu verschaffen, was unter Akkumulationsgesichtspunkten nichts weiter heißt als – dem Markt die durch die immer größere Gütermenge verkörperte wachsende Wertsumme als Instrument für die Ingangsetzung immer gleichermaßen weiterer und erweiterter Produktionsprozesse für die Versammlung immer größerer Gütermengen auf dem Markt in die Hände zu spielen.
In diesem, wie man will, Wertakkumulations- oder Wertproduktionsentfaltungsprozess, dem sich die Betreiber des Markts verschrieben haben, erfüllen aus Sicht der letzteren die anderen, nicht für den Markt produzierenden, sondern dank des allgemeinen Äquivalents aus marktunabhängigen Quellen, über das sie verfügen, ausschließlich vom Markt als Konsumenten zehrenden Gruppen nichts weiter als eine ökonomische Funktion und ist ihre Versorgung mit dem vom Markt angeeigneten Mehrprodukt, weit entfernt davon, als der Zweck der kommerziellen Veranstaltung gelten zu können, vielmehr nur ein Mittel, um die Akkumulation als solche ins Werk zu setzen und den ihr dienenden Prozess in Gang zu halten. Indem jene anderen Gruppen ihr allgemeines Äquivalent aus anderen Quellen zu Markte tragen, um kraft seiner an den Gütern des Marktes als Konsumenten zu partizipieren, vollbringen sie, was die Produzenten in ihrer Funktion als Konsumenten mangels ausreichend allgemeinen Äquivalents nicht zu leisten vermögen: Sie verwandeln das auf dem Markt gesammelte Mehrprodukt in Mehrwert und verleihen ihm damit jene Form und Gestalt eines Zugang zu allen Gütern des Marktes eröffnenden Passepartouts, eines generellen Anspruch auf alles, was der Markt zu bieten hat, gewährenden Generalschlüssels, die es braucht, um zusammen mit dem übrigen, von den Produzenten selbst in ihrer Konsumentenrolle als Wert realisierten Produkt von den Betreibern des Markts den Produzenten als Gegenleistung für neue, durch den Mehrwert erweiterte und entsprechend mehr Mehrprodukt schaffende Produktionsprozesse zur Verfügung gestellt und also, kurz, für den Zweck der Akkumulation genutzt werden zu können.
Die durch den Zusammenschluss von städtischen Produzentengemeinschaften und territorialherrschaftlichen Konsumenten perfektionierte Akkumulation verleiht dem Marktsystem eine als unendlicher Entwicklungsdrang erscheinende Exzentrik, die freilich mit der beschriebenen Exzentrik der christlichen Heilsbotschaft keine homologe Zwecksetzung, sondern nur eine analoge Einstellung teilt. Tatsächlich kann sich die Exzentrik des kommerziellen Systems nur in dem Maße voll zur Geltung bringen, wie sich die des klerikalen Systems im Zuge der Feudalisierung des Klerus per Ritualisierung verflüchtigt.
Die anderen, nichtproduzierenden und von den Betreibern des Marktes als reine Konsumenten in das Marktgeschehen einbezogenen Gruppen erfüllen mithin eben die ökonomische Funktion, die, wie oben dargestellt, im historischen Fall der nachimperialen, feudalen Gesellschaften deren Herrschaften wahrnehmen. Indem die die handwerklichen Produzentengemeinschaften zuerst der klerikalen Freiräume und dann der freien Städte zu Marktsystemen zusammenschließende kommerzielle Funktion die nicht aktiv, nicht als Produzenten am Markt mitwirkenden feudalen Herrschaften als passiv Beteiligte, als kraft ihrer Schatzkammer, kraft des marktunabhängigen allgemeinen Äquivalents in ihren Händen für den Verzehr des Mehrprodukts zuständige Konsumenten rekrutiert, gelingt ihr jene das gesamte Produkt einschließlich Mehrprodukt umfassende Wertrealisierung, jene Transformation der auf dem Markt versammelten materialen Gütermenge in Geld, die Münze des Markts, das Passepartout des kommerziellen Austauschs, mit der die Akkumulation, die Verwirklichung des der kommerziellen Funktion eingeschriebenen Prinzips einer fortlaufenden Vergrößerung der durch den Markt repräsentierten Wertsumme ebenso sehr zwecks wie mittels einer fortlaufend erweiterten Reproduktion, einer fortlaufenden quantitativen Ausdehnung beziehungsweise qualitativen Steigerung der diese Wertsumme erzeugenden Produktionsprozesse, steht und fällt.
Dank der Beteiligung der in der Rolle reiner Konsumenten das Mehrprodukt als Mehrwert realisierenden und damit als in neue Produktionsprozesse investierbares Kapital verfügbar machenden feudalen Herrschaften gelingt es den Betreibern des Markts, dem Marktsystem jenen oben erwähnten unendlichen Entwicklungsdrang einzupflanzen, der ihm, dem System, bei aller bruchlosen Kontinuität und Unanfälligkeit gegen Verwerfungen und Umorientierungen, die es im Unterschied zu seinem antiken Vorgänger beweist, doch jeden äquilibristischen Stillstand, jede dauerhafte Stagnation verschlägt, ihm mit anderen Worten seine eigene dynamische Exzentrik verleiht.
Wenn hier von dynamischer Exzentrik die Rede ist, so ist die Anspielung auf den zuvor mit dem gleichen Terminus belegten modus procedendi der mit der Heilsperspektive ernst machenden mönchisch-klerikalen Nachfolge Christi durchaus beabsichtigt; allerdings soll damit nicht eine inhaltliche Entsprechung oder homologe Zwecksetzung konstatiert, sondern bloß eine formelle Ähnlichkeit oder analoge Einstellung registriert werden. Was den klostergemeinschaftlich-klerikalen modus procedendi und die marktsystematisch-kommerzielle Vorgehensweise miteinander verbindet und was beide als eine Art dynamische Exzentrik zu charakterisieren erlaubt, ist die abstrakte Negation oder reine Negativität, mit der beide dem Status quo, dem gegebenen Dasein, der gegenwärtigen Welt begegnen. Beiden gilt die gegenwärtige Welt als etwas unbedingt zu Transzendierendes, als Falsches, das dem Wahren im Wege steht, als ein Übel, dem das Gute möglichst rasch ein Ende machen soll, zugleich aber als etwas, das, weil es der Status quo, das hier und jetzt Gegebene ist, zwischen dem Wahren und Guten, dem zu erreichenden Zweck, und denen, die ihn raschestmöglich erreichen wollen, steht, die letztere von ersterem trennende Mitte bildet und insofern das Mittel darstellt, über beziehungsweise durch das der Weg zum Zweck nolens volens führt und ohne das sei's im negativen Sinne seiner Überwindung und Beseitigung, sei's im positiven Verstand seiner Verwendung und Bewältigung der Zweck sich schlechterdings nicht erreichen lässt.
Mit dieser den beiden Weisen von Exzentrik gemeinsamen Negativität gegenüber dem hier und jetzt Bestehenden, dieser Entschlossenheit, letzteres als die vom wahren Zweck trennende Mitte wahrzunehmen und es eben deshalb als das negativ oder positiv dem Zweck aufzuopfernde Mittel einzusetzen, endet freilich auch schon die Analogie. Allzu verschieden ist der im einen und im anderen Fall angestrebte Zweck selbst, als dass eine inhaltliche Entsprechung oder funktionelle Übereinstimmung der beiden exzentrischen Verfahrensweisen auch nur im Entferntesten denkbar wäre. Schließlich ist im mönchsgemeinschaftlich-klerikalen Fall der Zweck nicht von dieser Welt, ein toto coelo anderes, ein die irdische Materialität transzendierendes himmlisches Spirituelles, das zugleich eine vollständige ontologische Verkehrung impliziert, der zufolge das diesseitig Materielle sich zu ihm, dem jenseitig Spirituellen, verhält oder, besser gesagt, nicht verhält wie Schein zum Sein oder Illusion zur Wirklichkeit.
Wie sollte wohl angesichts dieses als das alleinige Sein perennierenden himmlischen Zwecks der als die trennende Mitte existierende irdische Schein als ein irgend positives Mittel zum Zweck, ein in irgendeiner Hinsicht brauchbarer Weg und Durchgang zum exzentrischen Ziel in Frage kommen? Wie sollte die irdische Immanenz mehr sein können als Mittel höchstens und nur ex negativo, im Sinne nämlich einer Barriere und Abhaltung, die, weit entfernt davon, bei der Verfolgung des Zwecks eine Rolle als konstitutives Element, als aktiver Faktor zu spielen, vielmehr einzig und allein dadurch, dass sie ihre Selbstaufhebung betreibt, dass sie sich mittels Askese, Keuschheit, Armut und Selbstlosigkeit eigenhändig zum Verschwinden zu bringen strebt, einen passiven Beitrag zur Erreichung des Zweckes leistet beziehungsweise für letzteres eine initiative Bedeutung gewinnt?
Ganz anders bei dem die marktsystematisch-kommerzielle Exzentrik bestimmenden Procedere, bei dem an die Stelle der christlichen Heilsperspektive das kapitale Akkumulationsinteresse tritt und den Zweck nicht das Himmelreich, sondern die Wertschöpfung bildet. Hier hat die vom Zweck, vom Wert, trennende Mitte, die Totalität der irdischen Dinge und Bewandtnisse, so sehr auch sie im Prinzip als ein zu überwindendes Hemmnis, eine zu beseitigende Abhaltung, als Falsches gilt, das dem Wahren zu weichen hat, doch durchaus Mittelcharakter, die positive Funktion dessen, durch das hindurch und aus dem heraus der Zweck realisiert werden muss. Schließlich ist der Wert das, was die Dinge ihrer exzentrischen Bestimmung nach an sich oder in Wahrheit sind, und sind umgekehrt die Dinge also Hüllen oder Erscheinungen, als deren Inhalt oder Wesen der Wert perenniert und darauf dringt, als solcher zum Vorschein gebracht zu werden. Genau dies meint die Rede von der Wertrealisierung, dass die Dinge als Träger oder Gefäße von Wert firmieren, dass sie den Wert als ihr Potenzial beinhalten und eben deshalb in dem Sinne affirmatives Mittel zum Zweck sind, dass ihre Negation, ihre Preisgabe oder Aufopferung, die unmittelbare Kehrseite, das Revers, der als Erfüllung des Zwecks begreiflichen Aktualisierung des Potenzials, der Verwirklichung des Werts, bildet.
Und nicht genug damit, dass die Dinge als in ihrer Preisgabe affirmatives Mittel zum Zweck gebraucht werden, der Zweck selbst gilt ja als erfüllt, als wirklich nur dann, wenn er sich wiederum in um seinetwillen aufzuopfernde Mittel umsetzt, wenn er sich mit dem Ziel seiner fortlaufenden Bekräftigung und Verstärkung immer neu vermittelt, wenn er sich mit anderen Worten als im Sinne seiner akkumulativen Selbstbestätigung wirksam erweist. Weil der Wert nichts anderes ist, als die in Verfügung über mehr von ihresgleichen umgemünzten irdischen Dinge, sind die letzteren ebenso sehr der Zweck des ersteren und er das Mittel zu ihnen; das Einzige was den zum exzentrischen Zirkel, zur Spirale geratenden Prozess, der dadurch entsteht, davor schützt, sich in einem sinnlosen Quidproquo zu verlaufen, ist eben seine als Selbstverwertung des Werts bestimmte Spiralform, die in der Selbstvermittlung effektuierte ständige Zunahme und Erweiterung des Zwecks nach Menge und Umfang.
Jedenfalls bleiben, anders als bei dem mönchsgemeinschaftlich- klerikalen, heilsperspektivischen Procedere, in dem marktsystematisch-kommerziellen, akkumulationsbestimmten Verfahren die irdischen Dinge und Bewandtnisse ein so zu verstehendes, weil einen qua Preisgabe positiven Beitrag leistendes Mittel zum Zweck, zeigen sie sich als permanente Durchgangsstation oder wiederkehrendes Vermittlungsmoment eingebunden in den zweckdienlichen Prozess, erweist sich mit anderen Worten ihre Negation ebenso wohl als eine Art von Affirmation, ihre Verwerfung ebenso wohl als eine Form der Aufhebung. Die Transzendenz, die das seinen Zweck nicht ins spirituelle Himmelreich, sondern in die transzendentale Wertschöpfung setzende kommerzielle Verfahren beweist, bleibt, so gesehen, eine immanente und findet ihren Ausdruck nicht in dem Verlangen, die irdische Sphäre hinter sich zu lassen und zum Verschwinden zu bringen, sondern in dem Bemühen, sie auf die Spitze und im Sinne eines Fundaments, das sich zum Baumaterial für das, was es tragen soll, hergibt, sich ins Denkmal seiner selbst transfiguriert, über sich hinaus zu treiben. Und eben dies trennt und unterscheidet die beiden als exzentrisch charakterisierten Weisen, mit der irdischen Realität umzugehen, mag die Exzentrik im abstrakten Prinzip auch noch so analog erscheinen.
Tatsächlich trennt und unterscheidet es sie so sehr, dass sie de facto einander geradezu ausschließen und die eine Verfahrensweise nur auf Kosten der anderen Geltung erlangen und in Kraft treten kann. Solange das mönchsgemeinschaftlich-klerikale Streben nach dem Himmelreich das Erdenleben nur als ex negativo so zu verstehendes Mittel, nämlich als einen durch Selbstverleugnung beziehungsweise Selbstzurücknahme den Weg zum Heil freimachenden und in diesem ironischen Sinne befördernden, rein defizienten Modus festhält und solange der Klerus in Ausübung seiner Rolle als moralisch-disziplinarischer Zensor der Laienschaft diesen seinen schwindsüchtigen Begriff vom Erdenleben als für die Gesamtgesellschaft normative Bestimmung zur Geltung bringt, bleibt dadurch die Wahrnehmung der irdischen Dinge und Bewandtnisse als in anderer Hinsicht positiver Mittel zum Zweck oder als für anderes als das ewige Heil verwendbarer Realitäten noch grundlegend diskreditiert und deshalb die marktsystematisch-kommerzielle Exzentrik, die auf eben jenen positiven Mittelcharakter baut, so sehr sie im Einzelnen, in den beschränkten Kontexten der durch die Handelsfunktion miteinander verknüpften städtischen Produktionsgemeinschaften funktionieren mag, aufs Ganze der feudalen Gesellschaft und ihres herrschenden Bewusstseins gesehen, noch entscheidend gehandikapt.
Es bedarf erst der geschilderten Feudalisierung des Klerus und der damit einhergehenden Reduktion seiner heilsperspektivisch-exzentrischen Lebensform auf eine ausschließlich kultisch-sakramentale Kondition beziehungsweise Elimination der normativen Bedeutung oder Vorbildfunktion, die diese Lebensform bis dahin für alles Tun und Lassen auf Erden beansprucht, ehe jene andere, als immanentes Transzendieren charakterisierte und nämlich die irdische Sphäre als positives Mittel zum Zweck verwendende Art von Exzentrik, die durch den Austausch von Waren, das ständige marktvermittelte Setzen und Wiederaufheben materialer Produkte, sich vollziehende Wertbildung oder Akkumulationsbewegung, gesamtgesellschaftlich Raum greifen und sich gemäß dem ihr eigenen Entwicklungsdrang frei entfalten kann.
Und zwar sich frei entfalten kann auf dem Boden und im Rahmen des zweifachen Gesellschaftsvertrags, den die kommerzielle Funktion eingeht und unterhält: ihres Kontrakts einerseits mit den der Retorte der klerikalen Freiräume entsprungenen und auf feudalherrschaftlichem Gebiet als halbwegs autonome Kommunen, stadtbürgerliche Einrichtungen etablierten handwerklich-technischen Produktionsgemeinschaften und ihrer Übereinkunft andererseits mit den feudalen Herrschaften, die die halbwegs autonome Existenz jener stadtbürgerlichen Gemeinschaften auf ihrem Territorium dulden beziehungsweise sogar tatkräftig fördern! Nur weil die kommerzielle Funktion auf solchen, von ihr zu einem Marktssystem synthetisierten autonom-kommunalen Produktionsgemeinschaften aufbauen kann, steht ihr ausreichende, vom Eigeninteresse getragene ökonomische Initiative und hinlängliches, von instrumenteller Vernunft geprägtes technisches Ingenium zu Gebote, um eine Produktivität hervorzutreiben, die den kommerziellen Aufwand lohnt und dem ihr eingefleischten und zum unersättlichen Entwicklungsdrang ausschlagenden Akkumulationstrieb Genüge tut.
Jenen Zustand bürgerlicher Selbstverwaltung, jene städtische Freiheit vermag die kommerzielle Funktion aber nur zu erwirken, weil ihr gelingt, sich mit den jeweiligen feudalen Herrschaften ins Benehmen zu setzen und diesen genug konsumtive Annehmlichkeiten, strategische Vorteile und finanziellen Gewinn zu bieten, um sie zur Anerkennung und Tolerierung beziehungsweise zur Protektion und Förderung der für all die Annehmlichkeiten, Vorteile und Gewinnmöglichkeiten grundlegenden Kommunen, die als Freiräume, als quasi exterritoriale Standorte in ihre Territorien eingesprengt sind, zu bewegen.
Dabei besteht, wie gezeigt, der Coup der ganzen Geschichte darin, dass die kommerzielle Funktion durch diese, mit den jeweiligen feudalen Herrschaften erzielte Übereinkunft nicht nur den sie tragenden und von ihr zum Austauschsystem zusammengeschlossenen handwerklichen Produktionsgemeinschaften zu relativer ökonomischer Initiative und politischer Autonomie verhilft, ihnen nicht nur die für ihr effektives Funktionieren, ihre mehrwertträchtige Produktivität unabdingbaren Rechte und Freiheiten sichert, sondern zugleich auch sich selbst den für das Mehrprodukt, das sie im Austausch mit den Produktionsgemeinschaften gewinnt, erforderlichen Absatzmarkt verschafft, sprich, für die Erfüllung der für alle kommerzielle Akkumulation grundlegenden Bedingung, die Realisierung des Mehrwerts der von den Produktionsgemeinschaften zu Markte getragenen Produkte sorgt. Indem der kommerziellen Funktion gelingt, mittels der konsumtiven Annehmlichkeiten, die sie zu bieten hat, die feudalen Herrschaften ihrem Marktsystem zu integrieren und als eine auf Grund des allgemeinen Äquivalents aus anderen Quellen, über das sie verfügen, mit der Realisierung des Mehrwerts systematisch betraute Gruppe reiner Konsumenten in Dienst zu nehmen, gewinnt ihr Geschäft mit den städtischen Produktionsgemeinschaften, ihr marktförmiges Kontrahieren mit letzteren jenen eskalierenden Zug, der alle Wertakkumulation nolens volens auszeichnet: Jedes Mal, wenn die kommerzielle Funktion Wert in Form von allgemeinem Äquivalent in neue Produkte investiert, sprich, Geld ausgibt, um dem Markt Waren zuzuführen, tut sie das mit einer dank des vorigen Austauschprozesses und des Mehrwerts, den er ihr eingetragen hat, vergrößerten Wertsumme – mit der Konsequenz, dass sie entweder bei den vorhandenen Produzenten mehr Produkte einkaufen oder neue Produzenten für den Markt rekrutieren oder in beidem reüssieren muss, um dem Verwertungsanspruch der betreffenden Wertsumme Genüge zu leisten und nämlich sicherzustellen, dass auch ihre Investition wieder ein ihrem vollen Potenzial entsprechendes Mehrprodukt ergibt, das, als Mehrwert auf dem Markt realisiert, den nächsten Investitionsprozess mit einer wiederum vergrößerten und deshalb wiederum vermehrte Beiträge der Produzenten beziehungsweise mehr Beiträger erheischenden Wertsumme durchzuführen erlaubt.
Fußnoten
- ... Stelle 1
- Siehe Herrschaft, Wert, Markt – Zur Genese des kommerziellen Systems, Unrast Verlag, Münster 2006.