3. Handelskapital und zentrale Macht

Unter dem Druck des akkumulativen Wachstums verwandeln sich die beiden für den Akkumulationsprozess bis dahin grundlegenden Faktoren des kommunalen Produzenten und des herrschaftlichen Konsumenten durch die stadtbürgerliche Ordnung, die der eine schafft, beziehungsweise das territorialherrschaftliche Regiment, das der andere führt, aus anfänglichen Beförderungsmitteln in schließliche Hemmschuhe der Entwicklung. Die Investition unverwertbaren Handelskapitals in die Etablierung von Patrizierschichten bringt zwischenzeitliche Entlastung.

Dies beides also, der Lieferkontrakt mit ökonomisch weitgehend eigenständigen und politisch relativ selbstbestimmten kommunalen Produzentengruppen und die strategisch, finanziell und konsumpraktisch fundierte Übereinkunft mit den feudalen Herrschaften, in deren Territorien die Produzentengruppen eingebettet sind – dies beides macht, dass nach dem Schwinden des normativ-moralischen Einflusses der heilsperspektivischen Exzentrik des Klerus auf die gesamtgesellschaftliche Lebensweise und Einstellung zur Welt die andere, mit der kommerziellen Funktion und ihrem Marktsystem einhergehende und nicht aufs transzendente Himmelreich zielende, sondern der immanenten Transzendenz der Wertschöpfung verpflichtete Exzentrik Raum greifen und den erwähnten, im Akkumulationsprinzip implizierten Entfaltungsdrang voll zum Tragen bringen kann.

Von den durch die Initiative und das Ingenium, die ein ökonomisch ebenso eigenverantwortliches wie politisch autonomes Wirtschaften verleiht, beflügelten städtischen Produzentengemeinschaften mit den erforderlichen Produkten beliefert und durch den Konsum der mit allgemeinem Äquivalent aus anderen Quellen versehenen feudalen Herrschaften in die Lage versetzt, das ihnen in Erfüllung ihres konstitutiven Akkumulationsanspruchs von den Produzenten gelieferte Mehrprodukt zuverlässig in seinem Wert sans phrase, in der Geldform, zu realisieren, können die Ausüber der kommerziellen Funktion, die Betreiber des Markts, jenen Reigen von unablässig aufeinander folgenden Austauschprozessen aufführen, in deren Konsequenz die auf dem Markt versammelte Menge allgemeinen Äquivalents, sprich, die Wertsumme, die der Markt als Ansprüche an ihn, an seine Warensammlung, den Produzenten für neue Produktionsleistungen zur Verfügung stellen kann, wächst und wächst.

Freilich führt nun in Bewahrheitung des Theorems, dass zunehmende Quantität früher oder später in eine neue Qualität, ein neues mit seiner eigenen Entstehung, seinen eigenen Wachstumsbedingungen nicht mehr kompatibles Maß umschlagen muss, solch unablässiges Wachstum zu einer grundlegenden Veränderung, besser gesagt, einer regelrechten Verkehrung des Verhältnisses der kommerziellen Funktion zu den beiden für den Akkumulationsprozess grundlegenden Faktoren des kommunalen Produzenten und des herrschaftlichen Konsumenten. Beide verwandeln sich unter dem Eindruck oder vielmehr Druck jenes unaufhörlichen Wachstumsprozesses aus die Akkumulation in Gang haltenden Siebenmeilenstiefeln in den Weg ihr verlegende Hemmnisse, aus Beförderungsmitteln in Steine des Anstoßes. In dem Maße, wie eine immer größere Wertsumme auf erneute Verwertung dringt, erweisen sich eben die Bedingungen, die anfänglich dem Prozess förderlich waren, als vielmehr seinem Fortgang, ihm in seinem Entwicklungsdrang, hinderlich. Nicht weniger nach innen, in ihrem Verhältnis zu ihren Geschäftspartnern, den städtischen Produktionsgemeinschaften, als nach außen, in ihrer Beziehung zu ihren Kunden, den feudalen Herrschaften, finden sich die Betreiber des Markts durch genau das, was ihren kommerziellen Aktivitäten anfänglich Perspektive und Spielraum eröffnete, zunehmend eingeengt und retardiert.

Weil die den kommunalen Produzentengemeinschaften verliehenen ökonomischen Rechte und politischen Freiheiten einen bestimmten Status quo des Zusammenlebens, bestimmte Vergesellschaftungsformen festschreiben, weil sie ihren faktischen Niederschlag und praktischen Ausdruck in organisatorischen Satzungen, bürokratischen Verfassungen, zünftigen Regelwerken finden, kann die im Namen ihres wachsenden Handelskapitals auf eine ständige Erweiterung des marktrelativen Produzentenkreises und auf eine progressive Entfesselung marktrelevanter Produktivkräfte dringende kommerzielle Funktion gar nicht umhin, diese ihr anfänglich günstigen und genehmen ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen immer stärker als störendes Korsett, als restriktive Konditionierung zu erfahren.

Und weil sie sich in ihrer Investitionstätigkeit und ihrem darin implizierten dispositionellen Einfluss auf die Produktionssphäre auf eben diese durch ihre ökonomischen Strukturen und politischen Verfassungen ihr zunehmend beschwerlich und zum Hemmnis werdenden kommunalen Produktionsgemeinschaften und städtischen Gebilde beschränkt und von allem übrigen, von den der unmittelbaren landesherrschaftlichen Gewalt und fronwirtschaftlichen Verfügung der feudalen Herren unterworfenen Territorien, ferngehalten beziehungsweise in aller Form ausgeschlossen findet, kann die kommerzielle Funktion gar nicht anders, als ihre für diese strikte Trennung zwischen Stadt und Land, zwischen freiwirtschaftlich-kommunaler Gemeinschaft und fronwirtschaftlich-territorialer Gesellschaft, verantwortliche Übereinkunft mit der feudalen Herrschaft, der zufolge letztere ausschließlich als Konsumentin, als für die Realisierung des Werts des kommerziell erzielen Mehrprodukt zuständige Instanz, im marktwirtschaftlichen Geschehen eine Rolle spielt, während ihre Untertanen und Hintersassen mitsamt den von ihnen bewirtschafteten Territorien dem marktwirtschaftlichen Zugriff ganz oder weitgehend entzogen bleiben, in wachsendem Maße als dem kommerziellen Entwicklungsdrang entgegenstehende und das kommerzielle Akkumulationsinteresse beeinträchtigende Stipulation, ja, geradezu als Knebelvertrag, wahrzunehmen.

Nicht, dass ihr dadurch heraufbeschworener Zweifrontenkampf, der Widerstand, den ihrem Wachstum sowohl die stadtbürgerliche Ordnung als auch das territorialherrschaftliche Regiment entgegensetzen, die kommerzielle Funktion zu völliger Stagnation und Bewegungslosigkeit verurteilte! Nicht, dass nicht teils subjektiv der ihr eigene Entwicklungsdrang, teils objektiv die Prämien und Vergünstigungen, die sie für diejenigen, die mit ihr kooperieren, bereithält, die kommerzielle Funktion in die Lage versetzten, die doppelte Fronde, die sich ihr entgegenstellt und ihr den Weg verlegt, partiell gesehen, immer wieder zu durchlöchern und, generell betrachtet, allmählich aufzuweichen!

Wie oben bereits bemerkt, sind die konsumpraktischen, strategischen und finanziellen Vorteile, die die städtischen Produktionsgemeinschaften und die sie zum Marktsystem organisierende kommerzielle Funktion den feudalen Herrschaften bieten, groß genug, um die letzteren nicht nur zur Respektierung und gar Förderung der städtischen Freiräume und systematischen Handelsaktivitäten auf ihren Territorien zu motivieren, sondern um sie auch zur relativen Toleranz und zum begrenzten Laissez-faire im Blick auf den Abbruch zu bewegen, den die Existenz jener Freiräume und der sie mit Leben erfüllenden kommerziellen Aktivitäten ihren Territorien beziehungsweise deren Personalbestand tut. Sie sind mit anderen Worten bereit, ein Auge zuzudrücken, wenn die Stadtfreiheit fronwirtschaftliche Untertanen (zumal wenn es sich um Untertanen benachbarter Herrschaften handelt) dazu verlockt, durch Übersiedlung in den städtischen Freiraum ihrer Untertanenschaft zu entfliehen und die Teilhabe an dem vergleichsweisen Wohlstand und Gedeihen der städtischen Produktionsgemeinschaften zu suchen.

Schließlich kommt diese Vergrößerung beziehungsweise personale Zunahme der freistädtischen Produktionsgemeinschaften ihrer kommunalen Wirtschaftskraft und damit letztlich auch dem privaten Konsum, der politischen Macht und dem fürstlichen Steuersäckel des die jeweilige Kommune auf seinem Territorium duldenden beziehungsweise protegierenden Feudalherrn zugute und bietet somit hinlängliche Kompensation für die Verletzung fronwirtschaftlicher Verfügungsgewalt und territorialherrschaftlicher Hoheitsrechte, die dieser zwar nicht starke, wohl aber stetige Verlust von fronwirtschaftlichen Untertanen an die freiwirtschaftlichen Kommunen, diese Flucht aus der ländlichen Hörigkeit in die städtische Freiheit, bedeutet.

Und gleichzeitig arbeitet dieses ebenso verstohlene wie stetige Wachstum der Städte dem Entwicklungsdrang der kommerziellen Funktion insofern in die Hände, als es die fixen kommunalen Strukturen, die etablierten politischen Machtverhältnisse und fest gefügten Zunftordnungen in Frage stellt und auf lange Sicht untergräbt. Als Fremde und Flüchtlinge bleiben die Zugewanderten außerhalb der eigentlichen Kommune, bleibt ihnen die volle Integration in die letztere und uneingeschränkte Partizipation an ihren Einrichtungen und Rechten verwehrt, was seinen sinnenfälligen Ausdruck darin findet, dass sie sich an der Peripherie, außerhalb der die Kommune einfassenden und schützenden Stadtmauern ansiedeln, sich mit der Rolle von Pfahlbürgern, von vor den Toren der Stadt ihr Quartier aufschlagenden Bürgern zweiter Klasse abfinden müssen.

Je größer aber ihre Schar mit der Zeit wird, umso mehr wachsen die Spannungen zwischen ihnen und der eingesessenen Produzentengemeinschaft, umso stärker wird der Druck, den ihre Existenz auf die etablierten kommunalen Strukturen ausübt, umso lauter und nachdrücklicher erheben sie Forderungen nach uneingeschränkter Zulassung zu den städtischen Handwerken und Gewerben und nach voller Teilhabe an den bürgerlichen Einrichtungen und an der politischen Verwaltung der Stadt, kurz, nach Liberalisierung und Demokratisierung des kommunalen Lebens. Sie werden so zu natürlichen Verbündeten der kommerziellen Funktion, die nach Investitionsmöglichkeiten für ihr wachsendes Handelskapital sucht und deren permanentem Verwertungsinteresse die kommunalen Institutionen mittlerweile nicht weniger zuwider laufen als die territorialen Restriktionen, die mit anderen Worten an dem Korsett städtischer Regime und Zunftordnungen nachgerade nicht weniger Anstoß nimmt als an dem äußeren Widerstand, den die feudalgesellschaftliche Hörigkeit und herrschaftliche Privilegien dem Verwertungsprozess entgegensetzen.

Freilich verläuft der als Städtewachstum erscheinende Prozess der Durchlöcherung beziehungsweise Aufweichung der beiden, dem Verwertungsdrang oder Akkumulationsdruck der kommerziellen Funktion Trotz bietenden oder im Wege stehenden Gesellschaftsformationen des feudalen Regiments und der kommunalen Ordnung langsamer und mühsamer, als es der Drängenden lieb ist. Das gilt zumal dort, wo ein naturgegeben oder produktivitätsbedingt massives Angebot mit einer kulturell begründet oder traditionsentsprechend massenhaften Nachfrage zusammentrifft, also etwa beim Handel mit dem in verstreuten Lagerstätten vorkommenden und in großen Mengen für Konservierungszwecke benötigten Salz, beim Handel mit als Fleischersatz für die christlichen Fastenzeiten dienendem Fisch oder beim Handel mit als Wohlstandssymbol par excellence firmierendem und zur Bildung früher, lokal konzentrierter Industrien Anlass gebendem Tuch, und es gilt im Übrigen auch da, wo seltene Luxuswaren wie etwa für feudale und klerikale Repräsentationszwecke begehrte kostbare Stoffe und Spezereien wegen ihrer exotischen Herkunft, die eine Wertschätzung nach Maßgabe der regionalen Marktrelationen erschweren oder verunmöglichen, es den Handeltreibenden erlauben, unverhältnismäßig hohe Gewinnspannen zu erzielen.

In all diesen Fällen kommt es schon früh zu einem raschen kommerziellen Wertzuwachs, einer Ansammlung großer Handelskapitale, die nun allerdings ihre Besitzer, die Betreiber des jeweiligen Marktes, mit dem Problem ihrer sinnvollen Nutzung konfrontieren. "Sinnvolle Nutzung" wäre, der inneren Logik des kommerziellen Akkumulationsprozesses folgend, an sich gleichbedeutend mit der Weiterverwendung des angesammelten Handelskapitals als Kapital, seinem fortlaufenden Einsatz als Mehrwert erzielender Wert, seiner permanenten Selbstverwertung.

Dem stehen freilich in diesen frühen Fällen die allgemeinen gesellschaftlichen Strukturen entgegen, sprich, die besagten zunftmäßig organisierten kommunalen Freiheiten einerseits und landesherrlich fundierten territorialen Privilegien andererseits, die für neue Investitionen, für eine dem akkumulierten Kapital entsprechende Mobilisierung von Arbeitskräften und sächlichen Ressourcen, weder den nötigen Raum bieten noch das erforderliche Personal zu rekrutieren erlauben. Unter diesen, den Fortgang ihrer Akkumulationstätigkeit massiv behindernden und einschränkenden Bedingungen bleibt den kommerziellen Betreibern, die über solche frühen Kapitalkonzentrationen verfügen, gar nichts anderes übrig, als das akkumulierte Kapital, soweit es nicht kommerziell verwertbar ist, entweder in die Schatzbildung zu stecken, es als Geld sans phrase, als Edelmetall oder Münze, zu sammeln und zu horten, oder aber es in den persönlichen Konsum beziehungsweise in die gesellschaftliche Repräsentation zu investieren, sich mit seiner Hilfe materiellen Wohlstand und soziales Ansehen zu verschaffen.

Da ersteres nicht nur jeglicher Vorstellung von "sinnvoll" ins Gesicht schlägt, sondern mehr noch dem Gedanken der "Nutzung" als solchem Hohn spricht, und da es sie außerdem der Eifersucht und Begehrlichkeit der feudalen Herrschaften aussetzt, denen jedes thesaurisch massierte Edelmetall tendenziell als Herrengut gilt, wählen sie im Zweifelsfall den letzteren Weg und sichern sich mit ihrem überschüssigen, weil mangels Investitionsmöglichkeiten in ihren Händen verbleibenden Handelskapital Einfluss und Status in ihren Kommunen, kurz, patrifizieren sich. In der Tat ist die Entstehung eines städtischen Patriziertums direkte Konsequenz dieser frühen Ansammlungen von Handelskapital, das in Ermangelung entsprechender ökonomischer Verwendungsmöglichkeiten zum Teil sozial, das heißt, pro domo eines die bürgerliche Lebensform propagierenden demonstrativen Konsums und zu Zwecken kommunalpolitischen Einfluss sichernder gemeinwohldienlicher Aufwendungen genutzt wird.

Und in der Tat erweist sich diese Verwendung von Teilen des akkumulierten Kapitals für konsumtive und liturgische Zwecke als sozial nützlich, weil sie nach außen, gegenüber den feudalen Nachbarn, Status und Respektabilität und nach innen, gegenüber den kommunalen Mitbürgern, Ansehen und Einfluss verleiht, ohne die politische Struktur des städtischen Gemeinwesens wesentlich zu verändern beziehungsweise ihre ökonomische Grundlage ins Wanken zu bringen. Während sich die Betreffenden auf Basis ihres kommerziellen Reichtums zu Patriziern mausern, betreiben sie doch zugleich ihre kommerziellen Geschäfte weiter, bleiben Kaufleute und bleiben als von allen autokratischen Tendenzen weit entfernte geachtete Bürger, als primi inter pares oder Honoratioren, in den mehr oder minder demokratischen Aufbau, die freiheitlichen Verfassungen und Zunftordnungen ihrer Kommunen eingebunden. Und gleichzeitig erreichen sie durch die mit Mitteln ihres kommerziellen Reichtums bewirkte Erhöhung ihrer Stellung und ihres Ansehens in der Stadt eine Verminderung des sozialen Gefälles oder hierarchischen Abstands zwischen feudaler Herrschaft und kommunaler Selbstverwaltung, ländlichen Gewalthabern und städtischen Amtsträgern, und sorgen darüber hinaus für eine Konzentration und Vereinheitlichung der politischen Willensbildung und der demokratischen Entscheidungsprozesse in der Stadt.

Beides, die ständisch-soziale Erhebung der kommerziellen Führungsschicht der Stadt, ihre relative Annäherung an den Status der umgebenden feudalen Nachbarn, und das größere Gewicht, das die kommerzielle Führungsschicht durch ihre ständisch-soziale Erhebung in den innerstädtischen Entscheidungsprozessen erlangt, wirkt sich im Sinne einer Festigung und Stärkung der Stellung der freien Städte im feudalgesellschaftlichen Machtgefüge aus. Ohne dass die ökonomische Grundlage und politische Struktur der freien Städte eine ernsthafte Beeinträchtigung erfährt oder gar aufgegeben wird, sorgt die in einer patrizischen Vorherrschaft der kommerziellen Führungsschicht resultierende Umgestaltung der städtischen Gemeinschaften dafür, dass diese sich in das vielstimmige Konzert der feudal-klerikalen Ständegesellschaft besser einpassen und gegenüber der Vielzahl feudaler Herrschaften verschiedenster Art und verschiedensten Ranges, gegenüber Rittergütern, Grafschaften, Fürstentümern, Herzogtümern, Abteien, Bistümern, mit mehr Prestige und einmütigerer Willenskraft zu behaupten vermögen.

Zwar kommt es mancherorts schließlich zu einer Gentrifizierung des städtischen Patriziats, sprich, zu einer Verwandlung der patrizischen Vorherrschaft in eine regelrechte Fürstenherrschaft, mit dem Ergebnis, dass die Kommune ihre ökonomisch fundierte und politisch kodifizierte Sonder- und Ausnahmestellung im feudalgesellschaftlichen Herrschaftsgefüge einbüßt und zu einer ins ständisch-fronwirtschaftliche System vollständig integrierten Herrschaft unter anderen wird. Das aber geschieht, wie das Beispiel ober- und mittelitalienischer Städte deutlich macht, nur dort, wo, und erst dann, wenn der Geist der kommerziellen Entwicklung und die kommerzielle Akkumulationsdynamik bereits aus jenen Städten gewichen ist und sich andernorts und in avancierteren Formen Raum verschafft hat und zur Geltung bringt.

Nicht nur der Festigung und Stärkung der politisch-strategischen Stellung der freien Städte im Rahmen des feudalen Herrschaftsgefüges dient indes die Ausbildung einer patrizischen Oberschicht in der Kommune, sie kommt auch und mehr noch deren politisch-ökonomischem Befinden und Gedeihen zugute. Wie gesehen, ist es ja dem durch das Korsett der innerstädtischen Verfassungen und die Restriktionen der feudalgesellschaftlichen Verhältnisse bedingten Mangel an kommerzieller Bewegungsfreiheit und Entfaltungsraum für den Markt geschuldet, dass da, wo dank einer glücklichen Korrespondenz zwischen wirtschaftsgeographischen Gegebenheiten und kulturellen Gewohnheiten beziehungsweise diätetischen Bedürfnissen es schon früh zur Akkumulation umfangreicher Handelskapitalien kommt, diese, weil sie sich nicht im strikt kommerziellen Sinne einsetzen, sprich, nicht im vollen Umfange in neue mehrwertige Produkte reinvestieren lassen, zum Teil in repräsentativen Konsum und gemeinwohldienliche Aufgaben gesteckt und so zur Begründung eines den betreffenden Handeltreibenden zuwachsenden patrizischen Formats und Status verwendet werden.

Ökonomisch gesehen, hat solcher Einsatz von Handelskapital für konsumtive und liturgische Zwecke den unmittelbaren Effekt, überflüssige, weil nicht zu investierende Geldmengen der kommerziellen Zirkulation zu entziehen und letztere so von einem Ballast zu befreien, der, wenn sie ihn nicht los würde, die Handeltreibenden zur Schatzbildung nötigte und so die Habgier der herrschaftlichen Umgebung wecken und die Gefahr gewaltsamer Übergriffe und Enteignungen heraufbeschwören müsste. Mittelbar betrachtet, hat nun aber dieser, in etwas rein Negativem, im Beseitigen von Überflüssigem bestehende ökonomische Effekt eine mehr noch positive Implikation, einen durchaus konstruktiven Aspekt: In dem Maße, wie Teile des akkumulierten Handelskapitals in den Konsum wandern und dem Gemeinwohl zugeführt werden, gewinnt das restliche, als solches übrig bleibende Kapital an Investitionschancen und kommerzieller Verwertbarkeit. Was nämlich durch seine konsumtive beziehungsweise liturgische Verwendung als Anspruch des Marktes an die Produzenten, sprich, als Kapital, als Wertschöpfungsinstrument aus der Zirkulation entfernt wird, kehrt dank eben dieser konsumtiven beziehungsweise liturgischen Verwendung als Anspruch der Produzenten an den Markt, kurz, als Wertrealisierungsmittel, als Konsumkraft in die Zirkulation segensreich und sie befördernd zurück.

Indem die Handeltreibenden sich mit Hilfe von Teilen ihres akkumulierten Kapitals patrizisch etablieren, schaffen sie Nachfrage nach den für ihren neuen, aufwendigen Lebensstil und für ihre neuen, gemeinnützigen Beiträge erforderlichen Gütern und Leistungen und erzielen auf diese Weise eine Gesundschrumpfung des Marktes in dem buchstäblichen Sinne, dass sie den Markt nicht nur auf ein den Gegebenheiten beziehungsweise Nichtgegebenheiten der kommunalen und territorialen Produktionssphären angemessenes Niveau reduzieren, sondern ihn auf dem reduzierten Niveau zugleich sanieren, ihm uno actu des Rückschnitts, das sie seinem Wachstum angedeihen lassen, Belebung bringen und neuen Schwung verleihen.

Eine Beseitigung der Hindernisse und Beschränkungen, die das feudale Regime der Entfaltung des kommerziellen Systems in den Weg legt, scheint umso dringlicher, als unter dem Einfluss der Entwicklung des Marktsystems das feudale Regime einer zugleich als Zerfalls- und Konzentrationsprozess wirksamen Demontage unterliegt, die dem Wirtschaftsleben abträgliche ständige Machtkämpfe und kriegerische Konfrontationen heraufbeschwört. Wie die Entwicklung des Marktsystems das feudale Regime demontiert, so erzwingt sie am Ende aber auch seine Reorganisation: Es bilden sich regionale Vorherrschaften und hegemoniale Mächte, die das von Vasallen, bevollmächtigten Repräsentanten des Oberherrn, beherrschte dezentrale Lehnssystem durch einen von Beamten, weisungsgebundenen Funktionären des Souveräns, betriebenen zentralen Verwaltungsapparat ersetzen.

So kommod dieser in der Etablierung von Patrizierschichten bestehende Ausweg einer Entlastung des Markts vom Druck unverwertbaren Handelskapitals aber auch sein mag, so erfolgreich er ein, zwei Jahrhunderte lang den doppelten Zweck erfüllt, nicht nur politisch die Stellung und Geltung der freien Kommunen im Rahmen feudalherrschaftlicher Verhältnisse zu festigen und zu stärken, sondern mehr noch ökonomisch das durch die Patrifizierung retardierte Wachstum der Märkte der freien Kommunen uno actu seiner Verlangsamung auch zu sichern und einen Beitrag zur Stabilität und Kontinuität der kommerziellen Entwicklung zu leisten, sprich, dem Marktsystem Raum und Zeit für den oben erwähnten Prozess einer allmählichen Durchlöcherung und Aufweichung der der vollen Entfaltung des Systems im Wege stehenden kommunalintern-korporationsrechtlichen und feudalgesellschaftlich-territorialherrschaftlichen Hindernisse und Schranken zu verschaffen – auf lange Sicht reicht er nicht aus, um eine krisenhafte Zuspitzung und sprengkräftige Verstärkung des Konflikts zwischen den treibenden Kräften des auf Akkumulation programmierten Markts und den hemmenden Faktoren des ebenso sehr von den freiwirtschaftlich-städtischen Gemeinschaften wie von den fronwirtschaftlich-territorialen Gesellschaften gleichermaßen intern und in ihrem Verhältnis zueinander gefundenen und behaupteten Äquilibriums zu verhindern.

Zu dynamisch entwickelt sich das Marktsystem, zu unerbittlich funktioniert sein Prinzip einer Warenzirkulation zu dem einen und einzigen Zwecke ihrer ad infinitum erweiterten Reproduktion und zu sehr erweist sich dieses Prinzip als die schlechthinnige Unruhe des Systems, zu zwangsläufig impliziert es eine unablässige Sabotage jeglichen Stillhalteabkommens oder auf die Aufteilung von Einflusssphären und Zuständigkeiten gerichteten Kompromisses, als dass sich ernsthaft hoffen, geschweige denn erwarten ließe, eine von Entlastungsveranstaltungen wie der Patrifizierung sekundierte allmähliche ökonomische Erosions- und Unterminierungsstrategie könne eine durchweg friedliche Umwandlung und evolutionäre Umgestaltung der feudal organisierten territorialen Gesellschaft und ihrer kommunal verfassten städtischen Einsprengsel zuwege bringen, könne mit anderen Worten ohne soziale Verwerfungen und politische Umwälzungen die Befriedigung des unendlichen kommerziellen Entwicklungsdrangs gewährleisten.

Von diesem Entwicklungsdrang getrieben, muss das in ständig wachsender Proportion und auf immer breiterer Front akkumulierte Handelskapital die in der Bildung von Patrizierschichten bestehende Lösung seines strukturellen, in der Struktur der feudalen Gesellschaft und der kommunalen Gemeinschaften begründeten Verwertungsproblems als zunehmend unbefriedigend beziehungsweise unwirksam erfahren und die mehr oder minder gewaltsame Aufsprengung des doppelten, strukturell bedingten politisch-ökonomischen Korsetts, in das es sich eingezwängt und von dem es sich in seinen kommerziellen Aktivitäten und Projekten an allen Ecken und Enden beschränkt und gehemmt findet, als ein immer vordringlicheres Erfordernis ansehen. Dabei liegt auf der Hand, dass vordringlicher und entscheidender als die interne, auf die Aufweichung und Demontage der städtischen Verfassungen und Zunftordnungen zielende Enthemmung des kommerziellen Akkumulationstriebes dessen externe, auf die Zerschlagung und Beseitigung territorialer Verfügungsgewalt und ständischer Privilegien gerichtete Entfesselung ist. Schließlich sind es die feudalen Herrschaften, die als sei's parallel geordnete, sei's hierarchisch gestaffelte Landesherren die Hoheit über das feudalgesellschaftliche Gesamtsystem beanspruchen und, wie einerseits als über ihre fronwirtschaftlich-territorialen Untertanen verfügende Gewalthaber, so andererseits als die freiwirtschaftlich-kommunalen Gemeinschaften, die sich auf ihren Territorien etabliert haben, in ihrer relativen Eigenständigkeit tolerierende und als politisch-ökonomisch besondere Einheiten legitimierende Garantiemächte firmieren.

Wie immer vertraglich gebunden beziehungsweise durch die ökonomische Nützlichkeit und militärische Wehrhaftigkeit der städtischen Produktionsgemeinschaften auf einen mehr oder minder formellen Anspruch reduziert, bezieht sich doch die Souveränität der feudalen Herrschaften im Prinzip nicht weniger auf die in ihre Territorien eingebetteten Städte als auf die Territorien selbst und bildet insofern den hoheitlich-rechtlichen Rahmen und die maßgebende Bezugsgröße für alle das Gesamtsystem strukturierenden Ordnungen, Zuständigkeiten und Freiheiten. Gelänge es der kommerziellen Funktion auch, die innerstädtischen Verfassungen und Organisationsformen auszuhebeln und eine direktere Verfügung über die in der Stadt versammelten Arbeits- und Produktivkräfte zu erringen, sie bliebe doch mitsamt der ihr zur freien Verfügung gestellten Stadt eingebunden in jenen feudalherrschaftlich-hoheitlichen Kontext und den räumlichen, gesellschaftlichen und rechtlichen Beschränkungen, die er ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit und Ausbreitung auferlegt, unterworfen.

Gelingt es der kommerziellen Funktion hingegen, die feudalen Machthaber in ihrer landesherrlich-hoheitlichen Gewalt zu beschneiden oder gar außer Kraft zu setzen, so bedeutet das eine Entmachtung beziehungsweise Ausschaltung der für das Korsett des Gesamtsystems maßgebenden Herrschaftsinstanz und Garantiemacht und eröffnet der kommerziellen Funktion auch und natürlich bessere Aussichten, die durch die feudale Herrschaftsinstanz verliehenen und durch ihre Garantiemacht gestützten Ordnungen und Freiheiten der kommunalen Produktionsgemeinschaften, die den kommerziellen Aspirationen mittlerweile im Wege und zuwider sind, anzugreifen und zu Fall zu bringen.

Neben dem strukturell-strategischen Grund, primär die territoriale Herrschaft und ihre feudale Organisation ins Visier zu fassen und zu bekämpfen, hat die kommerzielle Funktion freilich auch noch reell-praktischen Anlass, einer Entmachtung der feudalen Gewalthaber beziehungsweise Befreiung von deren Fesseln Priorität vor der Sprengung beziehungsweise Zerschlagung der Ordnungen und Zwänge beizumessen, die in den freien Kommunen die kommerziellen Aktivitäten korsettieren. Und angesichts der habituellen Anerkennung, die auch bei den Vertretern der kommerziellen Funktion, den Betreibern des Markts, das feudale Machtgefüge findet, angesichts der kirchlichen Reaffirmation und Sanktion, die, zumal nach der Feudalisierung des Klerus, seiner Integration in den säkularen Machtapparat, der weltlichen Herrschaft zuteil wird und die sie als ein zwar in parte kritisierbares, nicht aber in toto wegzudenkendes Grundelement der heilsgeschichtlich orientierten nicht weniger als der weltgeschäftig etablierten Gesellschaft erscheinen lässt – angesichts dieser Schwierigkeit, eine Gesellschaftsstruktur ohne feudale Herrschaft sich überhaupt vorzustellen, geschweige denn anzustreben, kommt jenem reell-praktischen Stein des Anstoßes, den das feudale Machtsystem den Betreibern des Marktes in den Weg legt, sogar die größere und unmittelbarere Bedeutung zu, was das Motiv und die Bereitschaft der letzteren angeht, sich gegen ersteres zu engagieren und, ohne groß über die strukturellen Implikationen ihres Vorgehens nachzudenken, quasi bewusstlos, auf eine Reduktion der politischen Macht der Herrschaften und eine Unterminierung ihrer sozialen Verfügungsgewalt hinzuarbeiten.

Reell-praktisch nämlich erfährt die kommerzielle Funktion einen wesentlichen Teil ihres mit der feudalen Herrschaft geschlossenen Gesellschaftsvertrages, und zwar dies, dass sie neben den konsumtiven und machtpolitischen Vorteilen, die sie der feudalen Herrschaft verschafft, diese auch in Form von Abgaben, Zöllen und Tributen finanziell begünstigt und als quasi stille Teilhaber von ihren Geschäften profitieren lässt und dass sie als Gegenleistung dafür von der feudalen Herrschaft militärische Protektion und politische Förderung erhält und die für ihre kommerziellen Aktivitäten im Allgemeinen und ihre Handelswege im Besonderen nötige Sicherheit und Bewegungsfreiheit garantiert bekommt – reell-praktisch also erfährt die kommerzielle Funktion diesen maßgeblichen Teil ihrer Übereinkunft mit der feudalen Herrschaft als zunehmend unwirksam und regelrecht außer Kraft gesetzt. Und dies deshalb, weil das feudale Herrschaftssystem als solches und intern, der zugleich hierarchisch gegliederte und ständisch geordnete Zusammenhang der territorialen Herrschaften, immer mehr an Konsistenz und Stabilität verliert und sich in einem ebenso konfliktträchtigen wie unaufhaltsamen Zerfallsprozess in eine relativ inkongruente und unverbundene Mannigfaltigkeit, eine Vielzahl von nach Größe, Vermögen und Macht unterschiedenen Einheiten auseinanderdividiert.

Gründe für diese Destabilisierung und Diskretisierung des feudalen Herrschaftssystems lassen sich etliche nennen – die Zersplitterung der territorialen Besitzungen und Lehen durch Erbteilung, ihre Vereinigung und Amassierung durch Heiratspolitik und dynastische Bündnisse, die Gelegenheit der an der Peripherie des Systems positionierten Feudalherren, durch die Eroberung, Annexion und Besiedlung heidnischen und deshalb als herrenlos geltenden Territoriums zu expandieren, schließlich auch die besondere Stellung des als Verwalter des Heils und sakramentaler Mittler hochgehaltenen Klerus, der es den kirchlichen Feudalherrschaften, den Abteien und Bistümern, ermöglicht, sich gleichermaßen durch die materialen Spenden der säkularen Gläubigen zu bereichern und durch ihre territorialen Stiftungen und Hinterlassenschaften zu vergrößern.

Mögen all diese Gründe aber auch mit dazu beitragen, dass sich der feudale Herrschaftszusammenhang immer stärker zersetzt und desorganisiert, maßgebend für die wachsende Diskontinuität und Heterogenität des Systems und seine daraus resultierende Verspannung und Konfliktträchtigkeit sind eben die kommerzielle Funktion und die von ihr geschaffenen und von ihr betriebenen Märkte selbst. Dank der genannten machtstrategischen, finanzpolitischen und konsumpraktischen Vorteile, die das Wirken der kommerziellen Funktion und ihrer Basen, der in die feudalherrschaftlichen Territorien eingesprengten städtischen Produktionsgemeinschaften und Markteinrichtungen, für die jeweilige Feudalherrschaft mit sich bringt, kommt es zwangsläufig zu einer Art Gerinnungsprozess im feudalgesellschaftlichen Fluidum, einer punktuellen Verdichtung und korrespondierenden Ausdünnung, kurz, Ungleichverteilung von Macht und Einfluss.

Überall da, wo geographische, demographische, verkehrstechnische, kulturtraditionelle, herrschaftspolitische oder sonstige Gegebenheiten die Entstehung und das Wachstum städtischer Produktionszentren und die damit einhergehende marktbildnerische Entfaltung der kommerziellen Funktion begünstigen, zieht nolens volens auch die für die jeweilige Region zuständige Feudalherrschaft finanzpolitischen und machtstrategischen Vorteil aus der kommerziellen Entwicklung, und es kommt nach und nach zu einer an den Schwerpunkten, Kraftlinien und Verkehrswegen des Marktsystems orientierten Neuordnung der herrschaftssystematischen Relationen, die, weil sie sich weitgehend unabhängig von der durch lehnsrechtliche Beziehungen und dynastische Verbindungen bestimmten Hierarchie und Organisation der Herrschaft vollzieht, im Zweifelsfall quer dazu verläuft oder gar im offenen Widerspruch dazu steht. Es kommt zur Bildung regionaler Machtzentren, die wenig oder nichts mehr mit dem Stellen- oder Funktionswert zu tun haben, den die betreffende Region oder Lokalität in dem feudalen Herrschaftssystem, dem sie von Haus aus zugehört, besitzt beziehungsweise beanspruchen kann.

Vom ebenso sehr lehnsrechtlich-hierarchisch wie dynastisch-paritätisch geordneten feudalen Herrschaftssystem als ganzem oder von dessen Spitze her betrachtet, erscheint dieser Vorgang der Neugewichtung und Aufwertung besonderer Komponenten des Systems als ein Zersetzungsprozess, ein Prozess zunehmender Dezentralisierung und Partikularisierung, der den traditionellen Zusammenhang bedroht und dem die führende Macht oder der Oberherr sich deshalb nach Kräften zu widersetzen bemüht ist. Gleichzeitig aber erweist sich von der Basis her oder aus der Perspektive der vielen einzelnen Elemente des Systems der Vorgang als ein Prozess der Konzentration und Integration, weil jene besonderen feudalen Komponenten, denen die kommerzielle Funktion zu Wohlstand und Macht verhilft, ihre Finanzkraft und ihren Einfluss im Zweifelsfall nutzen, um sich auf Kosten ihrer Nachbarn, der feudalen Herrschaften in ihrem Umkreis, zu vergrößern und weiter zu bereichern. Was Wunder, dass diese durch die Gnadenwahl der kommerziellen Funktion und ihrer Marktaktivitäten benachteiligten und ins Hintertreffen geratenden und von Seiten ihrer glücklicheren Nachbarn mit Tilgung und Vereinnahmung bedrohten kleinen Herrschaften sich nach Kräften zu behaupten suchen und notfalls mit kriegerischen Mitteln und in Form der Fehde zur Wehr setzen.

Die Reibung und Diskrepanz zwischen den beiden mehr schlecht als recht einander überlagernden Systemen einerseits der lehnsrechtlich-politisch geordneten Herrschaft und andererseits der marktbestimmt-ökonomisch verteilten Macht bietet also bereits genug Konfliktstoff und Anlass zum disruptiven Streit. Hinzu kommt aber noch die Konkurrenz der neuen, als Barone, Granden, Pairs, Magnaten firmierenden Mächtigen selbst, die kraft ihres kommerziell subventionierten Status und Einflusses einerseits dem feudalen Oberherrn die Unterwerfung verweigern oder gar die Gefolgschaft aufkündigen und andererseits ihren feudalen Standesgenossen und Lehnsleuten das Leben schwer machen und den Boden entziehen und die aber im Zuge ihrer ebenso sehr als Totalisierung wie als Partikularisierung erscheinenden realen Emanzipation und territorialen Expansion sich früher oder später gegenseitig ins Gehege kommen und einander immer stärker das Wasser abzugraben und die Existenz zu bestreiten suchen. Die Konsequenz dieser diversen Frontstellungen teils zwischen dem alten und dem neuen Organisationsmodell von Herrschaft, teils im Rahmen der neuen, kommerziell begründeten herrschaftlichen Verhältnisse selbst sind ständige Streitigkeiten, handgreifliche Fehden und kriegerische Auseinandersetzungen, kurz, eine allgemeine Destabilisierung der Machtverhältnisse und Zerrüttung des Landfriedens in der Feudalgesellschaft als ganzer.

Für die kommerzielle Funktion und die von ihr marktförmig organisierten städtischen Produktionsgemeinschaften sind diese permanenten herrschaftlichen Machtkämpfe und kriegerischen Konfrontationen vom Übel. Selbst wenn die mit Waffengewalt ausgetragenen Balgereien und Konflikte, in die das Emanzipations- und Expansionsstreben der vom kommerziellen Glück begünstigten Herrschaften die feudale Gesellschaft zunehmend verstrickt, die Handeltreibenden und die ihnen zuarbeitenden Kommunen außen vorlassen und nicht direkt tangieren, sind sie doch den kommerziellen Aktivitäten abträglich, indem sie den Handelsverkehr stören oder gar unterbrechen und durch die Expropriation oder gar Elimination feudaler Kunden den Absatz beeinträchtigen. Dass sie auch neue Nachfrage, speziell nach Rüstungsgütern erzeugen, kann diese in der Störung der Handelswege und dem Verlust von Absatzmärkten bestehenden Schädigungen des kommerziellen Betriebes mitnichten wettmachen.

Mehr noch haben die städtischen Produktionsgemeinschaften und die sie zum Marktsystem organisierenden Handeltreibenden im Normalfall auch deswegen indirekt unter den macht- und territorialpolitischen Streitereien und kriegerischen Auseinandersetzungen zu leiden, weil die kombattierenden Herrschaften sie zur Finanzierung ihrer Fehden und Waffengänge heranziehen, indem sie sie mit Sonderabgaben und Kriegssteuern belasten. Die streitenden politischen Machthaber rekurrieren mit anderen Worten unter Ausnutzung ihrer herrschaftlichen Machtstellung auf ihre stille Teilhaberschaft am kommerziellen Geschehen, erhöhen, um ihre militärischen Ausgaben zu decken, die Rate ihrer steuerlichen und tributären Beteiligung an den Erträgen der städtischen Produzenten und den Gewinnen der auf Basis der städtischen Produzentengemeinschaften Handeltreibenden und erweisen sich in dem Maß, wie sie dadurch den kommunalen Produktionsanreiz mindern und die kommerzielle Akkumulationsrate schmälern, als ernstliches Hemmnis für die weitere Entfaltung des Marktsystems.

Damit aber nicht genug, ziehen bei ihren Emanzipations-, Konkurrenz- und Expansionskämpfen die feudalen Herrschaften nur allzu häufig auch direkt gegen die Städte und Märkte zu Felde und suchen sich ihrer, wenn nötig mit Gewalt, zu bemächtigen und sie unter ihre Kontrolle zu bringen. Und dies nicht etwa nur aus dem einfachen logischen Grund, dass Vergrößerung und Bereicherung auf Kosten der Herrschaftsgebiete der Nachbarn und Standesgenossen, territoriale Eroberungen mit anderen Worten, natürlich die Einnahme der in jene Herrschaftsgebiete eingelassenen freien Kommunen und Marktzentren impliziert, die, wenn sie ihrem angestammten Landesherrn Loyalität beweisen, mit Gewalt der neuen Herrschaft botmäßig gemacht werden müssen. Vielmehr ist bei diesem auf die Städte und Märkte selbst gerichteten Aggressionsverhalten und Eroberungsstreben ein durchaus strategischer Beweggrund am Werk: das mehr oder minder klare Bewusstsein nämlich, dass die Städte und Märkte ein wesentlicher Aktivposten der zu erobernden nachbarschaftlichen Territorien und eigentlich dasjenige sind, was letzteren ökonomischen Wert und machtpolitische Bedeutung verleiht, und dass von daher ihre Eingliederung ins eigene Herrschaftsgebiet das Herzstück oder den Dreh- und Angelpunkt jeder herrschaftlichen Vergrößerungs- und Bereicherungsstrategie bildet.

Das freilich nicht so sehr strategische als plan räuberische Bewusstsein vom Wert und Nutzen der Städte und ihres Marktsystems ist es schließlich auch, was die Bürger der ersteren und die letzteres organisierenden Handeltreibenden in unmittelbare Leibes- und Lebensgefahr bringt, weil die im innerfeudalen Kampf um ökonomische Macht und politische Herrschaft ins Hintertreffen geratenen beziehungsweise unterlegenen Herren zunehmend darauf verfallen, sich bei Bürgern und Kaufleuten die für ihren standesgemäßen Unterhalt und für ihre Selbstbehauptung im Kreis der ebenso übergriffigen wie übermächtigen Nachbarn erforderlichen Mittel mit Zwang und Gewalt zu beschaffen. In ihrer ökonomischen Not und politischen Perspektivlosigkeit verlegen sich diese von ihren eigenen Standesgenossen bedrängten und mit dem Untergang bedrohten kleinen Herren aufs Raubrittertum, das heißt, sie unternehmen Raubzüge gegen die Städte, überfallen reisende Bürger und lauern an den Handelsrouten Kaufleuten auf, um sie mit aus der Luft gegriffenen Abgaben und Wegezöllen zu belegen, ihnen Tribute abzupressen oder sie kurz und bündig auszuplündern.

Im wie immer auch unklaren Bewusstsein, dass die Wurzel ihres Übels, der Grund für ihre ökonomische Notlage und ihren politischen Niedergang, in der Zersetzungs- beziehungsweise Scheidekunst liegt, mit der der kommerzielle Reichtum das feudale Herrschaftssystem traktiert, rücken die Verlierer bei jenem Prozess dem kommerziellen Reichtum mit Gewalt zu Leibe, wobei in hoffnungsloser Ambivalenz die vage und zur Gewalttat treibende Absicht, das Unheil wirkende kommerzielle System zu zerstören, mit dem dringenden und einer geheimen Affirmation des Systems entspringenden Bedürfnis im Streit liegt, sich in den Besitz von kommerziellem Reichtum zu bringen und an seinen Segnungen zu partizipieren.

Der feudale Herrschaftszusammenhang gerät also in vielfacher Hinsicht aus den Fugen und gewährleistet immer weniger, was er doch eigentlich im Rahmen seines Sozialkontrakts mit dem kommerziellen Marktsystem diesem verspricht: Landfrieden, Bewegungsfreiheit und Entfaltungsraum oder Schutz, Förderung und Absatzchancen. Stattdessen sorgt er in zunehmendem Maße direkt und indirekt für die Unterbrechung der Handelsbeziehungen, die Beeinträchtigung des Akkumulationsprozesses, die Störung der dafür erforderlichen städtischen Produktion, die Leben und Habe umfassende Gefährdung des das kommerzielle Marktsystem tragenden produktiven und zirkulativen Personals. So gesehen, gibt er den freien Städten und den Handeltreibenden reichlich Anlass, ihn zum Teufel zu wünschen und eine Gesellschaft ohne ihn herbeizusehnen.

Das Wünschenswerte ist indes nicht immer machbar oder auch nur denkbar. Nicht genug damit, dass die oben angeführte habituelle Anerkennung, die, unterstützt noch durch die Bürgschaft des Klerus, seine religiöse Sanktionsmacht, der feudale Herrschaftszusammenhang bei den stadtbürgerlichen Handwerkern und Handeltreibenden findet, es diesen geradezu unmöglich werden lässt, sich eine Gesellschaft ohne ihn überhaupt vorzustellen, die realen Machtverhältnisse sind auch von der Art, dass den Städten und ihren Kaufleuten der Versuch, sich tatkräftig gegen ihn aufzulehnen und mit Gewalt seine Abschaffung zu betreiben, gar nicht erst oder höchstens in Situationen äußerster Not und Verzweiflung in den Sinn kommt. Auch wenn die freien Städte durchaus genug militärisches Potenzial und Wehrhaftigkeit besitzen, um sich im Zweifelsfall gegen die feudalen Herrschaften zu behaupten und allein oder im Bunde mit anderen deren Übergriffe abzuwehren, ganz zu schweigen von ihrer Fähigkeit, das Raubrittertum der kleinen, in die Enge getriebenen und halbwegs verkommenen Feudalherren zu bekämpfen und im Einzelfall abzustellen – aufs Ganze des feudalgesellschaftlichen Systems gesehen, bleiben sie definitiv unterlegen und in ihrer wie auch immer durch Rechte und Freiheiten beschränkten Untertänigkeit arretiert.

Hinzu kommt aber noch, dass durch ihre Integration in das kommerzielle Geschehen, durch die ihnen zugewiesene Konsumentenrolle, ihre Funktion als Realisierer des von den städtischen Produktionsgemeinschaften geschaffenen Mehrwerts, die den feudalen Zusammenhang bildenden Herrschaften ja ein unentbehrliches Element im Marktsystem sind, ohne das letzteres seinen Geist aufgeben, sprich, sein Akkumulationsprinzip und seinen darin beschlossenen, als Lebenstrieb erscheinenden Entfaltungsdrang an den Nagel hängen müsste, und dass von daher nicht nur politisch-empirisch ebenso wie militärisch-faktisch, sondern auch und gerade ökonomisch-systematisch für die Betreiber des Marktsystems und die ihnen zuarbeitenden städtischen Produktionsgemeinschaften die Vorstellung von einer herrenlosen Gesellschaft, einem Gemeinwesen ohne fronwirtschaftlich-feudale Nutznießer in der Tat ein Unding bleibt. Wer sollte den Betreibern des Marktes ihr Mehrprodukt abnehmen, wer es in wiederum im Austausch mit den städtischen Produzenten Mehrprodukt erwirtschaftenden Mehrwert, in kommerzielles Kapital, ummünzen, wenn nicht die dank der Fronarbeit und des Kriegsdienstes ihrer Knechte, dank Tributleistungen und vor allem dank der Ausbeute ihrer Bergwerke über Münze, über thesaurisches Edelmetall verfügenden herrschaftlichen Konsumenten?

Was den fronenden Knechten der Herrschaft selbst, wenn ihre Knechtschaft allzu hart und ihr Elend allzu groß wird, noch in den Sinn kommen mag, die in die christliche Glaubens- und Gütergemeinschaft gewendete und zwischen subsistenzieller Bescheidung und natürlichem Überfluss changierende, dionysische Vision einer jeglicher Herrschaft ledigen freien, gleichen und brüderlichen Assoziation, das bleibt den in das Marktsystem eingebundenen städtischen Kommunen und zumal den sie ins Marktsystem einbindenden Handeltreibenden ein unvorstellbarer, weil das ökonomische System, in und aus dem sie leben, aus den Angeln hebender und ihre Subsistenz beziehungsweise ihren Existenzgrund ihnen verschlagender Prospekt.

So vielfältigen Anlass also das städtische Marktsystem im Allgemeinen und seine kommerziellen Betreiber im Besonderen auch haben mögen, ökonomischen Anstoß an dem sich zunehmend zersetzenden und chaotisierenden politischen System des feudalen Herrschaftszusammenhanges zu nehmen – sie kommen von ihm nicht los, sind auf Gedeih und Verderb mit ihm zusammengeschirrt, sind deshalb ohnmächtig ihm und seinem Zerfallsprozess beziehungsweise seinem Konfrontations- und Konfliktkurs ausgeliefert. Seien wir indes nicht zu rasch mit dem rein vernichtenden Fazit bei der Hand! Setzen wir uns nicht leichtfertig über den Widerspruch oder Zirkel, der hier lauert, hinweg! Ausgeliefert mögen sie ja sein! Aber auch ohnmächtig? Sind es nicht das Marktsystem und seine Betreiber, die, wie eben konstatiert, durch ihre machtstrategische, finanzpolitische und konsumpraktische Scheidekunst den feudalen Herrschaftszusammenhang in jenen Zersetzungsprozess hineintreiben? Sind sie es nicht, die durch die Ungleichverteilung ihrer ökonomischen Segnungen das die hierarchisch gegliederte und ständisch geordnete Struktur kippende Ungleichgewicht zwischen den Feudalherren, die zunehmenden Unterschiede in Größe, Vermögen und Macht, schaffen beziehungsweise entfalten und so die das politische Herrschaftsgebäude aus den Fugen geraten lassende Reibungsenergie und Konfliktträchtigkeit erzeugen? Sind sie nicht die treibende Kraft hinter der herrschaftlichen Fassade, die objektive Macht, die das Tun der herrschaftlichen Subjekte lenkt oder jedenfalls motiviert und den letzteren, ohne dass sie wissen, wie ihnen geschieht, einen neuen, durch die alte hierarchisch-ständische Ordnung immer weniger determinierten und immer stärker mit ihr kollidierenden Handlungsrahmen oktroyiert?

Und hört diese geheime Wirksamkeit, dieser hintergründige Einfluss, den das Marktsystem und seine Betreiber auf die historische Entwicklung ausüben, mit der Unterminierung der – allen privaten Fehden und dynastischen Konkurrenzen zum Trotz – relativ stabilen Statik eines auf verwandtschaftlich-persönliche Beziehungen gegründeten Herrschaftscorpus und dessen Überführung in den eine ebenso konfliktträchtige wie unbändige Dynamik hervorkehrenden Mechanismus von auf wirtschaftlich-sächlicher Basis konkurrierenden Machtzentren etwa auf, schwächt sich dieser marktsystematische Faktor in der feudalgesellschaftlichen Geschichte etwa ab und verliert sich, seine treibende Kraft, im heillosen politischen Durch- und Gegeneinander, das er anrichtet, im systemwidrig-bürgerkriegsähnlichen Chaos, das er provoziert? Zeigt sich der kommerzielle Wirkfaktor nicht ebenso gewiss, wie er das alte Herrschaftsgefüge zersetzt und nach Maßgabe der neuen Schwerpunkte, Kraftlinien und Verkehrswege, die er schafft, um den Preis vielfacher politischer Reibungen und militärischer Konflikte rearrangiert, immer noch am Werk und unverändert triebmächtig? Dreht sich nicht bei den herrschaftlichen Machtkämpfen nach wie vor und mehr denn je insgeheim alles darum, wer über die Territorien mit den blühendsten Städten, den attraktivsten Märkten, den ausgedehntesten kommerziellen Aktivitäten herrscht, wer am Reichtum des durch diese Faktoren gebildeten Marktsystems in Form der als Gegenleistung für den Schutz und die Förderung, die er dem System angedeihen lässt, ihm als Landesherrn zufließenden Steuern und Abgaben am stärksten profitiert, wer den größten Nutzen aus den zivilisatorisch-kulturellen Errungenschaften, den technisch-militärischen Neuerungen, den politisch-strategischen Verbindungen und Einflussmöglichkeiten, den konsumtiv-demonstrativ avancierten Lebensformen zu ziehen vermag, die das System zur Verfügung stellt?

Und sorgt nicht genau dieses ebenso unverminderte wie kontinuierliche Weiterwirken des städtisch-kommerziellen Faktors und seiner handelskapitalen Triebkraft dafür, dass das politische System, der feudale Herrschaftszusammenhang, keineswegs im Chaos versinkt, dass der kraft Marktsystem betriebene politisch-militärische Zersetzungsprozess, so gewiss er in der Bildung neuer, quer zum alten Herrschaftszusammenhang stehender regionaler Machtzentren, partikularer Interessenverbände, hegemonialer Einflussgebiete resultiert, mitnichten in eine allgemeine Dekomposition und Konfrontation der territorialen Elemente einmündet und darin gewissermaßen seine eigene Auflösung findet? Bietet jener fortwirkende städtisch-kommerzielle Faktor nicht die Garantie dafür, dass sich der politische Zersetzungsprozess in der quasi logischen Konsequenz seiner zweideutigen Intention oder janusköpfigen Bedeutung in sein Gegenteil verkehrt, dass er sich in einer Art Reflexion in sich als ebenso wohl ein Setzungsvorgang herausstellt, indem die partikularen Machtzentren, in die das alte, feudale Corpus zerfällt, zu Kristallisationspunkten oder Organisationskernen einer neuen, aus regionalen Wirtschaftsräumen, die sich als nationale Hoheitsgebiete politisch verfassen, komponierten Totalität werden?

Schließlich geht die durch die kommerzielle Zersetzungs- oder Scheidekunst erwirkte Partikularisierung des feudalen Herrschaftszusammenhangs ja von Anfang an Hand in Hand mit einem gegenläufigen Vorgang, der Konzentration der von den partikularistischen Machtzentren jeweils umspannten beziehungsweise sie jeweils umgebenden herrschaftlichen Territorien. So gewiss sich im Allgemeinen oder im Blick auf die hierarchische Spitze, sprich, gegenüber dem feudalen Oberherrn, die der marktwirtschaftlichen Scheidekunst entspringende Bildung jener regionalen politischen Machtzentren partikularisierend auswirkt, das heißt, in einer Aufkündigung der lehnsrechtlichen Abhängigkeit und Befreiung aus aller persönlichen Botmäßigkeit und Verselbständigung des jeweiligen Lehens zur Landesherrschaft, seiner Aufhebung in den Status einer den feudalen Rahmen sprengenden und nurmehr Gott und sich selbst verpflichteten Souveränität, resultiert, so gewiss sind ihre Konsequenzen im Einzelnen oder in Bezug auf die ständische Basis, sprich, gegenüber den gleich- und untergeordneten Standesgenossen, integrierender Natur, das heißt, sie führt den durch die städtisch-kommerzielle Potenz auf seinem Territorium Ermächtigten zu einem wachsenden Einfluss auf und einer zunehmenden Verfügung über die seinem Territorium eingelagerten beziehungsweise es umgebenden Territorien anderer, weniger begünstigter und mangels Größe, Vermögen oder beidem schwächerer feudaler Herrschaften.

Wirkt sich dies anfangs im Sinne einer hegemonialen Vorherrschaft aus, eines politischen und militärische Machtungleichgewichts, das dem Machthaber erlaubt, den Schwächeren seinen Willen aufzuzwingen und sie als unfreiwillige Bundesgenossen oder Gefolgsleute in seine politischen Pläne einzuspannen und für seine eigensüchtigen Emanzipations- und Expansionsbestrebungen zu instrumentalisieren, so kommt es früher oder später, da ja das ganze Emanzipationsstreben des Mächtigen auf eine Aufkündigung der traditionellen, für das feudale Herrschaftssystem charakteristischen lehnsrechtlich-föderalen Beziehungen hinausläuft und diese also für das Verhältnis des Hegemonen zu seinen Gefolgsleuten als Ordnungsprinzipien nicht mehr in Betracht kommen, zu einer Neugestaltung der Beziehungen, in deren Ergebnis sich höchstens noch ironisch von Beziehung überhaupt reden lässt, da sich das hegemoniale Machtverhältnis in ein schieres Selbstverhältnis aufhebt oder vielmehr auflöst, kurz, aus dem Hegemon ein Despot wird.

Früher oder später nutzt also der Mächtige seine wesentlich durch die städtisch-kommerziellen Aktivitäten auf seinem Territorium bedingte Dominanz, um sein feudal strukturiertes, durch lehnsrechtliche Beziehungen oder dynastische Bindungen moderiertes Verhältnis zu den in seinem Machtbereich ihre Herrschaft übenden Standesgenossen zu beenden und seine hegemoniale Vorherrschaft in eine regionale Despotie einmünden zu lassen. Egal, ob er die Standesgenossen mit militärischer Gewalt vertreibt und enteignet, durch familiäre Verbindungen beerbt und ablöst, durch pekuniäre Verlockungen auskauft und als bloße Würdenträger an seinen Hof fesselt, auf die eine oder andere Weise verleibt er sich deren Territorien ein, gliedert sie seinem eigenen Hoheitsgebiet an und lässt die durch das regionale Machtzentrum, über das er Herr ist, initiierte und das feudale Umfeld erfassende Konzentrationsbewegung, die oben als die Kehrseite des dem regionalen Machtzentrum eigenen Partikularismus vorgestellt wurde, in einem regelrechten territorialen Integrationsprozess kulminieren.

Und dieser Integrationsprozess, der in der Ausbildung einer begrenzten Anzahl von weitgehend souveränen, weil vom feudalen Oberherrn und dem durch ihn repräsentierten Herrschaftssystem praktisch unabhängigen und einander annähernd ebenbürtigen Landesherrschaften resultiert, zieht nun aber auf Basis der das feudale Herrschaftssystem faktisch ersetzenden landesherrlichen Gewaltübung eine neue, im Feudalsystem nur erst ausnahmsweise und nämlich höchstens und nur auf die eigenen Kerngüter angewandte, jetzt aber zum Regelfall erhobene Herrschaftsform nach sich, die direkte politische, ökonomische, fiskalische, juristische, diplomatische Verwaltung des Landes durch vom Landesherrn bestallte und ebenso sehr in ihrer Amtsführung ihm verantwortliche wie in ihrer Amtsinhaberschaft von ihm vollständig abhängige Funktionäre. An die Stelle der Standesgenossen, Vögte und Offizialen, die in ihrer Abhängigkeit vom hierarchisch höher angesiedelten und quasi als Vorgesetzter firmierenden Amtseinsetzer oder Lehnsherr in allen genannten Hinsichten ein gerüttelt Maß Eigenständigkeit beziehungsweise Eigenmächtigkeit behaupten, treten Bestallte oder Beamte, die von Gnaden des Landesherrn ihr Amt versehen und als bürokratische Organe nichts als den Willen und die Weisungen ihres Hauptes zur Ausführung bringen.

Kurz, das organisatorische Pendant des von den wirtschaftsräumlich-regionalen Machtzentren seinen Ausgang nehmenden und in der Bildung etlicher, vom Feudalsystem unabhängiger Landesherrschaften resultierenden politischen Integrationsprozesses ist die Zentralisierung, die den Grund legt für eine ebenso verbindliche wie einheitliche politische Ausrichtung, ökonomische Konditionierung, gesetzliche Verfassung und fiskalische Behandlung des betreffenden Landes. Indem der eine, durch den Machtzuwachs, den ihm die städtischen Produktionsgemeinschaften auf seinem Territorium und deren kommerzielles System verschaffen, eine Hegemonialstellung in seiner wirtschaftsräumlich definierten Region erringende Feudalherr seine Standesgenossen, soweit er sie nicht überhaupt vertreibt und von der Bildfläche verschwinden lässt, doch jedenfalls territorial enteignet und mit Pfründen, Würden und zeremoniellen Aufgaben abspeist, bringt er überhaupt das feudale Herrschaftssystem an sein Ende und verwandelt die politische Herrschaft aus einer persönlichen, durch bevollmächtigte Repräsentanten des Oberherrn geübten Vertretung, die den das territoriale Corpus umschließenden Staatsorganismus ebenso realiter zerfällt und auseinanderhält wie formaliter bildet und zusammenfügt, in eine sachliche, durch weisungsgebundene Funktionäre exekutierte Verwaltung, die einen ausschließlich vom Willen des einen Souveräns bestimmten und den territorialen Raum überspannenden Staatsapparat schafft und zur Geltung bringt.

Unter dem Antrieb der kommerziellen Funktion sorgt der feudalherrschaftliche Zusammenhang durch seine Auflösung in souveräne Staaten für seine eigene Abschaffung und für die Lösung beider Probleme, des reell-praktischen ebenso wie des strukturell-systematischen, die der Marktentwicklung im Wege stehen. Der Gewinn für die kommerzielle Funktion ist umso größer, als der absolute Fürst ja nicht nur die ständischen Privilegien und territorialen Schranken beseitigt, sondern auch der Machtentfaltung nicht weniger hinderliche zünftige Ordnungen und städtische Freiheiten aufhebt.

Den kommerziellen Betreibern und den von ihnen zum Marktsystem synthetisierten städtischen Produktionsgemeinschaften kommt der Übergang von einer föderalistisch-repräsentativen Regierung im reichsumfänglich-territorialen Rahmen zu einer zentralistisch-absoluten Verwaltung auf wirtschaftsräumlich-regionaler Grundlage, kurz, vom einen, ständisch-feudalen Reich zu mehreren bürokratisch-zentralen Staaten oder, noch kürzer gefasst, vom singulären Feudalismus zum pluralen Absolutismus nur allzu sehr zupass. Dieser letztlich dem Wirken der kommerziellen Funktion geschuldete und in der Tat von dessen geheimer Macht zeugende Übergang bietet mit einem Schlage eine Lösung nicht nur für die oben erwähnten reell-praktischen Schwierigkeiten, mit denen sich die kommerzielle Funktion in der Konsequenz ihres Wirkens zunehmend konfrontiert sieht, sondern auch und mehr noch für das dort ebenfalls genannte strukturell-strategische Problem, das für den der kommerziellen Funktion wesentlich eigenen Expansions- und Akkumulationstrieb die Grundpfeiler der feudalgesellschaftlichen Ordnung, die territorialherrschaftlichen Hoheitsrechte und Privilegien einerseits und die stadtbürgerlichen Verfassungen und Freiheiten andererseits, in wachsendem Maße darstellen.

Die reell-praktischen Schwierigkeiten ergeben sich, wie gezeigt, aus der Konfliktträchtigkeit und Konkurrenz innerhalb des feudalen Herrschaftssystems, die das Marktsystem und die mit ihm einhergehende Bildung von Zentren kommerziellen Reichtums heraufbeschwören, und dem Versuch der durch die Entwicklung des Marktsystems begünstigten Herrschaften, ihre ökonomisch fundierte neue Macht zur Vergrößerung und hegemonialen Entfaltung zu nutzen, beziehungsweise dem Bemühen der durch die Entwicklung benachteiligten Herren, sich mittels Besteuerung und Wegezoll eine Teilhabe an den Früchten des Marktsystems zu sichern oder sich notfalls auch mit Gewalt beim Marktsystem für die missliche Lage, in die sie sich demnach versetzt finden, schadlos zu halten. Die Lösung dieser Schwierigkeiten geht quasi automatisch aus dem Übel selbst hervor und besteht in einer konsequenten Austragung der politischen Konkurrenzkämpfe und militärischen Konflikte bis an den Punkt, an dem einer über alle anderen triumphiert und den regionalen Wirtschaftsraum in ein integrales Hoheitsgebiet überführt.

Indem die durch die kommunale Industrie und den kommerziellen Betrieb in ihrem Machtbereich begünstigten und gestärkten feudalen Machthaber die politischen Konkurrenzkämpfe und militärischen Konflikte zu ihren Gunsten entscheiden, ihre ständischen Konkurrenten entmachten oder vertreiben und sich zu absolutistischen Landesherrn oder zentralistischen Alleinherrschern aufschwingen, befreien sie die kommerzielle Funktion und ihr Marktsystem von den Beeinträchtigungen und Störungen, die der ständige Machtkampf mit sich bringt, entlasten sie vom Druck der vielen teils fiskalisch-bürokratisch, teils militärisch-exaktiv geltend gemachten finanziellen Forderungen und Beteiligungsansprüche, die sich zu einer das Wirtschaftsleben lähmenden Hypothek auszuwachsen tendieren, und reduzieren die Belastung auf die bei aller Beschwerlichkeit, die sie bedeutet, doch aber mit den eigenen kommerziellen Zielsetzungen im Zweifelsfall vereinbare strategische Unterstützung und logistische Hilfestellung, die der Landesherr zur Verwirklichung seiner militärischen Pläne und politischen Ambitionen von ihnen erwartet, und auf die bei aller Widrigkeit, die sie darstellen, doch aber verkraftbaren fiskalischen Zuwendungen und konsumpraktischen Versorgungsleistungen, die er ihnen zur Finanzierung seines verschwenderischen Lebensstils und zur Ausgleichung seiner entsprechend defizitären Haushaltsführung abverlangt.

Und der gleiche Vorgang einer durch Austragung der herrschaftlichen Konkurrenzkämpfe und Konflikte herbeigeführten Verdrängung der vielen territorialen Herren durch den einen regionalen Souverän, sprich, Ersetzung des lehnssystematisch entfalteten Feudalismus durch einen wirtschaftsräumlich definierten Zentralismus, der die reell-praktischen Schwierigkeiten beseitigt, mit denen die kommerzielle Funktion und ihr Marktsystem zu kämpfen haben, löst nun aber darüber hinaus auch die strukturell-strategischen Probleme, die das Feudalsystem als solches mit seinem grundlegenden Prinzip der vielfältigen und ebenso sehr hierarchisch gegliederten wie terrestrisch zersplitterten Souveränität der kommerziellen Funktion in zunehmendem Maße bereitet.

So gewiss der neue, absolute Souverän der kraft wirtschaftsräumlicher Bedeutung zum eigenständigen Hoheitsgebiet zentralisierten Region seine feudalen Standesgenossen aus dem Feld schlägt und ihre lokalen Zuständigkeiten und sozialen Privilegien aus der Welt schafft und so gewiss er an die Stelle der dynastischen Rücksichten, sozialen Vorbehalte, politischen Eigenmächtigkeiten, ökonomischen Pfründen, rechtlichen Verfügungen und fiskalischen Privilegien der ebenso vielfältigen wie zahlreichen Herrschaften den einen, auf das gesamte Territorium sich erstreckenden und über alle Besonderheit triumphierenden Willen und Ratschluss treten lässt, den seine von ständischen Bindungen und Verpflichtungen, die der Botmäßigkeit ihm gegenüber Eintrag tun könnten, im Prinzip freie Bürokratie in die Tat umsetzt, so gewiss beseitigt er damit viele der Hürden und Hemmnisse, die einer Ausdehnung des kommerziellen Prinzips und seines Marktgeschehens in die Breite beziehungsweise Tiefe des bis dahin feudalrechtlich verbarrikadierten Territoriums und auf weite Teile der fronwirtschaftlich abgeschotteten Gesellschaft im Wege stehen, und erschließt dem Marktsystem eben die Entfaltungsperspektive, die es braucht, um aus einer rein auf die freien Kommunen beschränkten Veranstaltung zu einem auf die ganze Feudalgesellschaft ausgreifenden und sie in sein akkumulationssystematisches Kalkül einbeziehenden Unternehmen zu avancieren.

Wenn man so will, sorgt also der feudalherrschaftliche Zusammenhang unter dem heimlichen Antrieb der kommerziellen Funktion und ihrer marktsystematischen Dynamik für seine eigene Abschaffung und erledigt damit eben das Geschäft, das nach der obigen Darlegung für die kommerzielle Funktion selbst als gesellschaftlich manifesten Akteur und politisch handelndes Subjekt, für die Betreiber des Marktes mit anderen Worten, aus mehreren einsichtigen Gründen undurchführbar erschien.

Dass der feudalgesellschaftliche Zusammenhang dem Marktsystem und seinen Betreibern die Arbeit seiner Abschaffung abnimmt, dass er stellvertretend fürs Marktsystem jene territorialen Schranken und sozialen Hemmnisse zu beseitigen unternimmt, die dessen Entfaltung und intendierte Totalisierung als Korsett zu behindern oder gar als Zwangsjacke zu durchkreuzen drohen, hat freilich seinen Preis. Weil der feudale Herrschaftszusammenhang selbst es ist, der seine Abschaffung besorgen muss, weil er das handelnde Subjekt ist, das, stellvertretend für die kommerzielle Funktion, sich zum leidenden Objekt macht und eliminiert, gerät die Elimination nolens volens zur Transformation, die Abschaffung wohl oder übel zur Aufhebung. Die feudale Herrschaft überlebt mit anderen Worten ihren eigenen Untergang, feiert aus dem Tode der vielen relativen Herren ihre Auferstehung in dem einen, absoluten Fürsten, der jene zur Strecke bringt.

So gesehen, hat die Befreiung von den Fesseln der feudalen Herrschaft durchaus ihre tiefe Ironie, um nicht zu sagen, ihren abgründigen Widersinn, und erweist sich für die kommerzielle Funktion in der Tat als teuer erkauft. Erkauft nämlich durch eine Machtfülle und Konzentration des Gewaltmonopols, die alles übertrifft, was feudalherrschaftliche Verhältnisse zustande bringen, und die ebenso gewiss, wie sie groß genug ist, die Unabhängigkeits- und Souveränitätsansprüche der Standesgenossen und vormaligen territorialen Konkurrenten zu übertrumpfen und zu vernichten, auch die kommerzielle Funktion und ihre Betreiber selbst jener Freiheiten und Exemtionen beraubt, die sie unter feudalherrschaftlichen Verhältnissen noch besaßen, um sie stattdessen in die unmittelbare Botmäßigkeit und Untertänigkeit zu versetzen, die nunmehr begriffsgemäß definierendes Merkmal aller das Hoheitsgebiet des absoluten Souveräns bevölkernden Subjekte ist.

Und erkauft zweitens durch das zur Prunk- und Verschwendungssucht ausartende Repräsentations- oder Selbstbestätigungsbedürfnis, das im manischen Vollgefühl seiner absoluten Regierung der Fürst mit seinen zum höfischen Gefolge entmachteten und in ein bloßes Schauspiel der Herrschaft, ein Leben als Traum, gebannten Standesgenossen entwickelt und für dessen Befriedigung die Betreiber des Marktes als Gegenleistung dafür, dass der Fürst ihnen sein Hoheitsgebiet als freien Entfaltungsraum erschließt, finanziell aufkommen, sprich, durch Steuern und Sonderabgaben die Mittel zur Verfügung stellen müssen. Der Willkür ihres als absoluter Souverän firmierenden regionalen Fürsten unterworfen und die Zeche für seine Verschwendungssucht zahlend, erfahren die Betreiber des Marktes die Befreiung von der Arroganz, Schikane und Beutelschneiderei der als relative Gewalthaber agierenden vielen lokalen Herren, die jener ihnen bringt, also keineswegs als durchschlagende Emanzipation vom feudalherrschaftlichen Zusammenhang, sondern höchstens und nur als eine durchgreifende Umgestaltung des letzteren und Anpassung an die durch die kommerzielle Funktion und ihr Marktsystem mittlerweile geschaffenen Verhältnisse und die diesen Verhältnissen nach Maßgabe des Prinzips permanenter kommerzieller Akkumulation entspringenden Erfordernisse.

Als diese Anpassungsleistung aber gewahren sie die Aufhebung des feudalen Herrschaftssystems durch den absolutistischen Herrn in der Tat, und eben deshalb sind sie nur zu bereit, den Preis politischer Entrechtung zu zahlen und die zuzeiten exorbitante Rechnung, die der in seiner Hofhaltung über die Stränge schlagende Fürst ihnen aufmacht, zu begleichen. All seiner Selbstüberhebungs- und Verschwendungsneigung, seiner Herrsch- und Prunksucht zum Trotz erscheint ihnen der absolutistische Fürst als ihr natürlicher Verbündeter – und das zu Recht! Mögen sie nämlich auch, was die Natürlichkeit des Bündnisses angeht, dem üblichen, durch die distanzlose Fixierung auf die Gegenwart bedingten Irrtum unterliegen, die historisch gewordene Konstellation für eine zeitlos gegebene Struktur zu nehmen, hinsichtlich des Faktums des Bündnisses als solchen irren sie nicht. Schließlich ist die Substanz oder objektive Basis, auf die der regionale Herrscher baut und die seinen Aufstieg zuerst zum hegemonialen Oberherrn und schließlich zum absoluten Souverän begründet, die unter seinem Schutz und Schirm operierende und von den städtischen Produktionsgemeinschaften seines Territoriums aus beziehungsweise auf diese hin ihr Marktsystem organisierende kommerzielle Funktion – und sie muss er gelten und gewähren, ihr muss er Raum geben und Förderung angedeihen lassen, ihr darf er nicht in die Quere kommen und Widerstand leisten, will er nicht seiner politischen Herrschaft selber den Boden entziehen, eigenhändig den Ast absägen, auf dem er thront.

Die kommerzielle Funktion mit ihren marktsystematischen Elementen, den städtischen Produktionsgemeinschaften, ist der stille ökonomische Teilhaber seiner eklatanten politischen Macht, sie ist die materialiter unabweisliche Beschränkung und Abhängigkeit, in der seine formaliter grenzenlose Souveränität sich allemal verhalten findet. Auch wenn ihm im Einzelfall, beim einzelnen Marktbetreiber, gestattet sein mag, die Sau seiner Willkür herauszulassen und ein Exempel seiner im Prinzip absoluten Macht zu statuieren, aufs Ganze des Marktes, in dem seine Herrschaft ihre ökonomische Substanz hat, betrachtet, muss er dessen Betreibern wenn nicht persönlich zu Willen, so jedenfalls sächlich zu Diensten sein und ihre kommerziellen Interessen und akkumulativen Kalküle als seine Machtausübung ebenso sehr dirigierende wie strukturierende politische Grundanliegen beziehungsweise Staatsziele gelten lassen.

Mag sich der absolutistische Fürst auch noch so absolut gebärden, es ist die seine Absolutheit als Absolutismus, als bloße Prätention ihrer selbst dekuvrierende Paradoxie, dass er sich als absolut, als allem politischen Gesetz überhoben, nur abhängig von dem, was seine Herrschaft ökonomisch setzt und begründet, zu behaupten vermag – nur in Relation mit anderen Worten zu dem Marktsystem, dem er seinen Aufstieg verdankt und das ihm die Mittel für solche von den Fesseln feudaler Machtausübung entbundene Herrschaft beschafft, damit er seinerseits in einem zur Spirale dynamisierten Zirkel das Marktsystem von jenen es in seiner Mittelbeschaffung, seiner Akkumulationstätigkeit störenden und behindernden feudalen Fesseln befreit.

Wenn man so will, lässt sich seine höfische Prunk- und verschwenderische Repräsentationssucht als unwillkürlicher Ausdruck und Offenbarungseid der Paradoxie des Absolutismus, als zwanghafte Reaktion auf das Faktum der unentrinnbar ökonomischen Relativität der politischen Absolutheit verstehen. Indem der absolute Fürst das städtische Marktsystem und seine bürgerlichen Betreiber energisch zur Kasse bittet und mittels Steuern und Abgaben zu Trägern und Finanziers eines von ihm und seinen Standesgenossen, die er im goldenen Käfig des Hofes versammelt hat, gepflegten aufwendigen Lebensstiles macht, ist er bestrebt, den Beweis der Absolutheit seiner Herrschaft zu führen, den Beweis, dass er allein Herr im Haus, er die Staatsmacht in Person ist und dass das Staatswesen in genere und die die städtischen Produktionsgemeinschaften zum Marktsystem organisierende kommerzielle Funktion in specie ausschließlich zu seinem luxurierenden Nutz und überheblichen Frommen existiert und funktioniert. Aber weil es ja vornehmlich die Steuern und Abgaben des Marktsystems und seiner kommerziellen Betreiber sind, die ihm solch höfische Prachtentfaltung und Zurschaustellung schrankenloser Verfügungsgewalt ermöglichen, gerät der Vorweis seiner politischen Absolutheit nolens volens zum Nachweis seiner ökonomischen Abhängigkeit, zur Bestätigung nämlich der Tatsache, dass sein eigenes Wohlergehen und das seines Hofes mit dem Gedeihen und Wohlstand des den Etat finanzierenden, also ihn, den Staat in Person, alimentierenden Marktsystems steht und fällt, und das heißt, er gerät ihm zur impliziten Aufforderung, im eigensten Interesse alles in seiner Macht Stehende zu tun, um dem Marktsystem den Weg zu ebnen und Entfaltungsraum zu verschaffen.

Jeder zum Beweis seiner absoluten Herrschaft vom Souverän geübte demonstrative Konsum bindet ihn durch Anspruch und Gewohnheit fester an die Hauptquelle der dafür erforderlichen Mittel, den kommerziellen Betrieb der als Marktsystem organisierten städtischen Produktionsgemeinschaften, und zwingt ihn bei Strafe des Verlusts dieser für die Demonstration seiner Absolutheit erforderlichen Mittel sich um das Wohlergehen jenes kommerziellen Betriebes Sorgen zu machen und nach Kräften um dessen Förderung zu bemühen, sprich, eben der ökonomischen Einrichtung effektiv zu Willen und dienstbar zu sein, als deren willkürlicher Herr und rücksichtsloser Nutznießer er sich demonstrativ geriert. Die auf die Dienstbarkeit des Marktes pochende Herrschaft vermag sich als absolut nur unter der Bedingung zu behaupten, dass sie ihrerseits dem Markte dienstbar ist, Marktpolitik betreibt, Merkantilismus praktiziert. Subjektiv genommen, ist es dieser innere Widerspruch der absoluten Herrschaft, dieses politisch-ökonomische Quidproquo von Zweck und Mittel, was der Selbstinszenierung des absolutistischen Hofes ihr oben erwähntes manisches Moment vindiziert, sie als ebenso hoffnungsloses wie unverdrossenes Löcken wider den Stachel der tatsächlichen Szene, auf der der absolute Fürst agiert, und der streng definierten Rolle, die er spielt, offenbar werden lässt.

Mag also auch die absolutistische Herrschaft für das stadtbürgerliche Marktsystem und seine kommerziellen Betreiber auf seine, von Manie und Größenwahn geprägte Art beschwerlich und im individuellen Fall auch gefährlich, wo nicht gar für Leib und Leben bedrohlich sein, aufs Ganze des stadtbürgerlichen Marksystems gesehen, ist diese Herrschaft unter den durch den feudalgesellschaftlichen Zusammenhang ursprünglich gegebenen Bedingungen ein Segen und Gewinn, weil sie den fürstlichen Herrn in Gegensatz zu seinen feudalen Standesgenossen bringt und ihn als heimlichen Bundesgenossen beziehungsweise unheimlichen Komplizen seiner bürgerlichen Untertanen rekrutiert, ihn nolens volens dem Marktsystem dienstbar macht und an dessen Entfaltung und Stärkung existenziell interessiert sein lässt.

Und der Gewinn für das Marktsystem und seine Betreiber ist umso größer, als der Dienst, den der absolute Fürst ihnen leistet und durch den er seine Absolutheit als Absolutismus, als politisch falsche Vorspiegelung und Inszenierung des ökonomisch wahren Sachverhalts dekuvriert, sich ja nicht darauf beschränkt, dem kommerziellen Betrieb das durch den feudalen Herrschaftszusammenhang gebildete beengende Korsett aus sozialen Privilegien und territorialen Schranken vom Hals beziehungsweise vom Leib zu schaffen, sondern sich auch und ebenso sehr auf die Beseitigung des anderen, Sand ins Getriebe der kommerziellen Entwicklung streuenden Problems und Hemmnisses erstreckt, nämlich auf die für eine volle Entfaltung der Produktivkraft der städtischen Produktionsgemeinschaften unabdingbare Sprengung beziehungsweise Aufhebung jener politischen Verfassungen und ökonomischen Regulierungen des sozialen Lebens in den freien Städten, jener demokratischen oder patrizischen Rechte und Pflichten der Bürger und jener die Bürger bindenden Zunftordnungen und Gewerbezwänge, die, wie oben erwähnt, als innerstädtisch-ziviles Gegenstück zu den fronwirtschaftlich-feudalen Verhältnissen auf dem Land dem expansiven Drang und akkumulativen Ehrgeiz der kommerziellen Funktion mittlerweile kaum weniger hinderlich und beschwerlich sind als diese.

So gewiss dem absoluten Fürsten seine neu errungene übermächtige Stellung ermöglicht, die Standesgenossen in seinem Umfeld zu Paaren zu treiben und ihre apart beherrschten Territorien seinem zentral verwalteten Hoheitsgebiet einzuverleiben und damit der kommerziellen Funktion und ihrem Marktsystem einen durchweg zugänglichen und einheitlich konditionierten Entfaltungsraum zu eröffnen, so gewiss erlaubt sie ihm auch, die Städte in seinem Machtbereich aller ihren Bürgern Mitbestimmung und institutionelle Unabhängigkeit garantierenden politischen Verfassungen und sämtlicher ihnen Arbeitsschutz und subsistenzielle Sicherheit bietenden ökonomischen Organisationen zu berauben und besagte Bürger immer unmittelbarer und immer schutzloser einem immer stärker und immer ausschließlicher durch den Markt und seinen handelskapitalen Akkumulationsanspruch bestimmten Bedarf an ebenso billigen wie zahlreichen Arbeitskräften auszuliefern und Regimen von ebenso effektiven wie gleichförmigen Produktionsbedingungen zu unterwerfen.

Und zu diesem zweifachen Dienst zum einen einer Zentralisierung und konditionellen Vereinheitlichung des Herrschaftsgebiets und zum anderen einer Demontage der kommunalen Selbstverwaltung und personellen Atomisierung der städtischen Bürgerschaft, den der absolute Fürst der kommerziellen Funktion und ihren Repräsentanten, den mittlerweile als Kaufmannschaft eine eigene, vom bürgerlichen Dasein der städtischen Produktionsgemeinschaften großbürgerlich abgesonderte soziale Präsenz behauptenden Betreibern des Marktsystems, leistet – zu diesem zweifachen Dienst kommt noch als Drittes seine Bereitschaft beziehungsweise seine durch die neue Macht, die er besitzt, und den neuen Reichtum, über den er verfügt, genährte Neigung hinzu, mit kriegerischen Mitteln Gebietserweiterungen anzustreben und auf Kosten der benachbarten Regionen seinen Machtbereich zu arrondieren. Indem er, durch die ökonomische Kausalität seines Aufstiegs zu absolutistischer Macht gewitzt, seinen begehrlichen Blick vorzugsweise auf wirtschaftlich interessante und Gewinn versprechende Territorien wirft und sie, notfalls mit militärischer Gewalt, seinem Hoheitsgebiet einzugliedern versucht, setzt er das Zentralisierungswerk fort und eröffnet dem unter seiner Herrschaft florierenden Marktsystem neue Entfaltungsräume und Absatzmärkte.

Zwar scheint, aufs Ganze gesehen und nämlich aus der Perspektive der das ehemals feudale Herrschaftssystem in eine Reihe von zentral beherrschten Wirtschaftsregionen aufspaltenden absolutistisch-souveränen Staaten als eines europäischen Gesamtkomplexes, einer Gesellschaftsformation sui generis, betrachtet, diese militärische Annexionsstrategie ein zweischneidiges Schwert und in der Tat eine zweifelhafte Methode zur Fortsetzung einer dem Markt zuträglichen Zentralisierungspolitik, da ja im geschlossenen System der anstelle des feudalen Herrschaftszusammenhangs nunmehr entstandenen Konstellation regionaler Mächte der Gewinn, den die eine Macht erzielt, nolens volens einen entsprechenden Verlust impliziert, den eine andere Macht erleidet, und scheint sich der Effekt jener die absolutistischen Fürsten einander ins Gehege kommen lassenden Kriege also letztlich in bloßen, mit den Verheerungen und Verwüstungen, die das Kampfgeschehen anrichtet, teuer erkauften Grenzverschiebungen zu erschöpfen.

Indes, der Kaufmannschaft und ihrem vom Akkumulationsprinzip getriebenen Markt sind die im geschlossenen System absolutistischer Staaten wiederkehrenden Kriege um die Erweiterung des einen Herrschaftsgebiets auf Kosten der anderen dennoch förderlich – und zwar, wie ihre Geschichte bis hin zu den exzessiven Vernichtungsorgien der jüngsten Zeit belegt, aus drei Gründen beziehungsweise dem einen oder anderen dieser drei Gründe: Erstens tendieren die absolutistischen Kriege dazu, die Kaufmannschaft selbst und ihre Märkte, die ja quasi den Kampfpreis darstellen, zu schonen und, indem sie sie nicht durch Zerstörungen, sondern höchstens durch Requisitionen heimsuchen, als erhaltenswerte Einrichtungen zu respektieren. Zweitens fällt den jeweiligen Kaufmannschaften und ihren Märkten die Aufgabe zu, die Kombattierenden und ihre Streitkräfte mit den erforderlichen Rüstungs- und Versorgungsgütern zu beliefern, und nicht nur kehrt auf diesem Wege ein Teil der steuerlichen Abgaben und finanziellen Aufwendungen, die der absolute Fürst seinem Marktsystem abfordert, wieder in die Hände der Kaufmannschaft zurück, die Kriege erweisen sich mehr noch auf diese Weise als ein ständiger marktbelebender Faktor, der im Spin-off, in seinen Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben als ganzes, sowohl die Produktivität und Intensität der Produktion im Allgemeinen voranzutreiben als auch die Vielfalt und Qualität der marktgängigen Produktpalette zu erweitern geeignet ist.

Und schließlich haben die Kriege selbst dort, wo ihre Verheerungen und Verwüstungen, wie im Zuge einer mit dem industriellen Fortschritt wachsenden technischen Vernichtungskapazität unvermeidlich, ein schier ungeheures Ausmaß erreichen und auch vor den Einrichtungen und Gütersammlungen des Marktes nicht mehr Halt machen, doch allemal den willkommenen Nebeneffekt, durch eben jene Verheerungen und Vernichtungen vorhandenen materialen Reichtum aus der Welt und neuen Bedarf an ihm zu schaffen und somit dem kapitalen Reichtum, der im kommerziellen Mechanismus als solchem, im per Markt etablierten Produktionsverhältnis zwischen Güter Produzierenden und Güter Verwertenden besteht und fortbesteht, neue Betätigungsfelder und Entfaltungsräume zu eröffnen, was sich zumal in Zeiten, in denen, wie dann im Zeitalter industrieller Massenproduktion, die ständige Gefahr einer Übersättigung und Verstopfung des Marktes droht, als eine in all ihrer Monstrosität hilfreiche staatliche Intervention erweist.

So sehr das Handelskapital die ökonomische Substanz und treibende Kraft der Entwicklung ist, so sehr agiert es doch im Rahmen einer dichotomischen Gesellschaftsstruktur, in der sich ökonomische Macht und politische Ordnung, Kommerz und Herrschaft, wie kommunizierende Röhren verhalten.

Das dank Akkumulationsprinzip unaufhörlich wachsende Marktsystem und seine Betreiber, die Kaufmannschaft, haben also reichlich Gründe, den Übergang vom dynastischen Partikularismus feudaler Herrschaft zum bürokratischen Zentralismus absolutistischer Staaten gutzuheißen und zu unterstützen. Auch wenn so die strukturell-strategischen Fesseln, in das der feudale Herrschaftszusammenhang das expandierende Marktsystem schlägt, und die reell-praktischen Stolpersteine, die er ihm in den Weg legt, nicht etwa durch eine radikale Absetzung und Beseitigung der feudalen Herrschaft und der sie tragenden Stände des Adels und der Geistlichkeit gesprengt und aus der Welt geschafft werden, sondern vielmehr dadurch, dass sich die feudale Herrschaft im gut hegelschen Sinne aufhebt und transformiert und nämlich aus einem umfassenden, sein Herrschaftsgebiet föderalistisch-personal verwesenden allgemeinen Reich in eine Reihe von beschränkten, ihr Hoheitsgebiet bürokratisch-zentral verwaltenden besonderen Staaten gleichermaßen zersetzt und zusammennimmt – die Probleme, die das alte Herrschaftssystem dem expandierenden und auf eine Durchdringung der feudalen Gesellschaft über die Grenzen der städtischen Produktionsgemeinschaften hinaus erpichten Markt bereitet, werden dadurch jedenfalls gelöst, und dessen Betreiber haben allen Grund, mit den neuen, die feudale Herrschaft beerbenden absolutistischen Souveränen zu paktieren und ihnen nach Kräften den Steigbügel zu halten oder, etwas weniger kriegerisch und der Zeit gemäßer ausgedrückt, den Thronsessel zu polstern.

Und sie haben umso mehr Grund dazu, als es ja, wie eine kurze Rekapitulation der Entwicklung in Erinnerung rufen mag, ihr eigenes Tun und Handeln oder vielmehr das Wirken der ihrem Tun und Handeln zugrunde liegenden ökonomischen Substanz, des per medium des Marktsystems auf seine immer neue Verwertung dringenden kommerziellen Kapitals, ist, was jenem Übergang vom feudalen Herrschaftszusammenhang zum absolutistischen Staatenensemble zugrunde liegt und seine Dynamik und Zwangsläufigkeit verleiht. Ihren Ausgang von den handwerklichen Produktionsgemeinschaften nehmend, denen die der heilsperspektivischen Orientierung der christlichen Religion geschuldeten mönchisch-klerikalen Freiräume gegen die mit solchen Gemeinschaften eigentlich unverträglichen territorialherrschaftlichen Gesellschaften, die auf den Trümmern des untergegangenen Imperiums neu entstehen, den Boden bereiten und den Existenzgrund sichern, folgt die kommerzielle Funktion mit dem sie treibenden Akkumulationsprinzip, dem Verwertungsdrang des Produkte menschlicher Arbeit wesentlich nicht als Subsistenz- und Befriedigungsmittel wahrnehmenden, sondern als Vehikel zur Vermehrung seiner selbst begreifenden Werts, nur der Logik ihres kapitalen Prinzips, wenn sie jene Produktionsgemeinschaften durch ein Netz von Handelsbeziehungen miteinander verknüpft und zur Basis eines territoriumübergreifenden oder, besser gesagt, territoriumdurchziehenden florierenden Marktsystems macht.

Und der gleichen Logik gehorcht sie, wenn sie auf eine topische Entfaltung und numerische Zunahme jener den Produktionsgemeinschaften relativen Schutz gewährenden und sie von der Norm feudalherrschaftlicher Verhältnisse halbwegs dispensierenden Freiräume aus ist, wenn sie mit anderen Worten die Freiräume aus ihrer klerikal fundierten Sonderstellung herausführt und zu einem den Sonderstatus auch unter unmittelbar feudalherrschaftlicher Ägide und auf unbestritten territorialherrschaftlichem Gebiet behauptenden Topos und Regelfall, kurz, einem im Rahmen der säkularen Feudalgesellschaft ebenso anerkannten wie verbreiteten Phänomen werden lässt. Dies gelingt ihr durch die vielfältigen, konsumpraktischen, machtstrategischen und finanzpolitischen Vorteile, die der Feudalherrschaft jene städtischen Produktionsgemeinschaften samt dem sie verknüpfenden Marktsystem bringen und die es ebenso sehr der kommerziellen Funktion ermöglichen, die feudale Herrschaft als ein gleichermaßen begrenztes und klar definiertes ökonomisches Funktionselement, nämlich als Mehrwertrealisierer vom Dienst, sprich, als Konsument, in das Marktsystem zu integrieren, wie sie die feudale Herrschaft vermögen, sich in die ihr zugedachte Rolle des Schutzpatrons und Förderers der städtischen Produktionsgemeinschaften und ihres Marktsystems und der beiden Einrichtungen eingeräumten politischen Freiheiten und ökonomischen Rechte einzufinden.

Auf diese Weise entsteht eine Vielzahl bürgerlicher, halbwegs freier Kommunen, die, wiewohl eingebettet in die fronwirtschaftlich-feudale Gesellschaft und von ihr nicht nur politisch toleriert, sondern, was die agrarische Versorgung angeht, mehr noch getragen oder jedenfalls mitgetragen, zugleich relativ apart von ihr bleiben und eine Art von Eigenleben führen und als ein Staat im Staat, besser gesagt, ein halbwegs autonomes Glied im Sozialcorpus, um nicht zu sagen, ein Halbparasit im Organismus oder ein Inkubus im Leib, imstande sind, jenes durch die kommerzielle Funktion organisierte und vermittelte umfassende Marktsystem aufzubauen, das seine von den Reproduktionsmechanismen der feudalen Gesellschaft weitgehend unabhängigen, besonderen Zirkulationsbahnen und Stoffwechselprozesse besitzt und kraft dieser Stoffwechselprozesse ein unaufhaltsames und geradezu krebsartiges Wachstum durchläuft.

Solches Wachstum aber bringt das Marktsystem in Konflikt mit seiner fronwirtschaftlichen Wirtsgesellschaft, die ihm zunehmend zum einengenden Korsett, seiner Entfaltung zum Hemmnis wird. Und umgekehrt wird es seiner feudalherrschaftlich verfassten Wirtsgesellschaft zunehmend zur Belastungs- und Zerreißprobe. Es wirkt auf die letztere wie ein Kraftfeld ein, das sie nach Maßgabe seiner Kraftlinien und Knotenpunkte verbiegt und verzerrt, verformt und entstellt. Es destabilisiert und zersetzt den ursprünglichen territorialen Herrschaftszusammenhang zugunsten der Bildung regionaler Machtzentren, deren Gewalthaber in dem Maße, wie sie sich der Kontinuität der feudalen Hierarchie entziehen und zu diskreten Größen werden, Machtkämpfe und kriegerische Konflikte sowohl mit ihrem Oberherrn und ihresgleichen als auch mit ihrer durch ihre Verselbständigung in Unordnung und Aufruhr versetzten territorialen Umgebung heraufbeschwören.

Insofern ist in der ersten, langdauernden, weil quasi erst den Auf- und Ausbau des Marktsystems beinhaltenden Phase des kommerziellen Wirkens die politische Partikularisierung Trumpf, und scheint das Ergebnis der Entwicklung nichts weiter als eine Fragmentierung und Diskretisierung des ursprünglich kontinuierlichen, hierarchisch-dynastisch geordneten feudalherrschaftlichen Zusammenhangs in – die Souveränität von Staatswesen eigenen Rechts beanspruchende – Wirtschaftsräume, in Machtsphären, die sich bei allen verwandtschaftlichen und standesgenossenschaftlichen Beziehungen, die ihre Herrscher aus der Vergangenheit mitbringen mögen, einander nicht mehr lehnsrechtlich verpflichtet oder föderal verbunden, sondern nurmehr auf die mit dem Wachstum und Gedeihen der kommerziellen Einrichtungen auf ihrem Gebiet synonyme Etablierung und Expansion ihrer selbst konzentriert zeigen.

In der einfachen Konsequenz der Entstehung dieser neuen, eigenständigen Hoheitsgebiete, die in der Förderung der von ihnen kontrollierten Teile des kommerziellen Systems, die die Basis beziehungsweise den Fundus ihrer Macht bilden, ihren letzten, wie immer hinter Pomp und Repräsentationsmanie versteckten Zweck finden, vollzieht sich aber, wie gesehen, eine diametrale Richtungsänderung, oder schlägt – um der Bruchlosigkeit der Richtungsänderung terminologisch Rechnung zu tragen! – die Entwicklung um und wird aus einem bis dahin wesentlich auf die Partikularisierung und Entfeudalisierung der politischen Herrschaftsverhältnisse hinauslaufenden Vorgang zu einem ebenso wesentlich auf die Zentralisierung und Bürokratisierung der politischen Machtsphäre gerichteten Prozess.

Leistete die die städtischen Produktionsgemeinschaften zum Marktsystem organisierende kommerzielle Funktion vorher der Vielgestaltigkeit der politischen Landschaft, einem die Zentralmacht schwächenden und zum bloßen Schemen degradierenden Regionalismus Vorschub, so betreibt sie jetzt umgekehrt die Einförmigkeit der Machtausübung, einen den regionalen Hegemon als absoluten Fürsten, besser gesagt, absolutistischen Souverän, realisierenden Zentralismus, und schafft es auf diese Weise, die äußeren und inneren Hemmnisse zu beseitigen, die die zuvor ihrem Werdegang nützliche Zersetzung und Auflösung des feudalen Herrschaftszusammenhangs ihrem weiteren Fortkommen mittlerweile in den Weg legen. Indem das, was vorher Basis ihres erfolgreichen ökonomischen Wirkens war, nämlich der politische Partikularismus, jetzt zu einem ihre weitere Wirksamkeit zunehmend einengenden und behindernden Korsett wird, sorgt sie einfach dadurch, dass sie den politischen Partikularismus sich konsequent zu Ende führen und im bürokratischen Absolutismus gipfeln lässt, für eine Sprengung des Korsetts und die Möglichkeit, ihre Karriere nach Maßgabe der ihr eigenen ökonomischen Logik fortzusetzen.

Freilich bedeutet, dass sie ihrer eigenen Logik folgen kann, nicht, dass sie es nicht sub conditione und in den Grenzen des herrschaftlichen Systems tun muss, wie es sich nunmehr, zwar unter ihrem unwiderstehlichen Einfluss, aber dennoch selbsttätig, in quasi eigener Regie, herausgebildet hat. Weit entfernt davon, dass es der kommerziellen Funktion und ihren Betreibern, wie sie abstrakt wohl gern möchten, gegeben wäre, den ihnen mittlerweile zur Zwangsjacke gewordenen feudalen Herrschaftszusammenhang mit seiner Vielzahl ebenso real eigenmächtiger wie föderal gebundener Territorien kurzerhand abzuschaffen und durch einen aller herrschaftlichen Befugnisse und Privilegien ledigen gesellschaftlichen Entfaltungsraum, ein rein durch den Markt assoziiertes bürgerliches Kollektiv zu ersetzen, vermögen sie vielmehr nichts weiter, als durch ihr ökonomisches Wirken jenen feudalherrschaftlichen Zusammenhang dem Kraftfeld ihres Systems und seiner Knotenpunkte zu exponieren, unter dessen Einfluss er sich verformt und in regionale Machtzentren auseinanderbricht, die, wie sie – sub specie seines ursprünglichen Bestands oder negativ betrachtet – seine von Gewalt und Agonie begleitete Zersetzung und Auflösung herbeiführen, so – im Gewahrsam ihrer eigenen Selbstbehauptung oder positiv gesehen – seinen konvulsivisch zerfallenden Organismus als Steinbruch und Baumaterial für ihre neuen, als absolutistische Staatswesen dem ökonomischen Kalkül, das sie hervorgetrieben hat, gemäßeren Herrschaftsgebiete nutzen.

Die kommerzielle Funktion mit ihrem Marktsystem versetzt mit anderen Worten den herrschaftlichen Zusammenhang in einen Zustand, in dem ihm, wenn er als solcher überleben und nicht in Chaos und Streit versinken will, gar nichts anderes übrig bleibt, als sich im Sinne der Anpassung an die Erfordernisse der ihm mittlerweile als kriterieller Faktor, als ebenso sehr Neuordnungs- wie Scheidemacht eingeschriebenen ökonomischen Struktur selber zuzurichten und jenen Wandel zu vollziehen, durch den sich das Corpus der zum lehnsrechtlich-föderalistischen Reich organisierten Mannigfaltigkeit relativ eigenständiger Herrschaften in ein begrenztes Ensemble amtspflichtig-zentralistisch verwalteter Hoheitsgebiete, sprich, absolutistisch souveräner Staaten gleichermaßen aufspaltet und zusammennimmt, dividiert und konzentriert.

In der Tat illustriert das so erscheinende Verhältnis zwischen Marktsystem und Herrschaftszusammenhang, ökonomisch-kommerzieller Funktion und politisch-sozialer Aktion mit wünschenswerter Deutlichkeit das oben den Betreibern des Marktsystems, den Kaufleuten, attestierte Zugleich von Macht und Ausgeliefertsein. Insofern letztere die ökonomische Substanz der historischen Epoche betätigen und verhandeln, sind sie alles andere als ohnmächtig, sind vielmehr sie es, die der feudalherrschaftlichen Gesellschaft Beine machen und sie aus ihrem Ist-Zustand heraustreiben, ihren Übergang in den Soll-Zustand ebenso sehr nach außen diskretisierter wie nach innen zentralisierter absolutistischer Staatswesen erzwingen. Aber die Beine selbst, sprich, die Akteure des Übergangs, seine handelnden Subjekte sind nicht sie. Sie verfügen über die ökonomische Triebkraft, aber nicht über die politische Handlungsvollmacht. Die liegt vielmehr nach wie vor bei der traditionellen Herrschaft, die sich, wie sehr auch unter ihrem Einfluss und mit ihrer Hilfestellung, doch aber wesentlich selbsttätig ermächtigt, vereinzelt und zum Souverän verabsolutiert, indem sie ihresgleichen enteignet, dezimiert und zur höfischen Gesellschaft tableauisiert.

Es ist, als hätte die ökonomische Substanz der ganzen Entwicklung, das heimliche Telos des kommerziellen Austauschs, das um seine Selbstverwertung beziehungsweise um die Requirierung der dafür nötigen Produktionsprozesse kreisende Handelskapital die, wie man will, grundlegenden Elemente oder bestimmenden Faktoren in zwei verschiedene Hände gegeben oder auf zwei verschiedene Schultern verteilt, kurz, zwei verschiedenen gesellschaftlichen Subjekten anvertraut. Während die hierbei zur Kaufmannschaft sich mausernden kommerziellen Funktionäre die ökonomischen Institutionen im Allgemeinen und das aus den städtischen Produktionsgemeinschaften synthetisierte Marktsystem im Besonderen in Gang setzen und entfalten, sorgen die hierbei als souveräne Landesfürsten sich etablierenden feudalen Herrschaften, die sich durch das Marktsystem begünstigt finden, für die Schaffung von den Anforderungen der Ökonomie entsprechenden sozialen Strukturen im Allgemeinen und auf ihren Hoheitsgebieten jeweils zentralistisch homogenisierten Produktions- und Zirkulationsbedingungen im Besonderen.

Indes, die der Hypostasierung verdächtige Formulierung von der zweigleisig wirkmächtigen ökonomischen Substanz trifft zwar den Punkt, dass ohne die letztere gesellschaftliche Entwicklung gar nicht erst oder jedenfalls nicht in dem für die europäische Szene typischen eklatanten Maß stattfände, verschleiert aber im Zweifelsfall die nicht minder wichtige Tatsache, dass diese Entwicklung in einem Strukturrahmen vor sich geht, der sich durch originäre, in der Ambivalenz der Gesellschaft, ihrem Zugleich von weltflüchtiger Perspektive und irdischem Beharren, begründete Zwieschlächtigkeit auszeichnet und dass also das Wirken zweier ebenso sehr syntaktisch aufeinander bezogener wie systematisch voneinander verschiedener Willen nicht Folge eines unerforschlichen substanziellen Ratschlusses, sondern einer unausweichlichen strukturellen Konstitution ist.

Wie gezeigt, entsteht ja das von der kommerziellen Funktion zum interterritorialen Markt herausprozessierte ökonomische System in den durch die mönchisch-klerikale Okkupation in das dichte Corpus der feudalherrschaftlichen Gesellschaft hineingesprengten Poren oder Freiräumen und kann sich in diesen Freiräumen nur erhalten und entfalten beziehungsweise kann diese Freiräume nur zu einem den feudalherrschaftlichen Gebieten als Komplement eingeschriebenen festen und allgemein anerkannten Gegenstück werden lassen, weil und in dem Maße, wie es ihm gelingt, die feudale Herrschaft, die politische Macht der Territorien, denen es sich inkorporiert findet, in mehrerer Funktion, als Konsumentin, als machtstrategisch Bevorteilte und als finanziell Begünstigte, an sich zu binden beziehungsweise sich zu integrieren und so mit ihr eine durch die dramatische Einheit des Orts, der Zeit und der Handlung aufs Engste verknüpfte Interessengemeinschaft zu bilden. Dass für diese, der Zwieschlächtigkeit einer ursprünglich heilsgeschichtlichen Orientierung und einer durchgängig feudalherrschaftlichen Fixierung entsprungene Interessengemeinschaft nicht nur die Simultaneität der Zeit und die Kontinuität der Handlung, sondern auch und mehr noch die Unität des Raums erforderlich ist, unterscheidet sie von ihren antiken Vorgängerinnen und begründet zugleich ihre spezifisch neue Dramatik.

Dass das städtische Marktsystem als beileibe zwar nicht im praktisch-reellen, wohl aber im technisch-funktionellen Sinne so zu nennender Schmarotzer seiner ländlichen Wirtsgesellschaft unmittelbar eingepflanzt ist, dass er sich mit dem umfassend territorialen Corpus oder Organismus als durchgängig kommunaler Fremdkörper oder Inkubus spatial verschränkt und ein- und denselben, wie immer in marktwirtschaftliche Freiräume und fronwirtschaftliche Herrschaftsgebiete sektionierten Raum und Kontext teilt, bedeutet nämlich, dass anders als in der Antike die beiden kohabitierenden Systeme zu keiner unabhängigen Bewegung oder eigenständigen Entwicklung mehr imstande sind und deshalb einander auch nicht mehr wie in der Antike zur fremden Gewalt, zum Schicksal, sprich, zur Ursache einer von außen bewirkten Richtungsänderung oder Umwälzung werden können. In dem Augenblick, wo einer von beiden in irgendeiner Hinsicht für sich zu bleiben und eigene Wege zu gehen suchte, würde das wegen ihres räumlichen Miteinander oder vielmehr topischen Ineinander für den jeweils anderen unmittelbar durchschlagende und im Zweifelsfall verheerende Folgen haben, die ebenso unmittelbar auf den Verursacher zurückschlügen und auch ihn im Zweifelsfall zugrunde richteten.

So gewiss sie – anders als die beiden das antike Gesamtsystem ausmachenden und ebenso gesellschaftlich eigenständigen wie räumlich getrennten Sozialformationen der Handelsstadt und des Territorialstaats – einander nicht zum Schicksal werden können, so gewiss bilden sie aber ihrerseits, wenn man so will, eine Schicksalsgemeinschaft, will heißen, eine Totalität, die, solange nicht äußere Gewalten auf sie einwirken – was zwar in Gestalt hunnischer, mongolischer, arabischer oder osmanischer Expansionsversuche wiederholt geschieht, aber doch ebenso marginal wie ephemer bleibt –, ihr Schicksal in sich selber trägt oder deren Schicksal, besser gesagt, in dem Wechsel-, Wider- und Zusammenspiel beschlossen liegt, das den in der ständigen Kontiguität oder vielmehr Komplexität ihres topischen Ineinander operierenden beiden Systemen ihre je eigenen Lebensprinzipien und Funktionsmechanismen aufzwingen.

Politisch-systematisch heißt das, dass sich die beiden kohabitierenden Systeme wie kommunizierende Röhren verhalten, dass jede noch so geringfügige Bewegung, die das eine System macht, oder jede noch so angedeutete Entwicklung, die es nimmt, beim anderen augenblicklich eine Reaktion im vollen Sinne des Wortes hervorruft und nämlich die Bewegung oder Entwicklung des anderen uno actu inspiriert, das heißt, positiv befördert, determiniert, das heißt, durch die Spezifik des auf sie einwirkenden Impulses fremdbestimmt, und retaliativ disponiert, das heißt, dazu führt, dass letztere kraft der Spezifik ihres eigenen Impulses negativ, sprich, verändernd, auf erstere zurückschlägt.

Und das wiederum bedeutet, historisch-strategisch betrachtet, dass die Entwicklung, die beide gemeinsam beschreiben, eine ausgemachte Kontinuität aufweist und, unbeschadet ständig auftretender Krisen und Brüche, eher evolutionären Charakters ist, als revolutionäre Beschaffenheit besitzt. Dass die beiden Systeme einander nicht zum äußeren Schicksal werden können, sondern ihr Schicksal in den eigenen, einander uno actu befördernden, fremdbestimmenden und als Quelle eigener Reorientierung erfahrenden Prinzipien und Mechanismen finden, hat ja – weniger metaphorisch geredet und das Schicksal in seiner empirischen Gestalt und Wirkungsweise gefasst! – seinen wesentlichen Grund darin, dass dank ihrer topischen Komplexität und dank der daraus resultierenden, im Bild der kommunizierenden Röhren gefassten Unmittelbarkeit ihrer Reaktionen, ihrer durch Veränderungen beim jeweils anderen provozierten Adaptionen, die beiden Systeme gar nicht mehr die Gelegenheit finden, sich hinlänglich auseinander zu entwickeln und unabhängig voneinander zu werden, um diskontinuierlich auf einander einwirken und sich destabilisieren, einander umstürzlerisch zusetzen zu können, dass sie sich vielmehr ständig gegenseitig in Schach halten, jedem drohenden Konflikt und Zerwürfnis durch unverzügliche wechselseitige Anpassung zuvorkommen und die Spitze abbrechen und in Gestalt solchen, ihre Entwicklung als ein unauflösliches Amalgam aus Autonomie und Heteronomie erscheinen lassenden ständigen Anpassungsprozesses über Sicherungen verfügen, die eben dieser ihrer Entwicklung eine außerordentliche Stabilität und Kontinuität verleihen – eine Stetigkeit, die eigentlich erst und nur dann in Gefahr geraten und der Perspektive umwälzender Veränderungen weichen kann, wenn aufgrund der durch die Dynamik der eigenen Prinzipien aufgenommenen Geschwindigkeit und gesammelten Stoßkraft in der Entwicklung das eine System in seinen Ansprüchen und Zumutungen das andere so entschieden überfordert, dass letzteres nicht mehr angemessen reagieren, sich nicht mehr darauf einstellen und dadurch ersteres zu entsprechenden Anpassungsleistungen nötigen kann.

Dabei darf diese strukturalisierende, ein Parallelogramm der Kräfte, ein spannungsreich-reaktives Miteinander postulierende Darstellung freilich nicht vergessen machen, dass es sich um eine gewichtete Struktur, einen Fall von prozessförmig-arbeitsteiligem Zusammenwirken handelt. In dieser Arbeitsteilung fällt der kommerziellen Funktion mit dem durch sie gestifteten und organisierten Marktsystem die Initiative zu: Sie ist die ökonomisch treibende Kraft beziehungsweise verkörpert in Gestalt des sie bestimmenden Akkumulationsprinzips diese treibende Kraft, die für historische Bewegung sorgt, sprich, die Gesellschaft zur permanenten und immer mehr an Impetus gewinnenden Veränderung zwingt.

Der politischen Macht und ihrem Herrschaftssystem hingegen, der feudalen Ordnung und dann dem absolutistischen Staat, fällt im Wesentlichen die Aufgabe zu, aus dem ökonomischen Antrieb soziale Konsequenzen zu ziehen, sprich, nach Maßgabe des eigenen Anspruchs auf Erhaltung und im Rahmen der durch diesen Anspruch diktierten Logik eben jene von der kommerziellen Funktion im Interesse des expansiven Markts und des akkumulativen Handelskapitals geforderten Veränderungen in der institutionellen Verfassung und korporativen Organisation der Gesellschaft durchzusetzen. Aber wohlgemerkt, nach Maßgabe und im Rahmen ihrer bestehenden und auf ihrem wie auch immer revidierten Fortbestand bestehenden Herrschaftsordnung und Institutionslogik setzt die politische Macht die vom ökonomischen Movens erheischten Veränderungen durch und wirkt damit nolens volens auf die Bewegung und Entwicklung des Movens selbst zurück, schreibt wiederum ihm die Richtung seines Impetus und die Bedingungen seiner Entfaltung vor!

Das heißt, das gewichtete Verhältnis, dem zufolge das ökonomische System, der Markt, den Motor der Entwicklung und die politische Ordnung, die Herrschaft, das Getriebe bildet, begründet nicht etwa einen kompetenzspezifischen Vorrang des ersteren über die letztere, eine von ersterem über letztere ausgeübte Planungshoheit oder Weisungsbefugnis, geschweige denn eine epistemische Selbstmächtigkeit und überlegene Einsicht des ersteren, die, wie sie ihm erlaubte, einen quasi teleologischen Durchmarsch ins Werk zu setzen und den historischen Entwicklungsprozess frei zu gestalten, so letztere zwänge, sich dabei als rein abhängige Funktion, als bloßes Faktotum, als fügsam ausführendes Organ zu verhalten. Vielmehr stiftet das Verhältnis nichts weiter als die im Bild der kommunizierenden Röhren gefasste und wie sehr auch prozessdynamisch ausgerichtete strukturalistische Äquilibristik, die beiden in topischer Komplexität verhaltenen Systemen ihre oben mit den Begriffen der ökonomischen Antriebskraft und der politischen Handlungsvollmacht beschriebenen Rollen zuweist beziehungsweise belässt und beide demselben in der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Rolle komplexitätsbedingt beschlossenen Zugleich von Autonomie und Heteronomie, Initiative und Konsequenzzieherei, aktiver Intentionalität und reaktiver Funktionalität ausliefert.

Weit entfernt davon also, dass die Betreiber der ökonomischen Substanz, die Kaufleute, sich als die Drahtzieher der Entwicklung gerieren könnten, sind sie vor dem Hintergrund der von Grund auf dichotomischen Gesellschaftsstruktur, in der die Substanz sich bewegt und entfaltet, ebenso blinde und auf ihre wirtschaftlich-technische Funktion beschränkte und ausschließlich mittels ihrer die Entwicklung vorantreibende Akteure, wie die Herren es in Wahrnehmung ihrer gesellschaftlich-politischen Aufgabe sind. Jeweils nur mit der eigenen Erhaltung und Entfaltung befasst, wirken sie dank ihres dem topischen Ineinander geschuldeten und im Bild der kommunizierenden Röhren gefassten Reaktionsmechanismus zusammen und bilden jene die Entwicklung tragende und in wechselseitiger Beförderung, gegenseitiger Behinderung und interaktiver Bestimmung resultierende symbiotische Interessengemeinschaft, die umso reibungsloser und effektiver funktioniert, je weniger die Involvierten über ihren funktionellen Tellerrand schauen, je mehr sie sich in die Rolle von nach Maßgabe ihrer Arbeitsteilung uno actu agierenden und reagierenden bornierten Interessengruppen hineinfinden.

Der Weg vom Feudalismus zum Absolutismus fällt bei den Staaten, die ihn beschreiten, England, Frankreich, Spanien, Schweden, je nach historischen Ausgangsbedingungen und geopolitischen Umständen verschieden aus, wobei sein im Dreißigjährigen Krieg kulminierendes Scheitern im Zentrum Europas eine für die erfolgreiche Entwicklung an der Peripherie wichtige Voraussetzung bildet.

Ein Musterbeispiel für diese Korrelation zwischen Rollenblindheit und Effektivität bietet die britische Insel mit der Art und Weise, wie sie den Übergang vom traditionellen feudalen Herrschaftssystem zur aktuellen, absolutistischen Machtausübung vollzieht; sie avanciert dadurch zum Vorreiter der kommerziellen Entwicklung und der ihr korrespondierenden sozialen Neuordnung. Katalytisches Ferment des Übergangs ist hier ein auf den ersten Blick ganz und gar herkömmlichen feudalherrschaftlichen Ambitionen entspringender und in der ganz und gar gewohnten Form von Ritterheeren und chevaleresken Schlachten ausgetragener Konflikt, ausgelöst durch eine dynastische Bestrebung, den Anspruch des englischen Königshauses auf die französische Krone. Schaut man genauer hin, entdeckt man freilich für diesen scheinbar bloß dynastischen Konflikt substanziellere und mit der für die Zeit typischen Neubegründung politischer Herrschaft durch Zentren kommerziellen Reichtums und ökonomischer Macht besser vereinbare Gründe, die zugleich erklären, warum er mit solcher Beharrlichkeit, nämlich mehr als ein Jahrhundert lang, ausgetragen wird: Der langdauernde Konflikt wäre nicht möglich ohne die finanzielle Unterstützung des blühenden Handelszentrums London, und er ergäbe keinen Sinn ohne die Aussicht auf den Erwerb Flanderns und der dort angesiedelten städtischen Produktionsgemeinschaften mit ihrer in der damaligen Zeit führenden Industrie, der Tuchherstellung, ganz zu schweigen von der weiterreichenden Hoffnung auf die Einnahme der Hauptstadt des französischen Königreichs, des Handelszentrums Paris. Insoweit lässt sich dieser Krieg als ein hegemonialer Kampf im oben als Übergangsphänomen beschriebenen Sinne einer angestrebten strategischen, politischen und fiskalischen Verfügung über ökonomische Machtzentren zum Zwecke der Vorherrschaft über die Standesgenossen, die feudalen Konkurrenten, verstehen.

Dass dabei aus Sicht der handelnden Feudalherrschaft die ökonomische Verfügung nur das Mittel und der eigentliche Zweck der politische Triumph über die Konkurrenten und dass also die Feudalherrschaft weit entfernt davon ist, sich als Handlanger kommerzieller Interessen zu gerieren, dafür scheint im vorliegenden Fall ein sonnenklarer Beweis die Tatsache, dass die Kriegführenden gegebenenfalls, wenn es die militärische Lage erfordert, durchaus nicht davor zurückschrecken, den Hauptkampfpreis, die flandrischen Städte und ihre Wirtschaftskraft, zu schädigen und aufs Spiel zu setzen, und dass also etwa England den florierenden Handel mit Flandern unterbindet und das Land einer Blockade unterwirft, um es für sein zwischenzeitliches Bündnis mit Frankreich zu bestrafen.

Indes, der scheinbare Beweis für die Ökonomieunabhängigkeit des dynastischen Konflikts erweist sich tatsächlich als in ihren Folgen ökonomisch entscheidende Aktion. Die Blockadepolitik schädigt nämlich zwar die flandrische Wirtschaft, aber sie provoziert auch eine Auswanderungswelle flandrischer Weber nach England, in das Land, aus dem ihr Rohstoff, die Wolle, kommt, und führt damit dem Handelszentrum London Produktionskapazitäten zu, die es zum ersten wirklichen politisch-ökonomischen Machtzentrum der neuzeitlichen Geschichte und nämlich zum Ausgangspunkt oder zur Keimzelle eines selbsttragenden, weil auf einer Produktionsbasis sui generis aufbauenden, umfassenden und am Ende weltweiten Handelssystems werden lässt, als dessen frühester institutioneller Ausdruck beziehungsweise repräsentativer Agent die um die Wende vom vierzehnten zum fünfzehnten Jahrhundert gegründete Handelskompanie der Merchant Adventurers gelten kann.

Mit diesem ebenso unabsichtlich wie zielstrebig verfolgten und beileibe nicht im Auftrag, wohl aber im Interesse der heimischen Ökonomie durchgesetzten komplettierenden Ausbau des Handelszentrums London ist, post festum betrachtet, der wahre Zweck oder, weniger teleologisch gefasst, der eigentliche Effekt des Krieges erreicht, und wenn der letztere dennoch eine ganze Zeit lang weitergeführt wird und in den Kampfhandlungen sogar eskaliert und seinen Gipfelpunkt erreicht, dann vielleicht aus einem Grund, der erst am Ende, im unmittelbaren Anschluss an den Hundertjährigen Krieg, in den so genannten Rosenkriegen, in den jener bruchlos übergeht, manifest wird – um nämlich im Sinne quasi eines Abnutzungskrieges die herrschende Feudalschicht, den dynastisch maßgebenden Adel, sich so aufreiben und dezimieren zu lassen, dass der anfängliche, ebenso sehr auf Basis ökonomischer Machtzentren wie um ihretwillen ausgetragene Streit zwischen territorialen Machthabern, regional mächtigen Baronen, um die hegemoniale Vorherrschaft sich gleichermaßen konzentrieren und generalisieren und – parallel beziehungsweise korrespondierend zur Herausbildung Londons zum alle ökonomischen Konkurrenten überstrahlenden einen, entscheidenden Handels- und dann auch Produktionszentrum der Insel – aus einem pluralen landesweiten Streit um die territoriale Vorherrschaft in einen dualen, gezielten Kampf um die städtische Machtbasis übergehen kann, um in der auf dieser Machtbasis errichteten absolutistischen Alleinherrschaft seinen krönenden Abschluss zu finden.

Als eine Art Beweis für diese, zumindest in der Spätphase der kriegerischen Auseinandersetzungen erkennbare bewusstlose Tendenz der feudalen Oberschicht, sich nach Maßgabe einer die ökonomische Vereinheitlichung vorantreibenden politischen Zentralisierung des Landes selber in die Pfanne zu hauen und aus dem Weg zu räumen, eigenhändig zurückzunehmen und zuzurichten, mag die zunehmende Abstraktheit der herrschaftsinternen beziehungsweise herrschaftseigenen Auseinandersetzungen, ihre immer stärkere Beschränkung auf die eigenen Reihen gelten. Während in der Frühphase der durch die kommerzielle Entwicklung provozierten hegemonialen Übergangszeit die Kämpfe noch das ganze Land und alle Schichten unterschiedslos in Mitleidenschaft ziehen und deshalb auch von massiven sozialen Unruhen und religiös artikulierten revolutionären Umtrieben begleitet sind, bleiben sie im Hundertjährigen Krieg, zumal nachdem dessen oben vermerkter, eigentlicher Effekt erzielt ist, weitgehend das jenseits der anderen Schichten, außerhalb der Insel, betriebene Geschäft der feudalen Schicht selbst, die, einem Hirngespinst, einer ins kontinentale Europa verlagerten Projektion des kommerziellen Reichtums im eigenen Land nachjagend, sich an dem Widerstand, auf den sie in Verfolgung ihrer Projektion trifft, aufreibt.

Als sich dann die dank ihrer projektiven Eskapaden bereits arg dezimierte Feudalschicht vom kontinentalen Widerstand auf die Insel zurückgeworfen findet, sieht sie sich dort dem Realobjekt ihrer Projektion, der großen Siegprämie London, konfrontiert und verfällt in die Raserei der Rosenkriege, aus deren ganz und gar auf ihre eigenen Reihen beschränktem Gemetzel wie Phönix aus der Asche der erste absolutistische Herrscher, der Begründer des Hauses Tudor, hervorgeht.

Weniger paradox beziehungsweise dialektisch verläuft die Entwicklung zur absolutistischen Königsherrschaft im benachbarten Frankreich, weil es dort nicht so sehr wie in England um die politische Vereinigung und Zentralisierung eines hegemonialherrschaftlich zerstrittenen Landes im heimlichen Interesse oder pro domo secreto des einen übermächtigen ökonomischen Zentrums geht, sondern weil hier leitendes politisches Ziel die territoriale Expansion eines von starken Nachbarn und Regionalherren eingezwängten und bis Ende des zwölften Jahrhunderts praktisch auf die Krondomänen im Umkreis des Seinebeckens zurückgedrängten Königtums ist, die auch und zugleich im Interesse des im Seinebecken angesiedelten Handelszentrums Paris liegt.

Aus ganz unterschiedlichen und erst spät bewusst in Zusammenhang miteinander gebrachten und koordinierten Interessen ziehen hier Feudalherrschaft und kommerzielles System an einem Strang: Während die Betreiber des ökonomischen Machtzentrums Paris durch ihre fiskalischen Beiträge und ihre strategische Unterstützung dem Königtum seinen territorialen Expansionsdrang zu alimentieren und zu befriedigen helfen, bietet das Königtum wiederum dadurch, dass es mangels funktionierendem lehnsherrschaftlichem System, auf das es zurückgreifen könnte, die zurückgewonnenen beziehungsweise neu eroberten Gebiete einer unmittelbaren königlichen und zunehmend von Vertretern des marktabhängigen bürgerlichen Standes wahrgenommenen Verwaltung unterwirft, den Marktbetreibern idealen Entfaltungsraum und beste Wachstumsbedingungen.

Allerdings bleiben damit – anders als in England, wo das hauptstädtisch-kommerzielle Machtzentrum einen vom feudalherrschaftlichen Tun und Beginnen unabhängigen und teils eigener Dynamik entspringenden, teils unabsichtlicher herrschaftlicher Hilfestellung geschuldeten Aufstieg erlebt – die kommerzielle Funktion und ihr Marktsystem angewiesen auf den Erfolg der königlichen Expansionsstrategie und entwickeln sich gleichermaßen im Schlepptau und im Schatten der königlichen Macht. Das heißt, das hauptstädtisch-kommerzielle Geschehen steht, ungeachtet der tragenden Rolle, die es für den Entfaltungsprozess der Königsherrschaft spielt, von Anfang an in einem Verhältnis direkter Abhängigkeit zu letzterer und funktioneller Bindung an sie, oder, anders ausgedrückt, das neue, marktwirtschaftliche System unterliegt von Anbeginn an in hohem Maße der politischen Aufsicht oder Staatsregie.

Wirkt in England die Königsherrschaft eher wie die an unsichtbaren Fäden gezogene Marionette einer ebenso tatkräftigen wie bewusstlosen Puppenspielerin, so macht sie in Frankreich eher den Eindruck eines Gutsherrn, der zwar durchaus nach der Pfeife seiner Prokuristin tanzt, aber nur, wenn sie die Melodie spielt, die der Befriedigung seiner beiden großen Passionen, der Mehrung seiner Güter und der Finanzierung seines Lebensstils, förderlich ist.

Diesen dem Ökonomischen widerfahrenden Zwang, sich dem Politischen unterzuordnen, den die Abhängigkeit der Marktentwicklung von der herrschaftlichen Expansion mit sich bringt, erfährt die soziale Klientel des Marktsystems, das Bürgertum, durchaus als solchen und wäre ihn gern los. Und unter dem Deckmantel eines religiösen Konflikts, der Auseinandersetzung des bürgerlich reformierten Glaubens mit der vom König qua Staatskirche vereinnahmten katholischen Religion, macht das Bürgertum auch Anstalten, der Königsherrschaft die Stirn zu bieten und notfalls unter Aufkündigung seiner staatsbürgerlichen Loyalität, seiner Untertänigkeit, auf größeren politischen Freiheiten, auf mehr Unabhängigkeit von einer zunehmend absolutistischen Bevormundung zu bestehen. Indes, die Crux dieses bürgerlichen Aufbegehrens besteht darin, dass es Hand in Hand mit ständischen Ansprüchen geht, dass sich ihm unter dem gleichen religiösen Deckmantel Teile des Adels, Repräsentanten der alten feudalen Schicht, anschließen und im Interesse der Behauptung regionaler Machtpositionen und partikularer Selbständigkeit gemeinsame Sache mit dem Bürgertum machen.

Auf diese Weise wird das bürgerliche Aufbegehren gegen die allzu straffe königliche Lenkung und staatliche Regie unverhofft zu einem Sammelbecken des Widerstandes gegen die Vereinheitlichung und Zentralisierung des Landes, die doch im ureigensten Interesse des das Bürgertum ökonomisch tragenden und ins politische Leben rufenden Marktsystems und seiner handelskapitalen Substanz liegt. In dieser dilemmatischen Situation, in die sein heteronomisierter Widerstand es bringt, entscheidet sich das Bürgertum im Sinne seiner ökonomischen Substanz für den Pakt mit der – wenngleich für den bürgerlichen Geschmack politisch allzu dominanten – Königsherrschaft und gegen das Insistieren auf einem – allzu sehr dem Regionalismus und der Partikularisierung in die Hände spielenden – weitestgehenden Liberalismus des Marktes, eine Entscheidung, die in der Person des den religiösen Deckmantel abwerfenden und vor der Staatskirche den Kotau machenden "bürgerlichen" Königs Heinrich, des ersten absolutistischen, politische Souveränität mit ökonomischer Botmäßigkeit verbindenden Herrschers Frankreichs, ihren redenden Ausdruck findet.

Weit stärker noch als in Frankreich entfalten sich in Spanien das Marktsystem und seine bürgerliche Klientel im Schlepptau und Schatten eines territorial expandierenden feudalen Königtums, das bis zu den Katholischen Königen sogar in mehrfacher Ausfertigung auf der Iberischen Halbinsel operiert. Dabei sieht sich die territoriale Expansion mit der durch sie angestrebten Vereinigung des Landes und Zentralisierung der Gesellschaft weit schwierigeren Konditionen konfrontiert, weil sie sich qua Reconquista nicht nur und nicht primär gegen starke Regionalmächte, partikularistisch auftrumpfende Granden durchsetzen muss, sondern ebenso sehr und vor allem gegen die Hinterlassenschaft der muslimischen Expansion, die zahlreichen, aus dem Zerfall des spanischen Omaijadenreichs hervorgegangenen maurischen Fürstentümer, und weil die aus der bewegten Geschichte der Halbinsel resultierende ethnisch-kulturelle Vielgestaltigkeit und Diversität der Populationen sich auch und natürlich auf das kommerzielle System und seine Produktionsgemeinschaften erstreckt und angesichts der gegeneinander relativ apart sich behauptenden christlichen, maurischen, mozarabischen oder jüdischen Gemeinschaften von einem als System funktionierenden Marktzusammenhang oder gar von einer dem System als einheitliche soziale Schicht zuzuordnenden bürgerlichen Klientel eigentlich gar nicht die Rede sein kann.

Auch wenn die auf Vereinheitlichung und Zentralisierung gerichtete Expansion der Königsherrschaft ohne kommerzielle Machtzentren wie im Falle Aragoniens Barcelona oder im Falle Kastiliens Toledo sicher gar nicht vor sich gehen könnte, bleibt sie doch, aufs Ganze der ökonomischen Entwicklung gesehen, eher ein auf den Borg oder pro cura eines künftigen übergreifenden Marktsystems lanciertes Unterfangen, als dass sie auf der Basis oder pro domo einer bestehenden marktsystematischen Realität stattfände – soweit sie nicht überhaupt von außen instigiert ist und durch – wie man will – das unwiderstehliche Vorbild oder den zum Widerstand zwingenden Druck des französischen Nachbarn und Konkurrenten vorangetrieben wird.

Was die interne Motivation für den politischen Einigungsprozess angeht, so tritt jedenfalls an die Stelle des als allgemein treibendes Moment nicht verfügbaren materiellen Erfordernisses eines durch feudale Schranken unbehinderten und mit absolutistischer Macht als die herrschende Verkehrsform landesweit durchzusetzenden kommerziellen Austauschs ein spirituelles Surrogat, die Forderung nämlich nach uneingeschränkter Verbindlichkeit des einen, katholischen Glaubens und einer kraft seiner gewährleisteten vollständigen kulturellen Homogenität beziehungsweise sozialen Uniformität. Auch wenn diese mit dem machtvollen Mittel einer ineins kirchlichen und staatlichen Einrichtung, der Inquisition, zur Geltung gebrachte Forderung auf den ersten Blick mehr als ein Surrogat und tatsächlich ein Vehikel zur Schaffung einer generalisierten, nicht mehr durch ethnische Schranken und soziales Gruppendenken beeinträchtigten Austauschsituation scheinen könnte, erweist sie sich doch in der Praxis als in höchstem Maße kontraproduktiv, weil ihre mit ebenso viel Gewalt wie Glaubenseifer betriebene Durchsetzung eher auf die Vertreibung der kommerziell aktiven Gruppen beziehungsweise auf die Zertrümmerung ihres Sozialgefüges und die Zerstörung ihrer kulturellen Identität als auf ihre gesellschaftliche Vermittlung und ihre kulturelle Anpassung oder gar ethnische Integration zielt.

Weit entfernt davon, dass der als Surrogat einspringende Antrieb für den politischen Einigungsprozess dazu beitrüge, eine Assimilierung und Homogenisierung der für das Marktsystem relevanten Gruppen ins Werk zu setzen, vertreibt beziehungsweise dezimiert er diese nur und schwächt beziehungsweise vernichtet so die ökonomischen Potenziale, auf deren Mobilisierung und Kräftigung der auf den Absolutismus hinauslaufende Einigungs- und Zentralisierungsprozess doch ebenso sehr angewiesen wie gerichtet ist.

Wenn in diesem Fall der Weg zum politischen Absolutismus einer souveränen Königsherrschaft dennoch erfolgreich zurückgelegt werden kann, statt mangels marktsystematisch-ökonomischer Basis im Treibsand permanenter hegemonialer Machtkämpfe zu enden, dann dank einer unverhofften historischen Wendung, die zwar angesichts der expansiven, in den frühen Erkundungsfahrten und Kompaniegründungen über den europäischen Raum hinausweisenden Tendenzen des Marktsystems beileibe nicht als kontingentes Ereignis gelten kann, aber doch, was den Ort und Kontext ihres Eintritts betrifft, durchaus den Eindruck einer Laune der Geschichte macht: der Entdeckung und Kolonialisierung Amerikas von spanischem Boden aus. Die Reichtümer, die die spanische Königsherrschaft in diesen Kolonien erbeutet, insbesondere die Edelmetallmengen, die aus den dort unterworfenen und zerschlagenen Häuptlingsherrschaften und Theokratien beziehungsweise aus den von letzteren genutzten Schürfstellen und Bergwerken nach Spanien fließen, reichen aus, die mangelnde Unterstützung der politischen Machtzentrale durch das schwache beziehungsweise infolge des Katholisierungswahns zusätzlich geschwächte Marktsystem zu kompensieren.

Und sie reichen nicht nur zur Kompensation der fehlenden kommerziellen Zuwendungen aus, sie fließen sogar so reichlich, dass die finanzielle Ausstattung des spanischen Königreichs die Haushalte aller anderen europäischen Königsherrschaften in den Schatten stellt und jenem zu einer absolutistischen Frühblüte verhilft. Dank ihrer kolonialen Schätze kann das Katholische Königtum Spaniens ein halbes Jahrhundert lang eine Macht- und Prachtentfaltung betreiben, die es nicht nur zum absolutistisch unangefochtenen Herrn im eigenen Haus werden, sondern die es mehr noch die Rolle eines für den kommerziellen Aufschwung Gesamteuropas entscheidend wichtigen Geldgebers und Großkonsumenten übernehmen lässt. Die spanische Doublone wird zum wesentlichen Vehikel jener europaweit erweiterten Mehrwertrealisierung, die als ursprüngliche Akkumulation wiederum zur Grundlage der das kommerzielle Kapital in Kapital sans phrase überführenden manufakturellen und industriellen Entwicklung wird.

Allerdings bleibt die auf das Silber und Gold Amerikas gegründete absolutistische Frühblüte der spanischen Monarchie, wenn auch nicht geradezu eine Scheinblüte, so doch jedenfalls ein ephemeres Glanzstück. Als nicht zuletzt dank des spanischen Konsums die ursprüngliche Akkumulation in den Nachbarstaaten vollzogen ist und die dortigen kommerziellen Systeme mit den ihnen zuarbeitenden Produktionskapazitäten gestärkt genug sind, um die anschließende manufakturelle und industrielle Entwicklung selbsttragend durchlaufen zu können, findet sich das spanische Staatswesen wegen der strukturellen Schwäche seines kommerziellen Systems rasch ins Hintertreffen geraten und abgehängt und erweist sich der eigene koloniale Schatz als bloßer Initialzünder für das Fortkommen der anderen – und dies nicht nur und nicht einmal primär deshalb, weil die anderen ihre wachsende, mit der Expansion ihrer Handelssysteme Hand in Hand gehende militärische Stärke im Allgemeinen und maritime Überlegenheit im Besonderen zunehmend dazu nutzen, den spanischen Galeonen den Schatz beim Transport aus den Kolonien ins spanische Mutterland abzujagen.

Bietet Spanien ein gutes Beispiel dafür, wie sich eine politische Herrschaft trotz defizienter ökonomischer Basis, sprich, minimaler marktwirtschaftlicher Konditionierung dennoch absolutistisch entwickeln kann, so bildet Schweden das genaue Gegenstück hierzu und exemplifiziert, wie eine starke ökonomische Basis, sprich, marktwirtschaftliche Konditionierung, eine absolutistische politische Herrschaft quasi aus dem Boden stampfen kann. Durch seine in den mittleren Landesteilen konzentrierte Exportgüterindustrie (Holz, Kupfer, Eisen) motiviert, befreit sich Schweden unter der Führung des aufständischen Adligen Gustav Wasa und mit hanseatischem Beistand endgültig aus dem schon lange als beengend erfahrenen Korsett der von Dänemark dominierten Kalmarer Union und erringt, nachdem es sich wiederum im Bund mit den dänischen und norwegischen Nachbarn der hanseatischen Vormundschaft und der ökonomischen Gängelung durch die Hanse entledigt hat, eine hegemoniale Stellung und auf dem Gipfelpunkt seiner Karriere schließlich sogar die territoriale Vorherrschaft über den Ostseeraum.

Dabei dient diese Expansionspolitik, die im Innern Hand in Hand mit dem Aufstieg des Königshauses zu absolutistischer Macht geht, zwar im Prinzip durchaus den marktsystematischen Export- und Handelsinteressen, auf denen sie aufbaut; im Fortgang aber kehrt sie zunehmend die Eigengesetzlichkeit oder vielmehr Eigenwilligkeit eines ökonomischer Rationalität sich entziehenden absolutistischen Großmachtstrebens heraus und erlebt in der militärischen Niederlage des Abenteurers Karl XII. den unvermeidlichen Rückschlag und Einbruch, in dessen Konsequenz die Stände im Allgemeinen und das Bürgertum im Besonderen, dem ökonomischen Machtverhältnis gemäß, politisch erstarken und Schweden seinen allen genannten Staaten vorgeschriebenen, aber in unterschiedlichem Tempo und in verschiedener Form zurückgelegten Übergang vom königlichen Absolutismus zum bürgerlichen Nationalismus antritt.

Allen bisher genannten Beispielfällen für den Übergang von der Feudalherrschaft zum absolutistischen Regime ist gemeinsam das im Bild von den kommunizierenden Röhren mehr schlecht als recht gefasste Zugleich von Autonomie und Heteronomie, das die beiden für den Übergang entscheidenden Faktoren, Kommerz und Herrschaft, ökonomisch treibende Substanz und politisch handelndes Subjekt charakterisiert, dass also die Beiden in ihrer eigengesetzlichen Entwicklung eher aufeinander reagieren und durch ihre Reaktion einander bewusstlos bestimmen, als dass sie bewusst aufeinander Einfluss zu nehmen und einander aktiv zu instrumentalisieren suchten – und dies unbeschadet dessen, dass der Kommerz, die ökonomisch treibende Substanz, eben das treibende Element ist, ohne das gar kein Übergang erforderlich würde und stattfände, während die Herrschaft, das politisch handelnde Subjekt, durch dies treibende Element immer neu in Gang gesetzt und auf Trab gebracht werden muss, um dann freilich als Exekutive, als in der Ausführung seine Eigengesetzlichkeit zum Tragen bringendes Organ, dem treibenden Element wiederum eine revidierte Bestimmtheit und modifizierte Orientierung zu verpassen.

Anders liegt der Fall in Deutschland. Hier ist tatsächlich der Versuch der ökonomisch treibenden Substanz beziehungsweise ihrer Repräsentanten, der Betreiber des Marktes, zu erkennen, direkt und bewusst das politisch handelnde Subjekt in ihrem Sinne zu lenken, es als Werkzeug beziehungsweise Vehikel zur Durchsetzung ihres handelskapitalen Akkumulations- und Expansionsinteresses zu machen. Und das Ergebnis dieses vom Marktsystem unternommenen Versuchs, die gesellschaftliche Herrschaft gezielt zu beeinflussen und zu steuern, scheint denn aber auch zu bestätigen, dass der Erfolg der Kollaboration der beiden für den Fortschritt zum Absolutismus entscheidenden Faktoren wesentlich an der Bewusstlosigkeit und reaktiven Unmittelbarkeit ihres Zusammenwirkens hängt.

Durch seine Schlüsselstellung im kontinentalen Nord-Süd-Handel zu Reichtum gelangt, setzt der süddeutsche Kommerz auf die in Süddeutschland dominierende Territorialherrschaft, die Habsburger Dynastie, die als quasi Erbin der Staufer im Südwesten und dann vor allem im Südosten des Reichs durch militärische Erfolge und dynastische Verbindungen in den Besitz umfänglicher Territorien gelangt ist. Ihr bietet er Unterstützung und stellt sich ihr als Geldgeber zur Verfügung und erwartet von ihr als Gegenleistung die Gewährung von Handelsprivilegien und Nutzungsrechten sowie strategische und politische Hilfestellung beim Ausbau des Handelsnetzes und beim Abbau ständischer und zunftrechtlicher Hemmnisse und Schranken. Die Rechnung geht zu Teilen auf: Während die Herrschaft mit der handelskapitalen Unterstützung Kriege finanzieren und ihre territoriale Expansion vorantreiben kann, verschafft dem beteiligten Kommerz seine Allianz mit der hegemonialen Fürstenmacht die Möglichkeit, auf der Basis herrschaftlicher Patente und Privilegien in den Bergbau zu investieren, Monopolstellungen im Metallhandel zu erringen, Kolonialhandelsunternehmen zu betreiben, sich im Bankengeschäft und Geldhandel zu betätigen, kurz, die zur damaligen Zeit lukrativsten Erwerbszweige zur Anhäufung gewaltiger Kapitalien zu nutzen.

Wenn dennoch in der Hauptsache, nämlich in puncto des Abbaus ständischer Hemmnisse und zunftrechtlicher Schranken, sprich, in puncto einer absolutistischen Unifizierung und zentralistischen Homogenisierung des betreffenden Wirtschaftsraumes der Erfolg weitgehend ausbleibt, dann deshalb, weil die maßgebenden Marktbetreiber aufs falsche Pferd gesetzt und sich bei ihrem zielstrebigen Versuch, die gesellschaftliche Entwicklung den Marktbedürfnissen gemäß voranzutreiben, eine Fürstenmacht als Bündnispartner ausgesucht haben, die intentional zutiefst gespalten und deshalb außerstande ist, die ihr zugedachte Rolle des absolutistischen Einheitsstifters wahrzunehmen. Was die vom Handel erwählte Herrschaft für die ihr zugedachte Rolle des Vereinheitlichers und Zentralisierers untauglich macht, ist die Doppelrolle, die sie spielt, ist dies, dass sie einerseits zwar als hegemonialer Territorialherr der Stellenanforderung durchaus entspricht, andererseits aber als imperialer Oberherr, als deutscher König beziehungsweise Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, das feudale Ganze zu repräsentieren und zu garantieren gehalten ist. Eben den traditionellen feudalen Zusammenhang, den sie als übermächtiger Territorialherr oder Regionalfürst im kommerziellen Interesse und Sinne des Marktsystems umzugestalten und einer einheitlichen Rechtsordnung beziehungsweise zentralistischen Verwaltung zu unterwerfen berufen wäre, hat sie als imperialer Oberherr, als deutscher König und römischer Kaiser, im genauen Gegenteil die Aufgabe, in seinem Bestand zu gewährleisten und nach Möglichkeit unversehrt zu erhalten.

Und nicht genug damit, dass sie durch ihre imperiale Stellung und Funktion gegenüber den deutschen Kernlanden, den Reichsgebieten im engeren Sinne, die eigenen Territorien eingeschlossen, in eine tiefe Ambivalenz verstrickt ist, die eben die feudalen Zersplitterungen, eben die ständischen Privilegien und städtischen Freiheiten, die der eine Teil ihrer Persönlichkeit, der durch die kommerziellen Aktivitäten auf seinem Gebiet ermächtigte Territorialfürst, im Interesse jener kommerziellen Aktivitäten zentralistisch zu beseitigen und bürokratisch einzuebnen strebt, den anderen Teil ihrer Persönlichkeit, den kaiserlichen Oberherrn, im Interesse der feudalen Reichsordnung zu achten und zu schützen verpflichtet, ihr kaiserlicher Status treibt diese Herrschaft mehr noch dazu an, eine große Politik zu verfolgen, die sich auch und sogar auf die peripheren, schon lange höchstens formell als Vasallenterritorien firmierenden und mittlerweile in voller Entwicklung zu absolutistischer Souveränität begriffenen Königreiche erstreckt, um, soweit die Gelegenheit sich bietet und die Macht ausreicht, der imperialen Idee praktische Geltung zu verschaffen und mittels dynastischer Verbindungen und militärischer Operationen das Reich in seiner seit jeher eher ideellen Totalität und formellen Existenz am Ende doch noch aktuell werden zu lassen und zu realisieren.

So durch seine Rolle als imperialer Herr sowohl nach innen, gegenüber dem deutschen Reich im engeren, halbwegs reellen Verstand, der feudalen Ordnung verpflichtet und deshalb seinen hegemonialen beziehungsweise absolutistischen Aspirationen selber im Wege stehend und die Spitze abbrechend als auch nach außen, gegenüber dem Römischen Reich im umfassenderen, eher ideellen Sinne, zu expansiven Abenteuern und integrativen Kraftakten geneigt und deshalb von seiner hegemonialen Bahn abgelenkt und in eine europäische Großmachtspolitik sich verirrend, kann der in Deutschland von der kommerziellen Funktion und ihrem Marktsystem als Patron und Förderer erwählte und finanzierte habsburgische König den Marktbetreibern zwar weit gespannte internationale Handelsbeziehungen eröffnen und zu großem Reichtum verhelfen, aber auf dem heimischen Terrain dauerhaft für sie die Produktions- und Zirkulationsbedingungen verändern und mit dem Effekt einer Beseitigung ständisch-territorialer Schranken und zünftig-kommunaler Ordnungen umgestalten – das kann er nicht! Insofern erweisen sich die Gelder, die der Handel in die Karriere seines erwählten fürstlichen Schutzherrn steckt, ebenso gewiss als eine Fehlinvestition, wie sich der Traum von einer reellen Wiederherstellung eines christlichen Römischen Reichs, das doch niemals anders als höchstens ideell bestanden hat, als Illusion enthüllt.

Nachdem der Traum geplatzt ist und die habsburgische Königsherrschaft sich ihrer europaweiten Aspirationen und Verpflichtungen im Wesentlichen ledig und an ihre deutschen Territorien zurückverwiesen findet, ändert sich freilich die Lage insofern, als ihre in Süddeutschland augenscheinliche politisch-militärische Übermacht und starke hegemoniale Stellung nun nolens volens in dem ihr neu gesteckten beschränkten Rahmen zum Tragen kommen, sprich, sich ihre Aspirationen auf den Ausbau ihrer Machtstellung im deutschen Reich und die Ausdehnung ihrer Herrschaft auch auf dessen nördliche Regionen konzentrieren. Nach wie vor aber bleiben diese expansiven und durchaus als postfeudale Hegemonialbestrebungen interpretierbaren Expansions- und Unifizierungstendenzen liiert mit und überlagert von der imperialen Rolle, die hier das Königtum spielt, seiner Eigenschaft als Oberherr des Reichs und Garant des als dessen Ordnung kodifizierten traditionellen feudalen Zusammenhangs. Und nach wie vor steht er damit sich selbst im Weg, unterläuft seine eigene, an sich auf absolutistische Vereinheitlichung und bürokratische Zentralisierung zielende Disposition.

Seinen redenden Ausdruck findet dieses in der Doppelrolle des Königs als territorialer Machthaber und imperiales Oberhaupt angelegte Moment von Selbstvereitelung darin, dass sich das hegemoniale Streben beziehungsweise die absolutistische Intention auf ein Ersatzmotiv gründet, durch ein Verschiebungsprodukt rechtfertigt: nämlich durch die Forderung nach der doktrinellen Verbindlichkeit des katholischen Glaubens und das Bestehen auf der institutionellen Einheit der katholischen Kirche. Dass es sich dabei um keinen bloßen Vorwand handelt, sondern um ein ihm durch die imperiale Rolle diktiertes echtes Anliegen des Möchtegern-Hegemons oder gespaltenen Souveräns – eben dies macht sein Handikap aus. Nicht nämlich, dass er nicht mit seinem Insistieren auf der Unantastbarkeit des katholischen Glaubens und der Unversehrtheit der katholischen Kirche eine Angriffsfläche oder wunde Stelle bei seinen territorialherrschaftlichen Standesgenossen, den Regionalfürsten im Norden des Reiches, träfe, die, ihrerseits gestützt auf regionale wirtschaftliche Machtzentren und motiviert durch hegemoniale Aspirationen, aus der feudalherrschaftlichen Ordnung ausbrechen und sich seinem territorialherrschaftlichen Hegemoniestreben ebenso gewiss widersetzen, wie sie sich seinem feudalherrschaftlichen Anspruch auf die Stellung des kaiserlichen Oberherrn entziehen.

Schließlich ist wesentliches Element der neuen Machtstellung und reichsindifferenten Souveränität, die jene Regionalfürsten genießen oder jedenfalls zu behaupten suchen, ihr Bekenntnis zur lutherischen Reformation des katholischen Glaubens und die auf dieser Grundlage ermöglichte Säkularisierung und Einziehung kirchlicher Territorien und Besitzungen. Gerade für jene mit kommerziell-marktsystematischen Zentren auf ihren Gebieten nicht unbedingt ausnehmend gesegneten Regionalfürsten stellt der Machtzuwachs, der ihnen aus dem Heimfall der kirchlichen Ländereien und Privilegien erwächst, einen substanziellen Faktor dar und einen ganz unentbehrlichen Schritt auf dem Weg zur angestrebten hegemonialen Ermächtigung oder gar absolutistischen Erhöhung.

De facto aber bildet die Säkularisierung des Kirchenguts und die dafür nötige Vertreibung des Klerus aus seiner der Stellung des weltlichen Adels parallelen weltlichen Position um des Prinzips ausschließlicher territorialer Souveränität willen, mit dem der Anspruch auf absolutistische Herrschaft steht und fällt, überall eine conditio sine qua non des Fortschreitens zum staatlichen Absolutismus, und von daher gesehen verlegt sich der deutsche König, wenn er in seiner Funktion als kaiserlicher Wahrer des allein seligmachenden Glaubens und des kirchlichen Besitzstandes die Enteignung der Kirche, die auf Basis ihrer reformierten Konfession seine innerdeutschen Konkurrenten und Widersacher vollziehen, zum Stein des Anstoßes und casus belli erklärt und sich damit nolens volens eine vergleichbare Reform- und Enteignungspraxis verbietet, eigenhändig den Weg zur Durchsetzung seiner hegemonialen Machtansprüche und zu einer irgend absolutistisch zu nennenden Herrschaft. Was er unter diesen Einschränkungen der eigenen Bewegungsfreiheit äußerstenfalls erreichen kann, ist eine mehr schlechte als rechte Wiederherstellung des alten Reichsgebildes, des traditionellen feudalherrschaftlichen Zusammenhangs mit seinen vielfältigen ständischen Schranken und territorialen Grenzen, das Ganze aber unter seiner durchgängig anerkannten oberherrlichen Führung und höchstinstanzlichen Kontrolle.

Freilich wäre selbst ein solch bescheidenes und mehr noch anachronistisches, dem Zeitgeist ganz und gar zuwiderlaufendes Resultat des von kommerzieller Seite lancierten oder jedenfalls zielstrebig unterstützten habsburgischen Machtstrebens im Kerngebiet Europas den fürstlichen Nachbarn, den auf dem Weg zur absolutistischen Souveränität munter voranschreitenden Anrainerstaaten, alles andere als willkommen. Zu umfänglich, zu volkreich und ihrem ökonomischen Gesamtpotenzial nach zu stark wären die unter die kaiserliche Botmäßigkeit zurückgebrachten, sprich, als Reichseinheit, als politisch handlungsfähiges Gesamtsubjekt wiederhergestellten Gebiete, als dass sie nicht jenen Nachbarstaaten beziehungsweise ihren Souveränen politisch beschwerlich werden und deren Streben nach Selbsterhöhung und Anspruch auf unbeschränkte oder jedenfalls nur unsichtbar durch die eigene ökonomische Basis eingeschränkte Souveränität in die Quere kommen müssten. Dank seiner schieren Größe und Gewichtigkeit stellte solch ein traditioneller und aus Sicht der historischen Entwicklungsrichtung reaktionärer, feudalistischer Reichskomplex in der Mitte des Kontinents einen Klotz am Bein der die neue zentralistische Form politischer Organisation realisierenden peripheren Territorien dar, der gar nicht umhin könnte, die letzteren bei der Realisierung ihrer neuen Organisationsform sei's passiv-diplomatisch zu behindern, sei's ihnen aktiv-militärisch auf die Füße zu fallen.

Und dabei wäre nicht einmal sicher, ob nicht ein solches unter der Fahne einer Wahrung der Einheit des katholischen Glaubens und der Integrität der katholischen Kirche in vergleichsweise traditionell-feudalherrschaftlicher Form wiederhergestelltes Reichssubjekt im Zentrum Europas nun dem Beispiel der Nachbarn folgte und seinerseits eine absolutistische Entwicklung nähme, ob also nicht der kaiserliche Oberherr, nachdem er seine aufsässigen Vasallen und Regionalfürsten in die Knie gezwungen und unter seine föderale Botmäßigkeit zurückgezwungen hätte, angesichts der allenthalben zu beobachtenden Entwicklung zum Absolutismus Lust bekäme, die auf ihre reichsständischen Positionen als territoriale Vasallen Reduzierten mehr noch dieser Positionen zu berauben und durch dem Oberherrn unmittelbar verantwortliche Vögte und Präfekten zu ersetzen, sprich, nach nachbarschaftlichem Vorbild die Territorien der Vasallen der direkten kaiserlichen Herrschaft zu subsumieren, die Vasallen selbst als höfisches Gefolge unter Kuratel zu stellen und mit repräsentativen Aufgaben und lukrativen Pfründen abzuspeisen und am Ende gar mittels der Selbstinszenierung als Wahrer der katholischen Religion und einer unter diesem Deckmantel vollzogenen und den Glauben formell promovierenden beziehungsweise den Klerus offiziell hofierenden Verwandlung der Kirche aus einer ständischen Organisation in eine Institution des Staates sich auch und allen früheren Schwüren zum Trotz in den Besitz der kirchlichen Territorien zu bringen und diese dem zentralistisch entfalteten und vereinheitlichten Herrschaftsgebiet einzuverleiben.

Geschähe das aber, so würde der politische Grund für eine ökonomische Entwicklung, die Entfaltung eines umfassenden Marktsystems, gelegt, die eben wegen der territorialen Dimensionen, wegen der Bevölkerungsdichte der betroffenen Gebiete und wegen des nicht mehr durch ständische Privilegien und städtische Freiheiten, durch feudale Grenzen und zünftige Schranken dem Zugriff entzogenen Reichtums an dort versammelten kommerziell nutzbaren Ressourcen kaum umhin könnte, die Entwicklung in den absolutistisch gewendeten Staaten an der Peripherie auszustechen beziehungsweise zu dominieren, mit dem Ergebnis, dass deren Marktsysteme entweder durch das der nunmehr zentralen Territorialmacht niederkonkurriert und verdrängt würden oder sich jedenfalls ihrer Eigenständigkeit beraubt und durch das übermächtige Zentrum fremdbestimmt und in ein Verhältnis permanenter Abhängigkeit gebracht fänden.

So oder so, politisch oder ökonomisch, durch ein als politisches Subjekt wiederhergestelltes Kaiserreich oder durch ein zum einheitlichen Wirtschaftsraum zentralisiertes habsburgisches Königreich, haben also die Nachbarn allen Grund, sich bedroht zu fühlen, und deshalb allen Anlass, sich in den unter der Camouflage eines Religionskriegs zwischen dem Kaiser und den deutschen Regionalfürsten entbrannten Kampf um die imperiale Vorherrschaft beziehungsweise die territoriale Souveränität einzumischen und auf der Seite der auf ihre Unabhängigkeit und Souveränität dringenden deutschen Regionalfürsten den möglichen Triumph der Habsburger Dynastie zu verhindern. Die Konsequenz dieser Konstellation ist eine durch immer neue Allianzen initiierte Abfolge von mörderischen Feldzügen, ein ebenso umfängliches wie anhaltendes erbittertes Ringen, ein auf dem Schlachtfeld des deutschen Reiches ausgetragener europäischer, dreißig Jahre währender Krieg, der dadurch noch unüberschaubarer, unkontrollierbarer und verbissener wird, dass die intervenierenden europäischen Staaten die Gelegenheit nutzen, auf dem Reichsgebiet territoriale Gewinne zu machen und periphere Teile des Reichs dem eigenen Hoheitsgebiet zu annektieren und darüber hinaus auch noch Rivalitäten untereinander auszutragen und durch ihre jeweilige Parteinahme quasi auf einem Ersatzschauplatz gegeneinander Stellung zu beziehen.

Wie kaum anders möglich, geht der Krieg aus wie das Hornberger Schießen – das heißt, er führt, abgesehen von ein paar kleineren Grenzverschiebungen, zu eben der Machtkonstellation und politischen Szenerie, von der er auch seinen Ausgang genommen hat, endet in eben dem Status quo, den er zu verändern dienen sollte. Vom langen Krieg erschöpft und zermürbt, konzedieren sich die Parteien die Ansprüche, die sie einander zuvor bestritten, lassen sich in den Positionen gelten, aus denen sie sich mittels Krieg vertreiben wollten: Der Kaiser belässt den Regionalfürsten ihre faktische Souveränität und ihre ihnen um der Säkularisierungspolitik willen, die sie möglich macht, teure Religionsfreiheit, während sie wiederum ihn als formelles Oberhaupt, als Lehnsherrn anerkennen und sich selbst als ständischen Teil des wenn auch nicht als politisch-ökonomische Wirklichkeit, als lebendiges Subjekt, so jedenfalls doch als juristisch-institutionelle Erscheinung, als Rechtsperson, fortbestehenden quasifeudalen Reichscorpus akzeptieren. Und die involvierten Nachbarstaaten geben sich mit ihren Geländegewinnen zufrieden, ziehen sich aus dem Reichsgebiet zurück und überlassen das Reich in seiner traurigen Lage, seiner aus Zerstörung und Entvölkerung resultierenden Betäubung und Demoralisierung, Niedergeschlagenheit und Initiativlosigkeit sich selbst.

Eben diese Apathie und Indifferenz, in die der lange Krieg die europäische Zentralmacht, das Reich, gestürzt hat, ist nun aber, historisch und aus der Perspektive nämlich der in den Nachbarstaaten vor sich gehenden wegweisenden Entwicklungen betrachtet, das positive Ergebnis, der Erfolg der Operation. Zwar hat sich faktisch im Zentrum Europas wenig oder nichts verändert, ist der Status quo oder die Fortsetzung des Gehabten für ein weiteres Jahrhundert gesichert, bis die zugrunde gerichteten und ausgepowerten Reichsregionen sich einigermaßen erholt haben, , aber eben diese anhaltende Schwäche des Zentrums bewahrt die Staaten an der Peripherie vor der ihnen von dorther andernfalls drohenden politisch unabwendbaren Abhängigkeit beziehungsweise ökonomisch übermächtigen Konkurrenz und erlaubt ihnen, ihren Regimewechsel zum Absolutismus in aller Ruhe oder jedenfalls mit aller Zielstrebigkeit zu vollziehen und ihre jeweiligen Marktsysteme in den Genuss ihrer ihnen durch den Regimewechsel eröffneten neuen Entfaltungsräume gelangen und jenen als ursprüngliche Akkumulation apostrophierten Bereicherungsprozess durchlaufen zu lassen, dessen Name festhält, dass er, teleologisch gefasst, den Gründungsakt, fatalistisch begriffen, den Ursprung der hiernach in die Welt tretenden kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bildet.

Der Übergang von der ständisch-feudalen Herrschaftsordnung zur absolutistisch-zentralen Staatsverfassung eröffnet aktuell, durch die finanzielle Unterstützung, die die Marktbetreiber den nach Hegemonie strebenden Fürsten zuteil werden und die sie sich von ihnen vergüten lassen, und prospektiv, durch die gesellschaftliche Förderung, die die an die Macht gelangten Fürsten den Marktbetreibern zuteil werden lassen, neue Entfaltungsräume und Investitionschancen. Es kommt zu einer wachsenden Wert- und Mehrwertschöpfung, der die herrschaftlichen Konsumenten mit ihrem herkömmlichen Fundus an allgemeinem Äquivalent immer weniger gewachsen sind.

Unbehindert durch die, wie man will, kaltgestellte oder in Ohnmacht gefallene Zentralmacht und deren entweder reaktionäre Einflussnahme oder übermächtige Konkurrenz, können die peripheren Staaten ihren im Sinne des Marktsystems fortschrittlichen Kurs fortsetzen, können sie durch die Beseitigung territorialherrschaftlicher Grenzen, ständischer Privilegien, städtischer Freiheiten und zünftiger Schranken der kommerziellen Funktion den bis dahin fehlenden Bewegungsspielraum verschaffen und ihr in einem noch nie dagewesenen Umfang die Produktionskapazitäten des Landes zugänglich und sein ökonomisches Entwicklungspotenzial verfügbar machen. Dementsprechend findet das im ausgehenden Mittelalter so gravierende Problem eines durch das Korsett der feudalgesellschaftlichen Ordnung, ihre vielen territorialen, sozialen und institutionellen Einschränkungen bedingten wachsenden Mangels an dem Volumen des akkumulierten Handelskapitals angemessenen Investitionsmöglichkeiten seine Lösung, und es kommt zu einer rasanten Vergrößerung der städtischen Produktionsgemeinschaften, Vermehrung der marktbezogenen Güterproduktion und Ausdehnung der Handelsbeziehungen.

Die vom Souverän unterstützte beziehungsweise betriebene Beseitigung der städtischen Berufsbeschränkungen und Zunftrestriktionen haben im Verein mit der Auflösung der traditionellen lokalen Herrschaftsstrukturen in den Regionen und der Aussicht beziehungsweise Hoffnung auf mehr persönliche und berufliche Freiheit in den Städten eine Landflucht zur Folge, die wiederum zu einem unter Konkurrenzdruck stehenden Arbeitsmarkt in den Städten, sprich, zu dort massierten billigen Arbeitskräften führt, die mit Hilfestellung des auf gesetzlichem Wege Arbeitszwang verhängenden und Lohndrückerei praktizierenden Souveräns den Betreibern des Markts ermöglichen, gegenüber den Produzenten hohe Mehrwertraten durchzusetzen, sprich, beim Erwerb der Güter für den Markt, ihrer Verwandlung in Waren, hohe Gewinnspannen zu erzielen.

Dieser funktionelle Erfolg der kommerziellen Funktion, die Tatsache also, dass die von ihr bewusst oder unbewusst unterstützte absolutistische Transformation der Gesellschaft ihr nicht nur erlaubt, neue, ihr bislang entzogene oder versperrte Produktionskapazitäten zu erschließen und also ihr akkumuliertes Handelskapital voll in weitere Produktionsprozesse zu investieren, sondern ihr mehr noch gestattet, diese Kapazitäten zu besonders günstigen Konditionen zu nutzen, sprich, die Mehrwertschöpfung durch die erweiterten Produktionsprozesse zu maximieren und ihre handelskapitalen Investitionen mehr denn je sich rentieren zu lassen – dieser durchschlagende funktionelle Erfolg schafft nun aber ein gravierendes strukturelles Problem, das Problem des Absatzes der vermehrt auf den Markt gelangenden Güter, systematisch genauer ausgedrückt, der Realisierung des in diese Güter von der kommerziellen Funktion investierten Werts, und noch punktgenauer gefasst, der Realisierung des außerordentlich hohen Mehrwertanteils, den die dank der absolutistischen Transformation der Gesellschaft nicht minder verbilligte als vermehrte Arbeitskraft der ihre Produkte vermarktenden kommerziellen Funktion verschafft.

Herkömmlicher- und für den feudalen Zusammenhang typischerweise sind es die feudalen Herrschaften, die dem Markt das auf ihm versammelte Mehrprodukt abnehmen und mittels des ihnen aus anderen als kommerziellen Quellen verfügbaren und als allgemeines Äquivalent firmierenden Edelmetalls den in dem Mehrprodukt verkörperten Mehrwert realisieren, sprich, für das zur Erfüllung des Akkumulationserfordernisses nötige Mehr an Edelmetall in kommerzieller Hand, Mehr an Handelskapital sans phrase, sorgen. In dieser ihnen herkömmlicherweise zugewiesenen Rolle als Konsumenten des vom Markt akquirierten Mehrprodukts und Realisierer des darin steckenden Mehrwerts aber sind die feudalen Herrschaften nachgerade arg überfordert. Zu umfänglich ist mittlerweile das Volumen der durch das Marktsystem organisierten und distribuierten Warensammlung und zu groß entsprechend das in der Warensammlung enthaltene Mehrprodukt beziehungsweise der im Mehrprodukt verkörperte Mehrwert, als dass nicht die feudal etablierten oder dann hegemonial arrivierten beziehungsweise gar absolutistisch disponierten Herrschaften bei der Erfüllung der ihnen traditionell zugewiesenen konsumtiven Mehrwertrealisierungsrolle in Schwierigkeiten und in Verzug geraten müssten. Auch wenn den Herrschaften aus Kriegs- und Beutezügen und vor allem aus den auf ihren Territorien gelegenen Bergwerken und Schürfstellen immer wieder Edelmetall zufließt, zu unzuverlässig und unregelmäßig fließt die erstgenannte Einnahmequelle und zu wenig intensiv und technisch versiert wird unter der Regie einer an Produktionsprozessen desinteressierten Herrschaft der Abbau natürlicher Edelmetallvorkommen betrieben, um nicht diesen unsystematischen herrschaftlichen Edelmetallerwerb hinter dem stetigen Wachstum der per Marktsystem organisierten und distribuierten Gütermenge zurückbleiben und die Diskrepanz zwischen der in Waren verkörperter Mehrwertmenge und dem für deren Realisierung verfügbaren allgemeinen Äquivalent in herrschaftlicher Hand immer größer werden zu lassen.

Und die Steuern, Abgaben und Tribute, mittels deren die Herrschaften an den Gewinnen der Marktbetreiber indirekt beteiligt sind – sie taugen zwar dazu, das materiale Wachstum des Marktes zu verlangsamen und die Diskrepanz zu mildern, indem sie uno actu den Herrschaften Konsumkraft zuführen und dem Markt Investitionskraft rauben, dienen also einer Verlangsamung des Akkumulationsprozesses und insofern einer gewissen Stabilisierung der Lage, aber weil trotz dieses Aderlasses dennoch ein ebenso dauerhaftes wie erhebliches Wachstum stattfindet und nicht zuletzt dank der tatkräftigen politisch-sozialen Hilfestellung der sich verabsolutierenden Herrschaft der Produktwert, den das in den Händen der Marktbetreiber als Investitionssumme verbleibende allgemeine Äquivalent zu schaffen dient, den Gesamtwert der für Investitionen in Arbeitsprozesse und für Abgaben an die Herrschaft aufgewandten Summe jedenfalls übersteigt, sind diese fiskalischen und sonstigen Abgaben außerstande zu verhindern, dass die Kluft zwischen dem produzierten Mehrwert und dem für die Realisierung des Mehrwerts verfügbaren allgemeinen Äquivalent, dem in herrschaftlicher Hand befindlichen Edelmetall aus anderen Quellen, immer weiter wächst.

Sicheres Zeichen dieser für das Marktsystem krisenträchtigen Entwicklung ist die Tatsache, dass in der Übergangszeit von der Feudalherrschaft zum Absolutismus die Marktbetreiber die fürstlichen Herrschaften in einem weit über die herkömmlichen fiskalischen Abgaben und tributären Zuwendungen hinausgehenden Maße finanziell unterstützen und dass die ersteren in der Tat zu den Hauptgeldgebern der letzteren, zu den tragenden Finanziers ihres Aufstiegs zur Macht und ihrer systemsprengenden Veränderung und Neuordnung der Prinzipien territorialer Herrschaft werden. Eben das ist ja wesentlicher Bestandteil der zwischen den Betreibern des Marktsystems und den politischen Herren über die kommerziellen Machtzentren geschlossenen stillschweigenden und zu großen Teilen sogar bewusstlosen, von der ökonomischen Substanz triebmäßig diktierten Allianz, jener Allianz, die im Absolutismus resultiert, dass die Handeltreibenden den Herrschaftübenden, die ökonomischen Drahtzieher den politischen Machthabern akkumuliertes Handelskapital zur Verfügung stellen, damit diese die für die Ausdehnung ihrer Macht und für den Triumph über feudale Konkurrenten und städtische Korporationen erforderliche militärischen Aufrüstung betreiben, damit sie Landkäufe tätigen und Abfindungen für die Abtretung von Herrschaftsrechten zahlen und damit sie schließlich auch die für repräsentative Zwecke, für rituelle Machtdemonstrationen, dynastische Verbindungen und diplomatische Kampagnen nötigen Mittel aufbringen können.

Freilich unterscheiden sich diese erweiterten finanziellen Beiträge zum herrschaftlichen Etat von den traditionellen fiskalischen Abgaben und tributären Zuwendungen dadurch, dass sie nicht unentgeltlich gewährt, nicht ökonomisch kompensationslos geleistet, sondern den kommerziellen Geldgebern durch Gegenwerte vergolten, ihnen mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt werden. Dafür, dass die Marktbetreiber den fürstlichen Herrschaften finanziell unter die Arme greifen, verpfänden, verpachten oder verkaufen die letzteren ihnen Schürf- und Bergbaurechte, koloniale Handelspatente und andere, in herrschaftlicher Hand befindliche Liegenschaften, Monopole und Nutzungsprivilegien, auf Grund deren sie sich nicht nur schadlos halten, sondern in der Tat hohe Gewinne machen, mit dem Geld, das sie dem Fürsten zur Verfügung gestellt haben, hohe Renditen erzielen können.

Der Grund für diese neue Vertragsbeziehung, die da macht, dass die Marktbetreiber den Fürsten ihre finanziellen Beiträge zum herrschaftlichen Etat nicht mehr nur als Abgaben und Tribute überlassen müssen, sondern des Weiteren auch als Kredite und Darlehen in Rechnung stellen können, ist das zwischen den beiden Parteien veränderte Kräfte- und Machtverhältnis. Genauer gesagt hat die veränderte Beziehung darin ihren Grund, dass die Marktbetreiber den Herrschaften jetzt ja nicht mehr nur dabei behilflich sind, ihren auf marktunabhängigen gesellschaftlichen Grundlagen ruhenden herrschaftlichen Status quo als solchen zu stützen, nach außen zu sichern und im Innern auszustaffieren, sprich, fronwirtschaftlich fundierten feudalen Herrschaften zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, strategisch-außenpolitische Vorteile zu verschaffen und einen repräsentativ-konsumtiven Lebensstil zu bieten, sondern dass die Herrschaften jetzt vielmehr in ihrer unmittelbaren gesellschaftlichen Machtstellung und in ihren eigensten machtpolitischen Aspirationen auf die Unterstützung und Mitwirkung der Marktbetreiber angewiesen sind.

Was auch immer die den traditionellen feudalen Zusammenhang sprengenden und zu hegemonialer Selbstherrlichkeit fortschreitenden beziehungsweise nach absolutistischer Souveränität strebenden Herrschaften anfangen und ins Werk setzen mögen, sie tun es auf der Basis der vom Marktsystem auf ihrem Territorium geschaffenen neuen ökonomischen Machtzentren und sind gleichermaßen in ihrem gegenwärtigen Status und in ihren weiteren Aussichten konstitutiv davon abhängig, dass die Betreiber des Marktsystems mittels ihres akkumulierten Reichtums ihnen den Steigbügel halten oder, profaner und zeitgemäßer ausgedrückt, den Haushalt finanzieren. Sie sind konstitutiv abhängig von ihrer Kaufmannschaft und müssen sich eben deshalb aber auch bequemen, deren so unverzichtbare kommerzielle Leistungen durch kommerziell relevante Gegenleistungen zu honorieren, ökonomisch zu vergüten, müssen mit anderen Worten als nunmehr quasi Geschäftspartner oder Kontrahenten der Marktbetreiber auf deren eigenem Terrain und nach deren eigenen Geschäftsprinzipien mit ihnen verkehren, müssen zulassen, dass diese, wenn sie mit ihnen Geschäfte machen, kommerzielle Transaktionen tätigen – und die Gewährung von Darlehen oder die Einräumung von Krediten sind ohne Frage solche Transaktionen –, sich im rein ökonomischen Sinne schadlos zu halten beanspruchen.

Nicht, dass die konsumpraktischen, strategischen und fiskalischen Leistungen, die in früheren Zeiten die Betreiber der kommerziellen Funktion für die politische Herrschaft erbringen, kompensationslos blieben, nicht, dass nicht auch da schon das Sich-schadlos-halten ein Grundprinzip der Beziehungen zwischen Marktökonomie und politischer Macht wäre! Schließlich kehren, wie gezeigt, die tributären Zuwendungen und fiskalischen Abgaben der Marktbetreiber an die feudalen Herrschaften dort ja via herrschaftlichen Konsum wieder in die Hände der Marktbetreiber zurück, und ist also Schadlosigkeit in dem strengen Sinne gegeben, dass die Marktbetreiber zwar aus dem allgemeinen Äquivalent, das sie den Herrschaften überlassen, keinen Gewinn ziehen können, es aber auch nicht als Verlust verbuchen müssen. Und schließlich und vor allem halten sie sich ja in dem nichtkommerziellen, aber für ihre kommerziellen Aktivitäten grundlegenden Sinne schadlos, dass sie sich mit ihren Zuwendungen und Abgaben Schutz und Sicherheit erkaufen beziehungsweise die Herrschaft dazu bringen, ihnen Handelsprivilegien und Marktrechte zu konzedieren.

Mögen also auch im streng ökonomischen Sinne, sprich, sub specie ihrer Akkumulationsstrategie, ihre Abgaben und Tribute an die feudalen Herrschaften den Marktbetreibern nichts einbringen, als geschäftsdienliche Aufwendungen, quasi als ebenso nötige wie nützliche Betriebsausgaben lassen sie sich dennoch verbuchen, weil sie, ohne den Marktbetreibern letztlich als verfügbare Wertsumme verloren zu gehen, ohne von ihnen als einsetzbares allgemeines Äquivalent ein für allemal abgeschrieben werden zu müssen, zugleich doch dazu dienen, die für das kommerzielle Geschäft erforderlichen politischen Rahmenbedingungen und sozialkontraktiv-rechtlichen Voraussetzungen zu erwirken.

Daran ändert sich auch nichts in der neuen, den Übergang von der feudalen zur absolutistischen Gesellschaft markierenden Situation, in der nun in Gestalt jener Darlehen und Kredite zu den traditionellen Tribut- und Abgabenformen weitere und vermehrte Zuwendungen der Marktbetreiber an die Herrschaften und Unterstützungsmaßnahmen für sie hinzukommen. Auch die als Darlehen und Kredite den Herrschaften gewährten Mittel gelangen ja letztlich auf konsumtivem Weg, will heißen, via Ausgaben für Rüstung, Repräsentation und Konsum sans phrase, wieder in die Hände der sie gewährenden Marktbetreiber zurück und gehen insofern den letzteren nicht ein- für allemal verloren, sind kein reines Verlustgeschäft für sie. Und auch den gleichen politischen Effekt wie die traditionellen Abgaben und Tribute erzielen die neuen Leih- und Hilfsgelder, insofern sie dafür sorgen, dass die Herrschaften den Marktbetreibern gewogen und bereit bleiben, ihnen militärischen Schutz, rechtliche Sicherheit und politische Förderung angedeihen zu lassen.

Nur dass jetzt, wie gesagt, die Hilfsgelder der Marktbetreiber den in einem Wechsel des Herrschaftsparadigmas begriffenen und nämlich nach Sprengung des feudalen Zusammenhangs und nach absolutistischer Macht strebenden Herrschaften mehr bedeuten und bringen als bloß eine Bestätigung oder Bekräftigung ihres Status quo, bloß eine Untermauerung, Befestigung und Ausschmückung ihrer auf eigenen Fundamenten ruhenden politisch-ökonomischen Funktion und sozialhierarchischen Position, dass die Hilfsgelder jetzt vielmehr konstitutiv und grundlegend sind für die Etablierung der Herrschaft in ihrem neuen absolutistischen Status, für die Realisierung der von ihr angestrebten neuen sozialen Kommandogewalt und politischen Machtfülle, dass dementsprechend auch das Verhältnis der Marktbetreiber zur Herrschaft sich ändert, sie dieser nicht mehr wie Klienten ihrem Patron gegenüberstehen, sondern wie Geschäftsleute ihrem Kontrahenten oder Teilhaber begegnen, und dass auf Basis dieser neuen, ökonomisch definierten Beziehung sie aber nun auch erwarten und verlangen können, dass alles nach ökonomischen Prinzipien abläuft und materielle Leistungen, die sie erbringen, ihnen auch in materieller Form honoriert werden, sprich, dass die Hilfsgelder, die sie der nach hegemonialer Macht beziehungsweise absolutistischer Souveränität strebenden Herrschaft zur Verfügung stellen, ausschließlich als zinstragende Darlehen und Kredite, kurz, nur unter der Bedingung gewährt werden, dass die Herrschaft sie ihnen durch Mehrwert einschließende Gegenwerte, durch gewinnbringende Sicherheiten, Nießrechte oder Tilgungen vergütet.

Dabei setzen sie freilich im Überschwang oder, vielleicht besser gesagt, kompromisslosen Eifer ihres ökonomischen Vergütungsdenkens aktuell oder gegenwärtig etwas durch, was ihnen prospektiv oder im Weiteren ohnehin winkt. Schließlich versetzen sie ja durch ihre Hilfsgelder und finanziellen Unterstützungsmaßnahmen die Herrschaft in die Lage, jenen Paradigmenwechsel in der politischen Machtausübung zu vollziehen, in dessen Konsequenz letztere ihre Beschränkung durch den feudalen Zusammenhang und seine Gliederungen sprengt und sich zum absolutistischen Souverän von Territorien aufschwingt, die sie durch die Liegenschaften ausgebooteter beziehungsweise untergebutterter Nachbarn und Standesgenossen zu selbsttragenden Einheiten, eigenständigen Staaten, erweitert und arrondiert hat. Und schließlich hat dieser ihr Aufstieg zum souveränen Fürsten eines ebenso zentral verwalteten wie territorial vereinheitlichten Staatswesens unter anderem zur Folge, dass sich ihren heimlichen oder auch gar nicht so heimlichen Bundesgenossen und Helfershelfern, den Marktbetreibern, in diesen territorial vereinheitlichten und zentral verwalteten Gebieten ganz neue Entfaltungsräume und Investitionschancen, ganz andere Möglichkeiten des Zugriffs auf natürliche und gesellschaftliche Ressourcen, auf Bodenschätze, Produktionskapazitäten und Arbeitskräfte eröffnen.

Was die Hilfsgelder und Unterstützungsmaßnahmen der Kaufmannschaft also letztlich an politischer Gegenleistung verschaffen, sind nicht mehr bloß die gewohnten Vorteile, Gewährung von Handelsrechten, Sicherung der Handelswege und Förderung der Handelsbeziehungen, sondern sind unmittelbar ökonomische und ebenso gewinn- wie expansionsträchtige Veränderungen des den kommerziellen Aktivitäten und handelskapitalen Investitionen zugänglichen realen Raums und sozialen Milieus. So gesehen, sind also die Marktbetreiber gleich doppelte Nutznießer des von ihnen finanzierten beziehungsweise mitfinanzierten Wechsels von der ständisch-feudalen zur absolutistisch-zentralen Verfassung oder herrschaftlichen Organisation der Gesellschaft: Während sie sich einerseits ihre finanziellen Beiträge durch sofortige materielle Vergütungen und Sicherheiten der begünstigten Herrschaft honorieren lassen, sorgt andererseits der durch die finanziellen Beiträge herbeigeführte Wechsel für die Entstehung wirtschaftsgeographischer Bedingungen und gesellschaftspolitischer Verhältnisse, dank deren sich im Fortgang oder im Nachhinein jene Beiträge noch einmal und in viel höherem Maße als kommerziell rentabel oder ökonomisch zinstragend erweisen.

Dass es zu dieser Verdoppelung der herrschaftlichen Gegenleistungen kommt, die dem kommerziellen Äquivalenzprinzip auch in seiner modifizierten, zwischen Warenproduzenten und Marktbetreibern gemeinhin geltenden Fassung offensichtlich widerstreitet, hat natürlich seinen Grund in der Fixierung der Herrschaft auf die politische Macht, auf die Eroberung der von ihr angestrebten hegemonialen beziehungsweise absolutistischen Stellung. Dahinter tritt die ökonomische Äquivalenz, der kaufmännische Gesichtspunkt der Aufrechenbarkeit von Leistung und Gegenleistung so völlig zurück, dass der Herrschaft fast jedes materielle Mittel recht ist, fast jeder finanzielle Aufwand lohnend erscheint, wenn er nur jenem Zweck zu dienen verspricht. Weil die Herrschaft in ihrem politischen Machtstreben so völlig abhängig ist von der ökonomischen Leistungskraft ihrer Kaufmannschaft, von deren Bereitschaft, sie finanziell zu unterstützen, ist ihr alles, was diese Leistungskraft und Unterstützungsbereitschaft stärkt, im Zweifelsfall recht – mag es auch noch so sehr ökonomisch auf ihre oder vielmehr ihrer Untertanen Kosten gehen.

Und was die Kaufmannschaft, die Marktbetreiber, selbst angeht, so ist auch ihr Verhalten erklärlich und in dem Sinne exkulpiert, dass es sich nicht einfach der Beutelschneiderei und betrügerischen Machenschaften zeihen lässt – erklärlich nämlich durch ihre Fixierung auf eben jenes Äquivalenzprinzip, das sie, subjektiv gesehen, bei ihrer kaufmännischen Ehre und, objektiv betrachtet, bei Strafe eines kommerziellen Systembruchs heißt, finanzielle Leistungen, die sie ihrer Herrschaft erbringen, nach Möglichkeit als kommerzielle Austauschakte zu realisieren und sich im unmittelbaren Gegenzug durch entsprechende finanzielle oder materielle Gegenleistungen vergüten zu lassen.

Auch wenn die Marktbetreiber als Agenten des qua kapitale Substanz treibenden Motivs ahnen oder spüren, dass die politischen Bestrebungen der Herrschaft, die sie durch ihre Kredite und Darlehen unterstützen, ihnen nicht nur ad hoc der kurzfristigen Vergütung der letzteren, sondern ebenso sehr à la longue der durch den politischen Erfolg der Herrschaft herbeigeführten gesellschaftlichen Veränderungen ökonomisch von Nutzen sind und Gewinn bringen, und auch wenn sie eben deshalb ja mit der nach hegemonialer beziehungsweise absolutistischer Macht strebenden Herrschaft nicht nur kommerziell kontrahieren, sondern sich auch intentional verbünden, nicht nur praktisch Geschäfte, sondern auch strategisch gemeinsame Sache machen – erstens vollzieht sich das Bündnis zwischen Markt und Thron im Zweifelsfall zu bewusstlos, bleibt als substanzielles Geschehen dem Dafürhalten der Subjekte zu sehr entzogen, und zweitens ist die Dynamik der durch das Bündnis ausgelösten ökonomischen Entwicklung zu gewaltig und unvorhersehbar, als dass die Marktbetreiber überhaupt imstande wären, die ihnen langfristig ins Haus stehenden ökonomischen Vorteile und Gewinnaussichten ins gegenwärtige Buchhaltungskalkül einzubeziehen und mit den kurzfristigen Forderungen an die Herrschaft, die ihre Kredite und Darlehen ihnen sichern, quasi zu verrechnen, und als dass sie nicht vielmehr geneigt sein müssten, den Spatz in der Hand als einen im Verhältnis zur Taube auf dem Dach völlig anderen Fall und Vogel wahrzunehmen, sprich, den aus der Förderung der politischen Entwicklung gezogenen aktuellen als mit dem aus der Entwicklung selbst zu ziehenden konsequenziellen ökonomischen Gewinn gänzlich unvergleichbar und deshalb ohne weiteres vereinbar zu erachten.

Jedenfalls führt dieser doppelte Gewinn aus den Krediten und Darlehen, mit denen die Marktbetreiber der Herrschaft unter die Arme greifen und deren quasirevolutionäre Umgestaltung des Herrschaftsapparats und Neuorganisation des Gesellschaftsgefüges unterstützen, dies nämlich, dass ihnen die Herrschaft einerseits ad hoc für ihre Kredite und Darlehen Zins zahlt beziehungsweise, weil es ihr an Finanzmitteln ja gerade fehlt, Sicherheiten leistet und Güter, Handelsprivilegien oder Produktionsstätten verpfändet, verpachtet oder gar verkauft und dass sie andererseits durch die mit Hilfe jener Kredite und Darlehen vorangetriebene politische Entwicklung den Marktbetreibern aber des Weiteren auch ganz neue Entfaltungsräume und Investitionsmöglichkeiten eröffnet – dieses unverhofft oder zumindest ungeplant doppelte Resultat führt jedenfalls zu einer exorbitanten Steigerung der kommerziellen Aktivitäten und sprunghaften Expansion des Marktsystems, sprich, einer ebenso markanten Zunahme der dem Markt verfügbaren Warenmenge wie rasanten Beschleunigung des vom Markt abgewickelten Warenverkehrs.

Und das allerdings führt uns nun geradewegs zurück zu dem oben angesprochenen Problem einer zunehmenden Überforderung der Herrschaft bei der Aufgabe, ihren konsumtiven Verpflichtungen nachzukommen und jenen Teil des in der Warenmenge verkörperten Werts zu erlösen, den als von ihnen geschöpften Mehrwert die Warenproduzenten per definitionem der vom Marktsystem verfolgten Akkumulationsstrategie schlechterdings nicht erlösen können. Schließlich ist ja, dass die eine hegemoniale Stellung oder gar absolutistische Souveränität anstrebende Herrschaft ihre machtpolitischen Ambitionen und Projekte nicht aus eigener Kraft finanzieren kann und hierfür auf die Kredite und Darlehen ihrer Kaufmannschaft angewiesen ist, bereits klarer Ausdruck des klammen Haushalts der Herrschaft, ihrer angespannten Finanzlage und ihrer dementsprechend beschränkten konsumtiven Kapazität.

Wenn nun die Kredite und Darlehen diesen doppelten Effekt haben, den Marktbetreibern ad hoc neue Produktionskapazitäten und marktgängige Produkte in die Hände zu spielen und ihnen des Weiteren neue Investitionsmöglichkeiten und Produzentengruppen zu erschließen, kurz, ihre Warensammlung in specie zu vergrößern und ihr Marktvolumen in genere zu erweitern – wie sollten da wohl die herrschaftlichen Abnehmer und Konsumenten mit ihren klammen Kassen, ihren ja nur auf den Borg der Handeltreibenden selbst halbwegs im Lot zu haltenden Haushalten imstande sein, ihrer traditionellen Rolle als Mehrwertrealisierer gerecht zu werden und die rasch wachsende Warenmenge in klingende Münze, in dem Akkumulationserfordernis gemäß immer neu vermehrtes allgemeines Äquivalent, in für stets erweiterte Investitionen bereitstehendes Handelskapital zu verwandeln?

Zwar, im Zuge ihres Aufstiegs zu hegemonialer Macht beziehungsweise absolutistischer Souveränität expandiert und arrondiert die Herrschaft ihr Territorium und bringt nicht nur kraft ihrer Annexionspolitik die Ressourcen der hinzugewonnenen Gebiete in ihre Hand, sondern gewinnt auch dank ihrer neuen, zentralistischen Verwaltung eine direktere und umfassendere fiskalische Verfügungsgewalt über den auf ihrem gesamten Hoheitsgebiet erzeugten landwirtschaftlichen und gewerblichen Reichtum. Sie füllt mit anderen Worten ihre Kassen, vergrößert ihren Etat, steigert ihren mittels Etat bestrittenen und Ausgaben für Rüstung, Bürokratie und Repräsentation umfassenden Konsum und wird für die mit ihr kollaborierenden Marktbetreiber zu einem immer potenteren und immer wichtigeren Abnehmer. Indes, was sie an Konsumkraft gewinnt, das raubt oder entzieht sie ja denen, deren Territorien sie annektiert und deren ständische Privilegien sie kassiert beziehungsweise deren lokale oder regionale Machtpositionen sie eliminiert und deren mit diesen Machtpositionen verknüpfte Einnahmequellen sie appropriiert, sprich, ihren säkularen und vor allem auch klerikalen Standesgenossen, die sie uno actu ihrer Entmachtung enteignet.

Die erhöhte Konsumkraft des zur Alleinherrschaft aufsteigenden fürstlichen Hegemons beziehungsweise königlichen Souveräns ist mithin nicht sowohl Ausdruck eines absoluten Wachstums der konsumtiven Kapazität der Herrschaft, sondern bloß Folge einer relativen Verlagerung jener Kapazität, ihrer Zusammenfassung aus feudalherrschaftlicher Pluralität und Zersplitterung und ihrer Konzentration in einer Hand, ihrer Reduktion auf den Singular absolutistischer Verfügung. Summa summarum oder aufs Ganze der Finanzmittel in herrschaftlicher Hand gesehen, ändert sich also durch den Übergang vom feudalen Pluralismus zum zentralen Absolutismus nichts am Gesamtumfang herrschaftlicher Konsumkraft, und bleibt es demnach auch bei dem besagten Problem, dass wegen des mit jenem Übergang einhergehenden und gleich doppelt in ihm begründeten raschen Marktwachstums die Schere zwischen dem durch den Markt angebotenen Mehrprodukt und dem zur Realisierung des Mehrprodukts verfügbaren allgemeinen Äquivalent in der Hand herrschaftlicher Konsumenten sich immer weiter öffnet.

In der Distributionskrise, die durch ein wachsendes Ungleichgewicht zwischen Warenangebot und verfügbarem Wertrealisierungsmittel droht, kommt dem Markt die – wie man will – glückliche oder unglückliche Fügung des kolonialen Schatzes zu Hilfe. Durch die Hände der neuen absolutistischen Souveräne, die ihn nutzen, um ihre Macht zu stärken und sich politisch durchzusetzen, gelangt der Schatz in die Hände der traditionell als Mehrwertrealisierer fungierenden adligen und geistlichen Oberschicht und steht damit als allgemeines Äquivalent für die Einlösung des wachsenden Güterangebots zur Verfügung.

Was zuerst ein kommoder Ausweg aus dem im späten Mittelalter virulent werdenden gravierenden Problem einer zunehmenden strukturellen Diskrepanz zwischen akkumuliertem Handelskapital und den für letzteres vorhandenen oder vielmehr nicht vorhandenen, weil durch das Korsett des feudalgesellschaftlichen Zusammenhangs, seine territorialen und institutionellen Privilegien und Freiheiten eingeschränkten Investitionsmöglichkeiten schien, führt somit geradewegs in das gegenteilige und nicht minder strukturelle Problem einer noch geschwinder sich öffnenden Schere zwischen der Masse der auf dem Markt versammelten Wertverkörperungen und dem zur Realisierung des Werts dieser Verkörperungen zur Verfügung stehenden Geld. Indem den Marktbetreibern der durch ihre ökonomische Macht angestachelte politische Ehrgeiz ihrer Herrschaft, deren Streben mit anderen Worten nach hegemonialer Vorherrschaft beziehungsweise absolutistischer Souveränität, die Möglichkeit eröffnet, in eben dieses Streben, diese die Schranken, die der feudalgesellschaftliche Zusammenhang ihrem ökonomischen Treiben steckt, zu durchbrechen geeignete politische Perspektive ihr akkumuliertes Handelskapital zu investieren, und indem nun aber diese Investition ein geradezu atemberaubendes, weil aus zweifacher Quelle gespeistes Marktwachstum, eine förmliche Hypertrophie der im Rahmen des Marktsystems angebotenen Warensammlung nach sich zieht, kehrt sich das Dilemma einfach nur um, und die Marktbetreiber müssen feststellen, dass sie den Teufel fehlender Gelegenheit zur investiven Wertschöpfung mit dem Beelzebub mangelnder Aussicht auf die konsumtive Realisierung des geschöpften Werts ausgetrieben haben.

Am Ende scheint sich so das katalytische Ferment, mittels dessen die Marktbetreiber die Distribution der Güter und die mit ihr untrennbar verknüpfte Wertakkumulation abwickeln, das allgemeine Äquivalent, das Geld, als ein böser Stolperstein für das Marktsystem oder Klotz an seinem Bein zu erweisen. Indem die Marktbetreiber die in ihren kommerziellen Austauschaktivitäten mittels allgemeinen Äquivalents verfolgte Verwertungs- oder Akkumulationsstrategie an einen Punkt treiben, an dem der feudalherrschaftliche Zusammenhang der weiteren akkumulativen Verwendung des allgemeinen Äquivalents, seinem weiteren Einsatz als sich mehrendes Handelskapital massive soziale und politische Schranken setzt, und indem nun aber die Marktbetreiber darauf verfallen, dies in seiner ökonomischen Entwicklung gehemmte Handelskapital politisch einzusetzen, sprich, mit ihm das Machtstreben, den politischen Ehrgeiz der Herrschaft zu finanzieren und ihm selbst auf diesem politischen Umweg empirisch neue Betätigungsfelder und systematisch neue Entfaltungsräume zu erschließen, sprich, über jene seine ökonomische Weiterentwicklung hemmenden sozialen und politischen Schranken effektiv hinwegzuhelfen, erweist sich der Erfolg dieses der ins Stocken geratenen ökonomischen Akkumulationsstrategie unter die Arme greifenden und gleich zweifach, unmittelbar wie mittelbar, auf die Sprünge helfenden politischen Neuordnungsverfahrens als derart durchschlagend, dass im jähen Umschlag das, was vorher in seinem Funktionieren gehemmt war, das zur mehrwertigen Investition in marktgängige Güter bestimmte allgemeine Äquivalent, nun seinerseits zum Hemmschuh wird und nämlich der Menge der mittlerweile auf dem Markt versammelten Güter nicht mehr Herr wird, sprich seiner anderen Aufgabe, den mehrwertigen Wert dieser Güter einzulösen, ihn in seiner Gestalt zu realisieren, nicht mehr gewachsen ist.

Das Problem, das hier entsteht, ist kein substanzielles, keines, das etwas mit der praktischen Fähigkeit der Menschen, die vorhandene Gütermenge konsumtiv zu bewältigen, zu tun hätte, sondern bloß ein strukturelles, eines, das den Funktionsmodus der Distribution der vorhandenen Gütermenge betrifft. Aber weil dank der marktsystematischen Akkumulationsstrategie, die sich per medium des allgemeinen Äquivalents, in ihm als katalytischem Ferment vollzieht, das eine, die Konsumpraxis, mit dem anderen, dem Distributionsmodus, untrennbar verknüpft und in der Tat an ihn als seine conditio sine qua non gebunden ist, droht die Distributionskrise, die der Erfolg der auf soziale Umwälzungen setzenden und zu diesem Behuf in die Politik investierenden Ökonomie heraufbeschwört, das ganze Marktsystem vor den Fall seines Scheiterns zu bringen und die gesellschaftliche Reproduktion insgesamt sich am Haken jener dem allgemeinen Äquivalent zugewiesenen Rolle des Mehrwertrealisierers, mit dessen Wirksamkeit alle weitere Wertschöpfung und jeder der Wertschöpfung dienende materiale Produktionsprozess steht und fällt, aufhängen zu lassen.

Die Distributionskrise droht, aber sie macht ihre Drohung nicht wahr, sondern räumt, wie bekannt, im Gegenteil einem neuen kommerziellen Aufschwung, einer weiteren rasanten Entfaltung des Marktgeschehens das Feld. Und dass dies so ist, verdankt sich nun aber dem – wenn man so will – historischen Zufall, der Entdeckung nämlich und kommerziellen Erschließung beziehungsweise kolonialen Eroberung der anderen Weltteile im Allgemeinen und der Neuen Welt im Besonderen.

"Wenn man so will" mag dabei als eine die Beschwörung des Zufalls als Problem markierende Verlegenheitsfloskel durchgehen, denn bei genauerem Hinsehen scheint, ob hier die Rede vom Zufall am Platze ist oder nicht, weniger eine Frage des Willens oder Beliebens als eine Sache der Wahrnehmung oder Perspektive. Systematisch-intentional gesehen, liegt es ja durchaus in der Logik des auf handelskapitale Akkumulation geeichten Marktsystems und kann geradezu als sein Animus, die Unruhe oder Seele seines Funktionsmechanismus gelten, dass es nach immer neuen Produzenten und Konsumenten, nach immer weiteren Investitions- und Absatzchancen Ausschau hält und beides, wenn es sich ihm im gewohnten Umfeld nicht zeigt beziehungsweise zur Verfügung stellt, außerhalb sucht und notfalls in weiter Ferne aufzuspüren bereit ist. Von daher kommt es schwerlich als blindes Ungefähr, lässt es sich kaum als zufällig im Sinne eines relationslosen Akzidens verstehen, dass in einer Situation, in der ein solcher Notfall gleich in beiderlei Hinsicht vorliegt und in der, wie gezeigt, das akkumulierte Handelskapital einerseits um seine Reinvestition, seine Weiterverwertung in der Produktionssphäre bangen muss und andererseits in dem Maße, wie es ihm gelingt, auf politischem Wege diese ökonomische Scylla, an der es zu scheitern droht, zu umschiffen, sich der Charybdis einer um die Einlösung ihres Wertes in der Zirkulationssphäre, ihre Realisierung als Kapital, verlegenen übergroßen Warenmenge ausgesetzt findet – dass in einer solchen Situation der Drang nach draußen sich mit Macht regt und die noch weitgehend unbekannte Welt außerhalb Europas die Rolle einer bloß imaginativen Projektionsfläche, auf die sie bislang weitgehend abonniert war, verliert, und zum in praxi wahrgenommenen Projektgegenstand und Entfaltungsraum wird.

Mögen es anfänglich auch vorzugsweise erratische Glücksritter und Projektemacher sein, die diesem Drang bewusstlos nachgeben und sich auf den Weg nach draußen begeben, und mögen die Reichtümer, hinter denen sie her sind, auch noch so mythologisch unbestimmt und mit den konkreten Marktbedürfnissen ihrer Herkunftsgesellschaften auch noch so wenig vermittelt sein – dass das neue Abenteurer- und Entdeckertum sich derart massenhaft und verbreitet Bahn bricht und dass es bei den staatlichen Instanzen und in den kommerziellen Kreisen der in der Transformation zu absolutistischen Staaten begriffenen Herkunftsländer so nachdrücklich Unterstützung und Förderung findet, zeugt hinlänglich davon, dass dahinter bereits die um die Artikulation ihrer Desiderate noch halbwegs verlegene handelskapitale Substanz des gleichermaßen nach Investitionsmöglichkeiten und nach Absatzchancen gierenden Marktsystems steckt – ganz abgesehen davon, dass die rasch einsetzende Lenkung und Regulierung des anfänglichen Abenteurertums durch staatliche Regiemaßnahmen und seine fast unverzügliche Überführung in beziehungsweise Ersetzung durch ein explizit kommerzielles Kompaniewesen den sonnenklaren Beweis für diese im Wesentlichen marktsystematische Begründung des westeuropäischen Ausgreifens auf und Vordringens in die übrigen Weltteile erbringt.

Aber so wenig also, systematisch-intentional gesehen, die beginnende europäische Kolonialisierung der restlichen Welt als akzidentiell, will heißen, als zur innereuropäischen Entwicklung kontingent, gelten darf, so sehr bleibt es doch, empirisch-realgeschichtlich betrachtet, ein Zufall im Sinne von unverhoffter Koinzidenz oder – wie man es nimmt – glücklicher oder unglücklicher Fügung, dass nun bei diesem ihrem massierten und zunehmend organisierten beziehungsweise staatlich gelenkten Vordringen in fremde Weltgegenden und Erdteile die Kolonisatoren gleich anfangs auf große Mengen Edelmetall, die von den Hochkulturen der Neuen Welt zu herrschaftlich-repräsentativen beziehungsweise kultisch-rituellen Zwecken gesammelten Schätze, und in der Folge dann auf die diese Thesauri speisenden ergiebigen Fund- und Schürfstellen stoßen und dass ihnen damit in großer Menge eben jenes allgemeine Äquivalent aus anderen als kommerziellen Quellen unter die Finger kommt und in die Hände fällt, dessen Fehlen beziehungsweise mengenmäßiges Ungenügen, wie oben gezeigt, im europäischen Marktsystem selbst die für den Akkumulationsprozess unabdingbaren herrschaftlichen Konsumenten außer Stande setzt, der ihnen zugemessenen Aufgabe als Abnehmer des auf dem Markt zirkulierenden Mehrprodukts beziehungsweise Realisierer des darin verkörperten Mehrwerts angemessen nachzukommen, und damit denn aber die nicht substanziell, sondern strukturell bedingte, nicht sowohl der Absorptionskapazität des Bedürfnissystems als vielmehr dem Distributionsmodus der Befriedigungsmittel geschuldete Absatzkrise heraufbeschwört, die den von der Transformation der ständisch-feudalen Herrschaftsordnung in die absolutistisch-zentrale Staatsverwaltung gleich doppelt profitierenden Markt heimsucht und zu lähmen droht.

Gelingt es, die in der Neuen Welt vorgefundenen und zuerst den dortigen Gesellschaften durch Plünderung ihrer Thesauri geraubten und des Weiteren dann durch Ausbeutung der natürlichen Vorkommen gewonnenen Mengen Edelmetall in die richtigen Hände gelangen und nämlich jenen verhinderten beziehungsweise überforderten herrschaftlichen Konsumenten des europäischen Marktsystems zukommen zu lassen, dann lässt sich dessen durch ein Überangebot an Waren hervorgerufene Obstipation beheben und dank eines deutlich erhöhten Konsumniveaus der europäischen Oberschicht, des im europäischen Marktsystem als Konsumenten vom Dienst fungierenden Adels, der akkumulative Verwertungsprozess des Handelskapitals auch in seinem durch die neuen Bereicherungs- und Investitionschancen, die die absolutistische Karriere der Herrschaft den Marktbetreibern eröffnet, massiv erweiterten Umfang aufrecht erhalten beziehungsweise fortsetzen.

Und dass eben dieser Transfer des Edelmetalls der Neuen Welt in die Hände der es als allgemeines Äquivalent in das Marktsystem einzuspeisen berufenen Oberschicht der Alten Welt gelingt, dafür sorgen nun zum einen die Tatsache, dass kraft der vom Staat übernommenen Regieführung, kraft mit anderen Worten des mit dem absolutistischen Souveränitätsstreben des Fürsten einhergehenden Anspruchs auf Verfügung über die Reichtümer der eroberten und kolonialisierten Territorien, der Großteil des erbeuteten beziehungsweise ausgebeuteten Edelmetalls sich in den Händen des Souveräns wiederfindet und sammelt, und zum anderen der Umstand, dass der Souverän diesen ihm unverhofft in die Hände beziehungsweise in den Schoß fallenden Schatz vornehmlich zu politischen Zwecken einsetzt und nämlich dazu nutzt, eben sein Streben nach zentralistischer Alleinherrschaft, nach absolutistischer Souveränität zu untermauern und voranzutreiben.

Dabei wird das eine, die staatliche Regie über das Edelmetall der Neuen Welt, nicht etwa oder nur unwesentlich dadurch in seinem Wert beeinträchtigt und in seiner Wirkung gemindert, dass es ja erst einmal, dem Gang der kolonialen Expansion entsprechend, nur einer der den feudalen Zusammenhang transzendierenden europäischen Fürsten, der spanische, ist, dem das Edelmetall zufließt und der es zur Beförderung seiner politischen Karriere, sprich, zum Zwecke seiner absolutistischen Etablierung nutzen kann. Erstens nämlich ist dieses eine Fürstenhaus mit anderen auf dem europäischen Kontinent so eng dynastisch verknüpft und ist es in die kontinentaleuropäischen Interessenkonflikte und machtpolitischen Auseinandersetzungen so tief verstrickt, dass es gar nicht verfehlen kann, seinen unverhofften Reichtum mit den anderen zu teilen und zwecks Durchsetzung seiner territorialen Ansprüche beziehungsweise Erfüllung seiner bundesgenossenschaftlichen Verpflichtungen sich in die oben bereits erwähnte Rolle eines für den kommerziellen Aufschwung Europas entscheidend wichtigen Geldgebers oder Schatzmeisters zu fügen. Und zweitens sind die westeuropäischen Konkurrenten der spanischen Monarchie weit entfernt davon, ihr diesen Glückstreffer zu gönnen, und setzen vielmehr alles daran, ihr einen Teil der amerikanischen Beute abzujagen, indem sie die Flotte ihres Landes durch direkte Order oder durch Kaperbriefe ermächtigen, die spanischen Silber- und Goldtransporte auf ihrem langen Weg zum Mutterland zu überfallen und auszurauben.

Ist dergestalt aber zum einen dafür gesorgt, dass das silbern-goldene Füllhorn der Neuen Welt sich relativ gleichmäßig in die Thesauri der europäischen Fürstenhäuser ergießt und alle relevanten Mächte mehr oder weniger davon profitieren, so gewährleistet nun zum anderen der politische Gebrauch, den die nach absolutistischer Souveränität strebenden Fürsten von dem unverhofften Segen machen, dass dieser auf breiter Front der adligen Oberschicht, den durch die absolutistische Karriere der Fürsten um ihre territoriale Eigenständigkeit gebrachten und aus Vasallen in Hofleute, aus Machthabern in Würdenträger überführten feudalen Standesgenossen zuteil wird beziehungsweise zugute kommt und so aber die Oberschicht gleichermaßen in die Lage versetzt und dazu verführt, eine dem gestiegenen Angebot des Marktes gemäß gesteigerte Nachfrage zu entwickeln und durch die effektive Wahrnehmung jener ihr vom Marktsystem zugedachten Konsumentenrolle, in der sie mangels eigenen, als allgemeines Äquivalent einsetzbaren Edelmetalls aus nichtkommerziellen Quellen zu versagen Miene machte, dem Markt aus seiner drohenden Obstipation herauszuhelfen und die Fortsetzung seines akkumulativen Wertschöpfungsprozesses zu ermöglichen.

Tatsächlich verwenden die zuerst nach hegemonialer Vormacht und dann nach absolutistischer Souveränität strebenden Fürsten das ihnen aus der kolonialen Sphäre zufließende Edelmetall zu dem gleichen Zweck einer Förderung ihrer politischen Karriere durch Vertreibung oder Unterwerfung, Enteignung oder Abfindung ihrer feudalen Standesgenossen und Konkurrenten um die Macht, zu dem sie auch die ihnen von den Marktbetreibern, den Steigbügelhaltern ihres Aufstiegs, gewährten Kredite und Darlehen verwenden: Entweder sie stecken es, wie in den Anfängen ihrer Karriere vorwiegend der Fall, in Rüstung und Kriegsführung, um ihre Standesgenossen und Konkurrenten mit Gewalt niederzuringen und gefügig zu machen, oder aber, wie im Fortgang und nach Maßgabe des von ihnen erlangten Übergewichts und errungenen machtpolitischen Erfolgs zunehmend die Regel, sie setzen es ein, um ihre Konkurrenten auszukaufen und die um ihre territoriale Machtstellung und ihren regionalen Rückhalt Gebrachten an den Hof zu ziehen und dort unter Kontrolle zu halten, sie mittels reeller Ämter oder zeremonieller Würden zu okkupieren und durch Pfründen oder regelmäßige Zuwendungen friedlich zu stimmen und zur Kollaboration zu bewegen. Sie binden ihre vormals relativ eigenständigen Standesgenossen als Gefolge in ihre Hofhaltung ein, lassen sie an dem höfischen Aufwand und Luxus, den sie, wie erwähnt, selber treiben, teilhaben und statten sie mit den nötigen Mitteln aus, um auch privatim einem dem Leben am Hofe gemäßen demonstrativen Konsum zu frönen und sich durch den Gewinn an formellem Status und materiellem Luxus für den Verlust an sozialer Geltung und realer Macht zu entschädigen beziehungsweise das eine durch das andere zu eskamotieren.

Auf diese Weise avanciert das Edelmetall aus der Neuen Welt, der amerikanische Schatz, zu einem wesentlichen und, was die Dauer und Endgültigkeit des Paradigmenwechsels von der reichsständischen Feudalherrschaft zum staatlichen Absolutismus betrifft, sogar entscheidenden Instrument zur Durchsetzung fürstlichen Souveränitätsanspruchs oder monarchischen Staatsbewusstseins. Nur dank der aus der königlichen Schatulle finanzierten Pfründen und Apanagen, Abfindungen und Zuwendungen gelingt es letztlich den neuen Souveränen, sich ihre Standesgenossen als Konkurrenten ein für allemal vom Halse zu schaffen und diese nämlich zu einer nachdrücklichen Änderung ihrer politischen Aspirationen und einem grundlegenden Wandel in ihrem Sozialverhalten und kulturellen Lebensstil zu bewegen, sie dazu zu bringen, ihre traditionellen Ansprüche auf territoriale Herrschaft und soziale Macht aufzugeben und sich mit der sozialen Geltung und materiellen Verfügung, die der Monarch ihnen einräumt oder verschafft, zufrieden zu geben, kurz, sich aus Vasallen in Courtiers, aus Lehnsmännern in Gefolgsleute, aus adligen Mitbeherrschern des Landes in Mitglieder des königlichen Hofes zu verwandeln.

Und indem das Edelmetall primär und in specie aus der Neuen Welt und sodann und in genere aus der weltweit wachsenden kolonialen Sphäre diesem politischen Zweck dient, als Schmiermittel, Abfindungssumme und Kaufpreis die ständischen Konkurrenten des nach absolutistischer Souveränität strebenden Fürsten als solche auszuschalten und in höfische Konsumenten zu überführen, sie aus selbsttragenden Pfeilern der feudalen Ordnung in weniger tragende oder konstituierende als schmückende oder repräsentierende Säulen des zentralen Staats zu verwandeln, erfüllt es eben durch diese seine politische Verwendung, seine Austeilung an die Oberschicht, die ökonomische Aufgabe, der durch die absolutistische Karriere der Herrschaft deren Geldgeberin und Steigbügelhalterin, der kommerziellen Funktion, ermöglichten räumlichen Expansion und sächlichen Aggregation ihres Marktsystems die nötige Konsumkraft korrespondieren zu lassen und also zu gewährleisten, dass das rasant zunehmende Warensortiment, das wachsende Angebot des Marktes, auch und gerade zu dem Teil, der nicht schon in dem zuvor für den Erwerb der Waren ausgegebenen markteigenen allgemeinen Äquivalent sein wertmäßiges Pendant hat, Abnehmer finden kann und dass mit anderen Worten das dem Akkumulationsprozess der Marktbetreiber entspringende Mehrprodukt seine für den Fortgang des Akkumulationsprozesses unabdingbare Realisierung als Mehrwert erfährt.

Uno actu seines politischen Zwecks, die Durchsetzung der dem Marktsystem neue Investitionsfelder und Investitionsformen eröffnenden absolutistischen Herrschaft zu befördern, erfüllt mithin der koloniale Schatz die ökonomische Funktion, den Konsumentenkreis des Marktes zu dotieren und seine Kaufkraft zu stärken und so der dank jener neuen Investitionschancen wachsenden Wertschöpfung des Marktes durch ein steigendes Wertrealisierungsvermögen seiner Kundschaft die Waage zu halten. Dies also ist der als Koinzidenz oder Fügung wohlverstandene Zufall, mit dem die, rebus sic stantibus, durchaus in der Logik des Marktsystems gelegene koloniale Expansion dem letzteren zu Hilfe kommt und der nichts Geringeres erlaubt als die Lösung des im Marktsystem mittlerweile eingetretenen strukturellen Ungleichgewichts, der Diskrepanz zwischen investitionskraftbedingtem Angebot und kaufkraftbedingter Nachfrage, und der dadurch dem kommerziellen Akkumulationsprozess seine dem vergrößerten Marktvolumen und dem beschleunigten Umschlagstempo trotzende Kontinuität sichert.

Nicht, dass die koloniale Sphäre nicht auch ohne diese Fügung, diese Besonderheit des gleich anfangs in ihr vorgefundenen Reichtums an Edelmetall, geeignet ist, einen Beitrag zur Lösung der im europäischen Marktsystem eingetretenen Probleme beziehungsweise Korrektur der Schieflage, in die es geraten ist, zu leisten. Schließlich bietet die Entdeckung und Eroberung großer neuer, von Menschen besiedelter Territorien in Übersee die Gelegenheit zu einer Expansion des Marktes, die Möglichkeit, neue Handelsbeziehungen zu knüpfen und neue Abnehmer zu finden und mithin der übergroßen Warenmenge auf den Märkten der die feudale Ordnung sprengenden und sich absolutistisch reorganisierenden Staaten, die das strukturelle Ungleichgewicht verschuldet, ein Ventil, einen Abfluss zu schaffen. Indes, normale Handelsbeziehungen bedeuten, dass die Handeltreibenden für die Warenmenge, die sie andernorts absetzen, einen um den Mehrwert, den sie nach Maßgabe ihrer Akkumulationsstrategie beanspruchen, wertmäßig vergrößerte Warenmenge einkaufen und auf ihren heimischen Markt zurückbringen, und so kann bei aller kurzfristigen Linderung und Entlastung, die solcher Außenhandel dem heimischen Markt bringt, die bloße, mittels Knüpfung normaler Handelsbeziehungen vollzogene Erschließung neuer Absatzmöglichkeiten in Übersee dem letzteren keine Lösung seines Wertrealisierungsproblems bringen, weil dadurch die in Warenform auf dem Markt zirkulierende Wertmenge am Ende nur immer weiter vergrößert wird.

Das Besondere an der mit den kolonialen Entdeckungen und Eroberungen der frühen Neuzeit gegebenen Situation ist nun aber, dass sie unmittelbar und primär nicht zur Knüpfung neuer, normaler Handelsbeziehungen führt, dass sie nicht einfach dazu dient, im Austausch gegen heimische Waren fremde Waren für den heimischen Markt zu gewinnen, sondern dass sie – ob auf dem Weg kommerziellen Austauschs oder auf andere Weise, bleibe für einen Augenblick dahingestellt! – dazu genutzt wird, als allgemeines Äquivalent brauchbares Edelmetall, den für die Realisierung des in Waren verkörperten Wertes nötigen Gegen- oder Geldwert nach Europa zu schaffen und auf dem Wege des beschriebenen, politisch motivierten, sprich, in den Dienst des Strebens der Herrschaft nach absolutistischer Macht gestellten Verteilungsmechanismus in die Hände der adligen Oberschicht und durch deren Konsum ins Marktsystem gelangen zu lassen – in ein Marktsystem, das eben wegen seines wachsenden Warenangebots und wegen der knappen finanziellen Ressourcen seiner etablierten Konsumenten, der traditionell mit der Mehrwertrealisierung betrauten adligen Oberschicht, diesen vermehrten Zufluss von Edelmetall aus anderen Quellen dringend benötigt.

Anders als in der Antike, wo das Edelmetall auf kommerziellem Weg aus den westlichen Stammesgebieten des Mittelmeers ins östliche Marktsystem gelangt, gelangt der koloniale Schatz in der beginnenden Neuzeit als herrschaftliche Beute und durch herrschaftliche Ausbeutung aus der Neuen in die Alte Welt, wo ihn die aus der Oberschicht bestehenden traditionellen Konsumenten ins kommerzielle System einspeisen. Dadurch wird verhindert, dass es in den Gesellschaften der beginnenden Neuzeit zu ökonomischen Verwerfungen und politischen Konflikten kommt. Gelangte der koloniale Schatz nämlich auf kommerziellem Weg ins Marktsystem, würde er ausschließlich der Entfaltung des Handels der städtischen Wirtschaftszentren mit den kolonialen Gebieten zugute kommen und die traditionellen Konsumenten, die herrschaftlichen Austauschpartner, außen vor lassen und zum ökonomischen Abstieg verurteilen.

Auf den ersten Blick spielt so der Schatz aus den überseeischen Kolonien für das europäische Marktsystem die gleiche Rolle, wie es in der Antike das Edelmetall aus den westlichen Gebieten des Mittelmeers für das im östlichen Mittelmeerraum entstandene Handelssystem tut. Auch in der Antike ist Ausgangslage für die Expansion nach Westen ein als Überangebot an kommerziellen Gütern erscheinendes Ungleichgewicht im östlichen Handelssystem, hervorgerufen durch die dem Austausch zwischen Territorialherrschaften dank seines Akkumulationserfolgs entspringenden eigenständigen handelsstädtischen Produktionsgemeinschaften mit den von ihnen ausgebildeten neuartigen Marktstrukturen und der ökonomischen Initiative und Produktivität, die sie im Rahmen jener Marktstrukturen entfalten. Auch in der Antike will es der je nach Blickwinkel als glückliche oder unglückliche Fügung erscheinende Zufall, dass sich in den Händen der den westlichen Teil des Mittelmeers besiedelnden Stammesgruppen beziehungsweise auf ihren Gebieten bedeutende Vorräte beziehungsweise Vorkommen an Edelmetall befinden. Und auch in der Antike hilft dieses im Westen reichlich vorgefundene Edelmetall, das östliche Handelssystem seiner Absatzprobleme zu entledigen, seine drohende Verstopfung durch ein Überangebot an Waren abzuwenden und so den kommerziellen Akkumulationsprozess in Gang zu halten oder gar auf Touren zu bringen. Hier allerdings endet auch schon die Parallele und macht einer unschwer erkennbaren Divergenz des zur Einschleusung des als allgemeines Äquivalent tauglichen Edelmetalls in das Marktsystem jeweils angewandten Verfahrens Platz.

Während nämlich in der Antike das westliche Edelmetall im Wesentlichen durch kommerziellen Austausch erworben wird und so auf direktem Weg in die Hände der Betreiber des östlichen Handelssystems gelangt, wird in der beginnenden Neuzeit das amerikanische Edelmetall ebenso wesentlich durch Raub und Ausbeutung beschafft, um auf die beschriebene Weise als politisches Instrument in die Hände der als Konsumenten vom Dienst funktionierenden europäischen Oberschicht zu gelangen und erst auf diesem Umweg dem Marktsystem und seinen Betreibern zuzufließen und sich als ökonomischer Faktor zur Geltung zu bringen. Zwar sind auch in der Antike die zu den westlichen Stammesgemeinschaften unterhaltenen Austauschbeziehungen keine normalen Beziehungen in dem Sinne, dass bei ihnen der volle Zyklus eines Austauschs von materiellen Gütern gegen allgemeines Äquivalent und wiederum Eintauschs materieller Güter für das allgemeine Äquivalent durchlaufen würde und die Handeltreibenden also mit einem zweifach mehrwertigen Kontingent an materiellen Gütern auf den heimischen Markt zurückgekehrten, um diesen doppelt vermehrten Wert dort zu realisieren. Wäre das der Fall, dann hätte dies ja den oben geschilderten kontraproduktiven Effekt, dass der als Entlastung des Markts von einem Überangebot an Waren gedachte koloniale Absatz letztlich nur zu einer weiteren Belastung des Markts mit noch mehr Waren führte.

Dank der besonderen Situation der Stammesgemeinschaften im westlichen Mittelmeerraum, bei denen sich reichlich Edelmetall, sprich, hohe Kaufkraft, mit ökonomischer Rückständigkeit, sprich, geringer Produktivkraft paart, können vielmehr hier die kommerziellen Beziehungen jene anomale Form, jene im Austausch von materialen Gütern gegen allgemeines Äquivalent sich erschöpfende Einseitigkeit annehmen, die in der Tat das westliche Mittelmeer zu einem reinen Absatzmarkt werden lässt, dessen Beitrag zum östlichen Handelssystem sich auf die Lieferung von als allgemeines Äquivalent brauchbarem Edelmetall beschränkt. Eben dies, dass sie als quasi bloße Konsumenten am kommerziellen Austausch teilnehmen und ihre Rolle sich darauf reduziert, den Wert von im östlichen Handelssystem produzierten Waren zu realisieren, sprich, in die Form von allgemeinem Äquivalent zu überführen und so für die kommerzielle Selbstverwertung, für seine Investition in weitere Wertverkörperungen oder Waren tauglich zu machen – eben dies macht die westlichen Stammespopulationen so nützlich für das antike, zwischen Handelsstädten und Territorialherrschaften etablierte Handelssystem und lässt sie zu Garanten seines Wachsens und Gedeihens, will heißen, seines Bestehens und Funktionierens werden.

Aber so wenig normal die Handelsbeziehungen des antiken östlichen Handelssystems zu den westlichen Gebieten auch sein mögen, sie bleiben doch jedenfalls Handelsbeziehungen, und die Frucht, die sie vornehmlich abwerfen, das als allgemeines Äquivalent brauchbare Edelmetall, erreicht deshalb das östliche Handelssystem auf direktem Weg, will heißen, durch die Hände der Handeltreibenden selbst. Ganz anders im Europa der beginnenden Neuzeit. Hier sind es, wenn auch mit Sicherheit durch das zur Expansion drängende Marktsystem angeregt, zuerst Abenteurer und Glücksritter, die die Beziehungen zur neuen Welt knüpfen und mit geraubten Schätzen von dort zurückkehren. Und es sind, eben weil diese frühen Konquistadoren mit Schätzen, mit traditionellem Herrengut zurückkehren, das sie auf traditionell herrschaftliche Weise, durch Raub, an sich gebracht haben, sodann die Herren sans phrase, die sich als absolutistische Monarchen etablierenden Fürsten, die sich direkt, durch staatliche Regie, oder indirekt, durch königliche Patente, in den Besitz jener Schätze bringen, um sie in den Dienst ihrer politischen Karriere zu stellen und sie anfangs dazu zu verwenden, ihre Standesgenossen mit kriegerischen Mitteln niederzuringen, und, nachdem dies halbwegs gelungen ist, sie dazu zu nutzen, jene Standesgenossen und ehemaligen Konkurrenten durch Apanagen, Zuwendungen und Pfründen zu befrieden und als königlichen Hof an sich zu binden.

Es ist also nicht die Appropriation durch friedlichen Austausch, sondern die Expropriation durch nichtkommerzielle Gewalt, was das Edelmetall aus der Neuen Welt in das Marktsystem der Alten Welt schafft, und dementsprechend gelangt es dorthin auch nicht durch die Hände der Marktbetreiber, sondern wird auf dem Umweg über die europäische Oberschicht, die herrschaftlichen Konsumenten, in das Marktsystem eingespeist. Dieser Unterschied in der Aneignungsform drückt sich übrigens auch klar und deutlich in der Vorgehensweise, im Aneignungsprozess selbst aus, denn während in der Antike die nach Westen gerichtete Kolonisierungsbewegung sich darauf beschränkt, punktuelle Handelsniederlassungen an den Küsten zu errichten, um von dort aus die kommerziellen Geschäfte mit den an ihnen interessierten Stammesbevölkerungen abzuwickeln, ist der Kolonialismus der Neuzeit, weil er auf gewaltsame Ausbeutung abzielt, genötigt, von der ganzen auszubeutenden Sphäre Besitz zu ergreifen und die dort siedelnden Bevölkerungen zu unterwerfen, um sie, die an dem Vorhaben der Eindringlinge ja partout kein Interesse haben, gefügig zu machen.

Für diese Differenz in der Form der im einen und im anderen Fall vom Marktsystem angestoßenen kolonialen Expansion und in der Art und Weise, wie sich der durchaus vergleichbare Zufall der im einen und im anderen Fall angetroffenen großen Edelmetallmengen auf das Marktsystem auswirkt und in ihm zur Geltung bringt, ließen sich diverse empirische Gründe anführen, wie etwa die Tatsache, dass der Atlantik im Vergleich mit dem Mittelmeer eine weit größere Barriere darstellt, die mit all ihren geographischen Fährnissen und mythologischen Schrecken zu überwinden und überhaupt in Angriff zu nehmen, es mehr als bloße kaufmännische Gewinnsucht, eben schatzsucherische Abenteuerlust braucht, oder der Umstand, dass die Stammesbevölkerungen des westlichen Mittelmeers bei aller Rückständigkeit, die sie gegenüber der Zivilisation im östlichen Mittelmeer aufweisen mögen, doch in einer kommerziell ohne weiteres zu überbrückenden kulturellen Kontinuität mit ihr stehen, in ein und derselben Welt mit ihr leben, wohingegen, wie die Rede von der Neuen und der Alten Welt signalisiert, die auf dem amerikanischen Kontinent heimischen Bevölkerungen durch eine veritable historische Ungleichzeitigkeit, einen zivilisatorischen Hiatus von den europäischen Eindringlingen getrennt sind und deshalb für eine unmittelbare Aufnahme kommerziell geregelter Austauschbeziehungen die nötigen materialen und sozialen Voraussetzungen fehlen.

Welch plausible oder zweifelhafte empirische Gründe für den Unterschied in der Form der Expansion und im Modus der Akquisition des Edelmetalls aber auch immer ins Feld zu führen sein mögen – systematisch oder aus Sicht der die Expansion anstoßenden Marktsysteme betrachtet, sind grundlegend für den Unterschied die Probleme, die den letzteren zu schaffen machen, und die Problemlösungen, die durch die unterschiedliche Expansionsform und Akquisitionsweise jeweils ermöglicht beziehungsweise befördert werden. Zwar ist es abstrakt es das oben qua Überangebot an Marktgütern angegebene identische Problem, das bewältigt werden muss, reell aber verbergen sich hinter dieser abstrakten Identität ganz verschiedene Konstellationen.

In der Antike entsteht das Überangebot an Waren aus der wachsenden Produktivkraft der handelsstädtischen Gemeinschaften und daraus, dass diese Produktivität die kommerziellen Austauschpartner der Handelsstädte, die umliegenden Territorialherrschaften überfordert. Und zwar deshalb überfordert, weil diese territorialherrschaftlichen Austauschpartner ja nicht nur Konsumenten, sondern ebenso sehr Produzenten sind, weil sie dank ihrer in den handwerklichen Bereichen nicht weniger als auf landwirtschaftlichem Gebiet fronenden Untertanen über weitgehend autarke Volkswirtschaften verfügen und weil das im Hinblick auf den handelsstädtischen Markt und dessen vornehmlich handwerkliche Produkte ihren Bedarf und ihre Aufnahmekapazität grundlegend einschränkt. In dieser Situation brauchen die handelsstädtischen Marktbetreiber einen Absatzmarkt für ihr produktivitätsbedingtes Überangebot an Waren, und den finden sie bei den westlichen Stammesgemeinschaften, die dank des Zugleich von ökonomischer Rückständigkeit und Reichtum an Edelmetall der Stellenanforderung perfekt entsprechen und nämlich als Käufer oder Konsumenten voll zur Verfügung stehen, während sie als Lieferanten oder Produzenten kaum ins Gewicht fallen. Indem sich diese konsumtiven Nothelfer damit begnügen, dem östlichen Handelssystem sein Zuviel an handelsstädtischen Waren abzunehmen und diese in die Form von allgemeinem Äquivalent zu überführen, sprich, in ihrem Wert zu realisieren, schützen sie das Handelssystem vor der ihm drohenden Verstopfung und stellen den Fortgang des systematischen Akkumulationsprozesses sicher, kurz, sorgen dafür, dass das östliche Handelssystem, um ein Outlet, einen ebenso unmittelbaren wie reinen Absatzmarkt erweitert und ergänzt, in der gewohnten Weise weiter funktioniert.

Und das heißt, auch weiter floriert, weiter wächst und gedeiht! Schließlich bedeutet die ökonomische Rückständigkeit in den westlichen Regionen des Mittelmeeres ja, dass die dortigen Populationen Bedarf an einer breiten Palette von Allerweltsgütern nicht nur handwerklicher Art, sondern auch agrarischer Provenienz haben. Die Marktbetreiber der Handelsstädte können dort also nicht nur die Produktionsüberschüsse ihrer heimischen Märkte losschlagen, sondern sie finden auch einen Absatzmarkt für die landwirtschaftlichen Produkte ihrer traditionellen Handelspartner, der als zugleich Konsumenten und Produzenten firmierenden Territorialherrschaften. Den realisierten, in die Form allgemeinen Äquivalents überführten Wert ihrer Waren, den sie aus den westlichen Regionen zurückbringen, können sie erneut gewinnbringend einsetzen, indem sie ihn nicht nur in die Produktion neuer, im Westen absetzbarer Überschüsse der städtischen Produktionsgemeinschaften investieren, sondern ihn mehr noch nutzen, um als Zwischenhändler agrarische Produktionsüberschüsse ihrer territorialherrschaftlichen Handelspartner in den Westen zu vertreiben.

Auf diese Weise wirkt sich die einseitig konsumtive Mitwirkung der nichtterritorialherrschaftlichen Populationen im westlichen Mittelmeer durchaus auch belebend auf das traditionelle Handelssystem im östlichen Mittelmeer aus, wobei der belebende Effekt natürlich noch dadurch gesteigert wird, dass auch das in die Hände der städtischen Produktionsgemeinschaften fließende Mehr an allgemeinem Äquivalent zu einer gesteigerten Nachfrage nach Agrarprodukten der territorialherrschaftlichen Nachbarn führt und also indirekt den Handelsbeziehungen zu letzteren zugute kommt.

Und zu allem Überfluss veranlasst die auf direktem und indirektem Weg gesteigerte Nachfrage nach agrarischen Produkten die Territorialherrschaften zu einer Verlagerung ihrer exportorientierten ökonomischen Aktivitäten vom – zumindest was die Massenproduktion betrifft – ohnehin kaum konkurrenzfähigen handwerklichen auf den Gewinn verheißenden landwirtschaftlichen Bereich und sorgt so für eine zunehmende Arbeitsteilung zwischen handwerklich zentrierter handelsstädtischer und landwirtschaftlich fundierter territorialherrschaftlicher Produktion, was wiederum zu neuen handelsstädtischen Absatzchancen in den territorialherrschaftlichen Gebieten und zu einer Verstärkung des handelssysteminternen Austausches führt.

Kurz, dass das Edelmetall der als quasi reine Konsumenten dem östlichen Handelssystem integrierten oder vielmehr angeschlossenen westlichen Stammespopulationen in die Hände der Handeltreibenden und durch sie hindurch in das Handelssystem gelangt, hat hier den gewünschten Effekt und impliziert nämlich nicht nur eine Entlastung des Marktes von dem Überangebot an Waren, das ihn zu lähmen droht, bedeutet also nicht nur eine Stabilisierung des Marktes, sondern wirkt sich mehr noch im Sinne seiner Belebung aus, weil dank des Anschlusses jener kolonialen Sphäre ans System die territorialherrschaftlichen Austauschpartner in ihrer Eigenschaft als Produzenten den handelsstädtischen Marktbetreibern weitere beziehungsweise neue Investitionschancen bieten, sprich, die Möglichkeit eröffnen, mit dem Edelmetall den systeminternen kommerziellen Austausch anzukurbeln.

Ganz anders die Situation in der beginnenden europäischen Neuzeit! Das Marktsystem, wie es sich ausbildet und im Laufe des Mittelalters entfaltet, ist ja, wie gezeigt, wesentlich eines zwischen handwerklich-städtischen Produktionsgemeinschaften und auf den Austausch zwischen ihnen beschränkt; es integriert sich die Territorialherren ausschließlich als Konsumenten. Als Produzenten fallen die letzteren für das System praktisch nicht ins Gewicht. Als quasi dem System eingeborene, ihm als konstitutives Element innewohnende reine Konsumenten spielen sie dank ihres als Herrengut gehorteten Edelmetalls, ihres allgemeinen Äquivalents aus marktexternen Quellen, die Rolle von Abnehmern des kommerziellen Mehrprodukts und Realisierern des darin steckenden Mehrwerts und übernehmen so von Anfang an die Funktion, die im ganz anders gearteten – und nämlich aus Handelsstädten, in denen sich marktwirtschaftliche Produktionsgemeinschaften und fronwirtschaftliche Territorialherren ein Stelldichein geben, und aus Territorialherrschaften, die zugleich Konsumenten und Produzenten sind, konfigurierten – Handelssystem der Antike die erst sekundär, aus Anlass des produktivitätsbedingten Überangebots handelsstädtischer Waren und also gewissermaßen als Hilfsfunktion vom System rekrutierten Stammespopulationen der Kolonialsphäre des westlichen Mittelmeers erfüllen.

Zu diesem produktivitätsbedingten Überangebot an Waren und der dadurch drohenden Verstopfung und Lähmung des Marktes kommt es zwar auch hier, im Marktsystem des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit, aber gemäß der verschiedenartigen Zusammensetzung der beiden Systeme lassen sich die Ursachen für das als Überangebot erscheinende Missverhältnis oder Ungleichgewicht zwischen kommerziellem Angebot und konsumtiver Nachfrage klärlich unterscheiden. Im spätmittelalterlichen europäischen Marktsystem sind Ursache für das Missverhältnis der Schub, den die auf Basis kommerzieller Machtzentren sich vollziehende absolutistische Umwälzung des feudalen Herrschaftsgefüges der kommerziell vermittelten Güterproduktion verleiht, und das in der Beschränktheit der herrschaftlichen Thesauri begründete Unvermögen der als Konsumenten vom Dienst firmierenden Oberschicht, dem wachsenden Warenstrom pekuniär gerecht zu werden; weil es sich dabei um eine bloß den Austauschprozess selbst betreffende, den marktsystematischen Funktionsmechanismus als solchen tangierende Dysfunktion handelt, wurde oben von einem strukturellen Ungleichgewicht gesprochen.

Im antiken mittelmeerischen Handelssystem hingegen sind Ursache für das Missverhältnis die wachsende handelsstädtische Produktivität und der in der relativen Autarkie der territorialherrschaftlichen Austauschpartner, in ihrer Stellung als zugleich Konsumenten und Produzenten begründete mangelnde Bedarf der letzteren, ihre fehlende Bereitschaft, den Marktbetreibern der Handelsstädte den wachsenden Warenstrom abzunehmen; weil das Problem demnach die dem Austauschvorgang zugrunde liegende, dem Marktsystem vorausgesetzte Bedürfnislage, die materiale Nachfrage der im kommerziellen Austausch Involvierten betrifft, lässt sich hier von einem substanziellen Ungleichgewicht reden. Beseitigt wird dies substanzielle Ungleichgewicht durch eine Verbesserung der Bedürfnislage, dadurch mit anderen Worten, dass die Handeltreibenden die Nachfrage erhöhen, indem sie Konsumenten ins System einbeziehen, die Konsumenten in dem exklusiven Sinne sind, dass sie über allgemeines Äquivalent verfügen, ohne den Markt mit eigenen Produkten zu befrachten, und die sich mit ihrem Zugleich von äquivalentgestützter Nachfrage und fehlendem materialem Angebot im kommerziellen System so nachdrücklich zur Geltung bringen, dass dieses in toto, das heißt, unter Einschluss aller traditionell an ihm Beteiligten, nicht nur stabilisiert, sondern mehr noch reanimiert, nicht nur wieder ins Lot, sondern sogar neu in Schwung gebracht wird.

Einmal angenommen, dieses antike Rezept einer Beseitigung des materialen Überangebots durch eine Erweiterung des Konsumentenkreises und dadurch erwirkte Steigerung nur und ausschließlich der pekuniär gestützten Nachfrage käme auch im Falle der kolonialen Expansion zu Anfang der Neuzeit zur Anwendung! Angenommen mithin, die oben gegen eine Anwendbarkeit des gleichen Rezepts geltend gemachten Faktoren, wie etwa die große räumliche Entfernung, die einer rein kommerziellen Expansion entgegensteht, oder die zivilisatorische Diskrepanz zwischen Kolonisatoren und Kolonisierten, die einer umstandslosen Aufnahme kommerzieller Austauschbeziehungen welcher Art auch immer zuwiderläuft, wären nicht vorhanden oder fielen jedenfalls nicht ins Gewicht! Wie sähe das Ergebnis in diesem Falle aus? Die Agenten der Expansion, die Handeltreibenden, schlügen in den neu entdeckten Gebieten ihre Warenkontingente los, kehrten mit dem erlösten mehrwertigen allgemeinen Äquivalent, dem Edelmetall, auf ihre heimischen Märkte zurück, um letzteres dort in neue, von den städtischen Produktionsgemeinschaften gelieferte Waren zu investieren und mit diesen zwecks Realisierung des in ihnen steckenden Werts und Mehrwerts zu einer neuen Handelsfahrt in die koloniale Sphäre aufzubrechen. Alles liefe bestens für sie, die Handeltreibenden: Solange in der kolonialen Sphäre Bedarf an den von ihnen vertriebenen Gütern bestünde, kämen sie auf ihre akkumulationsprozessualen Kosten und blieben mit den europäischen Handelsstädten im für beide Seiten, vor allem aber für sie selbst lukrativen Geschäft.

Die aus der territorialherrschaftlichen Oberschicht bestehenden traditionellen Konsumenten und Mehrwertrealisierer des Marktsystems freilich hätten das Nachsehen; sie blieben bei dem durch den Handel mit der kolonialen Sphäre ermöglichten Wirtschaftswachstum, der durch das koloniale Edelmetall bewirkten Belebung des Marktes, außen vor. Da sie nur nach Maßgabe ihres Thesaurus vom Markt zehrende Konsumenten, keine kraft eigener fronwirtschaftlicher Produktion zum Markt beitragende Lieferanten wären, könnten sie von den in Übersee aufgetanen neuen Absatzchancen, anders als die Territorialherrschaften der Antike, nicht profitieren: Weder könnten sie dort eigene marktgängige Güter in den Austausch bringen lassen und so an dem in den Markt einfließenden allgemeinen Äquivalent aus kolonialen Quellen direkt partizipieren, noch könnten sie wenigstens indirekt durch verstärkte Lieferungen an die vom Handel mit der kolonialen Sphäre profitierenden städtischen Produktionsgemeinschaften an deren Gewinnen teilhaben. Bestenfalls, will heißen, wenn ihre marktunabhängigen Edelmetallreserven beziehungsweise Bezugsquellen für Edelmetall es erlaubten, wäre ihnen gegeben, ihre gewohnte Position gegenüber dem Markt zu behaupten, ihr gehabtes Konsumniveau zu halten.

Selbst wenn ihnen das aber gelänge, erwiese sich angesichts des dank Kolonialhandels wachsenden Reichtums in kommerzieller Hand und zunehmenden Wohlstands in den städtischen Produktionsgemeinschaften diese bloße Bewahrung ihres konsumtiven Status quo doch allemal als ein ökonomischer Abstieg und dementsprechender Verlust an sozialem Prestige, ganz zu schweigen vom materialen Komfort. Während ihre städtischen Untertanen, die Marktbetreiber und die dem Markt zuarbeitenden Gewerke, ökonomisch florierten, dümpelten sie vor sich hin beziehungsweise fänden sich allmählich von der gesellschaftlichen Entwicklung überholt und abgehängt und hätten immer größere Schwierigkeiten, einen ihrem Stand entsprechenden repräsentativen Konsum zu treiben, einen den zivilisatorischen Errungenschaften gemäßen Lebensstil zu finanzieren. Um mit dem zivilisatorischen Fortschritt einigermaßen mithalten und halbwegs standesgemäß auftreten zu können, müssten sie sich immer weiter bei den Betreibern des an ihnen vorbei florierenden Marktes verschulden und gerieten in immer größere Abhängigkeit von jenen, die als Geldadel, als ökonomisch entscheidende Machthaber, ihre politische Herrschaft, ihre Fürstenmacht, unaufhaltsam untergrüben und sie zu bloßen Galionsfiguren oder Pappkameraden degradierten, hinter denen sich die tatsächlichen gesellschaftlichen Machtverhältnisse bequem kaschieren ließen.

Eben aber, weil sie ja die politisch Herrschenden sind, könnten sie eine solche Entwicklung unmöglich akzeptieren. Sie würden deshalb mit Sicherheit ihre politische Macht einsetzen, um sich einen größeren Anteil am kommerziellen Reichtum und am Wohlstand der städtischen Produktionsgemeinschaften zu sichern, würden sich entweder mittels militärischer Gewalt oder bürokratischem Zwang, mittels Kontributionen oder Steuern, schadlos und bei Kasse zu halten suchen. Kämen sie damit durch, würden sie dem Markt Kapital entziehen, würden seine Dynamik bremsen, würden das kommerziell organisierte Wirtschaftsleben ihrer Gesellschaften demotivieren und lähmen und schlimmstenfalls zum Erliegen bringen. Stießen sie hingegen auf Gegenwehr und würden die durch ihren wirtschaftlichen Erfolg und ihre wie immer auch verdeckte politische Kollaboration mit der fürstlichen Territorialherrschaft selbstbewusst gewordenen Marktbetreiber im Verein mit den dem Markt zuarbeitenden städtischen Gemeinschaften Widerstand leisten und die ihnen abverlangten zusätzlichen Zuwendungen an die Herrschaft verweigern, es käme zu politischen Konflikten und sozialen Unruhen, aus denen die Fürsten zwar dank ihres Gewaltmonopols vielleicht noch als Sieger hervorgingen, die aber allemal dazu angetan wären, das Marktsystem aus den Fugen geraten zu lassen, den ihm geschuldeten Wohlstand aufzuzehren und die mittlerweile auf es angewiesenen Gesellschaften in den Ruin zu treiben.

So oder so erwiese sich unter den im nachimperialen Europa gegebenen Bedingungen eine dem antiken Vorbild folgende Sanierung des Marktes durch die kommerzielle Erschließung einer kolonialen Sphäre und die Aufnahme atypischer, weil erst einmal auf den Austausch europäischer Waren und kolonialen Edelmetalls beschränkter Handelsbeziehungen, dadurch mit anderen Worten, dass die Handeltreibenden den auf dem europäischen Markt bestehenden Überfluss an Waren in der kolonialen Sphäre absetzten und ausschließlich allgemeines Äquivalent von dort auf den Markt zurückbrächten – so oder so erwiese sich dieses antike Sanierungsrezept, wie ökonomisch profitabel es für die Handeltreibenden und die ihnen zuarbeitenden Produzentengruppen auch immer wäre, als politisch fatal. Weil es in nichts weiter resultierte als in einer fortschreitenden Verlagerung der Absatzmöglichkeiten nach draußen, einer zunehmenden Exzentrik der Konsumentenfunktion, sprich, Ersetzung der traditionellen, territorialherrschaftlichen Konsumenten durch marktferne, koloniale Handelspartner, und auf die Beziehung zu ersteren keinerlei positive oder belebende Rückwirkung hätte, diese vielmehr außen vor oder, besser gesagt, drinnen zurück und als nach Maßgabe ihrer relativ immer geringeren Finanzmittel mitversorgte Randgruppe im kommerziellen Spektrum immer mehr an ökonomischer Bedeutung verlieren und ins Hintertreffen geraten ließe, sorgte es nolens volens für hinlänglich politischen Konfliktstoff, um so oder so, durch Raub und Repression von oben oder Widerstand und Aufruhr von unten, das ganze Marktsystem durcheinanderzubringen und ins Unglück zu stürzen.

Dass der als allgemeines Äquivalent brauchbare koloniale Schatz direkt in Konsumentenhand und zwar in die Hände der traditionellen Konsumenten des Marktsystems gelangt, zwingt dessen Betreiber zu einer Änderung ihrer Absatzstrategie. Statt wie in der Antike nach neuen Kunden für alte Bedürfnisse suchen zu können, müssen sie jetzt neue Bedürfnisse für die alten Kunden auftun. Bei diesem Wechsel von einer extensiven zu einer intensiven Absatzstrategie fällt der Kolonialsphäre und ihren exotischen Produkten eine wichtige Rolle zu.

Tatsächlich aber macht ja die neuzeitliche koloniale Expansion auch keinen Gebrauch von jenem antiken Sanierungsrezept. Tatsächlich sind es ja, wie gesagt, wegen der abenteuerlich großen Entfernung und der nicht minder großen zivilisatorischen Diskrepanz, die die kolonialen Gesellschaften vom europäischen Marktsystem trennen, oder aus welchen weiteren Gründen auch immer nicht die Handeltreibenden, die den Kontakt herstellen und mit den Transaktionen beginnen, sondern Seefahrer und Kriegsleute, Glücksritter und Eroberer. Und tatsächlich gelangt auf diese Weise, was die koloniale Sphäre unmittelbar und vordringlich dem europäischen Marktsystem zu bieten hat, das als allgemeines Äquivalent brauchbare Edelmetall, nicht durch die Hände der Handeltreibenden auf die europäischen Märkte, sondern auf dem Umweg über die den nackten Raub und die gewaltsame Ausbeutung in den Kolonien rasch zu ihrer Sache machende oder jedenfalls ihrer Regie unterwerfende politische Herrschaft, die Fürstenmacht, und über die Oberschicht, unter der, um sie für ihre politische Entmachtung zu entschädigen und an den Hof zu binden, die Fürstenmacht das Geraubte austeilt.

Eben dieser andere, nichtkommerzielle Weg, dieser Umweg, auf dem das koloniale Edelmetall auf die europäischen Märkte gelangt, erweist sich nun aber unter den geschilderten, durch das Marktsystem des nachimperialen Europa gegebenen Bedingungen als wenn auch vielleicht nicht ein Segen (das Wort möchte an dieser Stelle grundsätzlich deplatziert erscheinen), so jedenfalls doch ein die glückliche Fügung des in der kolonialen Sphäre unmittelbar vorfindlichen Edelmetalls erst komplett machender Glückstreffer. Auf diese Weise nämlich steht zwar die koloniale Sphäre nicht primär und vordringlich als Absatzmarkt für die auf den europäischen Märkten zirkulierenden überschüssigen Warenmengen zur Verfügung, wohl indes dient sie dazu, die Kaufkraft im europäischen Marktsystem selbst zu stärken und so die überschüssigen Warenmengen eben dort ihren Absatz finden zu lassen.

Statt durch Ausdehnung des Konsumentenkreises und durch Auslagerung des Absatzes sich und ihren kommerziellen Austausch sanieren zu müssen, sehen sich die Marktbetreiber einer systeminternen Steigerung der Nachfrage konfrontiert und können im Rahmen des vorhandenen Absatzmarktes ihre Waren los werden und einen unverändert profitablen Austausch pflegen. Und damit bleibt das europäische Marktsystem als solches im Lot: Statt es durch eine Hinausverlagerung des Absatzes, eine Erweiterung der Konsumsphäre zwar ökonomisch im Gange und funktionstüchtig zu erhalten, diese Gewichtsverlagerung von den systeminternen auf systemexterne Konsumenten aber, weil die ersteren ja die politisch Herrschenden und dem Marktsystem wesentlich nur durch ihre Konsumentenrolle verbunden und verpflichtet sind, mit gesellschaftlichen Konflikten und politischen Repressalien zu bezahlen, sind die Marktbetreiber dank jenes nichtkommerziellen Umwegs in der Lage, das bestehende Gleichgewicht zwischen Produzenten, Konsumenten und ihnen selbst zu wahren und alle Beteiligten nicht nur am Fortbestand, sondern mehr noch am Wachsen und Gedeihen des Systems ihr Interesse finden zu lassen.

Freilich impliziert diese nicht mit kommerziellen Mitteln erreichte, sondern mit herrschaftlicher Gewalt durchgesetzte Sanierung des Marktsystems, diese – mit anderen Worten – nicht durch die Handeltreibenden, sondern über die Konsumenten erfolgte Dotierung des Marktes mit dem angesichts des Überangebots an Waren fehlenden allgemeinen Äquivalent in Gestalt kolonialen Edelmetalls eine, verglichen mit dem antiken Vorbild, völlige Neuorientierung in der Art und Weise der kommerziellen Entwicklung, sprich, einen veritablen Paradigmenwechsel im Entfaltungsmodus des Marktes. Während dort, in der Antike, das Übersättigungsproblem des Marktes extensiv, durch Erweiterung des Konsumentenkreises, gelöst wird, findet es hier, in der beginnenden Neuzeit, eine intensive, in der Erhöhung der Konsumkraft bestehende Lösung.

Dort werden durch die Handeltreibenden neue Konsumenten rekrutiert, die durch ihre spezielle, in ihrem eigenen Beitrag zum Markt auf die Lieferung von allgemeinem Äquivalent beschränkte Partizipation das bestehende Marktsystem wieder in Schwung bringen, indem sie nicht nur das vorhandene Absatzproblem aus der Welt schaffen, sondern damit außerdem für eine Neubelebung der stagnierenden Handelsbeziehungen zu den alten, zugleich als Produzenten am Markt teilhabenden Konsumenten, den territorialherrschaftlichen Austauschpartnern, sorgen. Hier hingegen werden die alten, von Anfang an ausschließlich in ihrer konsumtiven Funktion am Marktsystem beteiligten Konsumenten, die vormals feudale und jetzt höfische Oberschicht, durch die Abfindungen und Zuwendungen der absolutistischen Herrschaft in die Lage versetzt, sich in verstärktem Maße als Konsumenten einzubringen und zu betätigen.

Dieses verstärkte konsumtive Engagement indes setzt zwingend voraus, dass es gelingt, die dem Konsum zugrunde liegende Naturbedingung, die menschliche Bedürfnisstruktur, zu verändern und ebenso wohl qualitativ wie quantitativ zu entfalten. Weil es im Wesentlichen der alte Konsumentenkreis, die an Zahl und Umfang weitgehend unveränderte herrschaftliche Oberschicht ist, die das Überangebot an Waren in seinem Wert realisieren soll und dank des vornehmlich ihr in die Hände fallenden Edelmetalls aus der kolonialen Sphäre, rein technisch oder systematisch gesehen, ja auch kann, ist es, damit die technische oder systematische Möglichkeit praktische oder empirische Wirklichkeit wird, unbedingt erforderlich, dass die Oberschicht ihre Konsumgewohnheiten umfassend verändert und nämlich ebenso sehr quantitativ ihren konsumtiven Appetit verstärkt wie qualitativ die Palette ihrer Bedürfnisse erweitert.

Das antike Handelssystem, das das Absatzproblem durch eine Erweiterung des Kundenkreises und also extensiv löst, braucht diese Umgestaltung und Entfaltung der als natürliche Voraussetzung oder faktische Grundlage allen kommerziellen Austauschs firmierenden Bedürfnisstruktur nicht oder nur in geringem Maße; seine Wachstumsansprüche durch geographische beziehungsweise demographische Ausdehnung befriedigend, kann das System die gegebene Bedürfnisstruktur im Großen und Ganzen unangetastet lassen und unverändert nutzen. Dem Marktsystem der Neuzeit hingegen, dem diese Möglichkeit einer simplen geographischen oder demographischen Ausdehnung, für den Anfang jedenfalls, verschlossen bleibt und das sich unmittelbar, statt auf neue, kaufkräftige Konsumenten zugreifen zu können, mit den alten Kunden abfinden muss, die freilich über neue Kaufkraft verfügen, bleibt gar nichts anderes übrig, als sich für die andere, intensive Lösung des Problems zu entscheiden und nämlich den Weg einer Verstärkung und Vermehrung der zum Konsum antreibenden Bedürfnisse einzuschlagen.

Nicht, dass dieser in seinem intensiven Charakter zum weitgehend extensiven Procedere der Antike alternative Weg etwas völlig Unerhörtes, noch nie Dagewesenes wäre! Nicht, dass nicht auch der antike Kommerz sich diesen Intensivierungsmodus des Konsums zunutze machte und reichlich Nutzen aus ihm zöge! Schließlich ist, wenn hier von einer gegebenen Bedürfnisstruktur als der natürlichen Voraussetzung oder faktischen Grundlage des kommerziellen Austauschs gesprochen wird, damit nicht etwa gemeint, dass es sich bei ihr um etwas durch die menschliche Geschichte hindurch fix und fertig Gegebenes, eine bis zum Anbruch der Neuzeit unveränderliche anthropologische Konstante handelt. Seit Anbeginn der Geschichte ist vielmehr die Bedürfnisstruktur der Menschen, korrespondierend zur wachsenden Produktivität und Diversität ihres kooperativ-arbeitsteilig organisierten Stoffwechsels mit der Natur, in ständiger quantitativer Fluktuation und qualitativer Entfaltung begriffen. Der menschliche Appetit kommt mit dem Essen oder, besser gesagt, die Begehrlichkeit wächst mit den Reizen der durch menschliche Produktivkraft vermehrten und durch menschlichen Erfindungsreichtum vervielfältigten Befriedigungsmittel. So sehr die Bedürfnisse in abstracto von Natur gegeben und in der Biologie verankert sind, so sehr weisen sie doch eine schier unendliche Flexibilität und Variabilität auf und sind in concreto wesentlich abhängig vom historischen Stand der fortschreitenden Naturbeherrschung durch Arbeit und von den faktischen Bedingungen der gleichermaßen als Resultat und als Prinzip der Arbeit, als finale Zweckbestimmung und initialer Bestimmungsrahmen der Naturbeherrschung firmierenden Kultur der jeweiligen Gesellschaft.

Und diese, paradox ausgedrückt, natürliche Kultürlichkeit der menschlichen Bedürfnisse macht sich nun auch die auf den Plan der frühen Gesellschaften tretende kommerzielle Funktion durchaus zunutze und befördert sie zugleich, indem sie sie nutzt. So gewiss sie in dem für sie konstitutiven Akkumulations- und Expansionsinteresse stets bestrebt ist, ihre Austauschaktivitäten auf neue Personengruppen und Siedlungsgebiete auszudehnen, sprich, den Kunden- oder Abnehmerkreis für die Güter, die sie habituell austauscht oder vermarktet, zu erweitern, so gewiss nimmt sie aber auch im gleichen Interesse von Anfang an und schon in ihren frühesten Erscheinungsformen jede Gelegenheit wahr, den bereits vorhandenen Kundenkreis mit neuen Produkten zu beliefern, die sich als geeignet erweisen, modifiziert alte oder überhaupt neue Bedürfnisse bei den Kunden zu wecken und zu befriedigen.

Als konsumtive Sachwalter, als antizipatorische Prokuristen der Bedürfnisse ihrer Abnehmer fungierend, stehen die Handeltreibenden beziehungsweise Marktbetreiber allzeit bereit, in der Palette der ebenso sehr im Zuge der Entwicklung menschlichen Ingeniums und menschlicher Arbeitskraft wie in der Konsequenz der geographischen Entfaltung kommerzieller Tätigkeit allmählich zunehmenden Menge und Vielfalt an Produkten Absatz- oder Marktchancen zu entdecken, will heißen, diese Produkte mit einem aktuellen oder potenziellen, vorhandenen oder zu weckenden Bedarf auf Seiten der Abnehmer zu assoziieren. Von dem der kommerziellen Funktion eingeschriebenen Akkumulations- und Expansionsinteresse angetrieben, machen sich die Handeltreibenden beziehungsweise Marktbetreiber die natürlichen, sprich, kultürlichen Innovationen und Fortschritte der gesellschaftlichen Arbeit zunutze, um die menschliche Bedürfnisstruktur zu entfalten.

Freilich verharren hierbei die Handeltreibenden noch in einer weitgehend passiven Rolle, verhalten sich nur erst rezeptiv: Sie greifen auf, was sich ergibt, nehmen, was sich ihnen bietet, ohne auf die innovatorische Tendenz der gesellschaftlichen Arbeit aktiv einzuwirken, ihrer Fortschrittlichkeit gezielt Vorschub zu leisten. Die Strategie einer Erhöhung des Absatzes und Steigerung des Konsums mittels Verstärkung und Vervielfältigung der Bedürfnisse bleibt deshalb auch ein bloß marginales Moment, ein beispielender Faktor in einem relativ trägen und stabilen System der kommerziellen Befriedigung eines in quantitativer ebenso wie in qualitativer Hinsicht habituell beschränkten Bedarfs. Seinem Akkumulations- und Expansionsanspruch sucht das System unter diesen Bedingungen eher durch die geographische und demographische Ausweitung seiner kommerziellen Beziehungen als durch eine Intensivierung jener Strategie gerecht zu werden.

Genau das ändert sich jetzt, in der europäischen Neuzeit! Unter den spezifischen Bedingungen einerseits einer absolutistischen Entschränkung der feudalen Gesellschaft und politischen Entmachtung der alten Herrenschicht durch die Fürstenmacht und andererseits einer finanziellen Sanierung der alten Herrenschicht und ihrer mit dem kolonialen Schatz in Gang gebrachten Verwandlung in eine kaufkräftige, ihre konsumtive Rolle effektiver denn je wahrzunehmen befähigte neue Oberschicht entsteht eine Konstellation, in der den Marktbetreibern, wollen sie, dem ihrem Tun und Handeln eingeschriebenen Wachstumsimpuls gemäß, die durch die absolutistische Entschränkung ihnen eröffneten Investitionschancen und die durch den kolonialen Schatz in Oberschichthand ihnen entgegenkommende Kaufkraft nutzen, gar nichts anderes übrig bleibt, als ihr Verhältnis zu jener Strategie einer Erhöhung des Absatzes und Steigerung des Konsums mittels Verstärkung und Vervielfältigung der Bedürfnisse neu zu bestimmen und sie nämlich in den Mittelpunkt ihrer unternehmerischen Aktivitäten und expansiven Bemühungen zu rücken.

Einerseits konfrontiert mit einer Produktionssphäre, die dank der Intervention und Kollaboration ihres Bündnispartners, des absolutistischen Fürsten, ihnen nunmehr gestattet, ihr im engen Korsett der feudalen Gesellschaft aufgestautes Handelskapital voll und ganz einzusetzen und gewinnbringend zu verwenden, und andererseits verwiesen an eine Kundschaft, die im Wesentlichen die unverändert alte, aber nun versehen mit neuem, in den Markt konsumtiv einzubringendem allgemeinem Äquivalent ist – so also, fürs erste zumindest, geographisch beziehungsweise demographisch auf das bestehende Marktsystem beschränkt, das ihnen indes in produktiver wie in konsumtiver Hinsicht neu konditioniert entgegentritt, haben die Marktbetreiber gar keine andere Wahl, als ihre opportunistisch-passive Haltung in Bezug auf die in der Entfaltung der menschlichen Bedürfnisstruktur liegenden kommerziellen Entwicklungschancen aufzugeben und sich in diesem Bereich inventorisch-aktiv zu engagieren.

Statt passiv abzuwarten, ob ihnen der Fortschritt der menschlichen Arbeit und Naturbeherrschung etwas Neues, ein Bedürfnis anders oder ein anderes Bedürfnis Ansprechendes und deshalb auf dem Markt Verwend- und Verwertbares in die Hände spielt, müssen sie aktiv darauf aus sein, dem Arbeits- und Naturbeherrschungsprozess alles zu entnehmen und abzugewinnen, was irgend neue Bedürfnisse zu wecken oder alte Bedürfnisse neu zu erregen geeignet und deshalb zu kommerziellen Zwecken einsetzbar ist.

An die Stelle des bis dahin von den Marktbetreibern gepflegten interessierten Beobachtens und geduldigen Wahrnehmens der Verwertungschancen, die menschliche Arbeit und Naturbeherrschung ihnen im Zuge ihres natürlich-kultürlichen Fortschritts von sich aus dadurch eröffnen, dass sie andere oder modifizierte Befriedigungsmittel zutage fördern, tritt ein fieberhaftes Durchforsten und enragiertes Durchmustern der Produktionssphäre und des Naturzusammenhangs nach eben solchen, Verwertungschancen eröffnenden, anderen oder modifizierten Befriedigungsmitteln. Unter dem doppelten Druck des eigenen, akkumulierten und auf seine Reinvestition dringenden Handelskapitals und der die Reinvestition vielversprechend erscheinen lassenden und zu ihr drängenden neuen herrschaftlichen Kaufkraft entwickeln die Marktbetreiber eine bis dahin unbekannte Initiative, verfallen einem noch nie dagewesenen Aktivismus und verschreiben sich einem unablässigen Aufspüren anderer oder variierter, neuer oder intensivierter Reize und Objekte der eben dadurch ausgeweiteten und vervielfältigten Begierde, verlegen sich auf der Suche nach marktgängigen Befriedigungsmitteln auf ein unermüdliches Prospektieren der natürlichen und kultürlichen Welt, und zwar nicht nur im gewohnten geographischen und demographischen Rahmen, auf dem europäischen Kontinent, den ihnen die absolutistische Transformation der Gesellschaft neu erschließt und für ihre kommerziellen Zwecke zu Füßen legt, sondern auch und durchaus in der umfassenderen Dimension, der kolonialen Sphäre, die ihnen die im Prinzip von der Marktentwicklung motivierte und aber in der Ausführung von Seefahrern und Abenteurern, Glücksrittern und Projektemachern vorangetriebene europäische Expansionsbewegung öffnet und zugänglich werden lässt.

In der Tat spielt die koloniale Sphäre, sowenig sie fürs erste als Absatzmarkt für den das europäische Marktsystem bedrängenden Überfluss an Waren in Betracht kommt, im Blick auf den besagten grundlegenden Strategiewechsel der Marktbetreiber, zu dem sie selber durch die ihr geraubten Schätze an Edelmetallen den Beweggrund beisteuert beziehungsweise die Notwendigkeit liefert, im Blick nämlich auf den Übergang der Marktbetreiber von der vorwiegenden Suche nach neuen Kunden für alte Bedürfnisse zur vordringlichen Fahndung nach neuen Bedürfnissen für die alten Kunden, eine umso wichtigere Rolle. Dank der ihr eigenen Exotik, dank des vielen Neuen und Ungewohnten, das sie zu bieten hat, dank der vielen, die Sinne und den Geist erregenden Attraktionen und Reize, mit denen sie als fremde, unbekannte Welt aufwartet, ist sie wie geschaffen, den jetzt von den Marktbetreibern zur Erhöhung des Konsums und Steigerung des Absatzes eingeschlagenen Weg einer Entfaltung und Diversifizierung des Bedürfnissystems zu bekräftigen und zu befördern.

Der im Sinne nicht einer Erschließung neuer Absatzmärkte in fernen Regionen, sondern einer Nutzung dieser fernen Regionen als Quelle exotischer Erzeugnisse zur Belebung des alten Absatzmarktes und Erhöhung seiner Attraktivität wohlverstandene Kolonialhandel wird so zu einem wesentlichen Movens jener als Strategiewechsel verständlichen Umorientierung, in deren Konsequenz aus der von den Marktbetreibern bis dahin kultivierten und nach Maßgabe der natürlich-kultürlichen Entwicklung menschlicher Leistungskraft und Erfindungsgabe beziehungsweise in deren Gangart fortschreitenden Bedarfsfindung eine das kommerzielle Verwertungsinteresse zum Maßstab und Taktgeber eben jener natürlich-kultürlichen Entwicklung, die damit nolens volens eine Forcierung und Alteration erfährt, machende Bedarfsschöpfung wird.

Die günstigen Produktionsbedingungen, für die die mit Hilfe des Souveräns geschaffene Konkurrenzsituation bei den Produzenten einerseits und die koloniale Ausbeutung andererseits sorgen, ermöglichen jene exorbitanten Gewinnspannen, deren Resultat die von Marx als ursprüngliche Akkumulation bezeichnete Anhäufung großer Mengen von Handelskapital ist. Die Investitionskrise, die dadurch heraufbeschworen wird, ist nur scheinbar eine Wiederholung der zu Ausgang des Mittelalters statthabenden Krise, aus der die Überführung der ständisch-feudalen Herrschaftsordnung in die absolutistisch-zentrale Staatsverfassung heraushilft: War jene Krise politisch-konstitutioneller Natur, so hat die neue Krise rein ökonomisch-strukturellen Charakter.

Der Glückstreffer der im Zuge der kolonialen Expansion angetroffenen großen Mengen von als allgemeines Äquivalent einsetzbarem Edelmetall, die nicht per Austausch, durch Händlershand, sondern per Raub, durch anfangs eigenmächtige und bald schon amtliche Statthalter der Fürstenmacht und durch die von der Fürstenmacht mittels der Schätze bei Fuß gehaltene Oberschicht, in das europäische Marktsystem geschleust werden – dieser Glückstreffer also rettet die im Zuge der spätmittelalterlichen politischen Entwicklung, des Übergangs vom feudalherrschaftlichen Korporatismus zum absolutistischen Zentralismus eingetretene ökonomische Situation, indem er den beschriebenen Strategiewechsel des Marktes, den Wechsel von einer extensiven zu einer intensiven Absatzstrategie, von einer Ausweitung und Vergrößerung des Kreises der Bedürftigen zu einer Entfaltung und Diversifizierung des Systems der Bedürfnisse, wie man will, ermöglicht oder erzwingt.

Statt mit den ihnen durch die absolutistische Fürstenmacht eröffneten neuen Entfaltungsräumen und Investitionschancen, die sie vom beengenden Korsett ständischer und zünftiger Beschränkungen befreit und ihrem akkumulierten Handelskapital ermöglicht, sich ebenso vollständig wie gewinnträchtig in Güter und Leistungen umzusetzen – statt mit dieser neuen Perspektive, diesem markanten Aufschwung in der Rekrutierung von Arbeitsleistungen und Güterproduktion an einem strukturellen Ungleichgewicht, einer simultan zutage tretenden Diskrepanz zwischen investitionskraftbedingtem Angebot und kaufkraftbedingter Nachfrage zu scheitern, sprich, in der Sackgasse eines wegen Geldmangels stockenden Absatzes, wegen fehlenden allgemeinen Äquivalents stagnierenden Konsums zu landen, finden sich die Marktbetreiber auf Seiten ihrer traditionellen Konsumenten, der säkularen und klerikalen Oberschicht, mit allgemeinem Äquivalent im Überfluss, mit jeder Menge Kaufkraft konfrontiert und brauchen, sofern es ihnen gelingt, durch ein gleichermaßen vermehrtes und diversifiziertes, mittels technischer Finessen und exotischer Reize erweitertes und detailliertes Angebot neue beziehungsweise modifizierte Bedürfnisse ebenso sehr zu wecken wie zu befriedigen, um ihren Absatz, um die konsumtive Realisierung des Werts ihrer wachsenden Investitionen nicht zu fürchten.

Die dem spätmittelalterlichen Markt drohende Stagnation verkehrt sich dank der die Neuzeit einläutenden absolutistischen Entschränkung und Öffnung der Produktionssphäre und dank einer Kolonialsphäre, die zwar nicht als Absatzmarkt, wohl aber als Lieferantin von allgemeinem Äquivalent und exotischen Befriedigungsmitteln ins Gewicht fällt, unmittelbar in Stimulation, in einen im Sinne sowohl einer quantitativen Zunahme als auch einer zirkulativen Beschleunigung der kommerziellen Aktivitäten wirksamen Aufschwung, der dem letzten Zweck aller kommerziellen Aktivität, der von den Marktbetreibern als Selbstzweck betriebenen Akkumulation, der Anhäufung von Wert in Gestalt allgemeinen Äquivalents, das einzig und allein als Mittel zur Anhäufung von noch mehr seinesgleichen dient und eingesetzt wird, eine beispiellose Durchschlagskraft verleiht und einen noch nie dagewesenen Erfolg sichert.

In ebenso atemberaubendem Tempo wie exorbitantem Umfang schreitet der kommerzielle Akkumulationsprozess, der wegen der Enge und Beschränktheit der feudalherrschaftlich verfassten Gesellschaft an sein Ende gekommen oder jedenfalls an seine Grenzen zu stoßen schien, dank der von der kommerziellen Funktion direkt motivierten und unterstützten absolutistisch-zentralistischen Umwälzung der Gesellschaft und dank der indirekt von ihr angeregten und vorangetriebenen kolonialistischen Eroberung und Ausbeutung der außereuropäischen Welt weiter voran und ermöglicht es den Marktbetreibern, auf der Grundlage einerseits einer sich rasch erweiternden und vervielfältigenden innereuropäischen handwerklichen Güterproduktion und außereuropäischen Akquisition kolonialer Naturerzeugnisse und andererseits eines aufgrund der politischen Verwendung, die das der kolonialen Sphäre entrissene Edelmetall findet, bei den europäischen Konsumenten reichlich vorhandenen allgemeinen Äquivalents oder Gegenwerts für jene Güter und Erzeugnisse in kürzester Frist große Gewinne einzustreichen und entsprechend große Handelskapitalien anzuhäufen, will heißen, große Mengen allgemeinen Äquivalents zu akkumulieren, das für die Investition in neue innereuropäische Produkte und die Akquisition neuer kolonialer Erzeugnisse nicht minder systematisch bestimmt ist als faktisch zur Verfügung steht.

Dabei gewinnt der Akkumulationsprozess noch dadurch an Schwung und Durchschlagskraft, dass sich die europäische nicht minder als die koloniale Produktionssphäre dem Markt äußerst entgegenkommend und seinen Interessen willfährig zeigen und günstigste Einkaufsbedingungen den Marktbetreibern außerordentlich hohe Gewinnspannen verschaffen. Verantwortlich für diese an Wehrlosigkeit gegenüber kommerzieller Ausbeutung grenzende Willfährigkeit der Produktionssphäre und für die aus dem Rahmen fallenden Profitraten, die sie ermöglicht, ist im europäischen Fall die Abschaffung der städtischen Freiheiten durch die absolutistische Fürstenmacht, die Zerschlagung jener politischen und ökonomischen Selbstverwaltungsstrukturen, die den freien Städten ihre relative Unabhängigkeit und ihren vergleichsweisen Wohlstand sicherten und, wie einerseits der städtischen Produktionsgemeinschaft Schutz vor der politischen Willkür und räuberischen Habsucht der feudalen Herrschaft boten, so sie andererseits gegen ihre fronwirtschaftliche Umgebung abschirmten und vor einer Unterminierung ihrer wirtschaftlichen Existenz durch unkontrollierten Zuzug von draußen und einen dadurch ausgelösten ruinösen Konkurrenzkampf um Arbeit und Brot bewahrten.

Indem die Fürsten nicht zwar im erklärten Auftrag der Kaufmannschaft, wohl aber im geheimen Bunde mit ihr die Hemmnisse beseitigen, die in Gestalt von politischen Freiheiten, ökonomischen Rechten und korporativen Satzungen der weiteren Entfaltung des Marktes nachgerade entgegenstehen, weil sie der städtischen Produktionsgemeinschaft im Allgemeinen und ihren jeweiligen Körperschaften im Besonderen erlauben, gegen die generellen Gesetzmäßigkeiten und objektiven Mechanismen kommerziellen Austauschs ihre partikularen Interessen und subjektiven Vorbehalte zur Geltung zu bringen, will heißen, jenen Gesetzmäßigkeiten und Mechanismen quasi an den Toren der Stadt Einhalt zu gebieten und sie nur in modifizierter, dem Anspruch der stadtbürgerlichen Produzenten auf Gewährleistung ihres personalen Bestands und realen Lebensstandards angepasster Form zuzulassen – indem also die Fürsten jene Hemmnisse beseitigen, öffnen sie die Städte als Zentren des wirtschaftlichen Wohlstandes und der bürgerlichen Lebensart, mithin als attraktive Orte, anziehungskräftige Lokalitäten einem ungehemmten Zuzug von draußen und provozieren eine Landflucht, die den Städten zu einem aus dem Rahmen fallenden und mit den innerstädtischen ökonomischen Gegebenheiten nicht ohne weiteres kompatiblen, sprich, den traditionellen Rahmen der kommunalen Satzung und zünftigen Ordnung der Produktionsgemeinschaft vollends sprengenden demographischen Wachstum verhilft, das zuvörderst und vor allem die das Arbeits- und Erwerbsleben personell regulierenden und subsistenziell standardisierenden Schutz- und Kontrollmechanismen aushebelt und zwischen den gewerklich und gewerblich Tätigen einen ihrer Vielzahl und Bedürftigkeit geschuldeten Konkurrenzkampf entfacht.

Dank der durch keine kommunalen Zuzugs- und zünftigen Berufsbeschränkungen mehr aufgehaltenen und überhaupt aufzuhaltenden schieren Vermehrung der Arbeitskräfte in der Stadt verwandelt sich die städtische Produktionsgemeinschaft aus einem korporativen Verbund von handwerklich Tätigen und Gewerbetreibenden in ein relativ unverbundenes Produzenten- und Dienstleistungskorps, das sich im Kampf um Arbeit und Brot als gesellschaftliche Korporation entmischt und auflöst und in ein den Waren, die es produziert, und den Arbeitsleistungen, die es erbringt, zum Verwechseln ähnliches Ensemble, ein dem, was es produziert und leistet, schutzlos ausgeliefertes und darin quasi sich selber zu Markte tragendes menschliches Kontingent, ein im Verhältnis zu den Betreibern des Marktes ebenso heteronomisiertes und objektvermitteltes wie in seinen internen Beziehungen atomisiertes und verdinglichtes Kollektiv verwandelt.

Die Konsequenz dieser, der absolutistischen Zerschlagung der korporativ-kommunalen Strukturen der Stadt und dem massiven Wachstum der städtischen Bevölkerung, das damit Hand in Hand geht, geschuldeten Verwandlung der städtischen Produktionsgemeinschaft in ein nolens volens von Konkurrenzdenken beherrschtes, statt von wohlberatenem Korporationsgeist bestimmtes Produzentenkollektiv ist dessen Unterwerfung unter die Gesetze des Marktes, vornehmlich das Gesetz von Angebot und Nachfrage, dem zufolge in dem Maße, wie die Zahl der Anbieter, in diesem Fall der Belieferer des Marktes, wächst und ihr organisatorischer Zusammenhalt beziehungsweise die korporative Geschlossenheit ihres Auftretens schwindet, die Gruppe der Nachfrager, in diesem Fall der Betreiber des Marktes, die Möglichkeit erhält, die Anbieter gegeneinander auszuspielen, sie unter Konkurrenzdruck zu setzen und zu Preisnachlässen zu zwingen, die die Vergütung für die zu Markte getragenen Waren unter den Wert drücken, den sie aufgrund der an sie gewendeten durchschnittlichen gesellschaftlichen Arbeitszeit tatsächlich verkörpern.

Und während so die zu Markte getragenen Produkte wohlfeiler werden, sprich, der Einkaufspreis, der Gegenwert, den der Marktbetreiber für sie zahlt, sinkt oder jedenfalls stagniert, tendiert dank des auf der Konsumentenseite im Überfluss vorhandenen und deshalb bedenkenlos ausgegebenen allgemeinen Äquivalents der Verkaufspreis, der Gegenwert, den die Marktbetreiber für die als Waren feilgebotenen Produkte erzielen können, im Zweifelsfall in die entgegengesetzte Richtung, tendiert er mit anderen Worten dazu, den tatsächlichen Wert der Waren zu übersteigen – mit dem Ergebnis, dass die Differenz zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis über das gewohnte und in diesem Sinne normale Maß des vom Markt für seine Austauschtätigkeit in Anspruch genommenen Diskonts hinauswächst, dass, kurz gesagt, die Marktbetreiber in den Genuss exorbitanter, den Rahmen habitueller kommerzieller Gewinnerwartungen sprengender Profitspannen kommen.

Dass die Marktbetreiber dank des Konkurrenzdrucks, unter den sie die Produzenten, die Lieferanten der marktgängigen Güter, setzen können, imstande sind, außergewöhnlich hohe Profitraten einzustreichen, bedeutet dabei nicht, dass sich die ökonomische Lage der Produzenten durchgängig verschlechtert, diese einer pauschalen Pauperisierung unterworfen sind. Dank der in den Handwerken und Gewerben vorhandenen hierarchischen Strukturen, der unterschiedlichen technischen, organisatorischen und finanziellen Ausgangslage der jeweiligen Produzenten und der Kontingenz der wirtschaftsgeographischen und wirtschaftspolitischen Bedingungen, unter denen produziert wird, wirkt sich der Konkurrenzdruck, unter den die Marktbetreiber die Produktionssphäre setzen, vielmehr im Sinne eines Selektions- und Konzentrationsprozesses aus, in dessen Konsequenz sich die Produktionssphäre als ganze dirimiert und einige Produzenten zusammen mit den Marktbetreibern Vorteil aus der Preisdrückerei und Profitmaximierung ziehen, die der entfesselte Markt den letzteren ermöglicht.

Meister oder initiative Handwerker und Gewerbetreibende, denen ihre hierarchische Stellung, ihre finanzielle Lage oder sonstige, ihrem sozialen Milieu, ihrem technischen Stand, ihrem Organisationstalent oder auch ihrer günstigen geographischen Ansiedlung im Marktsystem geschuldete Umstände erlauben, den Preisdruck, den der Markt ausübt, an andere, von ihnen in Dienst Genommene weiterzugeben beziehungsweise Marktlücken zu finden oder monopolähnliche Positionen zu erringen, die sie zu außerordentlich nützlichen oder gar unentbehrlichen Geschäftspartnern der Marktbetreiber machen, können durchaus von deren durch die absolutistische Entschränkung der traditionellen Produktionssphäre und Entfesselung des Arbeitsmarktes ermöglichter Ausbeutungsstrategie profitieren und durch eine Ausweitung ihrer Werkstätten zu umfangreichen handwerklichen Betrieben sowie die Ausbeutung der ihnen im Übermaß zur Verfügung stehenden und deshalb der Lohndrückerei ausgelieferten Arbeitskräfte eine dem rein kommerziellen Akkumulationsprozess vergleichbare Entwicklung durchlaufen.

Aber dieser Erfolg Weniger wird nolens volens auf Kosten der Vielen beziehungsweise auf ihrem Rücken erzielt und ändert nichts an der mit der Entstrukturierung der Produktionssphäre, euphemistisch gesagt, ihrer Liberalisierung einhergehenden grundlegenden Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen Marktbetreibern und Produzenten. Als ein in die Produktionssphäre selbst hineingetragenes Abbild, eine in ihr selbst wirksam werdende Spiegelung der durch das Überangebot an Arbeitskräften und deren korporative Wehrlosigkeit bedingten wachsenden Kluft zwischen dem Einkommen, das den Produzenten ihre Arbeit verschafft, und dem Gewinn, den die Kaufleute aus ihr ziehen, bestätigt der Erfolg der Wenigen unter den Produzenten nur jene grundlegende Kräfteverschiebung zwischen Arbeit und Markt und ist zugleich ein Vorgriff auf die weitere Entwicklung, in deren Verlauf sich die vormaligen Grenzen zwischen Großproduzent und Kaufherr verwischen und beide in der Figur des Unternehmers oder Kapitalisten zum Agenten des gesamten, vom bürgerlichen Markt mittels der gesellschaftlichen Arbeit betriebenen industriellen Verwertungsprozesses verschmelzen.

Verstärkt und beschleunigt wird jener Prozess der ökonomischen Machtverschiebung zwischen Produzenten und Marktbetreibern, der den letzteren die Möglichkeit eröffnet, günstige Einkaufspreise zu erzwingen und entsprechend hohe Profitraten zu erzielen, noch durch die flankierenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen, mit denen die mit den Marktbetreibern im kaum mehr geheimen Bunde stehende, weil über Steuern, Abgaben, Darlehen und Kredite am kommerziellen Erfolg beteiligte Fürstenmacht die Profitmaximierungsbemühungen ihrer Bündnispartner unterstützt. Die staatliche Einrichtung von Arbeitshäusern für Arbeitsunwillige, Arbeitszwangsverordnungen und gesetzlich verfügte Lohnbeschränkungen sollen dafür sorgen, dass die allgemeine Strategie einer Entschränkung der Produktionssphäre und Entfesselung des Arbeitsmarktes im ganzen Umfange greift und das in die städtischen Wirtschaftszentren strömende Arbeitskräftepotenzial so umfänglich wie möglich zur Produktion wohlfeiler Güter für den Markt genutzt und ausgeschöpft werden kann.

Ähnlich günstig, wenn auch aus anderen Gründen, stellt sich die Lage den Marktbetreibern in der kolonialen Sphäre dar, die zwar, wie gesagt, noch nicht als Absatzmarkt, wohl aber als Bezugsquelle für Güter, die umgekehrt auf den europäischen Märkten leicht und gewinnbringend Absatz finden, ins Gewicht fällt. Was den Marktbetreibern erlaubt, die exotischen und vornehmlich für den Luxus der europäischen Konsumentenschichten bestimmten Erzeugnisse der Kolonien, die aus ihr bezogenen Gewürze, Genussmittel, kostbaren Stoffe, seltenen Gewächse, Pretiosen und Rohstoffe für die heimische Produktion von Luxusartikeln, wohlfeil zu erstehen, ist das noch weitgehende Fehlen eines Marktzusammenhangs in der kolonialen Sphäre.

Kommerziell ausgetauscht wird dort entweder gar nicht oder nach Tauschhandelsbedingungen, die in keinem angemessenen Verhältnis zu den auf den europäischen Märkten geltenden Wertrelationen stehen. Das heißt, die Kolonialwaren werden entweder durch Raub an den kolonialen Bevölkerungen oder durch ihre Versklavung und ihnen auferlegte Zwangsarbeit erworben, oder aber es werden Austauschbeziehungen geknüpft, die jedem Äquivalententausch Hohn sprechen und bei denen die sprichwörtlichen Glasperlen mit Gold aufgewogen oder Eisenwaren mit Elfenbein vergütet werden. Selbst wenn man die relativ großen Gefahren und hohen Risiken bei Beschaffung und Transport der Kolonialwaren in Rechnung stellt, lassen sich unter solch exorbitant günstigen Einkaufsbedingungen, die von Einkauf eigentlich nur euphemistisch beziehungsweise ironisch zu reden erlauben, gewaltige Profitraten erzielen.

Es wirkt also im heimischen Raum und in der kolonialen Sphäre alles zusammen, um den Betreibern der avancierten europäischen Märkte eine nach Umfang und Tempo beispiellose Akkumulation, eine ebenso massive wie rasche Anhäufung großer Handelskapitalien, großer, für weitere Akkumulationsprozesse, für neue gewinnträchtige kommerzielle Investitionsvorhaben zur Verfügung stehender Mengen allgemeinen Äquivalents zu ermöglichen, sie mit anderen Worten jene ebenso unaufhaltsame wie stürmische Entwicklung durchlaufen zu lassen, die Karl Marx als ursprüngliche Akkumulation bezeichnet. Das Attribut ursprünglich verdankt sich dabei der retrospektiven Wahrnehmung und bringt die post festum der folgenden ökonomischen Entwicklung, im Nachhinein des weiteren, im eigentlichen Sinne kapitalistischen Geschehens gewonnene Einsicht zum Ausdruck, dass jener Akkumulationsprozess diesem weiteren Geschehen unabdingbar vorausgesetzt, besser gesagt, von grundlegender Bedeutung für es ist.

Das heißt, der Akkumulationsprozess wird im Rückblick als ursprünglich in dem buchstäblichen, vom Sprachgebrauch aber gemeinhin unterschlagenen Sinne erkannt, dass er nicht einfach nur chronologisch-topisch den Anfang der nachfolgenden Entwicklung bildet, dieser nicht einfach nur zugrunde liegt, sprich, passiv als der Grund, ohne den nichts Weiteres folgen kann, vorausgesetzt ist, sondern dass er vielmehr funktionslogisch-dynamisch die Initiative zum weiteren Geschehen entfaltet, aktiv den Grund für die folgende Entwicklung legt, ihr aus eigenem Antrieb und Vermögen den Boden bereitet.

Als initiativ und grundlegend, kurz, ursprünglich erweist sich der Akkumulationsprozess, weil er in Konsequenz seines eigenen Procedere eine Hemmung in seinem Fortgang, eine Krise heraufbeschwört, die er überwinden beziehungsweise lösen muss, will er nicht in sich zusammenbrechen, an sich selbst zugrunde gehen. Und die Lösung der Krise besteht eben in einem als Grundlegung, als ineins reaktive Selbstbehauptung und projektive Neubegründung wirksamen Ur-Sprung, in einer großen Absetzbewegung, einer gewaltigen Zäsur mit anderen Worten, durch die sich der Prozess beziehungsweise das ihn durchlaufende handelskapitale Subjekt von seiner bisherigen Grundlage, der traditionellen Produktionssphäre ablöst, nur um als verselbständigtes Resultat in sie zurückzukehren, als eigenständiger Faktor auf sie zurückzuschlagen und sie als einen nach seinem Bilde umgestalteten Grund neu zu setzen, aus ihr als einer ihm und seinen Bedürfnissen gemäßeren, weil durch sein Resultieren zu seiner ausdrücklichen Bedingung gemachten Voraussetzung quasi von vorne anzuheben.

Dabei ist die Krise, die jener Prozess einer ursprünglichen Akkumulation heraufbeschwört, auf den ersten Blick nichts weiter als eine aktuelle Wiederholung des potenziellen Zustands, eine reale Reproduktion des nur erst strukturell implizierten Missverhältnisses, in dem sich anderthalb Jahrhunderte zuvor das handelskapitale Subjekt befindet und aus dem ihm dort die absolutistische Sprengung des feudalherrschaftlichen Korsetts im Verein mit dem Glückstreffer des kolonialen Schatzes heraushilft oder vor dem es, besser gesagt, diese Kombination aus absolutistischer Entschränkung und kolonialistischer Expansion bewahrt. Die potenzielle Krise oder das strukturelle Missverhältnis besteht ja dort, im Ausgang der als Mittelalter bezeichneten postimperialen tausendjährigen Ära, darin, dass das akkumulierte kommerzielle Kapital mittlerweile eine Größenordnung und Entfaltungsdynamik erreicht hat, der weder die städtischen Produktionsgemeinschaften mit ihren Freiheiten und Ordnungen noch die territorialen Herrschaftsverhältnisse mit ihren Privilegien und Gerechtsamen mehr gerecht zu werden und Genüge zu leisten vermögen, und dass deshalb beide Einrichtungen zu ernsthaften Hemmnissen für die kommerzielle Investitionstätigkeit, zu gravierenden Hindernissen für die weitere Entfaltung des Marktes werden und den Akkumulationsprozess zu beeinträchtigen, wo nicht gar zum Erliegen zu bringen drohen.

Aus jener Verlegenheit hilft den Marktbetreibern einerseits der auf Basis der ökonomischen Machtzentren, die sie ins Leben gerufen haben, angestrengte absolutistische Zentralisierungsprozess mit der durch ihn erzwungenen Öffnung der städtisch-gewerklichen Produktionssphäre und Erschließung neuer kommerzieller Entfaltungsräume, während andererseits die koloniale Expansion mit dem Glückstreffer der gleich zu Anfang aufgespürten und von der Fürstenmacht beziehungsweise ihrer politischen Klientel, der adligen Oberschicht, angeeigneten großen Mengen Edelmetall dafür sorgt, dass auf den europäischen Märkten die nötige Kaufkraft vorhanden ist, um der von den Marktbetreibern angekurbelten Produktionstätigkeit und entfalteten kommerziellen Aktivität die erforderliche Gewinnträchtigkeit zu sichern.

Diese Bewältigung der Krise aber, die Lösung des strukturellen Problems eines wegen Mangels gleichermaßen an Investitionsmöglichkeiten und Kaufkraft stockenden kommerziellen Akkumulationsprozesses durch Öffnung der Produktionssphäre und Beschaffung großer Mengen marktexternen allgemeinen Äquivalents – sie scheint nun anderthalb Jahrhunderte später in genau diese Krise zurückzuführen, scheint genau dieses strukturelle Problem, neu heraufzubeschwören. Ihre durch die neuen politischen Rahmenbedingungen und die neue Konsumkraft der Oberschicht ausgelösten fieberhaften kommerziellen Aktivitäten lassen die Marktbetreiber nach dieser relativ kurzen Zeit abermals und entschieden an die Grenzen der Leistungskraft und Lieferkapazität der ihnen zuarbeitenden Produktionssphäre stoßen und setzen ihnen in paradoxer Gegenläufigkeit eben die Schranken, die nicht zu kennen, das Credo oder Zeichen ist, unter dem sie ihren Siegeszug antreten.

Indem die Marktbetreiber den geschilderten Strategiewechsel, den Wechsel von einer herkömmlich extensiven zu einer vornehmlich intensiven Absatzstrategie, einer Steigerung des Absatzes nicht mehr nur und primär durch eine empirische Erweiterung des Abnehmerkreises, sondern mehr noch und wesentlich durch die systematische Entfaltung des Bedürfnissystems der Abnehmer vollziehen, stellen sie ihre Lieferanten, die handwerklich-städtischen Produzenten, vor Herausforderungen, denen diese nicht gewachsen sind, muten sie ihnen eine Verstetigung und Intensivierung ihrer Arbeitsleistungen und eine Diversifizierung und Vervollkommnung ihrer Fertigungstechniken, kurz, eine gleichermaßen quantitative und qualitative Steigerung ihrer Produktivität zu, die sie, die noch in ihren traditionellen Arbeitsgewohnheiten und Produktionsweisen Befangenen und ungeachtet aller organisatorischen Umgestaltung und betrieblichen Konzentration noch weitgehend als Einzelpersonen Agierenden, mit ihren eigenen Werkzeugen ihrer Hände Arbeit Verrichtenden und ihre individuelle Leistung Erbringenden hoffnungslos überfordern.

Die bloße Aufstockung des Personalbestands, die durch die Landflucht und die Abschaffung der Zunftordnungen beziehungsweise die Aufhebung der gewerklichen Berufsbeschränkungen bewirkte Vermehrung der handwerklichen Arbeitskräfte, kann diese zunehmende Überforderung der Produktionssphäre durch die quantitativen und qualitativen Ansprüche des Marktes nicht verhindern, weil sich durch solche Vermehrung des Personals ja unmittelbar nichts an den Arbeitsmethoden und Produktionstechniken und den darauf abgestellten Lebensgewohnheiten ändert – zumal die beschriebene Preisdrückerei und Profitmaximierungsstrategie, die der Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt den Marktbetreibern eingibt, nicht eben dazu angetan ist, die Produzenten anzuspornen und besonderes Engagement beweisen zu lassen, sprich, ihre Initiative und ihren Einfallsreichtum im Blick auf eine Steigerung der Produktivität ihrer Arbeit und eine Beförderung der Diversität ihrer Produktion zu wecken.

Weil, wie gesagt, der unter dem Druck der konsumtiven Nachfrage von den Marktbetreibern vollzogene Strategiewechsel, der an die Stelle des traditionellen interessierten Beobachtens und geduldigen Wahrnehmens der Verwertungschancen, die die Produktionssphäre im Zuge ihres natürlich-kultürlichen Fortschritts von sich aus eröffnet, ein fieberhaftes Durchforsten und enragiertes Durchmustern der Produktionssphäre nach eben solchen Verwertungschancen treten lässt, der das gewissenhafte Inspizieren und zuverlässige Aufgreifen des kommerziell Nutzbaren, das die Produzenten aktuell zu bieten haben, durch ein unermüdliches Prospektieren und unablässiges Aufspüren dessen, was an kommerziell Nutzbarem die Produzenten möglicherweise zu bieten hätten, ersetzt – weil dieser Strategiewechsel der Marktbetreiber auf einen gesellschaftlichen Produktionszusammenhang trifft, der, abgesehen von seiner personalen Auffüllung und seinen betrieblichen Konzentrationstendenzen, noch immer der alte ist und noch immer im Wesentlichen auf der Arbeit und den Leistungen einzelner, mit einer Werkzeugtechnik, die auf die individuelle Handhabung zugeschnitten ist, eigeninitiativ und selbstbestimmt produzierender Werktätiger beruht, kann es gar nicht ausbleiben, dass die Ansprüche des florierenden Marktes diesen zwar ökonomisch oder systematisch durchaus auf letzteren bezogenen, aber weder technisch noch organisatorisch durch ihn vermittelten, auf seine neuen Chancen und Perspektiven eingestellten, an seinen gleichermaßen qualitativen und quantitativen Mehrbedarf angepassten Produktionszusammenhang überfordern und es zu einem kommerziellen Investitionsstau kommt, vergleichbar dem, der anderthalb Jahrhunderte zuvor die Marktentwicklung zu durchkreuzen und zum Stillstand zu bringen drohte.

Dank der ökonomischen Entfaltungsräume, die der aufkommende Absolutismus eröffnet, und der neuen Konsumkraft, die der frühe Kolonialismus mit seinen zur Beförderung der Fürstenmacht eingesetzten Beuteschätzen ermöglicht, findet eine grundsätzliche Veränderung des Kräfteverhältnisses beziehungsweise Kausalnexus zwischen Markt und Produktionssphäre statt: Der Markt ist nun nicht mehr ein die Produktionssphäre als von ihm unabhängige Ursache seiner Existenz voraussetzendes Organ, das seine Funktion erfüllt, sprich, seine Dienlichkeit beweist, indem es die Überschüsse, die erstere ihm aus eigenem Antrieb liefert, vertreibt, sondern er hat sich zu einem die Produktionssphäre als seine existenzielle Bedingung setzenden Organismus gemausert, der seine Bestimmung erfüllt, sprich, nur sich selbst verwirklicht, indem er erstere zur Überschussproduktion antreibt, sie als Lieferantin dessen, was ihn wachsen und gedeihen lässt, im vollstmöglichen Umfang in Dienst nimmt.

Dieser Veränderung des Marktes aber leistet die Produktionssphäre nicht ohne weiteres durch eine Veränderung ihrer selbst, eine sich nach der Decke seiner Ansprüche streckende Neueinstellung Genüge. Geprägt durch die traditionellen Strukturen der verschiedenen, einen relativ geringen Grad an Technisierung und interner Arbeitsteilung aufweisenden und in eine Vielzahl eigenständiger Werkstätten auseinanderfallenden Handwerke und befangen in den habituellen Bahnen einer im Wesentlichen vom Ingenium, vom Instrumentarium, von der Arbeitsdisziplin und vom Gewinnstreben des Einzelnen beziehungsweise seines kleinen, privaten Betriebes abhängigen Produktivität, ist die Produktionssphäre zu schlecht organisiert oder koordiniert, erweist sie sich als zu wenig beeinfluss- und steuerbar, ist sie mit anderen Worten ein zu eigenwilliger und unzuverlässiger Lieferant, ein zu idiosynkratischer und unberechenbarer Kontraktor, um den Anforderungen des Marktes auf Dauer entsprechen und seine ebenso sehr qualitativ vervielfältigte wie quantitativ wachsende Nachfrage befriedigen zu können. Die Produktionssphäre stellt sich in ihren traditionellen Strukturen und in der Unbeweglichkeit und geringen Beeinflussbarkeit, die diese ihr verleihen, mehr und mehr als Hemmschuh für die Marktentwicklung heraus und reproduziert so die gerade einmal anderthalb Jahrhunderte zurückliegende Stagnation zum Ausgang des Mittelalters, die dort die absolutistische Transformation der westeuropäischen Gesellschaften und die damit einhergehende kolonialistische Öffnung Europas zu überwinden halfen.

Freilich unterscheiden sich die beiden Situationen bei aller oberflächlichen Ähnlichkeit, die sie miteinander verbindet, in einem ebenso tiefgreifenden wie wesentlichen Punkt voneinander. Der kommerzielle Investitionsstau und das marktspezifische Entfaltungsproblem, die den Marktbetreibern im Ausgang des Mittelalters zu schaffen machen, sind in der Hauptsache politisch-konstitutioneller Natur; das heißt, sie haben ihren Grund in den gesellschaftlichen Organisationsformen, die einerseits die agrarischen Feudalherrschaften und andererseits die städtischen Produktionsgemeinschaften ausgebildet haben und die sich nun als äußerer Widerstand oder beengendes Korsett gegen das Investitions- und Expansionsbedürfnis des gewachsenen Marktes geltend machen. Was einmal Basis der Marktentwicklung war, die weitgehende politische Trennung zwischen agrarisch-fronwirtschaftlich verfassten Territorialherrschaften und städtisch-marktwirtschaftlich organisierten Produktionsgemeinschaften, die den letzteren eine relative Eigenständigkeit und Selbstverwaltung einräumt und die de jure oder formell über die letzteren herrschenden Ersteren de facto oder in der Realität auf ihre territoriale Machtausübung beschränkt und dafür mit einer sie zur Achtung und zum Schutz der kommunalen Freiheit motivierenden konsumtiven Nutznießerrolle entschädigt – diese vormalige Basis der Marktentwicklung verkehrt sich in den Formen eines prärogativen Feudalsystems einerseits und eines prohibitiven Zunftwesens andererseits, die sie ausbildet, in ein Hemmnis für die Entwicklung.

Und gemäß seiner politisch-konstitutionellen Beschaffenheit wird jenes dem weiteren Akkumulationsprozess entgegenstehende Hemmnis nun auch auf politischem Wege, durch eine grundlegende Transformation der territorialen und kommunalen Sozialordnungen, aus der Welt geschafft, nämlich mittels einer auf der Grundlage der wirtschaftlichen Machtzentren, die ihr Territorium beherbergt, sich vollziehenden absolutistischen Karriere regionaler Fürstenhäuser, die ihre neue Zentralstellung und Souveränität nutzen, um mit Macht aufzuheben oder auch mit Gewalt zu beseitigen, was ihren Steigbügelhaltern, dem kommerziellen System und seinen Betreibern, im Wege steht und das auch für sie, die Fürsten, profitable Wirtschaften erschwert.

Die Anlagemöglichkeiten, die das absolutistische Regime dem Markt erschließt, und der Entfaltungsraum, den es ihm eröffnet, führen nun zwar dank jenes post festum als ursprüngliche Akkumulation apostrophierten exorbitanten handelskapitalen Wachstums, das ihnen entspringt, in relativ kurzer Frist zu einem dem Markt abermals drohenden Investitionsstau und Expansionsproblem und scheinen insofern, oberflächlich betrachtet, die Gefahr der Stagnation und Beschränkung, aus der sie das Marktsystem retteten, nur auf höherer Stufe reproduzieren beziehungsweise im umfassenderen Maßstab neu heraufbeschwören zu können. Indes, die Stagnationsgefahr, der sich jetzt der Markt konfrontiert sieht, das neue Korsett, das ihn einzuschnüren und in seiner Entfaltung zu behindern droht, ist – und dies ist der entscheidende Unterschied! – nicht mehr politisch-konstitutioneller Natur, sondern hat rein ökonomisch-strukturellen Charakter. Nicht gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die konstitutionellen Formen der territorialen Fron und der kommunalen Freiheit, des prärogativen Feudalsystems und des prohibitiven Zunftwesens, sind es, die jetzt den ungehinderten Zugriff auf und die freie Verfügung über das gesellschaftliche Produktionspotenzial, über die Ressourcen an Arbeitskraft und Erfindungsgeist vereiteln, sondern es ist die Produktionssphäre selbst, sind die strukturellen Eigenschaften der aktuellen Gestalt, die die städtischen Produktionsgemeinschaften dem gesellschaftlichen Produktionspotenzial verliehen haben, was dem handelskapitalen Elan zuwiderläuft und den weiteren Akkumulationsprozess zu durchkreuzen droht.

Die politisch-konstitutionellen Hemmnisse sind ja kraft der sich absolutistisch etablierenden Fürstenmacht und dank ihrer heimlichen oder auch offenen Komplizenschaft mit den Betreibern des Marktsystems und der eigennützigen Willfährigkeit, mit der sie durch politische Maßnahmen und bürokratischen Zwang den handelskapitalen Investitionsbedürfnissen und Expansionsansprüchen der letzteren Vorschub leisten, weitgehend aus dem Weg geräumt. Aber was bleibt beziehungsweise was durch den das politisch-konstitutionelle Korsett sprengenden Vorschub, den die Fürstenmacht der kommerziellen Investitionstätigkeit und dem Entfaltungsdrang des Marktes leistet, überhaupt erst als solches zutage tritt und virulent wird, ist das Hindernis, das die überkommenen ökonomischen Strukturen selbst für das handelskapitale Investitionsbedürfnis darstellen, ist der Widerstand mit anderen Worten, den eine beileibe zwar nicht vom Markt unabhängige, aber doch in relativer Eigenständigkeit ihm gegenüber sich behauptende und in ihrer traditionellen Kleinbetrieblichkeit und Autarkie, was die Verfügung über die Betriebsmittel betrifft, verharrende Produktionssphäre dem kommerziellen Entfaltungsdrang entgegensetzt.

Noch weitgehend abgestellt auf die Befriedigung der subsistenziellen Bedürfnisse der einzelnen handwerklich Arbeitenden selbst und ihrer Familien beziehungsweise ihrer kleinen Schar von Gesellen und Gehilfen und in ihrer qualitativen und quantitativen Produktionsleistung abhängig von der Fertigkeit, der Initiative, dem Erfindungsgeist und dem Ehrgeiz dieser Einzelnen, ohne dass der Markt über objektive Mechanismen verfügte, die Fertigkeit technisch zu untermauern, die Initiative praktisch zu erzwingen, den Erfindungsgeist systematisch zu befördern und den Ehrgeiz als Überlebensstrategie kategorisch werden zu lassen – solchermaßen also dem Markt in relativer Eigenwilligkeit und Unbeeinflussbarkeit zugrunde liegend, ist die Produktionssphäre schlecht disponiert, dem Höhenflug des Marktes stattzugeben, geschweige denn zu folgen, und erweist sich mehr und mehr als ein das handelskapitale Investitionstempo hemmender Klotz am Bein, ein den kommerziellen Entfaltungsprozess störendes versandetes Getriebe.