Vorwort

Zwei Bände meiner auf vier Bände angelegten Studie "Reichtum und Religion" sind bereits erschienen: "Der Mythos vom Heros" und "Der religiöse Kult".

Der dritte Band trägt den Titel "Die Herrschaft des Wesens". Am Beispiel von vier verschiedenen Kulturzusammenhängen (Indien, Griechenland, China, Israel) wird die Ablösung der opferkultlich-polytheistischen, theokratischen Ordnung durch einen auf Transzendenz und ethisches Verhalten abgestellten, nomothetischen Wesenskult rekonstruiert. Grund für den fundamentalen Wechsel des religiösen Paradigmas sind in allen vier Fällen massive gesellschaftliche Umschichtungen und Spannungen im Zusammenhang mit der Zunahme der agrarischen und handwerklichen Produktivität und der Entstehung einer neuen Form gesellschaftlicher Distribution, nämlich des Handels. Unmittelbarer Auslöser des Paradigmenwechsels sind die orgiastischen Naturkulte, in denen die sozialen Spannungen überall ihren religiösen Ausdruck finden.

Schließlich wird im Rahmen des dritten Bandes noch zu zeigen sein, wie der Wesenskult im Christentum in Konkurs geht, Hand in Hand mit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches, das die für die Wirtschaftsordnung der Antike entscheidende Balance zwischen agrarisch fundierten Territorialherrschaften und vom Handel geprägten Stadtrepubliken zerstört und sich damit selber zugrunderichtet.

Was hier mit dem Untertitel "Das Heil im Nichts" erscheint, ist der erste Teil des gerade skizzierten dritten Bandes. Inhalt dieses ersten Teils ist die buddhistisch-hinduistische Entwicklung. Nachgezeichnet wird, wie das Wesensverhältnis, das die Aristokratie der sich auflösenden Theokratien den orgiastischen Naturkulten und ihrem sozialrevolutionären Hintergrund entgegenstellt, in den Zielpunkt eines individuellen Selbstfindungsprojekts umgewandelt und auf dem Weg über die Askese und die buddhistische Erleuchtung zum Kernpunkt einer universalen Heilsperspektive erhoben wird. Zentraler Sinn dieser Heilslehre ist die quietistische Stillstellung der dank der Produktivitätsfortschritte in der ersten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrtausends entstandenen Pariaschichten. Der Hinduismus erweist sich am Ende als eine geniale Technik, die weltverneinende Heilsperspektive so in den weltlichen Zusammenhang einzubinden, daß sie zu einer realiter tragenden Säule der gesellschaftlichen Ordnung wird, die sie formell verneint.

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