7. Das vergesellschaftete Heil

Dank der Produktivitätsfortschritte und der Reichtumentwicklung hat die theokratische Gesellschaft ihre streng dichotomische Struktur eingebüßt und sich in ein vielschichtiges Gebilde verwandelt, das teils einen aus Handeltreibenden und professionellen Spezialisten bestehenden Mittelstand, teils die Parias kennt. Die um den Mittelstand erweiterte Oberschicht ist einerseits bloßes funktionelles Agglomerat und andererseits im Streben nach Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Struktur und Abwehr potentieller Gefahren von unten intentional geeint. Ihre intentionale Einigkeit findet Ausdruck in ihrem gemeinsamen Werkewirken für die universale Heilsperspektive.

Weil die Botschaft von dem im Nichts des Daseins zu suchenden, im Fluchtpunkt der Erscheinungswelt gelegenen Heil diese besondere Eignung beweist, die Ausgestoßenen der Gesellschaft, die Parias, in quietistischer Passivität gegenüber der exklusiven Erscheinungswelt zu verhalten und nämlich im Leiden am feindlichen Dasein ihre als durch und durch scheinbar erkannte und eben deshalb gar nicht erst angefochtene, sondern geduldig ertragene Bestimmung finden zu lassen, sind die gesellschaftlich etablierten Artgenossen der Wesensverkünder, die als die Gesellschaft firmierenden Laien, mit der Ausrichtung auf die Notleidenden und Elenden, die von der mönchischen Ordensgemeinschaft der Heilsperspektive gegeben wird, das heißt damit, daß die Heilsmittelinstitution die Heilsbotschaft wesentlich an die Parias adressiert, ganz und gar einverstanden und mehr noch bereit, dem Heilsinstitut selbst zur Aufrechterhaltung jener spezifischen Heilsperspektive in jeder, den personellen Nachschub nicht weniger als die materielle Versorgung betreffenden Hinsicht Sukkurs zu leisten. So gewiß die Laien bei aller grundsätzlichen Anerkennung der durch ihre antidionysische Wirksamkeit doppelt überzeugenden Wendung zum Wesen und der mit dieser Wendung einhergehenden Entlarvung der Welt als Schein in der Scheinwelt vorerst auszuharren gedenken und so gewiß sie ihre festgehaltene Scheinwelt aber durch die unter Bedingungen herrschaftlicher Reichtumproduktion vor sich gehende Produktivkraftentwicklung einen neuen sozialen Sprengstoff hervortreiben und die Gefahr einer in Gestalt der Parias sich formierenden fundamentalen Negation der gerade erst gegen die agrarisch-handwerklich Libertären reaffirmierten Ordnung der theokratischen Gesellschaft heraufbeschwören sehen, so gewiß goutieren sie die soziale Entschärfungsrolle und Befriedungsfunktion, die jene auf die Parias umfunktionierte und nämlich aus einem Instrument zur Zerstreuung von Schein in ein Vehikel zur Abschaffung von Leid umfunktionierte Heilsperspektive übernimmt, und sind willens, die Institution, die für deren Aufrechterhaltung sorgt, nach Kräften zu unterstützen und mit dem dafür erforderlichen personellen Nachwuchs und materiellen Nachschub zu versehen.

Sie, denen das Verweilen in der Erscheinungswelt unter Bedingungen einer ihr anerkanntermaßen den Prozeß ihrer Scheinhaftigkeit machenden weltflüchtigen Wesenslehre derart am Herzen liegt und die deshalb natürlich auch daran interessiert sind, diese Erscheinungswelt vor der sozialen Zerreißprobe zu bewahren und ihr den inneren Frieden zu erhalten – sie messen der sedierenden, Sozialkonflikte eskamotierenden Wirkung jener Leid als Schein erkennenden und für im Grunde nichts erklärenden Heilslehre eine so große Bedeutung bei, daß sie im Interesse der Beibehaltung solcher Heilslehre keine Bedenken tragen, sich in offenen Widerspruch zu dem von ihr als Weg zum Heil, als Heilsmittel, propagierten rechten Verhalten zu setzen und nämlich durch das Wirken weltlicher Werke im Dienste der das Heilsmittel pflegenden und tradierenden Institution sich das Heilsmittel selber ad calendas graecas – oder besser ad calendas indas – zu verscherzen. Oder genauer gesagt, tragen sie – da ja der offene Widerspruch zum heilskonformen Verhalten einem erklärten Selbstwiderspruch gleichkäme und nämlich eine Absage an eben das Heil bedeutete, dem sie durch ihr laizistisches Wirken doch ebensowohl als universalem, will heißen, zuletzt auch für sie verbindlichem Zweck die Stange halten – keine Bedenken, sich auf den geschilderten alternativen Heilsweg eines karmabestimmten Sublimierungsprozesses der Seele schicken zu lassen, den die Wesensverkünder in der Absicht, sie vor solch eklatantem Selbstwiderspruch zu bewahren, ihnen als Ausweg anbieten.

Vollauf zufrieden damit, durch weltliche Werke eine weltverneinend transzendente Lehre zu unterstützen, die sie gegen die Gefahr der weltimmanenten Negation, sprich, der gesellschaftskritischen Anfeindung schützt und einer Garantie für die unangefochtene Fortsetzung ihres weltlichen Wirkens gleichkommt, haben die Laien partout nichts dagegen, sich den eklatanten Widerspruch, in den ihre praktische Unterstützungsaktion sie zum erklärten Zweck der Lehre, dem Praxisverzicht der mönchischen Haltung, bringt, durch jene abenteuerliche Münchhausiade, jene aberwitzige Hilfskonstruktion einer Praxis, die aus eigener, vom Tod bekräftigter, spekulativer Kraft im Praxisverzicht resultiert, eines Wirkens, das in einem vom Tod skandierten Existenzenreigen die Erlösung von sich selber erwirkt, überbrücken oder vielmehr ausreden zu lassen. Weil für die Laien die ganze Zentrierung der Heilsperspektive auf die Parias und deren Leidenserfahrung wesentlich sozialstrategische Bedeutung hat, weil die geistliche Sorge der Laien für die in der weltlichen Wirklichkeit von ihnen verstoßenen und ins Elend gestürzten Parias, weit entfernt davon, eine undurchsichtige Inkonsequenz zu sein, vielmehr dank der quietistischen Wirkung der Heilsbotschaft bloß eine Fortsetzung der die Parias ins Unglück stürzenden sozialen Ausgrenzungspraxis mit anderen Mitteln oder, besser gesagt, ein Mittel zur Verhütung der sozial sprengkräftigen Folgen ist, die diese Ausgrenzungspraxis zu zeitigen droht – weil dies so ist, kann nicht überraschen, daß die Laien, um mit dem guten Gewissen oder, besser, der ungestörten Zielstrebigkeit einer zuletzt auch ihnen in ihrem heillos weltlichen Einsatz fürs Heilsmittel dennoch sich eröffnenden Heilsaussicht in ihrem wesentlich und primär sozialstrategisch begründeten Werkewirken fortfahren zu können, bereit sind, sich im Blick auf solch eigene Heilsaussicht selbst mit der abenteuerlichsten Kreation eines Heilsweges, mit der phantastischsten und im Wortsinn an den Haaren herbeigezogenen dogmatischen Schöpfung abzufinden.

Indes, unter dem Gesichtspunkt eben dieser hauptsächlich sozialstrategischen Bedeutung des laizistischen Wirkens für eine Heilsmittelinstitution, deren heilsperspektivischer Adressat die Parias sind, mutet nun die solchem Wirken nachgesagte eigene Heilsaussicht gar nicht mehr so an den Haaren herbeigezogen, so phantastisch an und kehrt vielmehr eine im sozialstrategischen Rahmen selbst sich haltende und entfaltende spezifische Zweckmäßigkeit hervor. Was nämlich diese im laizistischen Wirken gelegene eigene Heilsaussicht, dieser in einem metempsychotischen Existenzenreigen, einer Folge von todgeweihten, diskreten Verkörperungen bestehende Heilsweg sui generis den Laien bietet, ist ein Darstellungs- und Interpretationsmodell für ihren innerweltlich organisatorischen Zusammenhang, ihre innergesellschaftliche Ordnung. Oder genauer wäre wohl von einer innergesellschaftlichen Neuordnung zu reden! Tatsächlich sind ja die Laien, die sich im Werkewirken, in der sozialstrategisch auf die Stillstellung der Parias, ihren Quietismus, gemünzten Stützungsaktion für die Heilsmitteleinrichtung zusammenfinden, nicht mehr einfach die alten, zur Oberschicht gehörigen und im dichotomischen Gegensatz zur bäuerlich-handwerklichen Unterschicht verhaltenen Artgenossen der Wesensverkünder, die sie bei deren erstem Auftreten am Ende der theokratischen Gesellschaft noch waren. Als Laienstand firmiert jetzt vielmehr diese Oberschicht im Verein mit arrivierten Angehörigen aus jener bäuerlich-handwerklichen Unterschicht, der sie zu Zeiten der theokratischen Gesellschaft noch im dichotomischen Ausschließungsverhältnis gegenüberstand.

Die Aufweichung des für die theokratische Gesellschaft maßgebenden exklusiven Gegensatzes zwischen der dem Priesterkönig anhängenden, mit der Konsumtion des gesellschaftlichen Reichtums befaßten aristokratischen Oberschicht und einer dem Priesterkönig dienstbaren, mit der Produktion des Reichtums beschäftigten fronenden Unterschicht und mithin die Bedingung der Möglichkeit dafür, daß aus den beiden antagonistischen Gruppen überhaupt diese neue Assoziation, die als Laienstand definierte Solidargemeinschaft, hervorgehen kann, ist dabei im wesentlichen der erwähnten, um die Einführung eiserner Werkzeuge im allgemeinen und die Erfindung des Zugtier-Pfluges im besonderen zentrierten Produktivkraftentwicklung geschuldet. Teils dadurch, daß der diesen Produktivitätsfortschritten entspringende vermehrte Reichtum, sosehr er primär der Oberschicht zufällt, doch aber auch in bescheidenerem Umfang Teilen der durch spezielle Fertigkeiten qualifizierten bäuerlichen und zumal handwerklichen Unterschicht zugute kommt und deren ökonomisches Los und soziale Lage verbessert beziehungsweise ihnen sogar zu einem gewissen Wohlstand und Ansehen verhilft, teils und vor allem dadurch, daß neue, mit der zirkulativen Verwendung überschüssigen Reichtums betraute und nämlich Produktionsüberschüsse vor Ort gegen Luxusgüter und seltene Subsistenzmittel von außerhalb tauschende, kurz, Handel treibende Schichten entstehen, denen das Vermögen, zu dem sie es selber dabei bringen, und die politische ebensosehr wie fachliche Kompetenz, die ihnen aus ihrer Mobilität und Weltkenntnis erwächst, erlauben, sich zwischen den Hauptblöcken der Gesellschaft zu etablieren und als relativ eigenständige Formation zu behaupten – durch diese beiden, mit der Distribution des Mehr an gesellschaftlichem Reichtum verknüpften Entwicklungen also kommt es zu einer Differenzierung der theokratischen Gesellschaft beziehungsweise Binnendifferenzierung ihrer konstitutiven Bestandteile, die in der Tat der früheren dichotomischen Struktur ein Ende setzt, indem sie an die Stelle der alten homogenen Oberschicht, deren über den Status entscheidende Privilegierung zum Reichtum sich ausschließlich aus der Zugehörigkeit zu der gleichermaßen durch ihre kriegerisch-nomadische Herkunft und durch ihre opferkultlich-rituelle Funktion definierten Gruppe des Priesterkönigs erklärt, ein mehrschichtiges Gebilde, ein Konglomerat, treten läßt, das ebensowohl Gruppen umfaßt, deren Anspruch auf Reichtum nicht mehr historisch-struktural begründet ist, das heißt durch den konstitutiven Rahmen, den sie der gesellschaftlichen Reproduktionstätigkeit abstecken, sondern sich systematisch-funktional rechtfertigt, das heißt aus den spezifischen Leistungen, die sie in diesem Rahmen zum Zweck seiner Aufrechterhaltung erbringen.

Nicht, daß diese neuen, aus der Unterschicht sich lösenden und am Reichtumprivileg der Oberschicht partizipierenden Gruppen von der letzteren als ihresgleichen erkannt und anerkannt würden! Aber so gewiß ihre Teilhabe am Reichtumprivileg sie der Oberschicht als von der Unterschicht unterschiedene Gruppen vor Augen führt und so gewiß jene Teilhabe ihren guten oder jedenfalls zwingenden Grund in den teils in produktionserheblich-technischen Fertigkeiten, teils in distributionsspezifisch-praktischen Tätigkeiten bestehenden unentbehrlichen Beiträgen hat, die sie zur Aufrechterhaltung des herrschaftlichen Reichtumerzeugungssystems unter Bedingungen eines wesentlichen Sprungs in der Entwicklung der Arbeitsproduktivität leisten, so gewiß sieht sich die Oberschicht genötigt, ein differenziertes Bild von der Gesellschaft zu akzeptieren, das jene Gruppen sei's als eine die dichotomische Struktur der Gesellschaft vermittelnde, wo nicht gar aufhebende eigenständige Schicht zwischen den Sozialblöcken, sei's bei gewahrter dichotomischer Struktur als ein am unteren Rand der Oberschicht anzusiedelndes und, wenn schon nicht direkt an ihrer gesellschaftlichen Stellung, so jedenfalls indirekt an ihrer herrschaftlichen Funktion partizipierendes Substratum zeigt. Und während so der Produktivitätsfortschritt einerseits Gruppen aus der Unterschicht heraustreten und sich als konstitutives Element der Herrschaft im Vorhof oder Dunstkreis der Oberschicht etablieren läßt, hat dieser Produktivitätsfortschritt andererseits die oben geschilderte Folge, daß dysfunktionalisierte, für die herrschaftliche Reichtumproduktion überflüssig gewordene Gruppen aus der Unterschicht ausgefällt werden und sich an ihrem unteren Rand oder vielmehr in den Grauzonen unter ihr als Ausgestoßene, als Pariaschicht absetzen. Von jeder funktionalen Bedeutung abgeschnitten und aus aller sozialen Zusammengehörigkeit ausgeschlossen, bildet diese Schicht unter der Unterschicht, diese deklassierte Klasse, einen gesellschaftlichen Sprengstoff, den die um wichtige Funktionsträger aus der Unterschicht erweiterte Oberschicht allen Grund von der Welt, will heißen, alles nur denkbare gesellschaftliche Interesse und komplizenschaftliche Anliegen hat zu entschärfen.

Und zu eben dieser Entschärfung des Sprengstoffs leistet nun die in eine universale Heilsperspektive umgerüstete weltflüchtige Wesenssuche durch die Art, wie sie einerseits die Aussicht auf Befreiung von Schein in die Verheißung einer Erlösung von Leid ummünzt und andererseits dank dieser Verquickung der Leidenserfahrung mit der Scheinkategorie die Leidenden dazu anhält, sich in quietistische Geduld zu fassen, einen entscheidenden Beitrag. Was Wunder, daß die erweiterte Oberschicht Gefallen an jener universalen Heilsperspektive findet und auf Kosten sogar ihrer eigenen Heilsaussichten bereit ist, im Sinne einer Stützung und Stärkung der zur Aufrechterhaltung der Perspektive ins Leben gerufenen Lehreinrichtung zu wirken, anders gesagt, sich als Laienstand in den Dienst der das Heilsmittel der mönchischen Haltung tradierenden ordensgemeinschaftlichen Institution nehmen zu lassen? So aber durch die gemeinsame Aufgabe einer heilsperspektivisch kaschierten gesellschaftlichen Krisenabwehr und politischen Konfliktverhinderung als werkewirkender Laienstand in Anspruch genommen, gerät die erweiterte Oberschicht in ein eigentümliches Spannungsverhältnis zu sich selbst in ihrer systemlos empirischen Zusammensetzung, ihrer agglomerativ zusammenhanglosen Verfassung. Bloß durch die historische Kontingenz und vielmehr Sprunghaftigkeit der Produktivkraftentwicklung und durch den äußeren Zwang zur Bewältigung des den Fortschritten in der Produktivität entspringenden vermehrten Reichtums zu einem gesellschaftlichen Aggregat zusammengeschlossen, stehen sich die konstitutiven Bestandteile der erweiterten Oberschicht ebensowohl fremd und abweisend gegenüber. Als Formationen, die entweder ihren Anspruch auf Reichtum historisch-struktural aus ihrer Teilhabe an der priesterköniglichen, opferkultlich-stellvertretenden Reichtumsverwaltung herleiten oder ihren Zugriff auf Reichtum systematisch-funktional darauf gründen, daß, um auf solche Weise verwaltbar zu bleiben, der Reichtum sowohl in der Gestalt einer innergesellschaftlichen Umverteilung als auch in der Form zwischengesellschaftlichen Austausches breiter gestreut werden muß, haben sich die beteiligten Gruppen wenig oder nichts zu sagen und begegnen einander mit der an Feindseligkeit grenzenden Reserve derer, die den Reichtumsbezug der jeweils anderen Gruppe entweder aufgrund der sakralen Natur der eigenen Verfügung über den Reichtum als illegitime Prätention, als räuberische Aneignung, verwerfen oder kraft der realen Bedeutung des eigenen Umgangs mit dem Reichtum als irrationales Privileg, als schmarotzerische Beschlagnahmung denunzieren und die eigentlich nur durch das negative Faktum zusammengehalten werden, daß die einen, die im Kult verwurzelten Aristokraten, ohne die Hilfe der anderen, der funktionsentsprungenen Neureichen, ebensowenig ihr gewohntes Leben im Reichtum fortsetzen, geschweige denn weiter ausbauen könnten, wie umgekehrt die neureichen Funktionsträger ohne die Sanktion der aristokratischen Kultrepräsentanten überhaupt reichtumbildungsrelevante Verwaltungs- und Verteilungsaufgaben zu übernehmen und in deren Konsequenz am Reichtum selbst zu partizipieren vermöchten.

Darüber hinaus aber eint diese zur neuen Oberschicht agglomerierten Gruppen nun noch ein durchaus solidarisches Interesse an der Abwehr der potentiellen Bedrohung der Gesellschaft durch die aus dem gesellschaftlichen Corpus ausgeschiedenen und in eine subliminale Randexistenz verstoßenen Pariaschichten. So wahr die im Zuge einer Erhöhung der technischen Funktionstüchtigkeit und ökonomischen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft hervorgetriebenen Parias das ganze herrschaftliche Reichtumbildungssystem fundamental in Frage stellen und nämlich ad absurdum einer in besonderer Mittellosigkeit resultierenden allgemeinen Arbeit, sprich, einer Reichtumproduktion führen, die sich so weit von ihrer subsistentiellen Grundlage abgelöst und gegen sie eigendynamisch verselbständigt hat, daß sie in parte den Verlust eben der Subsistenz nach sich zieht, auf der sie selber in toto aufbaut, daß also ihre eigene Expansion mit einer Kontraktion ihrer Basis einhergeht, daß sie, kurz, die prekäre Gestalt einer auf dem Kopf balancierenden Pyramide anzunehmen tendiert – so wahr also die Parias diese absurde Konsequenz einer unter Reichtumbildungsrücksichten sich vollziehenden Produktivkraftentwicklung verkörpern, so wahr ist es das vorbehaltlos gemeinsame Interesse derer, die sich demgegenüber in der Gesellschaft gut aufgehoben finden und von ihrem Funktionszusammenhang profitieren, der Aktualisierung der Gefahren, die dem kontinuierlichen Bestand und gedeihlichen Zusammenhalt der Gesellschaft von jenem verkörperten Schibboleth des Widersinns einer reichtumbezogenen Produktivitätsentfaltung drohen, nach Kräften zu wehren und vorzubeugen.

Und seinen wesentlichen Ausdruck findet dieses, die Gruppen über alle bloß funktionale Verbindung hinaus intentional einende Vorbeugungsinteresse nun darin, daß sich die Oberschicht unterschiedslos von der Heilsmittelinstitution der mönchischen Ordensgemeinschaft in den als laizistisches Werkewirken beschriebenen Dienst nehmen läßt, daß sie, mit anderen Worten, ohne Ansehung der Person oder vielmehr des Standes bereit ist, die als Leidenssedativ auf den Quietismus der Ärmsten der Armen gemünzte universale Heilsperspektive einer Erlösung vom Schein, die das Heilsmittelinstitut wahrt und propagiert, durch die Versorgung des Instituts mit personellem Nachwuchs und materiellem Nachschub zu unterstützen. Während also die in der Oberschicht agglomerierten Gruppen funktional – das heißt, in Ansehung der Verwaltung des gesellschaftlichen Ganzen – voneinander getrennt und mit der an Feindseligkeit grenzenden Reserve ihres heteronomen Existenzrechts gegeneinander abgedichtet bleiben, ziehen sie zugleich intentional – das heißt, im Blick auf die Erhaltung der Gesellschaft als ganzer – am selben Strang und vereinigen sich so zu der als Laienstand definierten homogenen Masse Volks, die sich in unbewußter Konspiration oder objektiver Komplizenschaft durch ihr Wirken für die Heilsmittelinstitution der Aufrechterhaltung der als politisches Krisenabwehrmittel oder Strategem zur Bewältigung potentieller Sozialkonflikte tauglichen universalen Heilsperspektive verschreibt.

Für die zwiespältige Natur der erweiterten Oberschicht, ihre gleichzeitige Diskretheit und Kontinuität, bietet der sekundäre Heilsweg ein Interpretations- und Organisationsmodell. Der vom Tod getaktete Existenzenreigen repräsentiert beides: funktionelles Nebeneinander und intentionales Miteinander. Durch Einbeziehung der mittlerweile besser gestellten agrarischen Unterschicht in dieses Organisationsmodell wird aus dem Auflösungsprodukt der theokratischen Gesellschaft, dem ständehierarchischen Corpus, eine Gesellschaft in Schüben, eine Kastengesellschaft. Die exoterische Veranstaltung der Kastengesellschaft bleibt ihrem esoterischen Gehalt, der sie durchwandernden Seele, einerseits äußerlich. Andererseits aber verwandelt sich dieser esoterische Gehalt in ein bloßes Rechtfertigungsmittel der exoterischen Veranstaltung: Die weltflüchtige Erlösungsfunktion wird zum innerweltlichen Bindemittel.

Und genau für diese, zwischen Abstoßung und Solidarität, funktionalem Nebeneinander und intentionaler Gemeinsamkeit changierende, widersprüchliche Verfassung der zum Laienstand erweiterten Oberschicht bietet nun aber der abenteuerlich zweite, mittelbare Weg zum Heil, den die Wesensverkünder den Laien weisen, um sie mit ihrem im Wirken fürs Heilsmittel unmittelbar beschlossenen Ausschluß vom Heilsmittel zu versöhnen, ein höchst passendes Interpretations- und Organisationsmodell. Was der durch den Taktschlag des Todes skandierte Existenzenreigen, als der jener zweite Welt zum Heil sich ja darstellt, den Laien nämlich eröffnet, ist die Möglichkeit, ihren aus Gruppenexistenzen agglomerierten Zusammenhang so zu ordnen, daß die Gruppen zwar einerseits in ihrer funktional unaufhebbaren ständischen Besonderung bestehen bleiben, ihre unüberwindlich hierarchische Diskretheit bewahren, andererseits und zugleich aber in die prozessuale Konsequenz eines verbindlich universellen Strebens nach einer heilskonformen Verfassung überführt, in die intentionale Kontinuität einer einheitlich spirituellen Selbstreinigungsanstrengung aufgehoben erscheinen. Jene Serie von Verkörperungen, jene Sequenz von existentiell diskreten Zuständen, die von der heilsuchenden Seele kraft eines im Karmabegriff spezifizierten essentiellen Projekts, das sich in den entscheidenden Augenblicken als das Subjekt selbst, als ihre eigene spekulative Substanz herausstellt, durchlaufen wird – jener karmabestimmte Heilsweg also trägt beidem Rechnung: der funktionalen Getrenntheit der Gruppen, in der sie als Strukturelemente unterschiedlicher Provenienz sich ständehierarchisch gegeneinander verwahren, und ihrer intentionalen Einheit, in der sie als Erscheinungsformen ein und derselben Substanz sich kommunsolidarisch zueinander verhalten.

Das einzige, was es braucht, um diese Mischung aus Diskretheit und Kontinuum, aus Disparität und Solidarität, die der den Laien gewiesene heilspraktische Ersatzweg bereithält, für die Interpretation und Organisation der zwischen struktural-körperschaftlichem Partikularismus und intentional-komplizenschaftlichem Gemeinschaftssinn changierenden erweiterten Oberschicht nutzbar zu machen, ist die Bereitschaft, den eher in kosmische Sphären, ins Feld phänomenal vorstellbarer Kategorien ausschweifenden heilsträchtigen Existenzenreigen in den empirischen Bereich, in die Ebene sozial wahrnehmbarer Klassen zurückzunehmen und eben auf die in der unerklärten Gleichzeitigkeit ihres funktionalen Nebeneinander und intentionalen Miteinander perennierenden ständischen Gruppenexistenzen zu beziehen und abzubilden. Als sukzessiver Niederschlag und konkrete Erscheinungen jener vom Tode getakteten Seelenfuge, jener Sequenz aus weltflüchtigen Sublimierungsstufen, die im esoterisch spekulativen Sinn seines exoterisch weltlichen Wirkens der Laie durchläuft, stehen die ständehierarchischen Formationen der erweiterten Oberschicht in einem inneren Zusammenhang miteinander und bilden ein essentielles Kontinuum, ohne deshalb über den Schatten ihrer gegeneinander eingelegten Verwahrung springen und gegeneinander durchlässig werden, ineinander übergehen zu müssen. Und nicht nur im Blick auf die erweiterte Oberschicht selbst erzielt diese Abbildung der hierarchischen Stufen der Gesellschaft auf die scala sancta des sekundären Heilsweges die gewünschte Wirkung einer intentionalen Verbindung des funktional Getrennten oder substantiellen Vermittlung des strukturell Diskreten – den gleichen Effekt übt diese interpretative Identifizierung der sozialen Stufenleiter mit dem Karriereweg der sich läuternden Seele auch und mehr noch in bezug auf das Verhältnis zwischen den Gruppen der neuen Oberschicht und denen der alten bäuerlich-handwerklichen Unterschicht.

Von dem produktivitätsbedingten Ausfäll- und Ausschlußverfahren, dem die Parias entspringen, verschont und in den ständehierarchischen Zusammenhang, zu dem sich die theokratische Gesellschaft produktivitätsbedingt entfaltet, ebensosehr sozial eingeschlossen wie funktional eingebunden, ändert auch die bäuerlich-handwerkliche Unterschicht ihren schichtspezifischen Charakter und unterzieht insbesondere ihre von Ablehnung geprägte Haltung gegenüber der auf die Produktion von Reichtum abgestellten herrschaftlichen Ordnung einer Revision. Sie, die in der theokratischen Gesellschaft durch die Bedrängnis und Fron herrschaftlicher Reichtumproduktion dazu getrieben wird, unter Berufung auf den schönen Schein natürlichen Überflusses, der diese Produktion im spontanen Reflex umspielt, ein zum Brot-und-Wein-Kult sich entfaltendes rauschhaft einfaches Leben zu proklamieren und als ein von der Fülle der freigebigen Natur kündendes subsistentiell-autarkes Dasein gegen die herrschaftliche Reichtumsphäre ins Feld zu führen, und die eben durch diese kultische Insubordination und Emanzipationsbewegung die Oberschicht dazu zwingt, ihre Zuflucht zu dem als Gegenmittel und Apotropäon wohlverstandenen und nämlich die Entwertung des herrschaftlichen Reichtums durch das bäuerliche Subsistenzmittel mit einer Entwertung und Nivellierung des einen wie des anderen zur bloßen innerweltlichen Erscheinung beantwortenden Kult des außerweltlichen Wesens zu nehmen – sie also, die bäuerlich-handwerkliche Unterschicht, findet sich nun, da die wesentlich einer Revolutionierung der Arbeitsmittel gedankten Produktivitätsfortschritte im Agrarbereich zwar ihre Reihen gelichtet und Teile von ihr deklassiert, zugleich aber auch ihre Fron gemildert und die alte dichotomische Gesellschaftsordnung gelockert beziehungsweise das alte, unmittelbar zwingende Herr/Knecht-Schema durchbrochen haben, besser gestellt und nach Maßgabe ihres erleichterten Loses eher bereit, zu dem in der herrschaftlichen Reichtumproduktion bestehenden Konstitutionsrahmen ihrer Subsistenz ja zu sagen, als je zuvor.

Teils ökonomisch-objektiv in wie immer bescheidenem Umfang an den Segnungen des vermehrten Reichtums partizipierend, teils soziologisch-situativ durch die Bildung der neuen, aus ihr selber emporgestiegenen und zwischen ihr und der alten Oberschicht positionierten Funktionärsschichten vom unmittelbaren Druck der Herrschaft und vollen Gewicht ihrer Machtausübung entlastet, teils psychologisch-relativ durch die Entstehung der Pariaschicht gehoben und aufgerichtet, weil mit der Existenz jenes Stratums unter ihr als integrierender Bestandteil eben des funktionalen Wirk- und sozialen Lebenszusammenhanges affirmiert, der sich über der Pariaschicht erhebt und auf ihr als ausgeschlossener aufbaut – in dieser dreifachen Hinsicht also von der Entwicklung der theokratischen Ordnung zur ständehierarchischen Konstellation profitierend, söhnt sich die bäuerlich-handwerkliche Schicht mit dem auf ihren Schultern ruhenden System herrschaftlicher Reichtumproduktion so ziemlich aus und ist an seiner Erhaltung am Ende kaum weniger interessiert als die erweiterte Oberschicht. Das heißt, sie teilt mit der Oberschicht bei aller funktionalen Unvereinbarkeit oder strukturellen Diskretheit den intentionalen Anspruch oder das substantielle Bedürfnis, den Status quo der ständehierarchischen Gesellschaft gegen die Sprengkräfte, die diese Gesellschaft selber freisetzt, sicherzustellen, und ist, wie einerseits subjektiv bereit, sich zusammen mit der Oberschicht in den laizistischen Dienst an der auf die Ruhigstellung der Parias gerichteten universalen Heilsperspektive nehmen zu lassen, so andererseits objektiv disponiert, sich in die Abbildung des ständehierarchischen Nebeneinander von Gruppenexistenzen auf das Nacheinander des den Laien als sekundärer Heilsweg gewiesenen metempsychotischen Gestaltenreigens integrieren und damit ihre intentionale Gemeinsamkeit oder substantielle Kontinuität mit der Oberschicht eine auch für sie verbindliche und, wenn schon nicht in säkular-sozialer Präsenz sichtbare, so jedenfalls doch als religiös-emotionale Repräsentanz glaubhafte Darstellung finden zu lassen.

Was demnach die alle konstitutiven Bestandteile der Gesellschaft umfassende Spiegelung und Vermittlung, Artikulation und Interpretation der ständehierarchischen Ordnung durch den Heilsweg der sich läuternden Seele schließlich hervortreibt, ist die hinduistische Kastengesellschaft, eine Gesellschaft, deren Gliederung in diskrete Gruppenexistenzen durch die Abbildung auf den Gestaltenreigen der strebenden Laienseele in paradoxer Gleichzeitigkeit ebensosehr vertieft und befestigt, sanktioniert und verewigt, wie entschärft und entkräftet, zur Darstellungs- und vielmehr Verlaufsform einer intentionalen Kontinuität und substantiellen Sichselbstgleichheit herabgesetzt oder, wenn man will, aufgehoben erscheint. In den sozialen Raum projiziert und als Organisationsmodell für die Gruppenexistenzen dingfest gemacht, läßt die durch den Tod skandierte heilspraktische Existenzenfolge der laizistischen Seele aus dem ständehierarchischen Corpus eine Gesellschaft in Schüben, eine Schubladengesellschaft werden, eine Gesellschaft, die das funktional Trennende oder die strukturelle Verschiedenheit der Schichten, aus denen sie sich zusammensetzt, in eben dem Maß auf die Spitze treibt und exzessiv ausbildet, wie sie dem die innere Einheit des Ganzen verbürgenden Moment von gleichsinniger Intentionalität oder substantieller Übereinstimmung in der Figur der wandernden Seele eine von den sozialen Schichten ebenso toto coelo abgehobenen wie ihnen grosso modo inkarnierte spirituelle Realität oder gespenstische Eigenständigkeit verleiht und das heißt, den Status eines die Schichten ebenso omnipräsent durchgeisternden wie indifferent wechselnden Subjekts sui generis zuschreibt.

Weil die als heimliche Klammer zwischen den Gruppenexistenzen wirksame intentional-negative, auf die Abwehr sozialer Anarchie zwecks Erhaltung des innerweltlichen Status quo gemünzte Solidarität durch die Abbildung des ständehierarchischen Corpus auf den Heilsweg der laizistischen Seele die Form eines spirituell-affirmativen, auf die Herstellung idealer Sichselbstgleichheit zwecks Erreichung eines außerweltlichen Status quo ante gerichteten autonomen Subjekts erhält, das sich ebensosehr im Sinne eines roten Fadens oder verknüpfenden Bandes durch die Gruppenexistenzen als durch soundsoviele Inkarnationen seiner Karriere hindurchzieht, wie als ihre reflexive Essenz oder fürsichseiende Substanz gleichgültig gegen sie bleibt und nur in sie eingeht, um sie baldestmöglich wieder abzulegen und als Trittstufen oder Steigbügel seines selbstgewirkten Aufstiegs hinter sich zu lassen, bleiben die Gruppenexistenzen als solche frei von aller spezifischen Darstellungsaufgabe oder repräsentativen Ausdrucksverpflichtung im Blick auf dies einigende Band intentionaler Solidarität und können, ihrer unmittelbar eigenen funktionalen Apartheit folgend oder strukturellen Diskretheit frönend, ungehemmt die elementare Unverbindlichkeit und atomare Ausschließlichkeit herauskehren, die das religiöse Modell in dem als exoterisch-materielle Kehrseite des esoterisch-spirituellen Sublimierungsprozesses der weltflüchtig abstrakten Seele gefaßten Bilde eines durch die Zäsur der absoluten Todesmacht in irreduzibel monadische Stationen oder unaufhebbar einzelne Zustände zerlegten Gestaltenreigens vorgibt. Zusammengehalten durch ein gemeinsames Interesse, dessen negativer, mit der kollektiven Abwendung einer äußeren Bedrohung befaßter und in der Erhaltung des ständischen Status quo oder der gesellschaftlichen Struktur als solcher sich erschöpfender Charakter durch die Projektion der sozialen Hierarchie auf den Heilsweg der laizistischen Seele unmittelbar in die positive Natur eines in der individuellen Hinwendung auf eine innere Verheißung bestehenden und mittels des ständischen Status quo oder durch die gesellschaftliche Struktur hindurch vor sich gehenden und sich vollbringenden Strebens nach Heil überführt erscheint, ein Interesse, das nach Maßgabe dieser seiner positiven, in sich reflektierten Bestimmung als selbstbewegte Dynamis oder selbstgewirkte Kraft figuriert, die das aus Gruppenexistenzen aufgebaute hierarchische Corpus, das sie zusammenhält, nur als phänomenale Stasis oder materiale Voraussetzung für ihr ganz anderes, ganz eigenes Beginnen, kurz, als mediales Ambiente oder katalytisches Ferment für ihren spirituellen Sublimierungs- und Läuterungsprozeß braucht – zusammengehalten durch ein derart selbstbestimmtes Interesse also erstarrt das soziale Corpus zu einem allegorischen Tableau, versteinert die Sammlung von Stasen zu einem hypostatischen System, das eben deshalb, weil es für die in ihm sich vollbringende Karriere der lebendigen Seele nur kulissenhafte nature morte, nur katalytisch indifferentes Szenarium ist, die Unveränderlichkeit und Unverbrüchlichkeit einer von ihrem spirituellen Inhalt ebenso unberührt bleibenden wie für ihn einstehenden habituellen Maske oder Form, eines von seinem essentiellen Leben ebenso grundsätzlich verschiedenen wie durchgängig zeugenden residentiellen Gefäßes oder Gehäuses herauskehrt.

In dem Maß aber, wie nun der Heilsweg der Seele zum Prinzip und Garanten einer über das funktionelle Nebeneinander der Gruppenexistenzen, ihren strukturellen Zusammenhang hinausgehenden und in der gemeinsamen Intention auf Erhaltung des Status quo bestehenden Synthesis der ständehierarchischen Gesellschaft wird und wie sich also diese Gesellschaft, ideologisch betrachtet, gleichermaßen in eine Darstellungsform und ein Ausführungsorgan dieser spirituellen Karriere verwandelt, verkehrt sich, soziologisch gesehen, die spirituelle Karriere selbst nolens volens in ihr genaues Gegenteil und wird aus einer Methode zum Rückzug aus der die gesellschaftliche Ordnung bedingenden Und begründenden Erscheinungswelt zu einem Mittel der Rechtfertigung eben jener an der Erscheinungswelt hängenden und an sie sich haltenden gesellschaftlichen Ordnung. Schon in seiner unmittelbaren, unbestimmt-phantastischen, kosmisch-ausschweifenden Form hat ja der den Laien gewiesene Weg zum Heil als nämlich der ihnen vorgeschriebene Erwerb der als das Heilsmittel gelehrten mönchischen Haltung via obliqua ausgerechnet des weltlichen Wirkens, das doch die mönchische Haltung gerade ausschließt und ihr eigentlich diametral zuwiderläuft – schon also in dieser ebenso unverbindlich-individuellen wie allumfassend-universellen Form hat der paradox indirekte Heilsweg der Laien diese Merkwürdigkeit, um nicht zu sagen, Absurdität, daß er als das spekulative, ebenso todgeweiht-sprunghafte wie karmabestimmt-kontinuierliche Procedere, das er ist, nur das heimliche Innere eines gewöhnlichen Äußeren, die esoterische Wahrheit eines exoterischen Wirklichen darstellt, das er ebensosehr, um sich überhaupt darstellen zu können, braucht und annimmt, wie er es, um seinen Zweck zu erfüllen, verwerfen und ablegen muß, das er mithin ebensosehr seiner Durchführung wegen voraussetzt und reaffirmiert, wie er es um des Heiles willen zu negieren und abzustreifen beansprucht. Schon dort, wo der materielle Gestaltenreigen, in dessen Hülle oder hinter dessen Maske das spirituelle Heilsstreben vor sich geht, noch eher der Phantasie überlassen bleibt und eher ins Kosmische ausschweift – schon dort findet sich mit anderen Worten dieser eklatante Widerspruch, daß der Heilsweg pro materia seines faktisch-empirischen Verlaufs haargenau das festhält und substantiiert, was er pro forma seiner praktisch-systematischen Bestimmung fahrenlassen und als wesenlosen Schein abtun will. Nur macht dort der phantastische Charakter des Gestaltenreigens es noch möglich, die einzelnen Stationen des Heilsweges, die aufeinanderfolgenden Inkarnationen als Scala sancta, das heißt, als eine Stufenfolge progressiver Entmaterialisierungen oder Sublimierungen zu entfalten, die in dem Maß, wie sie den materiellen Verlauf als Parallelaktion zum spirituellen erscheinen, den Zug durch die leiblichen Hüllen als symbolische Reproduktion des Verklärungsprozesses der Seele selbst Raum greifen läßt, den unauflösbaren Widerspruch zwischen dem exoterisch Stationären und der esoterischen Dynamik, das unheilbare Paradox eines Inneren, das in nichts als in der Abstraktion vom Äußeren besteht und das doch nur per medium des Äußeren diese Abstraktion, sich selbst, in die Tat umzusetzen vermag, zu verwischen dient.

Jetzt hingegen, da die kosmische Phantasie der ständischen Empirie das Feld räumt und da durch Abbildung der Stufenfolge der sozialen Hierarchie auf den Gestaltenreigen des laizistischen Heilsweges die ständehierarchische Ordnung der Gesellschaft als solche zur äußeren Erscheinungsweise oder zum exoterischen Darstellungsmedium des inneren Läuterungsprozesses oder esoterischen Ablösungsverfahrens der Seele avanciert – jetzt kann von einer Verwischung des Widerspruchs keine Rede mehr sein und tritt in der Tat die unversöhnbare Diskrepanz zwischen dem qua Streben nach einem individuellen außerweltlichen Wesen erklärten nominellen Zweck der Veranstaltung und ihrem qua Nachvollzug der kollektiven innerweltlichen Ordnung erzielten reellen Effekt schonungslos zutage. Weil die ständehierarchischen Gruppenexistenzen sich im affirmativen Habitus oder Materialismus ihrer erscheinungsweltlichen Bindungen in nichts voneinander unterscheiden beziehungsweise ihre Einbindung in die Erscheinungswelt mit aufsteigender Hierarchie und komplementär dazu wachsendem Reichtum höchstens und nur massiver und unübersehbarer wird, ist die äußere Erscheinungsform des laizistischen Heilsprozesses, ist der exoterische Weg durch die kraft religiösen Modells zu Kasten auseinandergelegten sozialen Stände, den die Seele des Laien nimmt, in der Tat ein einziges großes Kontrastprogramm, ein in seiner durchgängigen Welthörigkeit und krassen Erscheinungsvielfalt einziger großer Widerspruch zu dem heilsprozessual inneren Geschehen, dem esoterischen Ablösungs- und Läuterungsverfahren, das sich angeblich dahinter verbirgt und darin vollzieht. Eben das, wovon das karmabestimmt laizistische Heilsstreben befreien soll, die Bindung an die Erscheinungswelt und Verstrickung ins weltliche Dasein in allen ihren funktionalen Formen und sozialen Stellungen, muß in die Länge und Breite des Heilsweges als ein für die Befreiung unentbehrliches Stadium und unabdingbarer Schauplatz durchlaufen und durchlebt, mithin als für seine eigene Aufhebung bleibende Grundlage immer wieder zur Geltung gebracht, für die Negation seiner selbst einstehende Position stets neu reaffirmiert werden. Sosehr ideologisch-spirituell an der Figur einer im Durchmarsch durch die gesellschaftliche Struktur mit ihren jeweiligen Erscheinungen unbeirrt verfolgten esoterischen Befreiung der laizistischen Seele vom Weltlauf festgehalten werden mag, sosehr erweist sich soziologisch-reell der Durchmarsch als ein Prozessionszug, der in nichts anderem als in der Bekräftigung des Weltlaufs, in der exoterischen Bestätigung der gesellschaftlichen Struktur mitsamt ihren sämtlichen Erscheinungen besteht und der damit in der Tat den unauflösbaren, weil vom Pathos einer spekulativen Münchhausiade getragenen Selbstwiderspruch begeht, eben das, wovon befreit werden soll, zugleich als Schauplatz und Vollzugsorgan der Befreiung ins Spiel zu bringen und zu sanktionieren, will heißen, den Befreiungsprozeß in ein Verfahren zur Wiederholung und Rechtfertigung dessen, wovon befreit werden soll, zu verkehren, kurz, die weltflüchtige Erlösungsfunktion zum innerweltlichen Bindemittel zweckzuentfremden.

Der Selbstwiderspruch einer Negation, die durch ihren Duktus Affirmation wird, ist am deutlichsten auf der Scheitelhöhe des Prozesses, beim Brahmanen. Beim Brahmanen firmiert die weltliche Stellung als das leere Versprechen einer in ihr zu sich kommenden Negativität und wird dafür in ihrem Bestand garantiert. So tritt das selbstbezügliche Heil als Garantiemacht an die Stelle des opferkultlichen Segens: Wie der Priesterkönig die Welt des Reichtums gegen die Negativität der Götter behauptet und als deren Eigentum reaffirmiert, so behauptet der Brahmane die Erscheinungswelt gegen die wesensorientierte Weltflucht, indem er sie als unabdingbares Anwesen der weltflüchtigen Seele bekräftigt. Die Garantieleistung der Opferfunktion wird damit obsolet, nicht allerdings die Opferfunktion selbst, die mit allem anderen in die paradoxe Bestandsgarantie des Brahmanen, die Garantie der Erscheinungswelt als für den Fluchtweg der Seele unabdingbaren Requisits, einbezogen bleibt. Das einzige, was nicht unter die Garantie fällt und verschwindet, ist der primäre Heilsweg des mönchischen Daseins, der eben das ja ausschließt, was jetzt der sekundäre Heilsweg zu reaffirmieren dient. Zugleich mit dem mönchischen Dasein verschwindet die universale Heilsperspektive, so daß sich in sinnverwirrender Paradoxie die Parias an den kastengesellschaftlich organisierten sekundären Heilsweg, die Erlösung von der Gesellschaft Suchenden an die Gesellschaft als erlösende Veranstaltung verwiesen finden.

Nirgends wird diese als perfekter Selbstwiderspruch durchgesetzte Verwandlung der religiösen Essenz einer Negation der Erscheinungswelt durch Inszenierung einer individuell-anarchischen Befreiung in die soziale Substanz einer Reaffirmation der Erscheinungswelt durch Sanktionierung der kollektiv-hierarchischen Ordnung deutlicher als auf dem Gipfelpunkt des als Prozession durch die Kastengesellschaft angelegten Heilsprozesses der Seele, dort also, wo dem esoterischen Zweck der Veranstaltung nach die aus karmabestimmt-spekulativer Kraft aufgestiegene laizistische Seele die den meditativen Auszug aus der Welt eröffnende Scheitelhöhe der werkentsprungen mönchischen Haltung, der als reflexiver Selbstbezug heilsmitteladäquaten Sichselbstgleichheit, erreicht und wo dem exoterischen Handlungsablauf zufolge diese Sichselbstgleichheit doch in nichts anderem ihren empirischen Ausdruck und ihre hierarchische Darstellung findet als in der ständischen Selbstherrlichkeit, in dem sozialen Machtanspruch der obersten Schicht der Laien, der Nachfahren der alten, um den theokratischen Priesterkönig gescharten und an seiner Reichtumsverwaltung mittels Opferkult partizipierenden opferpriesterlichen Gemeinde, kurz, der durch ihre kontinuierliche Verfügung über Reichtum und durch ihre traditionelle Opferpraxis geadelten Brahmanen. Im Brahmanen, der den von den Wesensverkündern als Heilsmittel gelehrten reflexiven Selbstbezug in Vollendung des den Laien gewiesenen und quer durch die ständehierarchische Gesellschaft hindurchgeführten sekundären Heilsweges zu verkörpern beansprucht, findet sich beides in irrationaler, unauflöslich widersprüchlicher Personalunion vereint: die als innere Bestimmung erreichte und zum Nichts, das Wesen ist, disponierende mönchische Haltung der weltüberhobenen Seele und der qua Opferpraxis routinierte und zur Erscheinungsfülle, die Reichtum ist, legitimierende Umgang mit der Welt, der als Ausweis und Maßstab der erreichten inneren Bestimmung gilt.

Aber vielmehr ist, da das eine das esoterisch Verschwindende und das andere das exoterisch Bleibende ist, das eine, die vollendet mönchische Haltung, bei aller formell gewahrten eigenen Zielstrebigkeit reell bloß das Mittel zur Sanktionierung des anderen, des in der brahmanischen Gestalt fortgesetzt opferpriesterlichen Verhaltens zur Erscheinungswelt! Dafür, daß sich das opferkultliche Verhalten dazu bequemt, als das leere Versprechen oder die blinde Versicherung einer in ihm metempsychotisch zu sich kommenden mönchischen Haltung zu figurieren, läßt es diese mönchische Haltung in sich auf- und vielmehr untergehen und verwandelt sie aus dem Inbegriff weltflüchtiger Negation in ein reines Reaffirmationsinstrument seines eigenen fortdauernden Bestehens ebenso wie des Bestandes der ganzen in ihm gipfelnden, hierarchischen Ordnung.

Dergestalt in ingeniöser Umfunktionierung ihres absolut erscheinungsfeindlichen Fluchtimpetus als ein relatives Beglaubigungs- und Garantiemittel der ständehierarchischen Gesellschaft in Haft und in die Pflicht genommen, tritt nun aber die religiöse Essenz des vom buddhistischen Wesensverkünder kraft Beschwörung des Nichts gewahrten selbstbezüglichen Heils wenn schon nicht in aller Form, so jedenfalls doch in voller Funktion an die Stelle der religiösen Substanz des vom theokratischen Priesterkönig kraft Beschwichtigung der Götter gewährten opferkultlichen Segens. Was vorher der Priesterkönig vollbrachte, indem er die Erscheinungswelt in specie des gesellschaftlichen Reichtums mittels epiphanischen Opferkults als wahres Eigentum und wirkliches Anliegen der in die Transzendenz entwichenen göttlichen Macht zur Schau stellte und gegen alle aufscheinende Negativität der Gottheit behauptete, das leistet nun der Brahmane dadurch, daß er als Protagonist des hierarchischen Heilsprozesses den gesellschaftlichen Reichtumbezug in genere der Einbettung der Gesellschaft in die Erscheinungswelt als unabdingbare Verkörperung und feststehendes Anwesen der zur Transzendenz entschlossenen selbstmächtigen Seele vorführt und gegen alle esoterische Fluchtbereitschaft der Seele in ritualpriesterlich eigener Person und Gesetztheit herauskehrt.

Indem so aber der Brahmane kraft der paradox gewendeten Weltfluchtperspektive der Seele, die er am Scheitelpunkt, am Punkte des Ausstiegs aus der Welt, verkörpert und das heißt, ebensosehr arretiert und widerruft wie transzendiert und darstellt – indem der Brahmane also die ganze weltliche Ordnung der Gesellschaft mit allen, teils sie begründenden, teils an ihr hängenden erscheinungsweltlichen Gegebenheiten als den ebensosehr zur Via regia ausgebreiteten wie zur Scala sancta ausgebildeten Fluchtweg der Seele sanktioniert und mit Bestandsgarantie versieht, läßt er in der Tat die Garantieleistung des Herrn der theokratischen Gesellschaft obsolet, die priesterkönigliche Funktion einer opferkultlichen Verwandlung der negativitätserfüllt jenseitigen Macht in olympische Götter, affirmative Reichtumseigner, jasagende Patrone der Erscheinungswelt überflüssig werden. Wohlgemerkt, die Garantieleistung der Opferfunktion läßt er überflüssig werden, nicht hingegen die Opferfunktion selbst mit allem, was an ihr hängt, die Götter eingeschlossen. Dies alles gehört vielmehr zur Ausstattung der als Heilsweg ausgelegten ständehierarchischen Gesellschaft, stellt Requisit des mittels der Schichten oder Schübe der Gesellschaft inszenierten Fluchtwegs der Seele dar und ist als solches in die vom Brahmanen verkörperte paradoxe Bestandsgarantie einbezogen. Als Erb- oder Konkursmasse der um den Priesterkönig organisierten theokratischen Gesellschaft ist von der kleinsten und profansten bäuerlichen Verrichtung bis zur größten und heiligsten priesterlichen Opferhandlung alles in der auf den Brahmanen orientierten ständehierarchischen Gesellschaft aufbewahrt und als exoterischer Bestandteil der in dieser Gesellschaft gestaltgewordenen esoterischen Seelenfuge gerechtfertigt – nur eben, daß der Geist, von dem das im Prinzip unveränderte Ganze jetzt erfüllt ist, nicht mehr die vom Priesterkönig als dem Repräsentanten der Götter kraft Opferkult ins Positive gewendete Negativität der transzendenten Macht, sondern die im Brahmanen als der letzten Inkarnation des Fluchtwegs kraft opferpriesterlichem Bestehen ins Stationäre verkehrte Dynamik der transzendierenden Seele ist.

Und nicht einmal der Priesterkönig selbst ist von der brahmanischen Bestandsgarantie ausgenommen. Als Teil der traditionellen hierarchischen Ordnung ist er Teil des zum kastengesellschaftlichen Szenarium artikulierten Fluchtwegs der Seele, den der interessierte Laienblick in der hierarchischen Ordnung dingfest gemacht und zum esoterischen Kern des exoterischen Bestands dieser Ordnung erhoben hat. Und als Bestandteil des auf den laizistischen Heilsweg abgebildeten und als seine Außenseite reaffirmierten gesellschaftlichen Ganzen bleibt der Priesterkönig selbstverständlich in den ständehierarchischen Solidarpakt einbezogen. Nur daß er in ihm jetzt keine religiöse Funktion mehr hat, keine kultische Rolle mehr spielt, seine Bedeutung als opferkultlicher Garant der Sanktionierung der gesellschaftlichen Ordnung durch die in Götter verwandelte negativitätserfüllt transzendente Macht ein für allemal eingebüßt hat. Diese religiöse Funktion übernimmt jetzt der Laienstand selbst in der Person seines obersten Repräsentanten, des Brahmanen, der als das äußerste erscheinungsweltliche Gefäß der nach ihrer karmagetragenen Flucht durch die gesellschaftliche Hierarchie vor der Einkehr ins Nichts der Erscheinungswelt, ins Wesen, stehenden Seele die letztere auf dem Scheitelpunkt ihrer Fluchtroute arretiert und als Mittel zur Sanktionierung der ganzen von ihm angeführten Hierarchie nebst aller ihrer erscheinungsweltlichen Voraussetzungen, mithin als Garantiemacht für sämtliche Stationen der als ritueller Prozessionsweg dingfest gemachten spirituellen Fluchtbahn zur Geltung bringt. Was dem Priesterkönig als reaffirmiertem Bestandteil des ständehierarchischen Corpus hiernach an Funktion bleibt, ist die profane herrscherliche Aufgabe der praktischen Aufrechterhaltung der politischen Ordnung, der Ausübung polizeilicher, richterlicher, kriegerischer Gewalt – eine Aufgabe, die in zirkulärer Selbstsetzung immer dann besonders virulent wird, wenn es dem solcherart profanisierten Herrscher gelingt, durch kriegerische Gewalt ein größeres, in geographischer, ethnischer und ökonomischer Hinsicht heterogeneres und in seinem Zusammenhalt entsprechend stärker gefährdetes Gemeinwesen aufzubauen und sich als dessen Herrscher zu etablieren – eine Aufgabe, die beim Überhandnehmen der dissoziativen Kräfte und Zerfall seiner Herrschaft in kleinere, homogenere Gemeinschaften aber auch ohne ihn wahrgenommen werden und der brahmanischen Kastenordnung selbst überlassen bleiben kann und die insofern, was die Notwendigkeit seiner politischen Existenz angeht, keine vollgültige Kompensation für die verlorene priesterköniglich-religiöse Funktion darstellt.

Nur als Möglichkeit, nicht als etwas Notwendiges fällt demnach der zum profanen Herrscher säkularisierte sakrale Priesterkönig unter die brahmanische Bestandsgarantie. Überhaupt nicht garantiert und auch und gerade der Möglichkeit nach ausgeschlossen bleibt am Ende nur einer: der Wesensverkünder buddhistischer Provenienz, der Repräsentant der weltflüchtig-mönchischen Haltung. Mit der im sekundären Heilsweg gründenden und im Brahmanen gipfelnden laizistischen Strategie einer der heilsbedürftigen Seele zugemuteten Stufenfolge von Inkarnationen, die nichts anderes reproduziert und also reaffirmiert als die durch das Abbildungsverhältnis kastenförmig festgeschriebene Rangordnung der ständehierarchischen Gesellschaft als solcher – mit dieser Strategie verträgt sich der primäre Heilsweg einer als universales Heilsmittel angenommenen mönchischen Haltung partout nicht mehr. Wie sollte sich auch der qua mönchische Haltung vorgesetzte unvermittelte Aufschwung der heilsbedürftigen Seele, der in nichts anderem als in einer radikalen Ablösung von der Erscheinungswelt und damit auch und natürlich einer pauschalen Abstraktion von aller in der Erscheinungswelt gründenden spezifischen Gesellschaftsordnung oder ständisch differenzierten Struktur besteht, mit einer Einstellung vertragen, die eben jene ständisch differenzierte Struktur wieder ins heilsprozessuale Spiel bringt, um sie der armen Seele als Freitreppe oder Himmelsleiter für ihren dadurch zur sozialen Klettertour oder prozessionsförmigen Karriere geratenden Aufschwung anzudienen? So wahr der primäre Heilsweg der mönchischen Haltung eben das von vornherein und kategorisch ausschließt, was der sekundäre Heilsweg der laizistischen Seele als ein in die Länge und Breite der ständehierarchischen Ordnung entfaltetes heilsträchtiges Medium oder heilsmittelbares Szenarium zur Geltung bringt und rechtfertigt, so wahr muß die Kultivierung der brahmanischen Religion, muß der vom Laienstand getragene und verbreitete Kult der auf dem Weg zum Heil alle sozialen Zustände sukzessive durchlebenden und als ihr exoterisches Corpus im doppelten Sinne des Wortes absolvierenden esoterischen Seele einhergehen mit einer Verdrängung jener abstraktiv mönchischen Haltung und Abschaffung der sie als universales Heilsmittel propagierenden Lehreinrichtung und Ordensgemeinschaft. Neben dem Brahmanen als der in der Fülle ihrer weltlichen Bindungen und sozialen Verpflichtungen, kurz, im vollen Ornat ihrer hierarchisch-opferpriesterlichen Stellung paradox verkörperten sichselbstgleich-heilsbereiten Seele hat der buddhistische Mönch, der die heilsbereite Sichselbstgleichheit vielmehr in die Ablösung von allen, als Schein durchschauten weltlichen Bindungen und in die Abwendung von jeglichen, als Scheinexistenz gewahrten sozialen Verpflichtungen setzt, keinen Raum mehr.

Raum gewinnt neben der brahmanisch verkörperten reinen Seele, neben der in paradoxer coincidentia oppositorum materialisierten Spiritualität, höchstens und nur wieder der regressiv erneuerte Protest des Asketen und Eremiten, Fakirs und Büßers, der zwar Anstoß an jener paradoxen Verquickung von Materialität und Spiritualität. exoterischer Einbettung in die Welt und esoterischer Weltflucht nimmt, der aber doch zugleich die als äußere Hülle des Lebens der Seele geheiligte, als Prozessionsweg und Folge von Anhaltspunkten für die Absetzbewegung oder Weltflucht der Seele gerechtfertigte Welt so wenig noch für Schein erkennen, als imaginären, rein durch die Fluchtbewegung als solche zu überwindenden Widerstand wahrnehmen kann, daß er vielmehr meint, sie mit den alten Mitteln leiblicher Kasteiung und geistiger Disziplinierung bekämpfen, sie zurückdämmen, einsperren, unterdrücken, aushungern, abtöten zu müssen. Hinter dieser regressiven Weltverneinung, die in concreto ihres aggressiven Umgangs mit den Erscheinungen, in praxi ihrer negativen Okkupation mit der Welt ein prolongiert latentes Festhalten an den Erscheinungen, eine insgeheime Bejahung der Welt bedeutet, verschwindet die mönchische Haltung als das der Einsicht in die Wesenlosigkeit der Erscheinungen, die Nichtigkeit der Welt entspringende abstraktive Zusichkommen und meditative Insichgehen des Buddha.

Und zugleich mit der wesensverkündend mönchischen Haltung verschwindet die in ihr gewahrte universale Heilsperspektive, die an die Elenden und Parias, die Ausgestoßenen der Gesellschaft gerichtete Verheißung, mit ihr, der in der Ordensgemeinschaft institutionalisierten und tradierten mönchischen Haltung, ein bei Bedarf jederzeit zur Verfügung stehendes Mittel zur Flucht aus der Welt und Erlösung vom Leiden, als das die Welt erscheint, an der Hand zu haben. Sie verschwindet, und an ihrer Stelle bleibt nicht nichts zurück, sondern der mitten durch die ständische Gesellschaft, quer durch die ganze hierarchische Ordnung hindurchgeführte und im Opferpriester alter Provenienz, im Brahmanen, als hierarchischem Schlußstein gipfelnde sekundäre Heilsweg. An ihn finden sich die Parias in ihrer Hoffnung auf Heil, ihrem Verlangen nach Erlösung verwiesen. Der Weg zum Heil liegt demnach im Durchgang durch eben das gesellschaftliche Corpus beschlossen, das dadurch, daß es sie ausstößt, die Parias überhaupt erst heilsbedürftig werden läßt. In eben das, was sie ins Elend stürzt, indem es sie von sich ausschließt, müssen sie hineingelangen, um aus dem Elend herauszukommen. Diese, in ihrer zynischen Einfalt ebenso einleuchtende wie paradoxe und ebenso sinnverwirrende wie unmagische Version vom Speer, der die Wunde heilen soll, die er schlug, ist es, womit die brahmanische Religion, der Hinduismus, die Parias als mit ihrer einzigen und letzten Heilschance konfrontiert. Von dem Quia absurdum dieser religiösen Verheißung, die über soziale Versagungen hinwegtrösten soll und die den Trost an die Rückgängigmachung der sozialen Versagungen knüpft, haben sie sich bis heute nicht recht erholt.

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