9. Kaiserkult
Sobald die zum Populus geadelte Plebs unzufrieden mit den Zuwendungen des Imperators ist, gibt sie seiner qua Prinzipat behaupteten Mittelstellung zwischen ihr und dem Patriziat die Schuld daran und sucht ihn als rückhaltlos dem Wohle des Volkes verpflichteten Funktionär auf ihre Seite zu ziehen. Da er sich aber hinter dem auch von der Plebs als Sanktions- und Legitimationsinstrument anerkannten Bollwerk der patrizisch-ahnenkultlichen Pietas verschanzt hat, käme seine Vereinnahmung als simpler Interessenvertreter des Volkes einem Frevel wider die sakrale Ordnung der Gemeinschaft und einer Diskreditierung der daran Beteiligten gleich.
Sobald es allerdings mit der ökonomischen und sozialen Pflichterfüllung des Imperators zu hapern beginnt und seine Versorgungsleistungen und Unterhaltungsangebote nicht mehr zur Zufriedenheit der plebejischen Masse ausfallen, muss deren Toleranz schwinden und ihre Bereitschaft, ihn als den großen Patron und eigenmächtigen Wohltäter des Volkes gewähren zu lassen, dem Bedürfnis weichen, ihn an die Kandare seines popularen Funktionärstums zu nehmen, ihn zur Ordnung der in ihm Gestalt gewordenen Funktion eines tribunizischen Vorkämpfers und konsularischen Vollstreckers des Volkswillens zu rufen. Schließlich ist nach dem Wechsel des Staatssubjekts und Souveräns, den der Übergang von der senatorischen Republik zur imperatorischen Diktatur impliziert, eben dieser Souverän sie selbst, die mittels Massenheer mobilisierte Plebs: Und mag sie auch bereit sein, um des besseren Erfolgs der von ihr getragenen und objektiv als ihre Agentur fungierenden imperatorischen Diktatur willen ihr Licht unter den Scheffel zu stellen und dem als patrizischer Autokrat sich aufspielenden Imperator das von ihr gestellte, sie instrumentell vertretende Heer als sein willenloses Werkzeug, sein quasi persönliches Eigentum zu überlassen, mit anderen Worten, sich in der tatsächlichen Bedeutung des kraft Massenheer handelnden Subjekts, des mittels militärischer Formation staatstragenden Corpus zu verleugnen – in dem Augenblick, in dem der Lohn für ihre Selbstverleugnung zu wünschen übrig lässt und in dem der wie immer in ideologischer Verkehrung des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Volk und Führer der persönlichen Patronage und karitativen Fürsorge des Imperators zugeschriebene Lohn für ihre staatserhaltende Rolle, ihre Systemgarantieleistung spärlicher ausfällt beziehungsweise sich unregelmäßiger einstellt, wird die Plebs nolens volens diese Minderung oder Störung ihrer Nutznießer- und Begünstigtenstellung in Zusammenhang mit der vergleichsweise freien Hand bringen, die sie dem Imperator lässt, sie mit anderen Worten der relativen patrizischen Unabhängigkeit und daraus resultierenden persönlichen Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit zur Last legen, die sich der Imperator als Princeps herausnimmt, und wird demzufolge bestrebt sein, sich als das existenzielle Staatssubjekt, als der Souverän, der sie im Grunde der nur mehr mit militärischen Mitteln zu leistenden Aufrechterhaltung des imperialen Staatswesen ist, ihm gegenüber zur Geltung zu bringen und damit ihn als einen Sachwalter zu ihren Diensten nicht weniger als von ihren Gnaden, als ihr wie sehr auch leviathanisch auftrumpfendes ureigenes Geschöpf und Faktotum in Anspruch zu nehmen. Im Vertrauen auf die soziale Identität und systematische Kontinuität, die sie mit dem Machtinstrument des Imperators, dem besoldeten Massenheer, verbindet, wird sich die Plebs nicht länger mit der Rolle der – laut ideologischer Lesart des Prinzipats – kraft imperatorischer Gnadenwahl und insofern ebenso unverbindlich wie unverdient Begünstigten zufrieden geben, wird sie sich nicht länger mit den zudem auch noch spärlicher fließenden willkürlichen Wohltaten und akzidentiellen Fürsorgeleistungen des Princeps abspeisen lassen wollen und wird statt dessen auf der offiziellen Anerkennung ihres staatstragenden Seins als des substanziellen Grunds für die ihr zu machenden Zuwendungen bestehen, wird auf der Sanktionierung ihrer Nutznießerrolle als des aus ihrer imperialen Grundlegungsfunktion mit Notwendigkeit resultierenden und im höchsten Repräsentanten des Staates, in der Person des Imperators, nichts weiter als das Mittel seiner Verwirklichung, seinen Funktionär und Vollstrecker, findenden obersten Staatsziels und letzten Zwecks des Gemeinwesens insistieren.
Und dass aber dieser Augenblick, in dem die Plebs sich nicht mehr hinlänglich versorgt und gebührend unterhalten findet und in dem wachsende Unzufriedenheit, das zunehmende Gefühl mangelnder Würdigung und regelrechter Vernachlässigung sie antreibt, aus dem Schatten und Inkognito, in dem der Princeps sie verhält, hervorzutreten und sich als das Subjekt au fond der imperatorischen Funktion, als der Souverän hinter der Person des Imperators zur Geltung zu bringen – dass also dieser Augenblick früher oder später kommen muss, dafür gibt es objektive und subjektspezifische Gründe genug. Zu stark beanspruchen die Bemühungen des Princeps, alle gesellschaftlichen Gruppen zufrieden zu stellen und gleichermaßen Rom zu einer ihres Kolonialreichs würdigen Metropole auszubauen und dem Kolonialreich relativen Wohlstand und Frieden zu sichern, die wie immer auch gewaltigen Ressourcen des Imperiums, zu hoch schraubt die lange Periode einer relativ zuverlässigen Versorgung und eines ebenso unterhaltsamen wie auskömmlichen Daseins bei der plebejischen Klientel des patrizischen Staatspatrons die Anspruchs- und Erwartungshaltung und senkt ihre Frustrationstoleranz im Blick auf Störungen des Versorgungsniveaus und Einbrüche im Lebensstandard, zu sehr verstrickt das Zusammenwirken von Verknappung der staatlichen Ressourcen und Verringerung der Flexibilität und Anpassungsbereitschaft beim Staatsvolk den Imperator in das Dilemma, sich ständig zwischen den subsistenziellen Bedürfnissen und sozialen Ansprüchen des letzteren und den Anforderungen des Reiches, den bürokratischen und militärischen Notwendigkeiten einer Aufrechterhaltung der imperialen Herrschaft entscheiden zu müssen, und zu massiv muss schließlich und nicht zuletzt die Vollmacht, die das Prinzipat verleiht, auf die Einbildungskraft und das Selbstgefühl jeder charakterologisch nicht völlig gefestigten Person einwirken und sie in Richtung einer hybriden Willkürherrschaft, eines um allen Realitätssinn gebrachten Größenwahns drängen, als dass sich irgend vermeiden ließe, dass bereits unter den unmittelbaren Nachfolgern des Augustus dessen ausgeklügeltes System eines zwischen Nobilität und Plebs, zwischen Staatsverwaltern und Staatserhaltern die goldene Mitte wahrenden Prinzipats aus den Fugen gerät und sich aus einem Angelpunkt oder organisierenden Zentrum des Ganzen in ein auf die Zerreißprobe gestelltes Bindeglied, einen Spielball widerstreitender und im Widerstreit halbwegs entfesselter Kräfte verkehrt.
Die Wechselfälle und Rückschläge, die das bereits zur Regierungszeit des August einsetzende Bemühen zeitigt, durch militärische Expansion neue Finanzmittel für den arg strapazierten Etat des Imperators aufzutreiben, der Unmut und aufrührerische Geist, in den die hauptstädtische Plebs durch Engpässe bei der Versorgung und unpopuläre Maßnahmen im Interesse des Reichsganzen versetzt wird, die Vernachlässigung der Reichsgeschäfte und Versäumnisse bei der Verwaltung und Sicherung der Provinzen, die Folge der Versuche des Imperators sind, den Missmut der hauptstädtischen Plebs durch Sonderzuwendungen und Vorzugsbehandlungen zu besänftigen, schließlich die Eskapaden und Willkürmaßnahmen, die selbstherrlichen Aufwendungen und irrationalen Projekte, zu denen seine positionsbedingt wachsende Hybris, sein durch die faktisch uneingeschränkte Vollmacht, die er ausübt, genährter Größenwahn ihn treiben – das alles wirkt zusammen, um jenes Klima der Instabilität und Unzufriedenheit zu schaffen, das sich dem Volk, dem plebejischen Staatssubjekt, als Konsequenz der qua Prinzipat institutionalisierten Einbindung seines imperatorischen Führers in das patrizische Establishment und einer ersterem durch letzteres eingegebenen volksfremden Rücksicht beziehungsweise selbstsüchtigen Willkür aufdrängt und das ihm deshalb zum Anlass wird, aus dem Inkognito einer von ihrem Patron aus den freien Stücken der ihm eigenen Großmut und Wohltätigkeit versorgten Klientel, in dem der Princeps es verhält, hervorzutreten, und sich als der hinter dem imperatorischen Regiment stehende eigentliche Souverän, als das handelnde Staatssubjekt, das im tribunizisch gewendeten Konsul seinen bevollmächtigten Agenten, als das plebejische Organ, das im Imperator seinen als Träger und Vollstrecker des Volkswillens dienstbaren Funktionär findet, zur Geltung zu bringen.
So konsequent und logisch es aber auch erscheint, dass die Plebs und ihr militärisches Geschöpf, das besoldete Massenheer, den qua Prinzipat praktizierten Balanceakt, das augusteisch ausgeklügelte Konstrukt einer zwischen Patriziat und Plebs, zwischen ökonomischen Gestaltern und militärischen Erhaltern des kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystems als relativ unabhängige Vermittlungsinstanz sich behauptenden imperatorischen Macht, in dem Augenblick, in dem es ins Wanken gerät, vollends zum Scheitern bringt und nämlich auf die eindeutige Identifizierung des Imperators als des aus dem Patriziat herausgesprengten und ihm gegenüber als Macht sui generis, als gesellschaftlich isoliertes Unikat sich präsentierenden Trägers und Vollstreckers einzig und allein noch des Volkswillens, der ökonomischen Ansprüche und sozialen Forderungen ihrer selbst, der zum Populus, zum Staatssubjekt, avancierten Plebs, dringt – so konsequent dies auch erscheint, so befremdlich und geradezu paradox mutet doch aber der Modus an, in dem sie ihrem Drängen auf Vereindeutigung der Stellung und Zuordnung des Imperators Ausdruck verleiht. Statt ihn nämlich im Bewusstsein ihrer numerischen Stärke und militärischen Macht kurzerhand als ihren ureigenen Funktionär, als den niemandem sonst als dem Volk verpflichteten Volksführer in Anspruch zu nehmen, erklärt sie ihn vielmehr zum absoluten Herrn seiner selbst, zum niemand anderem als sich selbst verantwortlichen höheren Wesen und in sich gründenden Autokraten. Den patrizischen Rückhalt oder persönlichen Eigenwillen, auf den er als Princeps pocht, bestreitet sie ihm nicht, um ihn in der Rolle des popularen Konsuls oder tribunizischen Heerführers als ihr Werkzeug in den Griff zu bekommen, ihn als ihren Protagonisten an die Kandare zu nehmen, sondern um ihm im Gegenteil die uneingeschränkt freie Hand eines aus höherer Einsicht, aus göttlicher Eingebung handelnden Subjekts zu lassen, ihn als einen aller äußeren Abhängigkeit entzogenen, aller objektiven Einbindung überhobenen Deus ex machina in Szene zu setzen. Die Patrifizierung, die Verankerung im traditionellen Ahnenkult der Oberschicht, die der sich ideologisch als Princeps stilisierende Imperator sucht, um als ein in den Patron umgebogener Repräsentant Distanz zu seiner in eine Klientel umgedeuteten Partei wahren zu können – diese Patrifizierung beantwortet die frustrierte Partei, die Plebs, die ihren Repräsentanten aus seiner Reserve locken und dem Volkswillen gefügig machen will, nicht etwa mit dem naheliegenden Versuch seiner Popularisierung, das heißt, damit, dass sie ihn unter Druck setzt und ihn zwingt, sich zu ihr als zur sozialen Basis seiner militärischen Macht und politischen Herrschaft offen und programmatisch zu bekennen; vielmehr reagiert sie darauf mit seiner Deifizierung, sprich, mit dem angesichts ihrer eigentlichen Zielsetzung in der Tat paradox anmutenden Konzept eines ihn, wie von aller ahnenkultlichen Rücksicht, so aber auch von jedem popularen Auftrag dispensierenden Kults um ihn höchstselbst, um seine, die Macht unmittelbar aus ihrer übermenschlichen Herkunft schöpfende und eine Herrschaft sui generis übende, weil bar jeder generischen Abhängigkeit sich behauptende, singuläre Person.
Dass die Plebs dem patrizisch sich gerierenden Imperator in der Absicht, ihn an die populistische Kandare zu nehmen, vielmehr die Zügel schießen und theokratisch freie Bahn lässt, dass sie im Bestreben, ihn ihrem Willen gefügig und zu dessen Werkzeug zu machen, sich im Gegenteil seinem Willen, ihm als personifiziertem Staatswesen, als göttlicher, weil irreduzibel absoluter Subjektmacht, unterwirft, mutet zwar auf den ersten Blick paradox an, hat aber, genauer betrachtet, wenn schon nicht seinen guten, geschweige denn gutzuheißenden Grund, so jedenfalls doch seine eigene, durchaus nachvollziehbare Logik. Indem die Plebs sich nämlich bemüht, den als Princeps Distanz zu ihr wahrenden Imperator seines Rückhalts im Patriziat zu berauben und als den ausschließlich ihr, dem eigentlichen Souverän, verpflichteten Mandatsträger, als konsularisch-tribunizischen Funktionär von ihren Gnaden und zu ihren Diensten in den Griff zu bekommen, sieht sie sich mit dem Problem konfrontiert, dass sie ihn dadurch zu desavouieren und zu diskreditieren, sprich, der Staatsfunktion, die er ausübt, ihre religiöse Sanktion und ihre darauf fußende soziale Legitimation zu verschlagen droht. Tatsächlich erfüllt ja die Patrifizierung des Imperators, seine ideologische Eingliederung in in die Riege der Patres, die patrizische Oberschicht, nicht bloß den praktischen Zweck, dem neuen Herrn seine plebejische Klientel vom Leib zu halten, ihm ein gewisses Maß an politischer Bewegungs- und strategischer Entscheidungsfreiheit zu bewahren, sie löst auch und ebenso sehr das Problem einer religionssystematischen Begründung und sozialritualen Rechtfertigung der umfassenden Reichtumsaneignungs- und Ressourcenumverteilungsaktivitäten, die er im Rahmen seines neuen Amtes entfaltet, und des rücksichtslos-eigenmächtigen Umgangs mit dem nach Rom strömenden territorialherrschaftlich fremden Reichtum, der selbstherrlich-freien Verfügung über die durch das kolonialistisch-sklavenwirtschaftliche System in die Stadt geschleusten Ressourcen, die diese Aktivitäten implizieren.
Schließlich sieht sich der Imperator bei dem Reichtum, den er im Auftrag seiner plebejischen Klientel in die Stadt schafft, mit dem gleichen, durch die Größenordnung, die ungeheuren quantitativen Dimensionen des Zustroms an Gütern noch potenzierten Problem konfrontiert, mit dem in den Anfängen der Republik bereits die Aristokratie und später dann unter den Bedingungen des expandierenden Provinzialsystems die Nobilität fertig werden muss – dass es sich nämlich bei diesem aus anderen Kontexten stammenden und seinen ursprünglichen Herren mehr oder minder gewaltsam geraubten, seinen opferkultlichen Verpflichtungen und rituellen Verbindlichkeiten mehr oder minder sakrilegisch entrissenen Reichtum nur erst um eine persönliche Beute dessen, der ihn in die Stadt bringt, eine dem, der darüber verfügt, privativ zugefallene Prämie handelt, die mit den Vermögens- und Machtverhältnissen der städtischen Gemeinschaft vermittelt, in die Verfügungs- und Verantwortungsstrukturen des Gemeinwesens eingebunden, kurz, als das Eigentum des Betreffenden religiös sanktioniert und sozial legitimiert werden muss, soll sie nicht teils ihren Besitzer dazu animieren, sie zur Befriedigung eines hybriden Ehrgeizes und disruptiven Machtstrebens einzusetzen, teils der Gemeinschaft die Möglichkeit eröffnen, ihm aus dem privativen Charakter der Beute, aus dem mit dem Raub verknüpften Vorwurf des Sakrilegs einen Strick zu drehen und als einem Widersacher göttlichen Rechts und menschlicher Ordnung die Beglaubigung zu entziehen und den Prozess zu machen. Das Problem stellt sich um so direkter und akuter, als der Imperator ja um der Wahrung des sozialen Friedens und der dafür erforderlichen Schonung der Eigner und Betreiber des kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystems willen das ursprünglich von der Volksbewegung verfolgte Projekt einer Umverteilung vorhandenen, von der Nobilität bereits akquirierten Reichtums zugunsten einer Neuerwerbung von Reichtum mittels eigener, imperatorischer Provinzen und eines eigenen, als Fiskus etablierten Besteuerungssystems aufgibt und so, was sonst bloßer interner Verteilungskampf auf Basis der durch ahnenkultliche Verpflichtungen sanktionierten und durch urbane Pietas legitimierten ursprünglichen Akquisitionstätigkeit der Nobilität wäre, vielmehr als eine regelrechte Parallelaktion zu letzterer inszeniert, die nolens volens die alten Sanktionsforderungen neu aufs Tapet bringt, wohl oder übel die gehabten Legitimationsfragen abermals aufwirft.
Zwar theoretisch oder der gegebenen allgemeinen Konstellation nach scheint für den Imperator dies Sanktions- und Legitimationsproblem leicht lösbar und im Grunde auch bereits gelöst, da ja bei seinem Reichtumserwerb von einer wirklichen Parallelaktion zum traditionellen Bereicherungsverfahren der römischen Oberschicht gar nicht die Rede sein kann und der Imperator anders als die Mitglieder zuerst der Aristokratie und später dann der Nobilität nicht in persönlicher selbstherrlicher Regie und nicht aus privativ-familiärem Eigennutz, sondern im Auftrag und als Funktionär der kraft ihrer staatserhaltenden Bedeutung als Populus zum eigentlichen Souverän des Gemeinwesens avancierten Plebs agiert: So gesehen, scheint es, als brauchte er sich nur zu diesem seinem tribunizisch-konsularischen Auftrag, dieser seiner popularen Funktion zu bekennen, um aller Sanktionssorgen, aller Legitimationsprobleme hinsichtlich des Umgangs mit dem Reichtum, den er in die Stadt bringt, ledig zu sein und, geschützt einerseits gegen die Gefahr einer von hybrider Verantwortungslosigkeit beflügelten Selbstsucht und Machtgier, und entbunden andererseits von den ursprünglich mit dem Reichtum verknüpften sakralen Rücksichten und opferkultlichen Hypotheken, aus denen sich ihm der Strick eines wider göttliche Satzung und menschliche Ordnung frevelnden sakrilegisch-privativen Willkürhandelns drehen ließe, frei über die Beute verfügen zu können. Indes, praktisch oder der besonderen Intention nach, die er in der gegebenen allgemeinen Konstellation verfolgt, würde solch ein Bekenntnis zu seinem popularen Auftrag, seinem tribunizisch-konsularischen Funktionärstum, für den Imperator bedeuten, dass er eben jene relative Distanz zur Plebs, eben jene verhältnismäßige Eigenständigkeit der imperatorischen Stellung preisgeben müsste, die er sich durch das ideologische Konstrukt des Prinzipats, durch seine den Tribun in den Patron transfigurierende Selbststilisierung als volksfreundlicher Patrizier, als senatorischer Wohltäter der Plebs erschleicht und die ihm als Voraussetzung für ein möglichst reibungsloses Zusammenspiel von neuer Herrschaft und altem System, von militärischen Erhaltern und ökonomischen Gestaltern des Imperiums, wie auch als Bedingung für seinen eigenen Anspruch auf politische Bewegungsfreiheit und strategische Entscheidungskompetenz lieb und teuer ist. Der Imperator scheint damit also vor dem Dilemma zu stehen, um der religiösen Sanktionierung und sozialen Legitimation seiner Herrschaft und Verfügung über den imperialen Reichtum willen jene persönliche Autonomie und führerschaftliche Eigenständigkeit aufgeben zu müssen, die er im Interesse des praktischen Erfolgs seiner Herrschaft und einer für diesen Erfolg ausschlaggebenden, soziale Wohlfahrt und kapitalen Profit, Massenkonsum und Akkumulationskalkül zur Verträglichkeit miteinander bringenden überparteilichen Verfügung über den imperialen Reichtum eigentlich gar nicht aufgeben kann.
So dilemmatisch indes die Situation des Imperators auf den ersten Blick wirkt – in Wahrheit und realiter überhebt ihn das ideologische Konstrukt, durch das er seinem Streben nach Distanz zur Plebs und persönlichem Bewegungsspielraum, nach konstitutioneller Unabhängigkeit und institutioneller Eigenmacht Befriedigung verschafft, der die tribunizisch-konsularische Funktion mit einem patrizisch-senatorischen Status amalgamierende Prinzipat nämlich, eben dieses durch sein Unabhängigkeitsstreben im Ansatz oder formaliter heraufbeschworenen Dilemmas. Tatsächlich verschafft ihm ja die Reorientierung, die er ideologisch vollzieht, indem er sich als Primus inter pares der traditionellen senatorischen Führungsriege präsentiert, nicht nur machtpolitisch-praktisch die erwünschte Distanz zu seiner plebejischen Klientel und die relative Freiheit, dieser Klientel als patrizischer Patron entgegenkommen zu können, statt ihr als konsularischer Tribun vorangehen zu müssen, sie versichert ihn auch und zugleich legitimationstheoretisch-kultisch der an die generische Substanz zuerst der Aristokratie und dann der Nobilität, an die römischen Ahnen, gebundenen Sanktion, deren zentraler Inhalt und wesentlicher Gegenstand der Umgang mit fremdbürtigem Reichtum, die Verfügung über Ressourcen ist, die aus außerstädtisch-territorialherrschaftlichen Quellen dem städtischen Gemeinwesen zugeführt und in ihm als gleichermaßen reales Lebensmittel und soziales Machtinstrument zur Geltung gebracht werden. So gewiss sich der Imperator als Princeps ideologisch dem Patriziat zuordnet, so gewiss wird er der oben unter dem Begriff der Pietas explizierten Stellung teilhaftig, die jedem, der an ihr partizipiert, eine besondere Affinität zu und Verbundenheit mit der Garantiemacht der durch ihre Allianz das römische Gemeinwesen stiftenden aristokratischen Sippen oder großen Familien, mit der tragenden Tradition der die städtische Gemeinschaft als von theokratischer Vorherrschaft freien Stammesbund ins Leben rufenden patrizischen Geschlechter, kurz, mit den Ahnen, zuweist und damit aber auch eine besondere Verantwortung für die Förderung und Pflege, die Erhaltung und Gestaltung des als Sitz der Ahnen, als existenzielle Bedingung und habituelle Grundlage ihrer kultischen Verehrung firmierenden städtischen Gemeinwesens aufbürdet und die diese als Liebe zu Vaterstadt realisierte ahnenkultliche Bindung, diesen dem Stammesbund eingeschriebene Verpflichtung, das Unterpfand seiner politischen Freiheit, den zum Kultort erhobenen städtischen Handelsplatz, mit allen Mitteln zu pflegen und zu hegen, koinzidieren lässt mit der Befreiung der zum Wohle der Stadt eingesetzten Ressourcen von allen früheren sakralen Rücksichten und opferkultlichen Verbindlichkeiten, sprich, mit der religiösen Sanktionierung und sozialen Legitimierung jeglichen in die Stadt gebrachten fremdbürtig-territorialherrschaftlichen Reichtums als eines dem, der ihn die Gemeinschaft bringt, zur Verwendung nach Maßgabe seiner Liebe zur Stadt der Ahnen anheim gestellten, zur freien Verfügung im Rahmen seiner Pietas überlassenen Guts. Als Patrizier, als Primus inter pares der Patres der alten Geschlechter, wahrt der Imperator nicht nur Distanz zu seiner Konsulat und Tribunat von Amts wegen kurzschließenden einfachen Volksführerschaft, seinem unmittelbaren popularen Funktionärstum, er ist auch und mehr noch jener – ökonomisch freie Verfügung an politische Verantwortung knüpfenden und politische Verantwortung mit ökonomisch freier Verfügung belohnenden – ahnenkultlichen Bindung überführt, die ihn als Pietas, als tätige Verbundenheit mit dem Kultort der Ahnen, mit ihrem existenziellen Grund und Boden, der Stadt, aller religiösen Sanktionssorgen und sozialen Legitimationsprobleme enthebt, aus denen ihm, dem über fremdbürtigen Reichtum Verfügenden, die städtische Gemeinschaft andernfalls direkt oder indirekt einen Strick drehen könnten.
Und diese im Prinzipat implizierte traditionelle Lösung des Sanktions- und Legitimationsproblems bringt nun aber wiederum die um die Herauslösung ihres imperatorischen Führers aus seinem patrizischen Kontext und um seine vorbehaltlose Unterwerfung unter ihren Willen, um seine rückhaltlose Identifizierung mit ihren Interessen bemühte Plebs in arge Schwierigkeiten. Von ihm zu verlangen, dass er sich seines patrizischen Umgangs entschlage und sich einzig und allein noch mit seiner plebejischen Klientel gemein mache, hat sie so wenig das Recht, wie, dass er seine Liebe zu den Ahnen kurzerhand durch die Liebe zum Volk ersetze, seine Pietas einfach gegen Popularitas austausche. Schließlich ist die das Verhältnis der territorialherrschaftlichen Oberschicht zu den Ahnen und zu deren Existenzgrundlage, dem städtischen Gemeinwesen, regelnde und als religiöse Verpflichtung deklarierende Pietas ein für die Stadtgemeinschaft ebenso konstitutiver Bestandteil, wie es das Bürgerrecht, die das Verhältnis der übrigen, bäuerlich-handwerklichen und kommerziellen Gruppen zur Oberschicht stipulierende und als vertraglichen Anspruch bestimmende Civitas ist! Und schließlich ist, wie bereits beim Bürgerrecht und bei dessen materialistisch zugespitzter, existenzialisierter Inanspruchnahme zu sehen, alles, was die benachteiligte Plebs unternimmt, um ihre ökonomische und soziale Lage zu verbessern und sich einen Anteil an den Früchten des von der Oberschicht geschaffenen kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystems zu sichern, nicht etwa dazu gedacht, jene ahnenkultlich-bürgerrechtliche Konstitution des Gemeinwesens aufzukündigen und zu beseitigen, sondern im Gegenteil darauf berechnet, sie als anerkannten Bezugsrahmen und gesellschaftsvertragliche Grundlage im Sinne der Durchsetzung plebejischer Anliegen umzufunktionieren und nutzbar zu machen. Will die Plebs den Imperator als ihren Konsorten vereinnahmen, ihn als den Träger ihres Willens, als ihr Geschöpf und Werkzeug in Anspruch nehmen, so darf sie das demnach nicht im Widerspruch gegen die in der patrizischen Fasson, die ihm seine Stellung als Princeps verleiht, implizierte ahnenkultliche Bindung tun, darf sie nicht einfach seine Verpflichtung gegenüber der religiösen Substanz des Gemeinwesens, den Ahnen, durch Schuldigkeit gegenüber seiner eigenen sozialen Klientel, dem Volk, verdrängen, seine Pietas, seine Sorge um den Sitz der Ahnen, ihre existenzielle Basis, die Urbs Romana, durch Popularitas, direkte Fürsorge für die Bewohner der Urbs, den Populus Romanus und sein leiblich-seelisches Wohlergehen, ersetzen, sondern sie muss die ahnenkultliche Form auf jeden Fall wahren, muss die religiöse Rückbeziehung der diesseitigen Aktivitäten des Imperators auf eine jenseitige Instanz, dies, dass er mit allem, was er auf Erden beginnt, das Gebot einer über- oder unterirdischen Macht befolgt und deren Willen erfüllt, unbedingt respektieren.
Setzt sich die Plebs über diese religiöse Bindung und Verpflichtung des Imperators, diese ahnenkultliche Sanktion, die ihm die Zugehörigkeit zum Patriziat verschafft, einfach hinweg und zieht ihn mit der ganzen faktischen Macht ihrer staatserhaltenden Funktion auf ihre Seite, nimmt ihn als ihre von jeder anderen Abhängigkeit dispensierte Kreatur, als ihren ausschließlichen Funktionär, als den Vertreter ihrer ebenso absolut gesetzten wie partikularen Interessen, den Vollstrecker ihres ebenso profanen wie souveränen Willens in Anspruch, sie rüttelt – wenn ihr das denn gelingt – an den religiösen Grundfesten des römischen Staatswesens, frevelt wider die von ihr selbst geteilten Grunddogmen des römischen Selbstverständnisses und entlarvt sich als verbrecherische Clique, als tempelschänderische Horde, die ihr existenzialisiertes Bürgerrecht, ihr Recht auf materielle Teilhabe am Gemeinwesen nur um den Preis geltend zu machen versteht, dass sie letzterem zuvor sein spirituelles Fundament verschlägt und also zerstört, was seinen Anspruch auf den Reichtum anderer begründet, will heißen, seinen weder den Opferkult göttlicher Gerechtsame achtenden noch das Äquivalenzprinzip kommerziellen Austauschs wahrenden Reichtumserwerb religiös sanktioniert und sozial legitimiert. Und nicht nur sich selbst diskreditiert die Plebs, nicht nur sich selbst entlarvt sie als Frevlerin wider die religiöse Grundordnung des römischen Gemeinwesens, wenn sie dem Imperator ohne Rücksicht auf seine Pietas, sein ahnenkultliches Verhältnis, Popularitas, bedingungslose Volksverbundenheit, zu vindizieren sucht, auch ihn, den Imperator, setzt sie der Diskreditierung aus, indem sie ihn zum Anführer einer Clique, zum Chef einer gesetzlosen Räuberbande degradiert und ihn eben der aus konsularischem Amt und tribunizischem Auftrag, aus patrizischer Tradition und plebiszitärer Intervention gewirkten Machtfülle entkleidet, die er qua Prinzipat behauptet und um derentwillen sie ihn doch gerade reklamiert und auf ihre Seite zu ziehen sucht, die sie doch gerade in den Dienst ihrer Ansprüche und Perspektiven stellen möchte.
Den Imperator aus seinen qua Prinzipat beschworenen patrizischen Bindungen herauslösen kann die Plebs nur unter Wahrung der ahnenkultlichen Form und Sanktion. Dadurch, dass sie den Imperator vergöttlicht, wahrt sie die Form, sprengt diese aber zugleich, indem sie dem Primus inter pares eine ihm zur Singularität verhelfende unvergleichliche Genealogie zubilligt. Die Vorlage für diese genealogische Deifizierung liefert Augustus selbst, der durch die Vergöttlichung des Begründers der Alleinherrschaft, seines Adoptivvaters Cäsar, seinen Primat ideologisch abzusichern sucht.
Will die Plebs den Imperator als den imperialen Herrscher und anerkannten Machthaber, als der er sich ihr aus der relativen Distanziertheit seiner patrizischen Eigenständigkeit darbietet, für sich gewinnen und ihrem Willen gefügig machen, so darf sie ihn also bei Strafe ihrer und seiner eigenen Diskreditierung nicht einfach als den in ihrem Namen agierenden Funktionär, als den nichts als ihren profanen Willen verkörpernden Volksführer mit Beschlag belegen, sondern sie muss die ahnenkultlich-indirekte Form, in der er für sie wirkt, respektieren, muss die sakrale Rücksicht, mit der er ihre unmittelbaren Ansprüche in Schach hält und vermittelt, gelten lassen. Eben dies tut sie, indem sie ihn vergöttlicht, ihm den Köder einer die bloß patrizische Verankerung übertreffenden höheren Herkunft, eines die immer noch menschliche Abstammung übertrumpfenden übermenschlichen Ursprungs, hinhält. Sie wahrt die Form ahnenkultlicher Rückbindung, die der Imperator als Princeps repräsentiert, reaffirmiert die von ihm persönlich gelebte Figur einer qua Pietas tradierten familiären Religiosität, aber so, dass sie diese Form mit einem sie als solche transformierenden neuen Inhalt versieht, dieser Figur eine sie von innen heraus transfigurierende und ihr qua Deitas zur revolutionären Absolutheit epiphanischer Sichselbstgleichheit verhelfende andere Substanz verleiht. Statt den Versuch zu unternehmen, den Imperator zum Bekenntnis seiner Abhängigkeit von ihr zu bringen, ihn zu vereinnahmen und ihrem Willen gefügig zu machen, liefert sich die Plebs ihm im Gegenteil rückhaltlos aus, erkennt in ihm ihren allmögenden Herrn und überantwortete sich seiner Gnade, indem sie ihm nämlich den als Patrizier ihm eigenen Willen belässt, diesen aber von aller ahnenkultlichen traditionellen Bindung und qua Pietas ausgemachten Relation und Bestimmtheit freispricht und als absoluten, weil nicht mehr einer Person, die den Ahnen als Sprachrohr dient, eingegebenen, sondern nurmehr einer Persönlichkeit, die Offenbarung ihres höchsteigenen göttlichen Ursprungs ist, entspringenden Willen setzt. Statt sich darum zu bemühen, den Imperator zu einem der ihren zu machen, ihm den Status eines wie immer als Führer bevollmächtigten und ausgezeichneten Volksgenossen nachzuweisen, beschränkt sich die Plebs in rückhaltloser, sie und die Oberschicht gleichermaßen betreffender Selbstverleugnung darauf, ihm durch das Attest einer Abkunft sui generis seine patrizischen Konsorten vom Hals zu schaffen, will heißen, ihn durch das Zugeständnis einer der Form nach zwar genealogischen, der Sache nach aber epiphanischen Repräsentanz, durch die Konzession einer Provenienz, die nicht in der Vergegenwärtigung und Personifizierung eines archaischen Erbes, sondern in der Wiederkehr und Verkörperung eines mythischen Ursprungs resultiert, der Riege der Pares definitiv zu entrücken und aus dem Primus zum Unicus, aus dem als Princeps patrizischen Artgenossen zum als Deus generischen Solitär avancieren zu lassen.
Das Kalkül, das die Plebs mit dieser, seine ahnenkultliche Patrifizierung, die er selbst qua Prinzipat durchsetzt, zur führerkultlichen Deifizierung übersteigernden haltlosen Ermächtigung des Imperators verbindet, liegt auf der Hand: Indem sie unter Preisgabe aller eigenen Ansprüche an ihn und unter Verzicht auf jeden, ihm gegenüber aktiv geltend zu machenden parteiisch-partikularen Einfluss den Imperator, statt in ihm das von ihr in die Welt gesetzte Geschöpf und den ihren Interessen dienstbaren Funktionär zu erkennen, im Gegenteil als ein selbstgesetzt höheres Wesen und einen aus der Machtvollkommenheit seines übermenschlichen Ursprungs heraus handelnden Autokraten behauptet und indem sie ihm also, statt ihm ihren Willen als das seiner führerschaftlichen Konstitution eingeschriebene Movens aufnötigen zu wollen, vielmehr den absolut freien Willen des göttlichen Selbstbewegers bescheinigt, baut die Plebs darauf, dass er die Avancen, die sie ihm macht, honoriert, ihr die alles überragende Stellung, zu der sie ihn erhebt, den kraft göttlichen Ursprungs absoluten Vorrang, den sie ihm vor seinesgleichen, vor den bloß auf ihre adlige Herkunft pochenden übrigen Patriziern verschafft, zu danken weiß und aus eigenem Willen ihren Interessen entspricht, ihr aus den freien Stücken seiner Selbstherrlichkeit ihren Willen tut. Die Plebs setzt mit anderen Worten darauf, dass der von ihr zum Deus ex machina des Prinzipats gekürte Imperator weiß, wem er die absolute Willensfreiheit und uneingeschränkte Selbstmächtigkeit, die solche Kür ihm beschert, schuldet und auf wen er angewiesen ist, will er sich seine göttliche Position auf Dauer erhalten, und deshalb seinen göttlichen Ratschluss in glücklicher Koinzidenz mit plebejischem Denken und Meinen erfindet, seinen absoluten Willen in spontaner Relation auf das Sinnen und Trachten des Populus erfährt.
So also sieht das Kalkül aus, das der vom Volk tatkräftig betriebenen Vergöttlichung des Imperators oder Verabsolutierung des Princeps zugrunde liegt: Während dabei äußerlich die patrizisch-ahnenkultliche Form gewahrt wird, in die er sich zurückgezogen hat und der sie ihn nur unter Verletzung der mit ihr verknüpften religiösen Sanktion und sozialen Legitimation entreißen könnte, wird inhaltlich doch zugleich diese Form aufgebrochen und durch das dem Princeps erteilte Attest eines die ahnenkultliche Abstammung übertrumpfenden eigenkultlichen Ursprungs, eines das archaisch-menschliche Werden, den alten Adel, aus dem Felde schlagenden mythisch-übermenschlichen Seins, eines höheren Wesens, zwischen den Primus und seine Pares ein Keil getrieben, der in dem Maße, wie er dem kultisch als Gott verehrten Imperator zu uneingeschränkter politischer Willensfreiheit und in der Tat zur absoluten Macht im Staate verhilft, den solchermaßen Begünstigten disponieren muss, denen, die ihm sein Gottsein, seine aller Abhängigkeit sei's vom plebejischen, sei's vom patrizischen Wollen und Meinen enthobene Absolutheit bescheinigen, eben den plebejischen Massen, von Herzen gewogen zu sein und deshalb ebenso unwillkürlich-pflichtschuldig wie selbstherrlich-spontan seinen Willen in ihren Dienst zu stellen, seine Macht in ihrem Interesse zu üben.
Ob dieses Kalkül der Plebs, das mit dem Köder der Göttlichkeit verknüpft ist, allerdings aufgehen kann, erscheint auf den ersten Blick fraglich. Schließlich mutet die absolute Willensfreiheit und schrankenlose Selbstbestimmung, die sie dem Imperator im Zuge seiner die Pietas durch Deitas, die Ehrfurcht vor den Ahnen durch Liebe zu sich selbst ersetzenden kultischen Erhöhung zubilligt, geradezu wie eine Einladung zu entfesselter Willkür und hybrider Selbstüberschätzung an und scheint wenig geeignet, jenen Sinn für machtpolitische Zuordnungen und gruppendynamische Abhängigkeiten zu nähren, den es doch braucht, damit das göttliche Geschöpf seiner menschlichen Schöpfer und deren Anspruch auf Honorierung eingedenk bleibt, der Autokrat seinen aller religiösen Selbstverleugnung zum Trotz ihm politisch die Macht verleihenden Souverän, den Populus, nicht aus dem Auge verliert und vielmehr gebührend berücksichtigt. So gewiss seine Vergöttlichung, seine Überführung in einen nicht den Ahnen, sondern seinem eigenen höheren Ursprung geweihten Kult, den Imperator aus seinem patrizischen Milieu heraussprengt und damit die negative Voraussetzung der von der Plebs angestrengten Rückverwandlung des senatorischen Princeps in den tribunizischen Führer erfüllt, so ungewiss scheint doch, ob diese Vergöttlichung auch die positive Absicht der Plebs zu befördern taugt, den Imperator als engagiertes Werkzeug ihres Willens und willfährigen Vertreter ihrer Interessen dingfest zu machen. Zu groß ist die mit solcher Vergöttlichung des Imperators bekundete Selbstverleugnung der Plebs, zu groß ihre damit erklärte Bereitschaft, ihm ihren eigenen Willen aufzuopfern, ihr Wohl und Wehe seinem allmächtigen Ratschluss anheim zu stellen, als dass sich ohne weiteres erwarten ließe, dass er im Allmachtsgefühl dieser seiner kultischen Erhöhung des ihm aufgeopferten Volkswillens eingedenk bleibt, dem vor ihm sich verleugnenden plebejischen Dafürhalten in seinem Meinen Rechnung trägt und nicht vielmehr in hybrider Selbstüberhebung nichts mehr kennt als seinen zur Willkür entschränkten persönlichen Willen, nur noch weiß, was er in zur Allmacht des Gedankens entfesselter Idiotie selber will.
Und selbst wenn er über genug politische Vernunft und nüchternes Urteil verfügt, den ihm von der Plebs attestierten absoluten Willen und selbstmächtigen Geist als eine Avance zu erkennen, für die er sich erkenntlich zeigen muss, als ein Geschenk, das ihn dazu verpflichtet, das Absolutum seines von ahnenkultlicher Bevormundung absolvierten Willens in die Übereinstimmung mit dem Volkswillen zu setzen, die Selbstmächtigkeit seines von den Fesseln patrizischen Standesbewusstseins befreiten Geistes zum Wohle der plebejischen Macht zu nutzen – wie soll er, da ja die Plebs im Zuge seiner kultischen Erhöhung, seiner Vergöttlichung, so völlige Selbstverleugnung praktiziert und sich so ganz und gar seinem höheren Willen ausliefert und seinem besseren Wissen unbeantwortet, jemals sicher sein können, dass er ihr den Willen tatsächlich tut, ihren Interessen wirklich entspricht, und nicht vielmehr mit der Zwangsläufigkeit der Absolutheit und Allmacht, die sie ihm zubilligt, seinen Willen mit dem ihren verwechselt, als ihr körperschaftliches Interesse weiß, was doch bloß sein persönliches ist.
Dies also scheint die Crux der Plebs: dass sie beim Versuch, den Imperator auf ihre Seite zu ziehen, doch zugleich die Form von ahnenkultlicher Bindung respektieren muss, die er als Princeps, als Primus inter pares des Patriziats, eingegangen ist, dass sie deshalb zum Köder einer die religiöse Bindung der Form nach zwar wahrenden, dem Inhalt nach aber sprengenden Verabsolutierung und Verallmächtigung des Imperators, seiner Rückführung auf ein übermenschlich höheres Wesen, eine selbst die Personalität der patrizischen Abstammung übersteigende Epiphanie göttlichen Ursprungs greift und dass sie mit diesem Kalkül nun zwar den negativen Erfolg erringt, den Primus aus der Riege seiner Pares auszugliedern und zum Unicus zu verselbständigen, positiv gesehen, ihn aber dadurch keineswegs automatisch ihr, der Plebs, verpflichtet und ihrem Willen gefügig, ihren Interessen geneigt macht, sondern ihn vielmehr zu nichts weiter als zu hybrider Willkür und bornierter Selbstherrlichkeit ermuntert. Gar so aussichtslos indes, wie es auf den ersten Blick scheinen will, ist die Situation, in die ihr Deifizierungskalkül die Plebs bringt, denn doch nicht! Keineswegs nämlich ist das höhere Wesen, auf das sie den Imperator zurückführt, ist der göttliche Ursprung, aus dem sie ihn resultieren lässt, jene um allen Inhalt gebrachte, tautologisch-leere Form, jene von jeglicher ahnenkultlichen Bestimmtheit befreite pauschal-abstrakte Figur, als die wir sie suggeriert haben, um die, verglichen mit der religiösen Bindung und sakralen Ermächtigung des Patriziers, ominös zu nennende Verabsolutierung und total erscheinende Machtergreifung des Imperators ins rechte Licht zu rücken. Vielmehr weist, näher besehen, jenes im Imperator Gestalt annehmende höhere Wesen, jener göttliche Ursprung, eine phänomenale Konkretheit, um nicht zu sagen, personale Bestimmtheit auf , die der Plebs durchaus die Handhabe bietet, ihre Ansprüche und Absichten nicht etwa nur von außerhalb, von der Position der für das Zeugnis, das sie ablegen, Dankbarkeit und Zuwendung erwartenden Kultanhänger her, sondern vielmehr von innen, aus der Konstitution eben jenes phänomenal konkreten Wesens und personal bestimmten Ursprungs heraus, geltend zu machen.
Dabei ist diese Konkretheit des höheren Wesens und Bestimmtheit des göttlichen Ursprungs nicht etwa erst Resultat der popularen Deifizierungsanstrengungen, des Kults um den Imperator, den die Plebs in Opposition zur Prinzipatsideologie des Augustus zielstrebig betreibt, sondern bereits und ausgerechnet Produkt der augusteischen Politik selbst, Konsequenz der Rechtfertigungsstrategie, die der Begründer des vom Imperator beherrschten Imperiums im Blick auf die imperatorische Vollmacht verfolgt. So sehr Augustus um der Distanz zu seiner plebejischen Klientel und um einer möglichst eigenständigen Position zwischen den Parteien willen bestrebt ist, den Imperator als Princeps in das Patriziat einzubinden und sein diktatorisches Amt, seine tribunizisch-konsularische Führungsrolle auf eine bloße, im Rahmen seines patrizischen Status von ihm wahrgenommene Sondervollmacht und Privatmission zurückzuschrauben, so sehr sieht er sich damit doch vor die Aufgabe gestellt, diese von ihm, dem Princeps, beanspruchte Sondervollmacht und wahrgenommene Privatmission aus irgendeiner ihm zukommenden persönlichen Eigenschaft oder besonderen Funktion begründen zu müssen, um seinen herrschaftlichen Anspruch und führerschaftlichen Gewahrsam nicht in den, von seinen missgünstigen Pares im Zweifelsfall nur zu bereitwillig aufgegriffenen Verdacht einer eigentlich grundlosen Anmaßung und durch nichts als durch seinen privaten Willen zur Macht gerechtfertigte Selbsterhöhung geraten zu lassen. Weil er um der Distanz zu seiner plebejischen Klientel willen seine Sonderbevollmächtigung und privatmissionarische Vorrangstellung nicht auf ihr reales Fundament, seine imperatorisch-militärische Liaison mit der Plebs und das konsularisch-diktatorische Führertum, das sie ihm als Gegenleistung für seine popularistisch-tribunizische Interessenvertretung verschafft, zurückbeziehen darf, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sie, wie er denn auch tut, auf persönliche Eigenschaften, moralische Qualitäten, charakterliche Vorzüge, politisches Talent zurückzuführen. Weder denen, über die er sich als Primus erhebt, den Patriziern, noch denen, denen er sich durch solche Überhebung als ihr Sachwalter und Patron vorstellt, den Plebejern, bietet er damit indes eine wirklich so zu nennende und nämlich Anspruch auf die Bedeutung einer objektiven Untermauerung erhebende Begründung seiner Ausnahmestellung und Sonderbefugnis. Während die ersteren, die Patrizier, dank ihres natürlichen Selbstwertgefühls und je eigenen Narzissmus jene als Grund für seine Vorrangstellung geltend gemachten persönlichen Qualitäten und inneren Anlagen unschwer als Vorwand, als reflexive Rationalisierungen durchschauen, hinter denen sich nichts weiter verbirgt als privates Machtstreben und persönliche Überheblichkeit, sind die letzteren, die Plebejer, zwar bereit, jene Begründung für seine Vorrangstellung als die Wahrheit gelten zu lassen, aber doch so, dass die Bestätigung der Begründung und den Beweis für ihre Wahrheit nichts anderes als die Vorrangstellung selber liefert, und dass also der zur Rechfertigung der Faktizität angegebene Grund, weit entfernt davon, diese zu untermauern und zu befestigen, seine Plausibilität und Haltbarkeit letztlich nur aus dem factum brutum selbst gewinnt.
Läuft so aber der Versuch, die imperatorische Rolle aus der persönlichen Beschaffenheit ihres Inhabers zu erklären, auf eine sei's in Spiegelfechterei, sei's in Zirkelhaftigkeit sich erschöpfende Scheinbegründung hinaus, was Wunder dann, dass Augustus nach einer besseren Fundierung seines Herrschaftsanspruches sucht? Er findet sie in der mit dem Prinzipat, mit der Rückbindung des Imperators an eine patrizisch-ahnenkultliche Deszendenz eingeschlagenen Richtung, indem er eben diese besondere Deszendenz, eben diese dem Imperator eigene patrizische Genealogie ihrerseits besondert, als solche aus dem Kontext patrizischer Stammlinien hervorstechen lässt, und damit dem Imperator die erwünschte objektive, von seinen persönlichen Eigenschaften, seiner empirischen Beschaffenheit unabhängige und quasi in der patrizischen Natur, die er als Princeps in Anspruch nimmt, selbst verankerte Distinktion verschafft. Unbeschadet seiner eigenen patrizischen Herkunft und in Ergänzung dazu reklamiert der Imperator Augustus eine weitere Abstammung, die ihn, den Begründer und Errichter der imperatorischen Herrschaft, mit deren Stifter und Urheber Julius Caesar als mit seinem wahren Stammherrn und Ahn verknüpft. Unter Ausnutzung der Tatsache, dass ihn Caesar adoptiert und zu seinem Erben bestimmt hat, bringt sich Augustus gewissermaßen auf dem Amtsweg oder, besser gesagt, von Amts wegen in eine genealogische Abfolge zum Adoptivvater, die ihm erlaubt, das Verhältnis patrizischer Pietät auf seinen Vorgänger im Amt zu projizieren und aus einer familiären Angelegenheit in ein Haupt- und Staatsanliegen, aus einer Beziehung, die ihn als Privatmann betrifft, in eine ihn als Amtsträger intendierende Relation zu überführen.
Was er damit gewinnt, ist eine Verlagerung des mit seinem politischen Primat, seiner Primus-inter-pares-Stellung verknüpften Begründungsproblems von der Ebene der empirischen Subjekte und der faktisch-sozialen Präsenz auf die generisch substanzielle Grundlage, das Niveau kultisch-religiöser Repräsentanz. Den Dissens um die Legitimität seines Vorranges, der ihn im empirisch-politischen Raum patrizischer Konkurrenzen und Anmaßungen, in den er sich um der Distanzierung von einer allzu zudringlichen plebejischen Klientel willen zurückgezogen hat, in Begründungsnot bringt – ihn kann der Imperator im systematisch-genealogischen Rahmen ahnenkultlicher Differenzierungen und Abgrenzungen erfolgreich austragen oder vielmehr im Nu entscheiden. Zwar ist er wie jeder andere Patrizier Spross eines generischen Stammes, Nachfahr eines kultstiftenden Vorfahren, aber dieser Vorfahr unterscheidet sich von denen der anderen durch den ursprünglich von ihm erhobenen und durchgesetzten alleinherrschaftlichen Anspruch, seine die spezifisch-familiengeschlechtliche Beschränkung transzendierende und zur generisch-staatsmännischen Perspektive aufhebende Absolutheit. Eben der staatspolitische Primat, den der Begründer des Imperiums Augustus beansprucht und gegen seinesgleichen, gegen die Eigen- und Eifersucht seiner patrizischen Pares zu behaupten sucht, ihn hat bereits der imperiale Stifter Cäsar vorgelebt und durch sein Tun und Vollbringen zum maßgebenden Faktum werden lassen; so gewiss Augustus genealogischer Nachfahre und patrizischer Erbe Cäsars ist, so gewiss bewegt er sich im traditionellen Rahmen ahnenkultlicher Pietät, wenn er sich unter Berufung auf seinen Vorfahren als Princeps etabliert, die Alleinherrschaft anmaßt.
Den seinen eigenen Vorrang vor der Riege der senatorischen Patrizier quasi objektiv begründenden, weil in der generischen Substanz des Standes selbst verankernden Primat des Ahnherrn Cäsars vor den übrigen Ahnen, den qualitativen Unterschied, der den Staatsstifter Cäsar von den übrigen patrizischen Stammvätern trennt, drückt Augustus dabei durch eine hierarchisch-systematische Differenzierung aus, die seinen genealogischen Gewährsmann den irdisch-chthonischen Ursprüngen der römischen Geschlechter als einen überirdisch-olympischen Urheber des römischen Gemeinwesens, kurz, den notablen Ahnen als einen veritablen Gott gegenübertreten lässt. In bewusstloser Orientierung am Vorbild des alten religiösen Formationsprozesses, der im Zusammenhang mit dem als ursprüngliche Staatsbildung erscheinenden Übergang von der homogenen Stammesgemeinschaft zur stratifizierten Klassengesellschaft aus den großen Toten große Unsterbliche, aus den defunkt-pseudonymen Betreibern des generationellen Stammesprozesses die abstrakt-eponymen Garanten der herrschaftlichen Staatsaktion, aus chthonischen Fluchtpunkten, richtungweisenden Galionsfiguren des Geschlechterreigens, olympische Gegengewichte, haltgebende Kultbilder der Kollektivgeschichte werden lässt, versteht Augustus Cäsar als Ausdruck eines Sprungs im ahnenkultlichen Kontinuum, als Inbegriff eines Paradigmenwechsel, der den einen, sich als Staatsstifter profilierenden Vorfahr über die übrigen, als familiäre Stammväter perennierenden Ahnen ein für allemal sich erheben und in der qualitativen Differenz eines Alleinherrschers, einer absoluten Größe, eines generischen Wesens unter exemplarischen Gewesenen, eines unsterblichen Gottes unter fortlebenden Menschen etablieren lässt.
Und die solchermaßen mit Konnotationen des alten Übergangs von der ahnenkultlich-genealogischen zur opferkultlich-politischen Sphäre aufgeladene und befrachtete Differenz nutzt Augustus nun also zur genealogischen Begründung oder legitimistischen Herleitung einer ihm als dem Nachfahren Cäsars, dem Filius dei, zukommenden Suprematie über seine als bloße Stammhalter der Geschlechter, als Patres familias, firmierenden patrizischen Standesgenossen, einer ihm, der sich mittels Prinzipat doch gerade zum Primus inter pares erklärt und das heißt, mit dem Patriziat relativ gemein gemacht hat, dennoch und in unaufgelöstem Widerspruch dazu kraft seiner Gottessohnschaft gebührenden Stellung des Solus supra impares und unbedingten Herrschaft. Er nutzt die Differenz, aber recht besehen missbraucht er sie. Indem er im manipulativen Rückgriff die Gottesfigur einsetzt, um im Konkurrenzkampf der Ahnen zu triumphieren und also Bestimmungen eines opferkultlichen, sprich, religionsgeschichtlich späteren Stadiums zitiert, um in einem ahnenkultlichen, sprich, religionsgeschichtlich früheren Kontext, der aber seinerseits nur ideologisch aufgewärmt, das heißt, im Dienste ebenso säkularer wie aktueller staats- und machtpolitischer Interessen bemüht wird, die Oberhand zu behalten, macht er sich eines solch anachronistischen Umgangs mit der religiösen Tradition schuldig und treibt derart Schindluder mit eben dem sakralen Legitimationszusammenhang, den er doch zugleich als Legitimationsbasis beschwört, dass es ein Leichtes wäre, ihn ineins der ingeniösen Falschmünzerei und des nefariösen Zynismus zu überführen und seine Konstruktion als ebenso unzumutbar lächerlich wie unvertretbar anstößig zurückzuweisen.
Wenn die Plebs das genealogische Göttlichkeitskonstrukt des Augustus aufgreift und zu ihrer Sache macht, dann nicht, weil sie an einer Absicherung seiner Primus-inter-pares-Stellung interessiert ist, sondern weil sie seine Rückführung auf den vergöttlichten Popularenführer Cäsar als politisches Programm empfindet. Nicht die genealogisch-progenitorische Begründung der Person des Imperators, sondern die epiphanisch-paradigmatische Bestimmung der Imperatorenfigur als verkörperten Volkswillens sieht sie mit der cäsarischen Konstitution des Imperatorenamtes vollbracht.
Dass dies nicht geschieht und dass Augustus und seine Nachfolger, allen in den Majestätsprozessen der Folgezeit zum Ausdruck kommenden Widerständen ihrer patrizischen Konsorten zum Trotz, mit ihrem genealogisch begründeten Alleinherrschaftsanspruch durchkommen, mit ihrem Gottessohnschaftscoup Erfolg haben – das verdanken sie einzig und allein ihrer plebejischen Klientel, dem Volk. Das Volk nämlich ist Feuer und Flamme für die Bemühungen des Imperators, sich mittels ahnenkultlichem Dementi seiner ahnenkultlichen Bindungen aus der per Prinzipat selbstgewählten Beschränkung seiner patrizischen Standesgenossenschaft zu befreien und unterstützt von ganzem Herzen seinen Anspruch auf eine alle bloß patrizische Abstammung übertrumpfende göttliche Herkunft, weil es darin die Chance gewahrt, seinem eigenen Verlangen nach Identifizierung des imperatorischen Amtes als einer eindeutig tribunizischen, unmissverständlich volksdienlichen, um nicht zu sagen volkshörigen, Funktion Befriedigung zu verschaffen. Und zwar verspricht die Gottessohnschaft, die der Imperator Augustus in legitimationstheoretisch ebenso planer Bekräftigung wie religionsgeschichtlich stracker Dementierung seines Prinzipats reklamiert, dem Volk Erfüllung seines sehnlichsten Wunsches nicht etwa nur in dem negativ konditionierenden Sinne, dass sie auf genealogischem Wege das imperatorische Amt aus seiner Einbettung in die patrizische Standesgenossenschaft herauskatapultiert und seinem Träger zu einer Eigenständigkeit und Selbstmächtigkeit verhilft, die ihm gestattet, sich, wenn es ihm in der Freiheit seines von allen Bindungen und Rücksichten patrizischer Pietät absolvierten, weil unmittelbar gottgegebenen Willens gefällt, für das tribunizische Funktionärstum, die Volksführerschaft, zu entscheiden, die ihm seine zum Populus Romanus geadelte plebejische Klientel anträgt – so wäre ja nur erst wieder das oben geschilderte Dilemma eingetreten, dass es der Plebs zwar gelingt, den Imperator durch seine ursprüngliche Verabsolutierung und persönliche Vergöttlichung dem Einfluss patrizischer Intentionen und Interessen zu entziehen, dass damit aber mitnichten schon gewährleistet und im Gegenteil höchst unwahrscheinlich ist, dass nun der Wille dieses absoluten Herrn, das Vornehmen dieses Gottes in Menschengestalt tatsächlich im Einklang mit dem Volkswillen steht, vollinhaltlich mit den Hoffnungen und Erwartungen, die seine plebejische Klientel in ihn setzt, koinzidiert. Vielmehr verheißt die Gottessohnschaft, die Augustus gegen alle bloß patrizische Abstammung reklamiert, der Plebs Erfüllung ihres Verlangens nach imperatorischer Zuwendung und Bevorzugung in der positiv disponierenden Bedeutung, dass sie den Imperator in actu seiner genealogischen Herleitung und in der Person nämlich des die patrizischen Stammväter übertrumpfenden Staatsahns, des absoluten Ursprungs und göttlichen Cäsar, auf den er sich zurückführt, den plebejischen Interessen von Grund auf verpflichtet, dem Willen des Volkes von Anfang an hörig erweist.
Tatsächlich nämlich ist der Stifter des imperatorischen Amtes Cäsar, der vergöttlichte Ahn, zu dessen Sohn sich Augustus erklärt, für die Plebs schon zu seinen Lebzeiten Verkörperung des Volkswillens, Inbegriff plebejischer Interessen. Als politischer Führer der Popularenpartei und militärisch erfolgreicher Feldherr, Anführer des von ihm in eigener Regie rekrutierten und ihm persönlich ergebenen Massenheeres Mariusscher Prägung, stellt Cäsar eben den leviathanischen Bastard aus Konsul und Tribun, generalbevollmächtigtem Staatsdiener und volksbewegungsentsprungenem Glücksritter dar, auf den die Plebs baut, dem sie durch das aus ihren Reihen geworbene Volksheer zur imperatorischen Macht verhilft und von dem sie sich dafür erwartet, dass er als manifester Herr sie als latenten Souverän zur Geltung bringt, sich als Werkzeug zur Durchsetzung ihrer Versorgungs- und Sanierungsforderungen, als Faktotum bei der Verwirklichung ihres den patrizisch-equestrischen Reichtum der Republik betreffenden Partizipations- und Umverteilungsprojekts erweist. Wenn der Begründer des Imperiums Augustus sich ahnenkultlich-genealogisch auf den imperialen Stifter Cäsar als auf einen die patrizischen Stammväter übertrumpfenden Staatsahn zurückführt, so ist das für ihn ein strategischer Zug, durch den er sich aus der allzu großen Nähe zu seinen Standesgenossen, den Pares, in die er sich zwecks Distanzierung von seiner Klientel, der Plebs, begeben hat, befreien und als der zum Solus tendierende Primus, als der Alleinherrscher etablieren, als uneingeschränkter Imperator reaffirmieren will. Für die Plebs aber stellt diese genealogische Reduktion etwas völlig anderes dar, nämlich einen programmatischen Akt, durch den sich Augustus in aller Form zum Erben und Wahrer der von Cäsar musterhaft verfolgten plebejischen Forderungen und Interessen, zum testamentarischen Vollstrecker des in Cäsar vorbildlich verkörperten Volkswillens erklärt.
Mit der Begründung der als Göttlichkeit kodifizierten absoluten Machtstellung des Imperators hat die Plebs kein Problem und hält sie sich gar nicht weiter auf. Zu groß ist ihr Verlangen, ihren Führer und Sachwalter aus den Reihen des Patriziats, in die er sich vor ihrer fordernden Zudringlichkeit geflüchtet hat, herauszubrechen und in der splendid isolation, in die er sich damit entrückt zeigt, ihrem Werben geneigt, ihrer Vereinnahmung zugänglich zu machen, als dass sie versäumen könnte, die Chance, in ihm das zur absoluten Herrschaft berufene Wesen höheren Ursprungs und übermenschlicher Prägung zu erkennen, die er selbst ihr durch seinen – wie auch immer religionshistorisch anrüchigen und eines blind assoziativen Eklektizismus verdächtigen – Coup einer ahnenkultlich-genealogischen Begründung seiner politischen Vorrangstellung bietet, ebenso umstandslos wie begierig, kurz, ohne weiteres Rechfertigungsbedürfnis, beim Schopf zu ergreifen. So wenig sie Augustus als Prinzipatsfürsten, als in die patrizische Standesgenossenschaft relativ integrierte Führungspersönlichkeit, als Primus inter pares, wahrnimmt, so wenig bringt sie Geduld und Sympathie für seine genealogischen Rechtfertigungsanstrengungen auf, hat sie Verständnis dafür, dass er sich seiner führerschaftlichen Sonderstellung, seiner alleinherrschaftlichen Vollmacht durch die umständliche Konstruktion einer eigenen Stammlinie versichert, die den Princeps, den Primus inter Pares auf einen die patrizischen Stammväter übertrumpfenden Staatsahn, einen die großen Toten der Geschlechter in den Schatten stellenden Unsterblichen des Gemeinwesens, kurz, den Imperator Augustus auf den göttlichen Cäsar zurückführt. Die absolute Stellung und göttliche Allmacht, die sich Augustus auf solch ahnenkultlichem Umweg und nämlich via obliqua einer ebenso einzigartigen wie musterhaften Pietas-Beziehung sichert – sie wäre die Plebs durchaus bereit, ihm als imperatorischem Individuum höchstselbst, das heißt, ohne alle Umstände, direkt und ad personam, zuzusprechen. Was sie an dem von Augustus reklamierten göttlichen Stammvater, an Cäsar, fasziniert und dazu bringt, sich für die dem Imperatorenamt solchermaßen nachgewiesene genealogische Verknüpfung und ahnenkultliche Dimension aus ganzem Herzen einzusetzen, ist nicht, dass Cäsar dem Augustus eine ebenso sehr im Rahmen ahnenkultlicher Bindung bleibende und also die Form des patrizischen Religionssystems wahrende, wie das System über sich hinaustreibende und nämlich den patrizischen Prinzipat zum heroischen Solipsat übersteigernde absolute Herrschaft beschert, sondern dass dies inhaltlich in der Weise geschieht, dass die absolute Herrschaft in unmittelbare Korrelation zu den Bedürfnissen der Plebs gebracht, der souveräne Wille des manifesten Herrschers in bruchlosen Einklang mit dem herrschenden Bewusstein des latenten Souveräns gesetzt erscheint.
Was der Rekurs des Augustus auf den Ahnherrn Cäsar aus Sicht der Plebs bewirkt und was ihn ihr in der Tat lieb und teuer macht, ist also nicht etwa die mit ihm intendierte genealogische Begründung des Imperatorenamts, sondern die in ihm implizierte programmatische Bestimmung der Imperatorenrolle. Dank nicht zuletzt seines frühen, gewaltsamen Todes und der ihm dadurch vorenthaltenen Möglichkeit, sich durch die ernüchternde Praxis der ausgeübten Alleinherrschaft bei seiner plebejischen Klientel unbeliebt zu machen und mit ihr zu entzweien, gilt Cäsar der Plebs als der verkörperte Volkswille, als der tribunizisch-konsularische Inbegriff, die unverfälschte politische Essenz all dessen, worauf die populare Bewegung sinnt und wonach sie trachtet, und erfüllt insofern den Tatbestand eines in die innerste Bastion des patrizischen Gegners eingeschleusten fünften Kolonne oder vielmehr eines aus den Reihen des Patriziats selbst der Volksbewegung erwachsenen machtvollen Komplizen. Wenn nun Augustus sich auf just diese populare Idealfigur als auf den seine absolute Macht begründenden urheberschaftlichen Staatsahn oder imperatorischen Gott zurückführt, so löst er in der Tat für die Plebs das oben dargelegte Problem, dass sie mit der Erhebung des Imperators zum Wesen höheren Ursprungs und Träger eines göttlicher Allmacht entspringenden Willens ihn zwar negativ allen patrizischen Bindungen entreißt, indem sie ihm zur Selbstherrlichkeit und Souveränität einer nur seiner göttlichen Natur verpflichteten Willensmacht verhilft, dass sie damit keineswegs aber auch schon inhaltlich die erwünschte Übereinstimmung seiner göttlichen Natur mit dem plebejischen Naturell, die angestrebte Korrespondenz der Willensmacht, die er verkörpert, mit dem Willen, der im Volk lebendig ist, sichergestellt hat und dass die göttliche Absolutheit, die die Plebs dem Imperator attestiert, vielmehr im Zweifelsfall dazu angetan ist, ihn nicht nur über die Stränge patrizischer Pietas, sondern ebenso sehr auch alle Rücksichten auf seine plebejische Klientel in den Wind schlagen und sich in der Eigenwilligkeit und Hybris haltloser, weil um alle soziale Bestimmung und politische Richtung gebrachter Willensübungen verlieren zu lassen.
Jene Volkstümlichkeit und Klientelhörigkeit nämlich, die mit der schieren Göttlichkeit des Imperators und mit der Absolutheit seines Willens die Plebs mitnichten schon garantiert sieht und die sie ihm von sich aus oder selbstmächtig nur als ihr eigenes parteiisches Interesse und als ihren persönlichen profanen Willen, mithin nur sakrilegisch und das heißt, gegen die von ihm hochgehaltene ahnenkultliche Pietas und Verpflichtung gegenüber den religiös fundierten Ansprüchen der patrizischen Tradition aufzwingen könnte – zu jener Volkstümlichkeit und Klientelhörigkeit also bekennt sich Augustus nun aus den freien Stücken der zur Begründung seines Prinzipats als vielmehr absoluten Vorrangs vor seinesgleichen bemühten genealogischen Filiation, ihr zollt er in der Figur des göttlichen Ahnherrn von dem er sich herleitet, in der Gestalt des tribunizischen Konsuls und popularen Feldherrn Cäsar, den er zu seinem Stammvater erklärt, hochheiligen Tribut. So gewiss Cäsar aus der interessierten, vom Willen zur imperatorischen Ermächtigung getriebenen Sicht der Plebs der personifizierte Volkswille und das verkörperte plebejische Interesse ist und so gewiss sich Augustus auf eben diesen personifizierten Volkswillen, eben diesen Inbegriff plebejischer Interessen als auf seinen ihn über die patrizischen Standesgenossen erhebenden und als unbestreitbaren Alleinherrscher etablierenden absoluten Ursprung und göttlichen Machtquell beruft, so gewiss kann die Plebs darauf verzichten, sich ihm eigens aufzudrängen, ihn als ihren Funktionär, ihre faktorelle Kreatur explizit in Anspruch zu nehmen und sich dabei aber – ihren eigenen religiösen Überzeugungen zum Tort und zum Schaden der politischen Glaubwürdigkeit des imperatorischen Amtes – in Konkurrenz und Widerspruch zu der höheren Bestimmungsmacht zu setzen, der er sich kraft patrizisch-ahnenkultlicher Tradition verpflichtet weiß, und kann sich vielmehr damit begnügen, ihn beim Portepee eben dieser in der tribunzisch-konsularischen Gestalt seines Adoptivvaters Cäsar von ihm selbst beschworenen höheren Bestimmungsmacht zu fassen, ihn beim Wort eben dieses als der göttliche Cäsar der ahnenkultlichen Sphäre entsprungenen personifizierten Volkswillens und Inbegriffs plebejischer Interessen, auf den er sich beruft, zu nehmen.
Wie wenig die Plebs den Rückgriff des Princeps Augustus auf den Staatsahn und Stifter des Imperatorenamts Cäsar als eine den Rahmen des Patriziats ebenso effektiv transzendierende wie ostentativ wahrende genealogische Begründung der Alleinherrschaft begreift und wie sehr sie diesen Rückgriff statt dessen als eine den Volkswillen ebenso förmlich dem absoluten Willen des Imperators aufopfernde wie inhaltlich in ihm zur Geltung bringende programmatische Bestimmung der Alleinherrschaft interpretiert, macht die Modifikation deutlich, die sie kurzerhand an dem von Augustus eingeführten Begründungsmodell vornimmt und durch die sie die bloße Gottessohnschaft, die Augustus reklamiert, in schiere Gottgleichheit, die göttliche Abstammung, auf die er Anspruch erhebt, in göttliches Sein sans phrase überführt. Für Augustus und seine Begründungszwecke genügt es vollauf, wenn er sich als sterblicher Sohn des unsterblichen Cäsar, als der irdische Nachfahre eines olympischen Vorfahren, kurz, als ein Heros, ein Mensch göttlicher Abstammung, präsentiert: auf diese Weise gewinnt er den zur Untermauerung seines Prinzipats erwünschten qualitativen Abstand zu seinen patrizischen Standesgenossen, ohne doch aber der relativen Nähe zu ihnen verlustig zu gehen, die sein allen göttlichen Ursprungs zum Trotz gewahrtes Menschsein ihm sichert und die ihm sein politisches Geschäft, das den leutselig-kollegialen Umgang mit der alten, ökonomisch nach wie vor mächtigen Führungsschicht einschließt, nur erleichtern kann.
Aus Sicht der Plebs hingegen, der es ja, wie gesagt, nicht um eine topisch-förmliche Begründung der Sonderstellung des Imperators – die attestiert sie ihm ohne weitere Umstände! –, sondern um deren faktisch-inhaltliche Bestimmung geht, zählt Cäsar nicht eigentlich als Vorfahr des Imperators, sondern als Vorbild für ihn, nicht als ein seinen Nachfolger in die Welt setzender Progenitor, sondern als ein ihn durch die Welt geleitendes Paradigma, nicht als nachwuchszeugender Urheber, sondern als musterbildender Prototyp, und eben deshalb liegt es auch nahe für sie, die genealogische Vermittlung kurzerhand fallen zu lassen und durch epiphanische Unmittelbarkeit zu ersetzen. So gewiss aus der Perspektive der Plebs Cäsar nicht als der den Imperator persönlich bewirkende, ihn in seinem Quod est zeugende existenzielle Patriarch, sondern als die im Imperator inhaltlich am Werk seiende, ihn in seinem Quid est manifestierende dispositionelle Matrix gebraucht wird, so gewiss ersetzt die Plebs die von Augustus zwischen Imperator und Cäsar etablierte Beziehung diskursiv-genetischer Nachfolge durch ein Verhältnis intuitiv-generischer Wiederkehr und lässt sie also den Imperator aus einem in mythologischer Sukzession das Licht der Welt erblickenden heroischen Sohn des göttlichen Cäsar den in kairologischer Reiteration in der Welt aufleuchtenden göttlichen Cäsar selbst werden. In jedem Imperator feiert demnach kraft Amtes und kraft der an das Amt sich knüpfenden wohlfahrtsprogrammatischen Erwartungshaltung der Plebs der als personfizierter Volkswille und Inbegriff plebejischer Interessen erscheinende Cäsar seine spontane Auferstehung; weit entfernt davon, dass der Imperator bloß Abkömmling und Repräsentant des göttlichen Cäsar, sein in der Stammlinie verhaltener heroischer Erbfolger wäre, ist er vielmehr die getreuliche Reproduktion und zeitlose Inkarnation des Gottes, sein immer neu in Szene sich setzendes epiphanisches Dasein.
So also nutzt die Plebs die von Augustus zum Zwecke einer genealogischen Begründung seiner Alleinherrschaft reklamierte cäsarische Gottessohnschaft, um das imperatorische Amt und seine Träger auf ein in der Gestalt Cäsars gewahrtes wesentlich populares Programm, eine primär und vor allem der Wohlfahrt des Volkes dienliche Politik zu verpflichten, und bietet den Imperatoren als Gegenleistung für ihre Bereitschaft, sich nicht nur geneologisch, sondern mehr noch programmatisch in die Nachfolge Cäsars zu stellen und den Dienst am Volk zu ihrem obersten Anliegen zu machen, sich als Funktionär und Sachwalter der Plebs, als Volksführer, vereinnahmen zu lassen, die Überführung der Gottessohnschaft in reine Gottgleichheit, die Aufhebung des nach Maßgabe seines göttlichen Ursprungs distinktiven und durch relativen Vorrang vor den patrizischen Standesgenossen ausgezeichneten politischen Daseins in eine kraft ursprünglicher Göttlichkeit definitiv absolute, und von welcher Genossenschaft und ständischen Rücksicht auch immer befreite Vormachtstellung im Staate. Dafür, dass er im Gewahrsam seiner cäsarischen Natur nichts anderes im Sinn hat, als der popularen Sache zu dienen und sich den Willen des Volkes vollinhaltlich und vorbehaltlos zu eigen zu machen, ist die Plebs ihrerseits gesonnen, sich in sein willenloses Werkzeug zu verwandeln und die Wahrnehmung ihrer Interessen seiner zum allmächtigen Ratschluss verklärten cäsarischen Weisheit und Urteilskraft zu überlassen. Dafür, dass der Imperator einwilligt, den in der Gestalt Cäsars personifizierten Volkswillen als seine ursprüngliche Natur und generische Substanz gelten zu lassen, ist die Plebs bereit, diesen verkörperten Volkswillen aufs Podest kultischer Anbetung zu heben und ihn als die im Imperator transsubstantiierte göttliche Macht unmittelbar präsent sein beziehungsweise den Imperator als das zu ihm transfigurierte persönliche Wesen ephiphanische Geltung gewinnen zu lassen.
Das Angebot absoluter Herrschaft, das der Populus Romanus dem Princeps macht, ist zu verlockend, der Köder der Göttlichkeit, den die Plebs dem Imperator hinhält, zu fett, als dass der Umworbene lange widerstehen könnte. Auch wenn der Reichsgründer selbst noch klug und besonnen genug ist, sich der Versuchung zu verschließen, seine Nachfolger sind es nicht, und bereits der zweite, Caligula, nimmt den göttlichen Status, das alles überstrahlende Privileg, nicht nur Augustus, Träger der Rolle des erhabenden Princeps, sondern mehr noch und vielmehr der fleischgewordene göttliche Cäsar, die Reinkarnation des personifizierten Volkswillens, des als generische Substanz in die ahnenkultliche Form eines urheberschaftlichen Subjekts gebannten absoluten Souveräns zu sein, offen in Anspruch. Und damit ist der Handel zwischen Plebs und Imperator im Prinzip abgeschlossen, die Realisierung des Imperiums als eines ebenso sehr im Dienste des Populus Romanus stehenden wie von ihm getragenen, ebenso sehr der ökonomischen und sozialen Wohlfahrt des Volkes verpflichteten, wie auf der politisch-militärischen Kontrolle des Volkes über das kolonialistisch-sklavenwirtschaftliche System der Nobilität beruhenden amphibolischen Monstrums aus Militärdiktatur und Volksdemokratie, konsularischer Feldherrschaft und tribunizischer Volksführerschaft im Grundsatz perfekt. Der Populus lässt dem Imperator seinen Willen, erklärt diesen zu einer kraft cäsarischer Konstitution absoluten Macht, stellt aber durch eben diese cäsarische Konstitution des Imperators sicher, dass es im Grunde der Volkswille ist, dem der Imperator gehorcht, im Kern das populare Interesse ist, das er wahrnimmt. Der Populus gibt sich gleichermaßen als soziale Schicht und als militärische Funktion ebenso vorbehalt- wie willenlos in die Hand des zum göttliches Wesen erhobenen Princeps und verhilft damit dessen Herrschaft zu einer durch keine ständischen Rücksichten und politischen Allianzen mehr eingeschränkten Machtfülle, sorgt aber durch das cäsarische Paradigma, das er in jenem göttlichen Wesen des Princeps am Werk sieht, dafür, dass der Princeps wesentlich nur Tribun, im Prinzip nichts als Volksführer ist.
Der Kult, den der Populus um den Kaiser treibt und durch den er ihn weniger als Werkzeug denn als epiphanische Verkörperung des Volkswillens zu vereinnahmen sucht, besiegelt das Schicksal des Patriziats und macht aus der Ritterschaft dienstbare Geister der absoluten Herrschaft. Aber seinen eigentlichen Zweck, den heimlichen Souverän, den Populus, zufrieden zu stellen, verfehlt er, weil ein unaufhebbarer Widerspruch zwischen dem politisch-sozialen Anspruch auf volksfreundliche Umverteilung und der Notwendigkeit besteht, die hierfür erforderlichen militärisch-imperialen Voraussetzungen zu schaffen beziehungsweise zu gewährleisten. Als ätiologischer Faktor beschränkt dieser strukturelle Widerspruch das häufig als Grund für das Scheitern des popularen kaiserkultlichen Kalküls angegebene Phänomen des sogenannten Cäsarenwahns auf die Rolle einer höchstens symptomatischen Konsequenz.
So raffiniert eingefädelt und kunstvoll stipuliert der im Kaiserkult des Römischen Reiches besiegelte Handel zwischen Plebs und Konsul, plebejischem Heervolk und tribunizischem Feldherr, souveränem Populus und popularem Imperator aber auch anmuten mag – er hält nicht was er verspricht. Wie sich erweist, kann er die hochgesteckten ökonomischen und sozialen Erwartungen, die das Volk an ihn knüpft, die hochfliegenden Hoffnungen auf wohlfahrtsstaatliche Zuwendung und Versorgung, auf ein Leben voller leiblicher Befriedigung und geistigem Zeitvertreib, die der Populus Romanus in ihn setzt, nicht erfüllen. Zwar, was den einen Teil der Abmachung angeht, den von Volk und Massenheer getragenen Ausbruch des göttlichen Imperators aus gleichermaßen der Beschränkung durch ein patrizisches Kollegialsystems und der Abhängigkeit von einer popularen Partei und seinen Aufstieg zu absoluter Macht und absolutistischer Herrschaft – dieser Teil erfährt seine der Grundtendenz nach ebenso unaufhaltsame wie in der Durchführung allmähliche und von Unterbrechungen und Rückschlägen markierte Verwirklichung. Auf der Basis der im Kaiserkult besiegelten Bereitschaft der Plebs und ihrer dem Staat zur Verfügung gestellten Militärkraft, sich dem Willen des in seiner cäsarischen Person den konsularischen Heerführer und den tribunizischen Volksführer vereinenden Imperators bedingungslos zu unterwerfen und seinen Ratschluss als die höchste politische Direktive und bürokratische Instanz, als Absolutum, göttliches Gesetz, gelten zu lassen, gelingt es den imperialen Alleinherrschern im Laufe von zwei Jahrhunderten, die Machtverhältnisse im römischen Staat endgültig und zur Gänze in ihrem Sinne umzukrempeln und den augusteischen Prinzipat in eine Militärdespotie reinsten Wassers zu überführen. Unter dem militärischen, politischen und ökonomischen Übergewicht, das dem Imperator die zur kultischen Verehrung intensivierte Unterstützung der plebejischen Schichten in der auf ganz Italien erweiterten Bürgerschaft, die Schlagkraft des zur stehenden Armee reformierten und durch den ständigen Kampf an den vielen Fronten des riesigen Reichsgebiets gestählten plebejischen Massenheeres und schließlich die gesammelte wirtschaftliche Kraft der seiner Verfügung unterstellten und von der Expansion des Imperiums profitierenden äußeren Provinzen verschafft, kann die pro forma des Prinzipats noch als Macht im Staat perennierende und pro nomine ihrer senatorischen Mitwirkung politischen Einfluss beanspruchende patrizische Oberschicht, die Schicht der grundbesitzenden großen Familien, gar nicht anders, als allmählich den Geist aufzugeben oder, genauer gesagt, ihre letzten, ökonomisch fundierten Bastionen zu räumen. Ohnehin bereits militärisch ausgebootet und politisch weitgehend kaltgestellt, sprich, auf ein wie immer aufwendiges und gesellschaftliches Prestige genießendes Rentiersdasein reduziert, geraten sie auch ökonomisch mehr und mehr ins Hintertreffen und werden von einer Entwicklung überrollt, deren Ziel nicht mehr die staatliche Expansion zwecks privater Bereicherung, sondern die Mobilisierung aller finanzieller, instrumenteller und personeller Ressourcen zur Versorgung, Instandhaltung und Verteidigung des mittlerweile voll expandierten, zum Imperium entfalteten Staatswesens ist.
Vor der gebieterischen Notwendigkeit, die plebejische Klientel des Kaisers, den Populus Romanus, leiblich-seelisch zu versorgen und wohlfahrtsstaatlich zufrieden zu stellen, die Infrastruktur und den Verwaltungsapparat des Reichsgebiets auszubauen und instand zu halten, schließlich den Reichsfrieden aufrechtzuerhalten und die Integrität des Territoriums gegen äußere Bedrohungen zu schützen – vor diesen zwingenden Erfordernissen erweist sich die Einteilung des Reichsgebiets in äußere und innere Provinzen, das heißt, die Aufteilung der Regionen oder Verwaltungseinheiten des Imperiums in solche, aus denen die für die Erfüllung der imperatorischen Aufgaben nötigen Mittel requiriert werden, und in solche, die den traditionellen Bereicherungsansprüchen der senatorischen Oberschicht zur Verfügung stehen, als illusorisch und unhaltbar. Nicht nur, dass die Imperatoren kraft ihrer militärischen Übermacht und politischen Entscheidungsgewalt von Anfang an auch über die de jure dem Patriziat überlassenen inneren Provinzen de facto als Ordnungsmacht herrschen und die bürokratische Kontrolle ausüben – getrieben durch ihren unersättlichen Bedarf an Ressourcen und gestützt durch die ihnen als Finanziers, Steuerpächter, Großhändler und Unternehmer dienstbare Ritterschaft nutzen sie ihr Gewaltmonopol und ihre Verwaltungshoheit zugleich dazu, auch ökonomisch-fiskalisch ihren Einfluss fortwährend zu erweitern und einen immer größeren Teil der provinziellen Abgaben unter ihre direkte oder indirekte Verfügung zu bringen. Sofern die senatorischen Patrizier, die ihren Reichtum aus der Sklavenwirtschaft der Latifundien und aus den Pfründen der Provinzialämter ziehenden Angehörigen der traditionellen Großgrundbesitzerschicht, den Imperatoren dabei im Weg sind oder Widerstand leisten, bekommen sie die ganze Härte des imperatorischen Staatswesens zu spüren, werden gerichtlich verfolgt, geächtet, enteignet, ums Leben gebracht. Sofern sie kooperieren oder sich dem Vordringen der kaiserlichen Macht fügen, dürfen sie ihren Reichtum und ihre sozialen Privilegien weiter genießen und in einem um alle politische Ambition und biographische Perspektive gekürzten Wohlleben gemächlich versinken.
So oder so, durch gewaltsame Verfolgung und Vernichtung oder durch friedlichen Verfall und Untergang, geht es mit dem Patriziat, den großen Familien der Republik, unaufhaltsam zu Ende; ihre konfiszierten, verprassten oder durch simples Aussterben aufgelassenen Güter und Vermögen fallen an den Kaiser und werden von diesem entweder dem Fiskus zugeschlagen und direkt als kaiserliches Eigentum verwaltet und ausgebeutet oder aber verdienten Mitstreitern und Günstlingen des Kaisers als Schenkungen oder Pachten zur Nutznießung überlassen. Sinnenfälligen Ausdruck findet diese allmähliche Dekadenz und Auflösung der patrizischen Standesgenossenschaft in der veränderten Zusammensetzung des politischen Organs des Patriziats, des römischen Senats. Aus der strikten patrizischen Standesvertretung, die er Jahrhunderte lang war, wird der Senat zu einem ebenso bedeutungslosen wie willfährigen Korollar des Kaisers; in zunehmendem Maße mit Parteigängern und Günstlingen des Herrschers, mit verdienten Legionsoffizieren und Prätorianern, Vertretern der kaiserlichen Garden, besetzt, verwandelt er sich in ein Spiegelbild der durch die imperatorische Herrschaft betriebenen Militarisierung des Staatsapparats und in ein Sinnbild der mit dem Verschwinden der alten Oberschicht einhergehenden Degradierung der von letzterer gestellten einstigen Konstitutive des Staates zum institutionalisierten Akklamationsorgan einer die Alleinherrschaft behauptenden Exekutive.
In der Konsequenz dieser Entwicklung, die den Untergang des Patriziats besiegelt, dessen einstige politische Plattform, den römischen Senat, in eine kaiserliche Selbstbeweihräucherungsstätte verwandelt und vom Senatus Populusque Romanus, wie in charakteristischer ideologischer Selbstverleugnung der augusteische Prinzipat den römischen Staat definiert, nur mehr den Populus Romanus als sub conditione einer nicht der Erwähnung werten, weil selbstverständlichen imperatorischen Herrschaft noch ernst zu nehmenden politischen Faktor übrig lässt – in der Konsequenz dieser Entwicklung verändert sich aber auch und wesentlich die Stellung der Ritterschaft, des mit dem ökonomischen Geschäft, mit der Aufgabe einer expropriativen Verwaltung und effektiven Ausbeutung des Reiches betrauten equestrischen Standes. Verführt durch das Interesse an einer Befreiung von der lästigen patrizisch-senatorischen Vormundschaft und durch die Aussicht, im Rahmen einer auf militärische Ordnungsstiftung und soziale Fürsorgeleistungen beschränkten Politik ökonomisch freie Hand zu haben und im Imperium nach Gutdünken schalten und walten zu können, laufen die Ritter zum Imperator über und sind gleichermaßen durch das kommerzielle und bürokratische Knowhow, das sie ihm zutragen, und durch die Spaltung der Nobilität und Fraktionierung der Optimatenpartei, auf die ihre Desertion hinausläuft, von ausschlaggebender Bedeutung für den Triumph der imperatorischen Sache. Belohnt für den Sukkurs, den sie ihm leisten, werden sie vom Imperator in der Tat dadurch, dass er ihnen seine Provinzen zu treuen oder im Zweifelsfall untreuen Händen übergibt, ihnen als pauschal bevollmächtigten Verwaltern, Generalpächtern und monopolistischen Steuereintreibern deren Bewirtschaftung und vielmehr Ausbeutung überlässt. Damit eröffnen sich ihnen ungeheure Betätigungsfelder und Bereicherungschancen. Hinzu kommt, dass sie gleichzeitig im Blick auf die senatorischen Provinzen und die patrizischen Besitztümer ihre alte Finanziers-, Pächter- und Maklerrolle behalten. Als die eigentlichen Betreiber des sklavenwirtschaftlichen-kolonialistischen Ausbeutungssystems der römischen Republik üben sie diese ihre Funktion auch weiterhin aus, nur dass sie das jetzt als vom Imperator begünstigte und bevorteilte Freischaffende, als unter dem Schirm der imperatorischen Herrschaft, die sich weitgehend auf militärische und sozialpolitische Angelegenheiten beschränkt, mit Vollmacht versehene und von der politischen Dominanz und Kontrolle des Patriziats ebenso emanzipierte wie über dessen ökonomische Übermacht und Konkurrenz triumphierende Akteure tun.
In dem Maße aber, wie das Patriziat seinen Geist aufgibt, besser gesagt, seinen letzten, ökonomischen Halt verliert und sei's unter der sengenden Sonne kaiserlicher Ungnade hinschmilzt, sei's im erstickenden Sumpf des eigenen Wohllebens untergeht, ändert sich nun auch die Stellung der Ritterschaft. Oder vielmehr ändert sich nicht eigentlich ihre Stellung, sondern diese verliert nur den Charakter einer unvergleichlichen Sonderstellung, büßt den ihr eigenen außergewöhnlichen Bewegungsspielraum, quasi ihren Stellenwert, ein. Dieser Stellenwert rührt ja von der ausnehmenden Nützlichkeit und in der Tat Unentbehrlichkeit her, die sie für das imperatorische Regiment als abtrünnige Repräsentanten des von der Nobilität geschaffenen imperialen Ausbeutungssystems haben: Weil sie vom Patriziat abfallen und zum imperatorischen Regiment überlaufen, bringen sie ersteres um seine ökonomische Kompetenz und politische Intelligenz, kurz, um seinen Verstand, um ihn letzterem zuführen, und bilden so im Kräfteverhältnis und Machtkampf zwischen der von Plebs und Massenheer getragenen neuen und der durch die Ökonomie und die alten Eigentumsstrukturen gestützten alten Herrschaft das Zünglein an der Waage, einen zugunsten der neuen Herrschaft ausschlaggebenden Faktor. Dafür ehrt der Imperator die Ritter, diese ihre entscheidende Rolle im Ringen um die Macht honoriert er ihnen durch die staatsfunktionelle Vorzugsstellung, die er ihnen einräumt, die ökonomischen und bürokratischen Vollmachten, die er ihnen verleiht. Indem nun aber das zeitweilige Kräftegleichgewicht zwischen alter und neuer Herrschaft, das der Prinzipat simuliert, der Zerstörung anheim fällt und die kaiserliche Macht, angetrieben und gestützt durch den qua Kaiserkult artikulierten Volkswillen und Anspruch des Massenheeres, das Patriziat endgültig niederwirft und nämlich nicht nur militärisch und politisch, sondern auch und mehr noch ökonomisch ausbootet, mithin um seine Existenzgrundlage bringt und zum Untergang verurteilt – indem mit anderen Worten die neue Herrschaft, die kaiserliche Macht, die Repräsentanten der alten Herrschaft, die Patrizier, von der historischen Bühne vertreibt und als gesellschaftlichen Faktor zum Verschwinden bringt, ist es aus mit jener, den Imperator zu besonderem Dank und Wohlwollen disponierenden Sonderrolle des Ritterstands.
Nicht, dass mit der Auflösung und Vernichtung des Patriziats die Ritter etwa entbehrlich würden; im Gegenteil – als die funktionelle Intelligenz, die kompetenten Betreiber des von der kaiserlichen Macht nunmehr vollständig unter ihre militärisch-politische Herrschaft gebrachten kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystems, sprich, als die über das gesamte Ausbeutungssystem die technisch-faktische Kontrolle ausübenden ökonomischen Sachwalter und bürokratischen Funktionäre der kaiserlichen Herrschaft, werden sie mehr denn je gebraucht. So unentbehrlich sie dem Imperator aber auch nach wie vor sind, so unbestritten ist nunmehr er der Herr im imperialen Haus: die ökonomische Narrenfreiheit und bürokratische Selbstherrlichkeit, die, ohne es zu wollen, die patrizische Konkurrenz des Imperators dem von ihr zu ihm übergelaufenen und einen wesentlichen Aktivposten des imperatorischen Kampfes um die absolute Macht im Staat bildenden Ritterstand sichert, schwindet in eben dem Maße, wie der Imperator seinen Kampf siegreich beendet und die patrizische Konkurrenz ein- für allemal aus dem Feld schlägt. Ohne den gesellschaftlichen Machtfaktor des Patriziats, der ihnen den besonderen Wert einer im Konkurrenzkampf mit letzterem entscheidenden Hilfstruppe oder Pioniereinheit verleiht und sie damit in der Tat in den Rang von aller Ehren und Avancen werten Kampfgenossen des Imperators erhebt, verwandeln sich die Ritter mehr und mehr in normale Beauftragte und Funktionäre des imperialen Staats. Unter der zu konkurrenzloser Geltung gelangten und höchstens noch zur Rücksicht auf den Machtfaktor des durchs Massenheer vertretenen Populus angehaltenen kaiserlichen Herrschaft legen die Angehörigen des Ritterstandes, aus denen der Kaiser sein ökonomisches und bürokratisches Personal, sein Management und seine Verwaltung rekrutiert, allmählich den Charakter von Verbündeten, freien Mitarbeitern, selbstbewussten Helfern, Impresarios, Maklern des den Staat repräsentierenden Herrschers ab und werden zu Verpflichteten, Angestellten, dienstbaren Geistern, Intendanten, Prokuristen des im Herrscher verkörperten Staats.
Dieser Teil der qua Kaiserkult besiegelten Abmachung zwischen Imperator und Plebs also findet sich am Ende voll und ganz erfüllt. Gleichermaßen angetrieben und getragen von der Plebs und dem durch sie gestellten Massenheer, triumphiert der nach seiner Etablierung als herrschaftlicher Augustus auch noch zum göttlichen Cäsar avancierte Imperator über alle gesellschaftlichen Widerstände und politischen Gegner im Reich und lässt nicht nur das Patriziat, mit dem er sich anfangs noch per Prinzipat vereinbarte, von der politischen Bühne verschwinden beziehungsweise bereitet ihm den ökonomischen Untergang, sondern stellt auch die Ritterschaft, seine die Wirtschaft organisierende Intelligenz und die Staatsgeschäfte führende Bürokratie, hinlänglich unter Kuratel beziehungsweise setzt sich hinlänglich als ihr alleinseligmachender Dienstherr in Szene, um ihr die ökonomische Eigensucht und bürokratische Selbstherrlichkeit, die sie sich dank ihrer ausschlaggebenden Position im Kräftespiel von imperatorischer und patrizischer Macht, neuer und alter Herrschaft, zuvor noch leisten konnte, ein- für allemal auszutreiben und sie zum getreulich ausführenden Organ der im Kaiser gesammelten Staatsmacht zurechtzustutzen.
Mit der Erfüllung des anderen Teils der im Kaiserkult stipulierten Kontrakts zwischen Plebs und Imperator, der Befriedigung der wohlfahrtsstaatlichen Forderungen der Plebs und der Versorgungsansprüche ihrer militärischen Abordnung hingegen hapert es. Keine noch so nachdrücklichen, in der Vereidigung des Imperators auf das cäsarische Paradigma, im Kaiserkult, kulminierenden Bemühungen, den souveränen Willen der Staatsmacht mit dem Willen des völkischen Souveräns in Einklang oder vielmehr zur Deckung zu bringen, sprich, den Imperator zum zuverlässigen wohlfahrtsstaatlichen Vollzugsorgan und unbeirrbaren Vertreter plebejischer Interessen zu machen, kann nämlich verhindern, dass es zwischen dem Herrscher und seiner Klientel zu Zielkonflikten und Interessendivergenzen kommt, die in dem Maße, wie sie immer wieder den ersteren davon abhalten, den realen Versorgungs- und sozialen Unterhaltungsansprüchen der letzteren in dem von ihr gewünschten Umfang nachzukommen, bei dieser den Eindruck eines herrscherlichen Vertragsbruches, einer imperialen Pflichtverletzung erzeugen und damit den Keim zu einem entsprechend wiederkehrenden Zerwürfnis zwischen dem Populus und seinem göttlichen Funktionär legen, das letztlich in dessen Entmachtung und Sturz und in seiner Ersetzung durch einen Amtsträger resultiert, der – so die immer neue und immer neu getäuschte Hoffnung des Populus! – dem cäsarischen Vorbild des personifizierten Volkswillens besser gerecht wird.
Dabei ist die häufig als Hauptursache für die ökonomisch-sozialen Interessenkonflikte und infolgedessen politisch-militärischen Zerwürfnisse zwischen cäsarischem Imperator und römischem Populus angesehene Neigung des ersteren zu hybrider Selbstüberschätzung und halluzinatorischer Willkür noch das geringste Übel und ein vergleichsweise akzidentielles Phänomen. Nicht, dass nicht die kultische Konstruktion eines individuellen Willens, der sich per medium eines in ihm epiphanische Gestalt gewinnenden göttlichen Paradigmas zum Inbegriff kollektiver Bestrebungen, zum personifizierten Volkswillen, erhoben findet, die Tendenz zu Kaprice und Wahnsinn, zur unkontrollierbaren Vermengung und unkorrigierbaren Verwechslung von individueller Vorstellung und kollektiver Perspektive, persönlicher Bestrebung und öffentlichem Bedürfnis, privater Laune und allgemeiner Stimmung, tatsächlich in sich birgt! Nicht, dass nicht die Verabsolutierung des Alleinherrschers zu einem Machthaber, der die Klientel, die er repräsentiert, nurmehr im gottgleichen Selbstbezug eines beispielgebenden Vorgängers in Sachen Klientelrepräsentanz Präsenz gewinnen lässt, die Gefahr heraufbeschwört, dass dieser beispielgebende Vorgänger zur Scheidewand oder undurchlässigen Membran wird, die dem Alleinherrscher erlaubt, seine idiosynkratischen Eingebungen als hieratische Artikulation der in der Figur des Vorgängers aufgehobenen und als solche schlechterdings nicht mehr vernehmbaren Ansprüche der Klientel anzusehen und zur Geltung zu bringen. Damit es aber dazu wirklich kommt und die Tendenz zur hybriden Idiotie sich gegen allen Realitätssinn wirklich durchsetzt, die Gefahr der Hypostasierung subjektiver Marotten zum kollektiven Interesse, jeder objektiven Interessenlage zum Trotz, aktuelle Bedrohung wird, braucht es mehr als eine simple psychologische Anfälligkeit für Größenwahn: nämlich den ganz und gar empiriologischen Umstand, dass jene objektive Interessenlage, die vor dem Versinken in der Idiotie unkontrollierter Selbstherrlichkeit schützen könnte, äußerst uneindeutig oder, besser gesagt, zutiefst widersprüchlich ist und deshalb das kaiserliche Individuum in ein intentionales Dilemma stürzt und einer intellektuellen Zerreißprobe aussetzt, die in der Tat dazu angetan ist, es zur Flucht in psychologische Verdrängungs- und Projektionsmechanismen zu animieren. Tatsächlich ist, wie ein Nero oder ein Commodus zeigen, der in Realitätsverlust und Willkürherrschaft endende Cäsarenwahn kein originäres Phänomen, sondern eine sekundäre Reaktion, kein für die Entwicklung der imperialen Herrschaft verantwortlicher ätiologischer Faktor, sondern nur ein den Stand der Entwicklung, deren Dynamik sich aus anderer Quelle speist, indizierendes symptomatisches Faktum.
Was den Kaisern in Wahrheit zu schaffen macht und sich, wie von einer Regierungszeit zur anderen als veritables Strukturproblem der imperialen Herrschaft nicht nur fortsetzt, sondern mehr noch zuspitzt, so denn im Kulminationspunkt bei den betreffenden Herrschern jenen als Cäsarenwahn apostrophieren und als sinnloser Fluchtreflex oder als imaginäre Problemlösung unschwer erkennbaren subjektiven Abreaktionsversuch provoziert, ist der Widerstreit zwischen der Erfüllung der politisch-sozialen Aufgabe, mit der die imperatorische Funktion steht und fällt, und der Gewährleistung der militärisch-imperialen Voraussetzungen, unter denen solche Aufgabenerfüllung allein möglich ist. Aufgetragen ist dem Augustus Cäsar, dem vom Populus Romanus, von Plebs und Volksheer, im Kaiserkult als absolutistischer Machthaber sanktionierten Kaiser, diese seine Klientel, das römische Volk, subsistenziell zu versorgen und sozial zu befriedigen, wohlfahrtstaatlich zu beglücken und erlebnisgemeinschaftlich zu unterhalten. Aufgetragen ist ihm, mit anderen Worten gesagt oder aus ökonomischer Perspektive betrachtet, Plebs und Volksheer an den Früchten des von der römischen Nobilität geschaffenen kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystems partizipieren und in der Tat zu dessen Hauptnutznießer, zu dem dank seiner Massenhaftigkeit und Vielköpfigkeit am meisten ins Gewicht fallenden und den Löwenanteil an der Beute in Anspruch nehmenden Begünstigten par excellence werden zu lassen. Um diesen Auftrag aber erfüllen zu können, muss der Kaiser das von der Nobilität übernommene und gleichermaßen quantitativ und qualitativ, der territorialen Extension und der funktionalen Intensität nach, weiterentwickelte Ausbeutungssystem sowohl militärisch sicher stellen, sprich, in seiner Integrität nach außen und im Zustand inneren Friedens gewährleisten, als auch bürokratisch unter Kontrolle halten, sprich, als imperiale Einheit infrastrukturell fundieren und kraft Verwaltungsapparat realisieren.
Damit ist der Konflikt vorprogrammiert. Beides, der politisch-soziale Anspruch auf Umverteilung und die Forderung nach Schaffung beziehungsweise Gewährleistung der hierfür nötigen militärisch-imperialen Voraussetzungen, muss ja aus ein- und demselben Topf finanziert, aus ein- und derselben, mittels kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichem Ausbeutungssystem gemachten Beute befriedigt werden; die beiden Verpflichtungen oder Verbindlichkeiten, denen der Kaiser demnach Rechnung tragen muss, können gar nicht anders, als einander ins Gehege zu kommen, miteinander zu konkurrieren. Dabei ist der die Konkurrenz betreibende dynamische Faktor, der den Konflikt auslösende und in Gang haltende Sprengsatz wieder einmal der Anspruch auf Umverteilung, der ja bereits die für den Wechsel der Republik ins Kaiserreich, für den Umschlag der senatorischen Gentryherrschaft in eine konsularische Volksdiktatur verantwortliche Triebfeder und Unruhe bildet. Zu groß ist die ökonomische Not und das soziale Elend, die das imperiale Ausbeutungssystem der Nobilität im Innern der Republik selbst, nämlich bei den unteren und mittleren Schichten der Hauptstadt und der italischen Kernlande, verursacht, zu zahlreich ist die Schar der Verarmten und Verelendeten, die nach der für die Durchsetzung der imperatorischen Herrschaft entscheidenden Ausdehnung des römischen Bürgerrechts im Anschluss an die Bundesgenossenkriege Anspruch darauf haben, an der Umverteilung zu partizipieren und in den Genuss wohlfahrtsstaatlicher Zuwendungen zu kommen, zu gewaltig und unendlich steigerungsfähig ist schließlich die Erwartungshaltung, die sich angesichts des provokativen Reichtums der Oberschicht wie auch aufgrund der als allgemeinmenschlich-psychologischer Habitus sattsam bekannten Tendenz der begünstigten unteren Schichten, das jeweils erreichte Versorgungsniveau als Naturgegebenheit zu betrachten und deshalb eine Veränderung des Niveaus nur tolerieren zu können, wenn es angehoben, nicht hingegen, wenn es gesenkt wird, an solche Zuwendungen knüpft – zu stark also wirken all diese Momente zusammen und zu massiv ist mit einem Wort der Druck, der vom Populus Romanus und seinem militärischen Arm ausgeht, als dass nicht bald schon der Punkt kommen muss, an dem die Erfüllung der kaiserlichen Verpflichtungen gegenüber Volk und Heer die Leistungskraft des Ausbeutungssystems überfordert und deshalb anfängt, zu Lasten von im Blick auf die Beute sich geltend machenden konkurrierenden Verbindlichkeiten zu gehen, sprich, der für den Bestand des ökonomischen Ausbeutungssystems unabdingbaren Instandhaltung militärischer Einrichtungen, bürokratischer Organisationen und infrastruktureller Anlagen in die Quere zu kommen und Abtrag zu tun.
Und das wiederum ist der Punkt, an dem sich der Kaiser, wenn ihm sein Amt lieb und er selbst ihm gewachsen ist, gezwungen sieht, gegenzusteuern und um der Erhaltung des Ausbeutungssystems willen die Erfüllung seiner wohlfahrtsstaatlichen Verpflichtungen zugunsten der Rüstungsproduktion und des Flottenbaues, der Finanzierung von Verwaltungsapparaten und der Errichtung von Befestigungen, Straßen, Aquädukten und Häfen einzuschränken beziehungsweise zu suspendieren. Weil die Austeilung wohlfahrtsstaatlicher Segnungen an seine plebejische Klientel und seine soldatische Gefolgschaft mit dem imperialen Ausbeutungssystem steht und fällt, muss er das System um jeden Preis instandhalten und ihm seine Funktionsfähigkeit bewahren, will heißen, er darf nicht zulassen, dass die wohlfahrtsstaatlichen Segnungen mit den erforderlichen finanziellen Aufwendungen und instrumentellen Vorkehrungen für die Instandhaltung des Systems und die Aufrechterhaltung seiner Funktionsfähigkeit konkurrieren und gar an ihnen zu zehren beginnen. Indem der Kaiser so aber genötigt ist, um der kontinuierlichen und gesicherten Versorgung des Populus mit wohlfahrtsstaatlichen Leistungen willen diese Leistungen einzuschränken und gegebenenfalls sogar zugunsten von Aufwendungen für den Leistungsträger, das kolonialistisch-sklavenwirtschaftliche Ausbeutungssystem, zurückzunehmen, macht er sich beim Leistungsempfänger unbeliebt, treibt zwischen sich und seine Klientel einen Keil und macht sich das ihn vergötternde Volk am Ende gar zum unversöhnlichen, ihn im jähen Stimmungsumschwung verteufelnden Feind. Konfrontiert mit dem schier unerschöpflichen Reichtum und Luxus der Nachfahren des Patriziats, der equestrischen Funktionäre des Imperiums und der militärischen Korona des Herrschers, seiner Günstlinge und Offiziere, vermag das Volk nicht einzusehen, warum es mit seinen vergleichsweise bescheidenen, wenngleich durch ihren Massencharakter entscheidend zu Buche schlagenden Bedürfnissen nach subsistenzieller Versorgung und sozialer Unterhaltung, Brot und Spielen, hinter den Instandhaltungsansprüchen des Imperiums und seinen Forderungen nach militärischen Einrichtungen, bürokratischer Organisation und infrastrukturellen Investitionen zurückstehen soll.
Durch seine Reduktion auf die Rolle des passiven Leistungsempfängers und in der Hauptstadt und den italischen Kerngebieten wohlfahrtsstaatlich Versorgten um allen den Realitätssinn zu fördern und das Augenmaß zu erhalten geeigneten Kontakt zu der den Sklaven und Provinzialen aufgebürdeten Sphäre der Arbeit und gesellschaftlichen Reproduktion gebracht und gewohnt, die Segnungen ihres subventionierten Lebens quasi als Naturgegebenheit, als dem Füllhorn der römischen Weltherrschaft automatisch entströmenden Überfluss hinzunehmen, verliert das Volk alle Fähigkeit, den imperialen Etat als eine aus den Gewinnen des ökonomisch-kolonialistischen Ausbeutungsunternehmens und den Kosten der für dessen Aufrechterhaltung erforderlichen militärisch-bürokratischen Unterdrückung resultierende Bilanzrechnung zu gewahren und gelten zu lassen, und empfindet vielmehr jede Maßnahme des Kaisers, mittels der Gewinne jene Kosten abzudecken und zu diesem Zweck die Gewinnausschüttung an die Masse der Kleinaktionäre des Unternehmens, sprich, an den Populus Romanus, einzuschränken oder gar auszusetzen, als Schikane und Verstoß gegen die Geschäftsgrundlage. Statt ein auf die Erhaltung des imperialen Ausbeutungssystems und mithin auf die Sicherung seiner eigenen Existenzbasis gerichtetes Unterfangen, erkennt das Volk in den die Freigebigkeit des Staates einschränkenden und das wohlfahrtsstaatliche Füllhorn wenn auch keineswegs versiegen, so doch immerhin schwächer fließen lassenden militärischen und bürokratischen Veranstaltungen und infrastrukturellen Maßnahmen und Vorkehrungen des imperialen Regiments im Normalfall, das heißt, wenn ihm nicht gerade die Drohung eines äußeren Krieges oder inneren Zwistes Angst macht, nichts als den Ausdruck eines privaten Bereicherungs- und persönlichen Machstrebens des Kaisers und mithin den Beweis dafür, dass letzterer dem cäsarischen Paradigma, dem Musterbild eines in seiner Person den tribunizischen Volksführer mit dem konsularischen Staatsmann vereinigenden Imperators, auf das ihn die Vergöttlichung durch das Volk vereidigt, nicht gerecht wird oder gar zuwider handelt.
Mit der gleichen Leichtigkeit und Entschlossenheit, mit der es kraft cäsarischen Paradigmas dem Kaiser absolute Macht und göttlichen Willen, kurz, die Stellung einer epiphanischen Reproduktion des göttlichen Cäsar zuerkennt, erkennt das von den popularen Leistungen und fürsorglichen Zuwendungen seines selbstgebastelten Gottes, seines Fetischs, enttäuschte Volk ihm diesen seinen absoluten Status auch wieder ab und reduziert ihn auf die aller höheren Weihen entkleidete empirische Person, die er ist, identifiziert ihn als das in seinen persönlichen Qualitäten und Schwächen sich erschöpfende idiosynkratische Individuum, als das er diesseits seiner ideologischen Verklärung perenniert. Weil das Volk, um den Imperator seines qua Prinzipat reklamierten Rückhalts im Patriziat zu berauben und ihn definitiv an seine plebejische Klientel zu binden, ihn ihr ein für allemal zu verpflichten, die von Augustus installierte heroische Gottessohnschaft des Imperators, seine ahnenkultlich-genealogische Bindung an den göttlichen Progenitor Cäsar, durch generische Gottgleichheit, eine götterkultlich-epiphanische Identität mit dem paradigmatischen Gott Cäsar ersetzt, macht es das individuelle Dasein des Imperators, seine empirische Person zum gleichgültigen Grund und verschwindenden Substrat eben jener ihm attestierten Gottgleichheit und cäsarischen Natur und unterläuft jede Möglichkeit einer Vermittlung des göttlichen Ursprungs in und mit diesem individuellen Dasein, verhindert jede spezifizierende Verankerung und konkretisierende Verknüpfung der cäsarischen Natur in und mit dieser empirischen Person.
Das aber bedeutet, dass in dem Augenblick, in dem vom enttäuschten oder erbosten Volk dem Imperator die göttliche Ursprünglichkeit und cäsarische Natur aberkannt und entzogen wird, die Epiphanie sich unvermittelt in Profanität verkehrt und nichts am entzauberten individuellen Dasein und an der entlarvten empirischen Person des Imperators bleibt, was gegen die Indignation und die Anfeindungen des Volkes als eine Art materiale Evidenz etwas von der göttlichen Ursprünglichkeit bewahren, ein Stück der cäsarischen Natur als quasi empirisches Faktum geltend machen könnte. Aller kraft biologischer Kontinuität garantierten konkreten Beziehung zum göttlichen Ursprung und mittels genealogischer Herleitung reaffirmierten legitimen Relation zur cäsarischen Natur beraubt und von dem in ihr sich unvermittelt repristinierenden göttlichen Ursprung verschlungen, von der epiphanisch über sie hereinbrechenden cäsarischen Natur jäh überwältigt, bleibt die individuelle Existenz und empirische Person des Imperators die Leiche im Keller der kaiserlichen Kultstätte beziehungsweise die Hypothek au fond des cäsarischen Prachtbaus, die ebenso rasch, wie sie in der Versenkung des kultisch überhöhten kaiserlichen Amtes verschwunden ist, aus ihr auch wieder hervorgeholt und als vernichtende Anklage gegen den Amtsträger und seine Anmaßung hochgehalten werden kann. Im vexierbildlichen Kippmechanismus durch die Gottheit ausgeblendet, lässt sich das Menschsein, weil es jeder genealogischen Verbindung oder persönlichen Vermittlung mit der Göttlichkeit bar ist, ebenso kippmechanisch auch wieder einblenden und in all seiner Profanität und Erbärmlichkeit zum sonnenklaren Beweis der usurpatorischen Unwürdigkeit und Sträflichkeit des als der falsche Cäsar entlarvten Herrschers machen.
Dem epiphanischen Zuschnitt des mit dem Imperator getriebenen Kaiserkults nach hat also das Volk keine Schwierigkeit, den vorprogrammierten, weil strukturell bedingten Konflikt mit seinem göttlichen Interessenvertreter dazu zu nutzen, diesen als einen bloßen Fetisch abzuservieren und sich nach einer neuen, den plebejischen Ansprüchen besser Genüge leistenden Kultfigur umzusehen. Damit es allerdings zu einem solchen, aus kultischer Sicht ohne Mühe ins Werk zu setzenden Revirement kommt, muss jener strukturell bedingte, aus der Doppelrolle des Kaisers als Wohltäter des Volkes und Besorger des Reiches resultierende Konflikt ein gewisses Maß an Aktualität und Virulenz gewonnen haben. Solange der Kaiser seine beiden, strukturell miteinander konkurrierenden Funktionen noch ungefähr im Lot zu halten vermag, solange es ihm noch gelingt, dem Volk die Früchte des imperialen Ausbeutungssystems zuzuwenden, ohne das System selbst um seine Lebenskraft zu bringen, beziehungsweise dem Imperium die nötige Hege und Pflege angedeihen zu lassen, ohne sich deshalb eine allzu grobe Vernachlässigung seiner wohlfahrtsstaatlichen Verpflichtungen zuschulden kommen zu lassen – solange dies noch der Fall ist, werden zwar die kaiserlichen Bemühungen um das aus Sicht des Volkes mittlerweile als natürliches Füllhorn und unverbrüchlicher Versorgungsautomatismus erscheinende imperiale Ausbeutungssystem bei der römisch-italischen Klientel des Kaisers immer den Eindruck von fehlgeleiteten, weil anderen Bewandtnissen als der Rücksicht aufs Volkswohl geltenden Aktivitäten erwecken und die entsprechenden Ressentiments erzeugen, aber zum Ausbruch kommen die ständig schwelenden Ressentiments erst, wenn die Versorgungsansprüche und Unterhaltungsbedürfnisse des Populus Romanus durch Entzug oder Vorenthaltung der dafür nötigen Finanzmittel spürbar und dauerhaft beeinträchtigt werden und zu kurz kommen.
Schuld an einer solch nachhaltigen Mittelverknappung und der dadurch bedingten Frustration popularer Ansprüche auf Subsistenz und Bedürfnisse nach Sozialisierung können äußere Umstände sein, durch Kriege oder Naturkatastrophen heraufbeschworene Notzeiten. Nicht selten aber, und vielleicht sogar im Normalfall, ist verantwortlich dafür das Verhalten und das Procedere der kaiserlichen Herrschaft selbst, die sich dem ihr abgeforderten Balanceakt zwischen wohlfahrtsstaatlichen Zuwendungen und staatserhaltenden Zurichtungen, popularistischen Wohltaten und imperialistischen Großtaten, auf Dauer nicht gewachsen fühlt. Hier kommt in der Tat der eher als aktuell-symptomatischer Auslöser der periodischen Krisen und Umstürze denn als ihr strukturell-ätiologischer Grund begreifliche Cäsarenwahn ins Spiel! Von der doppelten und widersprüchlichen Aufgabe, die römische Bürgerschaft bei Laune und das römische Reichswesen instand zu halten, überfordert, erliegt der göttliche Amtsinhaber früher oder später der Versuchung, sich aus der dilemmatischen Situation dadurch zu befreien, dass er entweder mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf staatspolitische und militärstrategische Erfordernisse versucht, sich durch exorbitante Zuwendungen und Veranstaltungen bei der römischen Bürgerschaft, seiner Klientel, lieb Kind zu machen, oder aber der Suggestion der ihm vom Volk attestierten göttlichen Macht und Absolutheit des Willens aufsitzt und, sich von allen Rücksichten auf Bürgerschaft und Reich emanzipierend, unter Aufwendung sämtlicher ihm zur Verfügung stehender Finanzmittel nur mehr bestrebt ist, seine das Gefühl schrankenloser Macht kultivierenden persönlichen Launen zu befriedigen und idiosynkratische, den Beweis seiner göttlichen Größe erbringende Projekte ins Werk zu setzen. So oder so, in der Funktion des liebedienerischen Wohltäters des Volkes oder in der Gestalt des narzisstischen Selbsterhöhers, beziehungsweise in der beide Momente in seiner Person vereinigenden neronischen Wahnsinnigen, entzieht sich der Kaiser dem Dilemma dadurch, dass er sich ganz der Perspektive der konsumtiven Nutznießer des imperialen Ausbeutungssystems verschreibt, letzteres nach dem Beispiel seiner Klientel als natürliches Füllhorn oder Selbstbedienungsautomaten betrachtet und es als das militärischer Hege und bürokratischer Pflege bedürftige störungsanfällige und permanent vom Zerfall bedrohte Gebilde, das es ist, ausblendet oder aus dem Augen verliert – mit dem vorhersehbaren Ergebnis, dass er das Reich in militärische Abenteuer und zivile Unordnung stürzt, seine Finanzen verschleudert und zerrüttet und in dem Maße, wie er seinen wohlfahrtstaatlichen Verpflichtungen nicht mehr nachzukommen vermag, das strukturell bedingte, latente Ressentiment des Volkes in aktuell entfesselte, manifeste Empörung umschlagen lässt, kurz, seinen eigenen Sturz provoziert.