2. Pietas

Im Prinzip ähnlich strukturiert wie sie unterscheidet sich die Urbs Romana von der Polis Athen durch das Übergewicht, das die im Intermezzo der Königsherrschaft zur Aristokratie sich mausernde Formation der römischen Genokratie über die kommerzielle Funktion behauptet, unterscheidet sich die Urbs von der Polis mit anderen Worten dadurch, dass die mit dem Handelsplatz koalierenden territorialherrschaftlichen Repräsentanten nicht sowohl als wichtige Partner, sondern als mächtige Patrone der Marktgesellschaft firmieren.

Die Anfänge der neuen Stadtrepublik, der italischen Urbs, sind denen der alten, der ägäischen Polis, durchaus vergleichbar. Hier wie dort entsteht das Stadtwesen im Kraftfeld kommerzieller Tätigkeit und mit Hilfestellung einer aus der kommerziellen Tätigkeit Nutzen ziehenden und sie deshalb protegierenden Aristokratie. Nur, dass hier die kommerzielle Tätigkeit sich nicht als Seehandel entfaltet und demgemäß nicht im entferntesten die Dimensionen des von Athen mit den großen territorialen Nachbarn, den Anrainerstaaten im östlichen Mittelmeer, betriebenen Austausches annimmt, sondern auf die Schaffung einer im wesentlichen zu Lande funktionierenden Handelsverbindung zwischen den etruskischen Stadtstaaten im Norden und den griechischen Koloniegründungen im Süden Italiens beschränkt bleibt. Und dass hier die Aristokratie von Haus aus keine einem theokratisch-königsherrschaftlichen Zusammenhang entstammende Oberschicht, sondern eine genokratische Assoziation, eine lockere Verbindung ortsansässiger führender Geschlechter ist, die sich im Niemandsland zwischen etruskischem und griechischem Einflussgebiet unabhängig behaupten und denen die in ihrem Schutze gedeihende kommerzielle Funktion nicht weniger zur Bewahrung dieser ihrer politischen Eigenständigkeit als zur Sicherung ihres ökonomischen Wohlstandes dient.

Weil in den römischen Anfängen anders als im Falle Athens die kommerzielle Funktion eine eher bescheidene Rolle spielt und der in ihrer Ausübung akkumulierte Reichtum kein als kritische Masse für die Stiftung der Stadtgemeinschaft ausschlaggebendes Eigenwicht gewinnt und weil zugleich wegen der geographischen Lage und Landgebundenheit des Handelsplatzes und seiner Austauschwege der militärischen Stärke und Abwehrbereitschaft der Aristokratie oder vielmehr Genokratie für den Schutz und die Aufrechterhaltung der kommerziellen Funktion entscheidende Bedeutung zukommt, ist hier von Anfang an kennzeichnend für das Verhältnis zwischen Oberschicht und Handel, zwischen Genokratie und Kommerz, ein – negativ gefasst – vorherrschaftliches Übergewicht erster über den letzteren oder ein – positiv genommen – von ersterer gegenüber letzterem wahrgenommenes Patronat.

Wegen der Entwicklungsdynamik des überseeischen Handels und aufgrund der Tatsache, dass die Aristokratie als eigenständiger Machtfaktor erst ins Spiel kommt, als die kommerzielle Funktion bereits stark genug ist, um im Bunde mit ihr die Königsherrschaft abzuschütteln, ist in Athen das Verhältnis zwischen Aristokratie und Kommerz eher durch eine gleichberechtigte Partnerschaft und Interessenkonvergenz bestimmt als durch ein asymmetrisches Zugleich von schirmherrschaftlicher Dominanz und klientelspezifischer Dependenz. Auch wenn die athenische Aristokratie erst einmal unbestritten die politische Führung innehat, die Lenkung des Staatsschiffes, die arché, für sich in Anspruch nimmt, bleibt sie doch aber in ihrem politischen Agieren angewiesen auf und bestimmt durch den ökonomischen Juniorpartner, im Verein mit dem sie den Bestand des Gemeinwesens garantiert und der, weil ursprünglich er die Polis durch sein ökonomisches Handeln ins Leben ruft und unabhängig von ihr, der Aristokratie, als Gemeinschaftstyp eigener Provenienz konstituiert und weil, so gesehen, sie, die Aristokratie, sich beim Sturz der Königsherrschaft in das von ihm gemachte Nest setzt, sich ihr gegenüber je schon in der nach Maßgabe seines Gedeihens zunehmend unanfechtbaren Machtposition einer das vitale Prinzip der Polis zur Geltung bringenden grauen Eminenz, eines das ökonomische Interesse und den kommunalen Willen der breiten Bürgerschaft repräsentierenden Spiritus rector behauptet.

In Rom dagegen, wo die kommerzielle Funktion in ihrer Entfaltung binnenländischen Beschränkungen unterliegt und wo das machtpolitische Niemandsland, in dem sie sich entfaltet, sie von Anfang an auf die Duldung und Protektion der dort als lokaler Ordnungsfaktor herrschenden Geschlechter angewiesen sein lässt – in Rom also behauptet sich jene die kommerzielle Funktion tolerierende beziehungsweise unter ihre Fittiche nehmende Genokratie in der Position der eindeutig überlegenen, definitiv maßgebenden Partei und behält, wie sie die politischen und militärischen Rahmenbedingungen schafft, unter denen der Handel überhaupt nur zu entstehen und zu gedeihen vermag, so denn auch die Kontrolle und Verfügung über das, was da unter ihrem Patronat entsteht und an der Schnittstelle zweier Einflusssphären allmählich Gestalt annimmt. Dabei ist die kommerzielle Funktion ihren genokratischen Schutzherren in beiderlei Hinsicht, in politischer nicht weniger als in ökonomischer, von Nutzen. Während sie die letzteren zum einen an den technischen Errungenschaften und konsumtiven Lebensformen des etruskischen und des großgriechischen Kulturraumes teilhaben lässt, dient sie ihnen zum anderen als Faustpfand im Umgang mit den etruskischen Städten, den großgriechischen Koloniegründungen und den unmittelbar benachbarten, latinischen und sonstigen Stämmen, insofern sie diesen allen die wegen der Wehrhaftigkeit seiner Beschützer nur um den Preis seiner politischen Unabhängigkeit zu habende Existenz des römischen Handelsplatzes als eine im jeweils eigenen Interesse und nämlich im allen gemeinsamen Interesse an einem regelmäßigen Güterverkehr und ungestörten Austausch zwischen den Kulturräumen liegende Gegebenheit vorstellig werden lässt.

Die Königsherrschaft, der das etruskische Geschlecht der Tarquinier Rom für hundert Jahre unterwirft, bedeutet nur scheinbar einen Fehlschlag dieser Strategie der römischen Genokratie, die kommerzielle Funktion unter ihren wehrhaften Schutz zu stellen, um mit ihrer Hilfe die politische Unabhängigkeit zu sichern. So gewiss die Königszeit Episode bleibt, so gewiss zeitigt sie zwei, der politischen Unabhängigkeit Roms auf der Grundlage kommerzieller Beziehungen und unter der Kontrolle eines patrizischen Patronats letztlich förderliche Ergebnisse.

Zum einen führt die Königsherrschaft dazu, dass im Guten wie im Bösen, in höfischer Anpassung an die homogenisierende Kraft des königlichen Zentralismus ebenso wie in frondesker Reaktion auf die vom autokratischen Herrn ausgehende Gefahr der Nivellierung, die Genokratie sich zu einer Aristokratie stricto sensu mausert, bewirkt mit anderen Worten der teils positiv zur Nachfolge anhaltende, teils negativ zum Widerstand aufreizende Druck der Alleinherrschaft, dass, nicht zuletzt dank des Ferments einer Vermischung mit etruskischem Adel, aus den disparaten, durch Heirat und Zweckbündnisse lose miteinander verbundenen Geschlechtern, deren Gemeinsamkeit sich im Interesse an der politischen Unabhängigkeit erschöpft und die ansonsten in der Sprödigkeit hausmächtig in sich ruhender Sippenverbände, idiosynkratisch verschworener Gemeinschaften, gegeneinander verharren, eine einheitliche, durch gemeinsame Lebensformen und ein artikuliertes Standesbewusstsein kontinuierlich gemachte Oberschicht wird.

Zum anderen sorgt die der monarchischen Herrschaft als natürliches und praktisch auch einziges Mittel zur Bereicherung und Vergrößerung ihrer Macht eingeschriebene territoriale Expansionstendenz dafür, dass der Hauptkonkurrent vor Ort, der latinische Stammesbund, unterworfen wird und die ihm angehörenden Städte sich der römischen Vorherrschaft in der Region beugen müssen. Dergestalt durch das monarchische Intermezzo sowohl innenpolitisch-institutionell gestärkt und als in sich geschlossenes Corpus etabliert, wie außenpolitisch-territorial erfolgreich und nämlich als militärische Trägerin des römischen Hegemonialanspruchs in der Region bewährt, besinnt sich die Aristokratie auf ihre ursprüngliche, genokratisch behauptete Unabhängigkeit, vertreibt den fremdbürtigen Monarchen, schüttelt das Joch der in ihm verkörperten theokratischen Herrschaft ab und beginnt jene beispiellose aristokratisch-republikanische Karriere, die sie zur Begründerin einer Weltherrschaft werden und ihren Untergang erst in dem durch ihr allzu erfolgreiches Wirken heraufbeschworenen Konkurs des gesamten Mittelmeerraumes und dem als Konkursverwaltung fungierenden Kaiserreich finden lässt.

Das andere Kräfteverhältnis zwischen römischer Aristokratie und Marktgemeinschaft bringt es mit sich, dass letztere bei der Legitimierung des den rituellen Verpflichtungen der territorialherrschaftlichen Sphäre entrissenen und in den Freiraum der Stadt überführten aristokratischen Reichtums keine Rolle spielt. Während es in Athen die Bürgerschaft ist, die der Aristokratie im Austausch gegen die Übernahme liturgischer Aufgaben die entsakralisiert freie Verfügung über ihren Reichtum verschafft, muss in Rom die Aristokratie aus eigener Kraft mit den göttlichen Ansprüchen auf ihren territorialherrschaftlichen Reichtum ins Reine kommen. Sie tut das in der Weise, dass sie im Rex sacrorum ein Schattenbild des verjagten Stellvertreters der Götter, des theokratischen Monarchen, beibehält und es diesem auf die reine Opferfunktion reduzierten König überlässt, die durch den innerstädtisch freien Gebrauch, der von ihrem Reichtum gemacht wird, erzürnten Götter in bewährter opferkultlicher Manier zu versöhnen.

Als politisches Beratungs- und Entscheidungsgremium der neuen aristokratischen Herrschaft dient die bereits in monarchischer Zeit zur festen Einrichtung erhobene Ratsversammlung, der Senat. Dieser wählt aus seiner Mitte eine Reihe von Funktionären, an ihrer Spitze zwei Konsuln, die er mit der Leitung der politischen Geschäfte, mit militärischen und bürokratischen Exekutivaufgaben betraut. Sowohl die Doppelbesetzung des Amtes als auch der jährliche, durch Neuwahl bewirkte Wechsel im Amt sollen dafür sorgen, dass es zu keiner funktionsbedingten Machtkonzentration kommt und das für eine aristokratische Herrschaft entscheidende Prinzip der politischen Ebenbürtigkeit, der gleichmäßigen, kollegialen Teilhabe an der Macht gewahrt bleibt. So fremdbürtig und episodisch die monarchisch-theokratische Herrschaft im von Haus aus genokratisch verfassten Rom ist – in einem der neugeschaffenen Ämter überlebt sie und erweist sich damit haltbarer als in Athen, das doch aus einem originär monarchischen Staatswesen hervorgeht. Im Rex sacrorum, im Opferkönig, und im Pontifex maximus, im "Großen Brückenbauer", existiert der theokratische Herr, der Stellvertreter der Götter, fort und obliegt als Vorsteher des Priesterkollegiums beziehungsweise als oberster Priester des Kollegiums seiner angestammten Aufgabe, den Göttern die ihnen als den wahren Herren des gesellschaftlichen Reichtums zustehenden Opfer zu bringen; nur dass jetzt die Wahrnehmung der opferkultlichen Aufgabe mit keinem Anspruch auf gesellschaftliche Herrschaft, auf politische Führungskompetenz, auf theokratische Macht mehr einhergeht.

Diese Fortführung der theokratischen Rolle in der Gestalt eines politisch entmachteten Priesteramtes, eines symbolisch-repräsentativen Sakralverhältnisses, einer abstrakt religiösen Spezialbeziehung zu den Göttern, ist einmal mehr Niederschlag der markant anderen Stellung und Funktion, die, verglichen mit der aristokratischen Führungsschicht in der athenischen Polis, die in Rom herrschende Aristokratie in bezug auf das um den Handelsplatz entstehende städtische Gemeinwesen innehat. In Athen ist zum Zeitpunkt der Abschaffung der Monarchie die kommerzielle Funktion bereits stark genug und beweisen der durch sie akkumulierte Reichtum und die um ihn und seinen Akkumulationsmechanismus sich organisierende neue Gemeinschaft bereits hinlängliche Schwerkraft, um die mit der kommerziellen Funktion verbündeten Erben des theokratischen Systems, die Aristokraten, ganz und gar in den Bannkreis des neuen politischen Milieus überwechseln zu lassen und zu einer sub specie der neuen Verhältnisse vollzogenen Neubestimmung aller ihrer überkommenen sozialen Rechte und rituellen Pflichten zu zwingen. Das gilt, wie an früherer Stelle gezeigt, auch und vor allem für ihr Verhältnis zu dem ökonomischen Erbe, das sie aus dem aufgelassenen theokratischen Zusammenhang mitbringen, ihr Verhältnis zu ihrem Oikos, ihrem territorialen Besitz, und für die kultischen Verbindlichkeiten, die opferkultlichen Rücksichten, die dieser territoriale Besitz ihnen auferlegt.

In der dem Wesenskult entlehnten Strategie, durch die sie ihren in die Polis mitgebrachten oikosentsprungenen Reichtum seiner ihm von Haus aus eigenen kultischen Hypothek und Opferqualität entkleiden und zur privatim verfügbaren Manövriermasse ihrer polisinternen Existenz machen, spielt die Polisgemeinschaft eine Schlüsselrolle, indem sie ihnen das wesensbezogene höhere Selbstsein bescheinigt, das in dem Maße, wie es erlaubt, die Welt aus einer substantiellen Habe der Götter in entgöttlicht wesenlose Erscheinungen verflüchtigt zu gewahren, ihnen freie Verfügung über ihren als Teil dieser Erscheinungswelt firmierenden Reichtum verschafft. Für ihr Attest verlangt die Polisgemeinschaft den Aristokraten allerdings als Gegenleistung jene liturgische Art der Reichtumsverwendung ab, in der sie das ihnen attestierte höhere Selbstsein den einzig angemessenen Ausdruck finden sieht und durch die sich die letzteren aus machtbesessen-potentiellen Zwietrachtsäern in der Stadt zu ruhmbegierig-aktuellen Wohltätern des Gemeinwesens geläutert zeigen.

Ganz anders in Rom! Hier, wo die kommerzielle Funktion und die in ihrem Kraftfeld organisierte Gemeinschaft beschränkt und schwach genug sind, um sich eher in Klientelabhängigkeit von den aristokratischen Patronen zu befinden, als ihnen in partnerschaftlicher Eigenständigkeit gegenüberzutreten, und um für die Aristokratie eher ein Faustpfand und Mittel in deren kontinuierlichem Kampf um Unabhängigkeit und Macht zu bilden, als ein Milieu und Medium darzustellen, in das die Aristokratie erst einmal mit Haut und Haar überwechseln muss, um sich nach seiner innenpolitischen Maßgabe dann in ihren Interessen und Intentionen neu zu definieren – hier also, in Rom, bleibt es der Aristokratie selbst überlassen und ist sie, mit anderen Worten, ohne die alles revidierende Dazwischenkunft des kommerziell-städtischen Milieus gehalten, die Kluft zwischen der opferkultlichen Sphäre fronwirtschaftlichen Reichtums, der sie durch ihre Ländereien, ihren Territorialbesitz, verhaftet, und der vom Austausch geprägten Sphäre kommerziellen Reichtums, in der als in der unter ihrem Patronat sich entfaltenden neuen städtischen Gemeinschaftsform sie mittlerweile zuhause ist, zu überbrücken, sprich, die Ablösung von den göttlichen Prärogativen und kultischen Hypotheken, mit denen ihr herrschaftlich erworbener Reichtum belastet ist, zu vollziehen, und den Wechsel zu der vergleichsweise freien Verfügung über ihren Reichtum, zu den austauschkonformen Weisen seiner Verwendung, die das Leben in der Stadtgemeinschaft ihr gleichermaßen ermöglicht und abverlangt, zu legitimieren.

Dabei spielt im Einklang mit dem eher instrumentellen als medialen Charakter, in dem sich die römische Stadtgemeinschaft ihrer Aristokratie darbietet, hier der wesenskultliche Legitimationsmechanismus, den Athen seiner politisch führenden Schicht zur Auflage macht, keinerlei Rolle. Dieser Legitimationsmechanismus, der auf ein wesensbezogen höheres Selbst als auf die conditio sine qua non einer durch kultische Rücksichten unbehinderten Reichtumsverwendung rekurriert, gründet ja in der Gleichzeitigkeit des Bedürfnisses des Aristokraten nach freier Verfügung über seinen Reichtum und des Bedenkens der Polisgemeinschaft gegen eben solche freie Verfügung und dient dem Zweck, die Gewährung der letzteren an ihre Domestizierung zu knüpfen, sprich, die Aufhebung der göttlichen Hypotheken und opferkultlichen Verbindlichkeiten, die den herrschaftlichen Reichtum von Haus aus belasten, davon abhängig zu machen, dass der Aristokrat seine freie Verfügung über den Reichtum der Kuratel neuer, polisspezifischer Konventionen und alternativer, polisdienlicher Verpflichtungen unterstellt. Auf diese Weise sucht die Polisgemeinschaft zu bannen, was ihr Bedenken erregt: die Gefahr nämlich, dass eine uneingeschränkt freie Verfügung über ihren herrschaftlichen Reichtum die Aristokraten dazu ermuntern könnte, sich Einflusssphären zu schaffen, Anhängerschaften zu kaufen, und auf dieser Grundlage dann die Stadt in zerreißende Kämpfe um private politische Macht und persönliches soziales Prestige zu verstricken.

In Rom indes spielt teils wegen der Schwäche und Unerheblichkeit des städtischen Milieus, in dem die Aristokraten sich um Einfluss bemühen und Partisanen sammeln müssten, teils wegen des starken Zusammenhalts und korporativen Geistes, zu dem die prekäre Lage des Gemeinwesens inmitten anderer, eigenständiger Volksgruppen und im Schnittpunkt übermächtiger fremder politischer Systeme und kultureller Sphären die römische Aristokratie zwingt, diese Gefahr eines im herrschaftlichen Reichtum lauernden politischen Konfliktpotentials und Keims sozialer Zwietracht keine nennenswerte Rolle. Und weil also wegen der geringen Verführungen, die das ärmliche Gemeinwesen für den Ehrgeizigen und Geltungssüchtigen bereithält, und wegen der relativen Solidarität, die der Aristokratie das gemeinsame Streben nach Unabhängigkeit in einer Welt von Feinden abnötigt, von der freien Verfügung der Aristokraten über ihren in die Stadt importierten herrschaftlichen Reichtum kaum eine Bedrohung für die Eintracht und den inneren Frieden des um die Handelsfunktion gescharten Gemeinwesens ausgeht, kann letzteres getrost die Legitimation solch freier Verfügung der Aristokratie selbst überlassen und braucht ihr nicht wie in Athen die Avancen eines wesenskultlich radikalen Bruches mit der theokratisch-opferkultlichen Tradition zu machen, in dessen zirkelhafter Konsequenz die Aristokratie zwar auf der Basis des ihr attestierten wesensbezogen höheren Selbstseins tatsächlich die von ebensoviel Narzissmus wie Agnostizismus gespeiste Lizenz erhält, mit ihrem Reichtum nach Gutdünken zu verfahren, diese Lizenz zugleich aber an die Erhaltung jener Basis geknüpft und so denn das Gutdünken auf die Einsicht in die Opportunität einer Reichtumsverwendung reduziert findet, die sich in Zuwendungen an die Polisgemeinschaft zwecks Erlangung ihres zur Basis jener Basis erhobenen rühmenden Attests, ihrer legitimierenden Anerkennung, erschöpft.

Bleibt demnach im römischen Kontext der Aristokratie solch wesenskultlich zweischneidige Hilfestellung versagt und bleibt es ihr ganz und gar selbst überlassen, die Überführung ihres fronherrschaftlichen Reichtums in die kommerzielle Sphäre und den vergleichsweise freien, austauschbestimmten Gebrauch, den sie dort von ihm macht, zu legitimieren, so hat sie offenbar gar keine andere Wahl, als sich mit den eigentlichen Herren und ursprünglichen Eignern herrschaftlichen Reichtums, den Machthabern der theokratischen Sphäre, den Göttern, ins Benehmen setzen und sich bei ihnen die Lizenz für den Transfer ihres Reichtums in die Stadt und für den neuen, von opferkultlichen Rücksichten dispensierten Gebrauch, der dort von ihm gemacht wird, zu besorgen. Worin sonst aber soll diese von den Göttern gegebene Erlaubnis zur außerkultisch freien Verfügung über den herrschaftlichen Reichtum, diese der Aristokratie erteilte göttliche Lizenz ihren Ausdruck finden, wenn nicht in einer Attitüde wohlwollender oder jedenfalls stillschweigender Duldung, die sie gegenüber dem fait accompli der neuen, austauschspezifischen Reichtumsverwendung an den Tag legen, einer Haltung konzilianten oder jedenfalls nachsichtigen Laissez-faires, die sie angesichts der vollzogenen aristokratischen Desertion in die Stadt beweisen? Und wie anders aber soll diese Duldung, diese Laissez-faire-Haltung der Götter sich erreichen lassen, wenn nicht in der gehabten Weise einer als conditio sine qua non des eigenen Nießbrauchs am Reichtum realisierten prinzipiellen Anerkennung des göttlichen Eigentumstitels auf den Reichtum, sprich, in der gewohnten Manier, die Götter durch als Retributionen wohlverstandene Reichtumsgaben, durch Opfer, gnädig zu stimmen oder jedenfalls zum Stillhalten zu bewegen? So gewiss der römischen Aristokratie keine wesenskultlichen Avancen den Weg in eine zum radikalen Bruch mit der theokratischen Tradition geratende Neubegründung ihres fronwirtschaftlich fundierten ökonomischen Wohlstandes und ihres damit verknüpften sozialen Status weist und so gewiss sie sich vielmehr zur Rechtfertigung des neuen, von religiösen Bindungen und kultischen Verpflichtungen freien Gebrauchs, den sie im städtisch-kommerziellen Kontext von ihrem Wohlstand macht, an die Herren der von ihr im Stich gelassenen theokratischen Sphäre, die Götter selbst, zurückverwiesen findet, so gewiss ist sie gehalten, sich auf altbewährte Weise mit ihnen zu arrangieren und nämlich einmal mehr das im Opferkult bestehende theokratische Legitimationsinstrumentarium zu bemühen.

Wenn so aber die Aristokratie zur Rechtfertigung der nichttheokratisch freien Verfügung, die sie über ihren herrschaftlichen Reichtum beansprucht, auf theokratische Legitimationspraktiken, sprich, auf Opferhandlungen, rekurrieren muss, dann ist das nolens volens gleichbedeutend mit einem Rekurs auf denjenigen, der diese Praktiken traditionell übt, für diese Handlungen seit alters zuständig ist: den als Stellvertreter oder Statthalter der Götter die Opfer bringenden Priesterkönig, den theokratischen Herrn. Und eben das ist der Grund, warum die römische Aristokratie die Monarchie, kaum dass sie mit ihr als politischem Faktum aufgeräumt hat, als religiösen Faktor wieder ins Spiel bringt, warum sie den königlichen Herrn, kaum dass sie ihn als Rex populi verjagt und ad acta gelegt hat, als Rex sacrorum wiedererstehen und erneut in Aktion treten lässt. Dieser zum Priesterkönig im buchstäblichen Sinne des Wortes gewordene Opferer vom Dienst sorgt nun mit seinem die alte Opfergemeinde repräsentierenden Kollegium dafür, dass die Götter, die Herren des fronherrschaftlichen Reichtums, ihre traditionelle Anerkennung finden, ihr gewohntes Teil erhalten und, sediert oder saturiert, beschwichtigt oder versöhnt, die aristokratischen Erben ihres Reichtums gewähren, sie in ihrem neuen, von theokratischen Zwängen emanzipierten städtischen Milieu mit dem herrschaftlichen Reichtum nach Gutdünken beziehungsweise nach Maßgabe der neuen Verwendungsmöglichkeiten, die der kommerzielle Zusammenhang eröffnet, verfahren zu lassen. Hat also schon der dem römischen Gemeinwesen aufgepfropfte Monarch der ursprünglichen Oberschicht des Gemeinwesens, der Genokratie, nolens volens den doppelten Dienst geleistet, sie zur vergleichsweise homogenen Aristokratie zusammenzuschweißen und ihr durch militärische Expansion den für ihre weitere, selbständige Entwicklung nötigen territorialen Spielraum zu verschaffen, so muss er nun quasi post mortem ein übriges tun und in Gestalt eines als opferkultlicher Spezialist institutionalisierten Revenants für das Wohlwollen oder jedenfalls das Stillhalten jener göttlichen Mächte sorgen, mit denen die in den neuen städtischen Lebensraum überwechselnde Aristokratie durch ihr territorialherrschaftliches Erbe, ihre Landgüter, verbunden und denen sie durch den fronherrschaftlichen Reichtum, den sie in das neue Milieu mitnimmt und kraft dessen sie sich dort als herrschende Schicht etabliert, verpflichtet bleibt.

Die Suggestion einer manipulativen Behandlung der territorialen Götter durch die in der Stadt Fuß fassende Aristokratie trügt. Die mittels Rex sacrorum praktizierte pauschale Abgeltung der opferkultlichen Verpflichtungen gegenüber den Göttern geht Hand in Hand mit den von den Familien wahrgenommenen totenkultlichen Verpflichtungen gegenüber den eigenen Ahnen. Gleichzeitig verhindert die Einbindung der einzelnen Familien in den Geschlechterverband der um den Handelsplatz kreisenden Aristokratie den Rückfall des den theokratischen Opferkult zur Formalie degradierenden genokratischen Ahnenkults in totenkultlich-katabolische Jenseitsorientierung.

Gleichermaßen strukturell und funktionell erscheint indes diese künstliche Wiederbelebung des theokratischen Herrn und seiner Opfergemeinde im Rex sacrorum und seinem Kollegium als ein so durchsichtiger Schachzug der auf freie Verfügung über ihren Reichtum erpichten Aristokratie, als eine derart eklatant auf die Überlistung der Götter abgestellte Manipulation, dass sich die Frage aufdrängt, wie sogar die Aristokratie selbst, ganz zu schweigen von den übrigen gesellschaftlichen Gruppen, diesem opferkultlich erzielten Arrangement über den Weg trauen und die Bedeutung eines ebenso bindenden wie geheiligten Übereinkommens mit den Göttern beimessen kann, statt ihm das Attest eines ebenso kapriziösen wie frevelhaften Umspringens mit ihnen auszustellen. Nicht nur sind nämlich der Rex sacrorum und sein ganzes Kollegium Amtsträger, die aus den Reihen der Aristokratie und von ihr selbst gewählt werden und die insofern, statt als Repräsentanten der Götter und Sachwalter ihrer Ansprüche zu figurieren, vielmehr als Kreaturen der Aristokratie und Handlanger aristokratischer Interessen firmieren – Tatsache ist und bleibt außerdem, dass die Aristokratie das ganze opferkultliche Spektakel zu dem einzigen Zweck aufführt, sich ihren opferkultlichen Verpflichtungen zu entziehen, dass sie sich der beflissen theokratischen Rücksichtnahme nur befleißigt, die traditionelle Huldigung an die Götter nur inszeniert, um sich ansonsten um die Götter nicht mehr kümmern zu müssen und sich in ihrem neuen, die opferreligiöse Rücksicht dem kommerziellen Austausch opfernden Lebensraum frei bewegen, mit ihrem herrschaftlichen Reichtum, den sie aus der opferreligiösen Sphäre mitbringt, nach Gutdünken als vielmehr nach Maßgabe der privateigentümlichen Verwendung, der sie ihn im kommerziellen Austausch zuführt, schalten und walten zu können.

Wie kann sich die Aristokratie zu einer so offenkundig manipulativen Behandlung der Götter, einem so unschwer als Überlistungs- und Täuschungsmanöver erkennbaren Umgang mit ihnen verstehen, ohne sogleich vom Bewusstsein ihres frevelhaften Unterfangens ereilt, von dem in jedem Missgeschick, jedem Fehlschlag, jedem Unglück Ausdruck findenden Zorn der Götter heimgesucht zu werden? Wie kann sie den theokratischen Begründungsmechanismus derart durchsichtig ins Instrument eines Ausstieges aus dem theokratischen System umfunktionieren, den Opferkult derart zielstrebig zur Rechtfertigung einer vom Opferzwang emanzipierten städtischen Lebensführung missbrauchen, ohne sogleich vom Zynismus ihrer Vorgehensweise erdrückt zu werden, ohne die formale Befreiung von göttlichen Verfügungsansprüchen, die sie mit dem Lippenbekenntnis eines als quasi bürokratischer Akt inszenierten Opferkults erwirkt, durch das Bewusstsein der materialen Profanität ihres Tuns, ihrer Sünde wider den Geist der sakralen Handlung zunichte gemacht zu sehen? Schließlich nutzt ja die Aristokratie die Verfügungsgewalt über den herrschaftlichen Reichtum, die sie sich in traditionell theokratischer Manier durch die opferkultliche Anerkennung des göttlichen Eigentumstitels auf den Reichtum sichert, einzig und allein dazu, diesen Reichtum in einen Kontext einzubringen, in dem er sich aus einem von den Göttern ihrem Stellvertreter zu treuen Händen übergebenen Gut in ein von den Erben des Stellvertreters persönlich beanspruchtes Eigentum verwandelt. Das heißt, sie führt ihn Verwendungsformen zu, die ihn die substantielle Sichselbstgleichheit eines öffentlichen Ereignisses, das objektiver Selbstzweck ist und nämlich dem in ihm erbrachten sakrifiziellen Vorweis der Wirklichkeit und des bleibenden Wertes der ganzen Welt dient, verlieren und statt dessen die kommerzielle Austauschbarkeit einer Privatsache gewinnen lässt, die nurmehr Mittel subjektiver Ambitionen ist und nämlich dem Nachweis des ökonomischen Wohlstandes und der sozialen Geltung dessen dient, der über sie verfügt. Die Aristokratie springt also mit dem durch den Rex sacrorum, den theokratischen Herrn als nurmehr religionsbürokratische Institution, unter ihre Verfügung gebrachten herrschaftlichen Reichtum auf eine Weise um, die den Eigentumstitel der Götter, den sie pro forma des Opfers reaffirmiert, pro materia ihres Alltags Lügen straft, indem sie den Reichtum eben der substantiellen Identität und funktionellen Zweckmäßigkeit beraubt, auf die der göttliche Titel lautet, und demnach den Göttern mit jeder Opfergabe, die sie ihnen darbringen lässt, ein Muster ohne Wert präsentiert, das sakrale Exemplar einer profanisierten Gattung, das Paradigma einer öffentlich-rituellen Wirklichkeit, die gar nicht mehr beziehungsweise bloß noch in der sie zur Unkenntlichkeit entstellenden Form entritualisierter Instrumentalität und privateigentümlicher Funktionalität existiert. Wie kann das so als Schwindelunternehmen offensichtliche, als reale Enteignung unter dem Deckmantel nomineller Zueignung unschwer erkennbare, bürokratisiert theokratische Opferbringen bei den Beteiligten verfangen und den Eindruck einer mit den Göttern erzielten glaubwürdigen Verständigung und seriösen Übereinkunft vermitteln?

Die Suggestion allerdings einer derart radikalen und reinlichen Scheidung zwischen sakraler Reichtumsübereignung und profaner Reichtumsverwendung, die Vorstellung mithin, als ginge es für die Aristokratie wirklich nur darum, sich durch den Rex sacrorum und seine opferkultliche Obödienz gegenüber den Göttern freie Verfügung über den herrschaftlichen Reichtum zu verschaffen, um dann kraft solcher Verfügung den Reichtum in die allem opferkultlichen Gottesdienst definitiv entzogene städtisch-kommerzielle Sphäre zu transferieren und ihn dort in jeder sakrifiziellen Verpflichtung und öffentlichen Verantwortung ledigen selbstisch-privaten Gebrauch zu nehmen – diese Suggestion und Vorstellung führt in die Irre. Verhielte sich die Sache so, es wäre in der Tat nicht einzusehen, wie die Aristokratie vor sich selbst und in den Augen der anderen als ernstzunehmender sakrifizieller Vertragspartner bestehen, wie sie sich dem Vorwurf eines sakrilegischen Verhaltens gegenüber den Göttern und nämlich eines in der Form der bürokratischen Aufrechterhaltung der theokratischen Opferroutine gegen die Götter praktizierten manipulativen Vorgehens und expropriativen Betrugs entziehen könnte. Was indes die Aristokratie vor diesem Vorwurf bewahrt, ist ihre genokratische Herkunft und das ahnen- und totenkultliche Erbe, das sie von dort mitbringt.

Anders als etwa die athenische Aristokratie, die ihre historische Identität rückhaltlos im theokratisch-opfergemeindlichen Zusammenhang findet, ist die im Niemandsland zwischen etruskisch-theokratischer Sphäre und griechisch-stadtstaatlicher Kolonisierung ihre Stellung behauptende römische Genokratie ursprünglich noch in der autochthonen Tradition eines Kults der einzelnen Geschlechter um ihre stammesspezifischen toten Herren, einer von den jeweiligen Sippenverbänden gepflegten lebenspraktisch-rituellen Bindung an ihre ins Jenseits übergewechselten angestammten Reichtumseigner und hauseigenen Despoten, ihre nicht schon zu Göttern abstrahierten und revidierten Ahnen, verhaftet. Anders als die bereits ob ovo durch ihre opfergemeindliche Zugehörigkeit und Funktion, ihre Gefolgschaft gegenüber dem Stellvertreter der Götter, dem theokratischen Herrn, definierte griechische Aristokratie sind die römischen Aristokraten von Haus aus eigenständige Sippenhäupter und als solche Repräsentanten der stammeseigenen Toten, der im Jenseits versammelten Reihe von ihresgleichen, die in letzter oder besser vorletzter Instanz auf den Heros, das seiner Negativität entrissene und zur Affirmations- und Integrationsfigur gewendete andere Subjekt, zurückgeht und in ihm die totenkultlich geltend gemachte Legitimation ihrer durch die Person des Repräsentanten geübten Herrschaft findet.

Zwar wird im Zuge der Unterwerfung der römischen Genokratie unter die theokratische Herrschaft der tarquinischen Monarchen diese totenkultliche Ahnenreligion durch den von der Theokratie mitgebrachten opferkultlichen Götterglauben verdrängt und überlagert, aber so wahr es sich dabei eben nur um eine Verdrängung und Überlagerung handelt, so wahr sich nicht eine primäre Aufhebung stammesspezifisch diskreter Ahnenkulte in einen ebenso kontinuierlich organisierten wie systematisch artikulierten Götterkult ereignet, sondern bloß eine sekundäre Absetzung dieser diskreten Ahnenkulte durch das bereits als fait accompli vorhandene götterkultliche System statthat, so wahr bleibt den unter dem Einfluss der ihnen aufgepfropften Theokratie sich widerstrebend zur Aristokratie homogenisierenden römischen Geschlechtern ihr hauseigener Totenkult als pièce de résistance, als ein durch keine opfergemeindliche Integration auszuräumender Vorbehalt gegen die Macht und Verfügungsgewalt der Götter und ihres irdischen Stellvertreters erhalten. Und es ist nun aber genau dieser Vorbehalt, auf den die römische Aristokratie, nachdem sie den theokratischen Herrn, den Monarchen, vertrieben und sich als im Milieu des städtischen Handelsplatzes aufgrund ihres herrschaftlichen Reichtums führende eigenständige Gruppe etabliert hat, bei ihren die Verfügung über den herrschaftlichen Reichtum betreffenden opferkultlichen Transaktionen mit den Göttern zurückgreifen und den sie gegen den Vorwurf eines unter dem Deckmantel jener Transaktionen geübten Verrats an den Göttern, einer hinter der Maske opferkultlicher Obödienz begangenen sakrilegischen Profanisierung ihres Reichtums geltend machen kann.

Weit entfernt davon, dass die Aristokratie, wenn sie den durch bürokratische Opferhandlungen unter ihre Verfügung gebrachten herrschaftlichen Reichtum aus der territorialen Sphäre, der Sphäre seiner öffentlichen Zueignung und rituellen Verwendung, in den städtischen Raum, den Raum seiner persönlichen Aneignung und seines privaten Gebrauchs, überführt, die Herren des Reichtums, die Götter, kompensationslos beraubte und nämlich ihren opferkultlich sanktionierten, sakralen Titel auf den Reichtum durch nichts als durch den eigenen, lebenspraktisch motivierten, profanen Umgang mit dem Reichtum substituierte, tauscht sie vielmehr nur die eine sakrale Abhängigkeit gegen die andere aus und entgeht dem Vorwurf, an den Göttern ein Sakrileg zu verüben, schlicht dadurch, dass sie die opferkultlichen Verbindlichkeiten ihnen gegenüber durch die totenkultliche Verpflichtung gegenüber den eigenen Ahnen ablöst. So gewiss der einzelne Aristokrat Pater familias, Oberhaupt eines von Haus aus eigenständigen Geschlechtes, einer ebenso ursprünglich heroologisch begründeten wie in der Folge genealogisch verfassten Sippe ist, und so gewiss er als Pater familias persona, Person in sakralen Sinne des Wortes, nämlich die Maske ist, hinter der und durch die hindurch die Vorfahren sich Stimme und Gehör verschaffen, Repräsentant einer in ihm resultierenden Reihe verschiedener und kraft Verschiedenheit ihre Identifizierung als für die Lebenden unabdingbarer Bestand, als die Substanz der Wirklichkeit fordernder, sprich, kultische Zuwendung heischender, Herren ist, so gewiss bedeutet persönliche Verfügung über den der theokratischen Sphäre entstammenden territorialherrschaftlichen Reichtum keine bloß privativ-profane Appropriation des Reichtums durch die auf ihre Individualität reduzierte Person, den abstrakt-empirischen einzelnen, sondern die in der Person des einzelnen statthabende Reklamation dieses Reichtums durch die als sakral-private Instanz überdauernde genokratische Substanz, die toten Ahnen.

Gleichzeitig indes ist der einzelne Aristokrat kein personales Absolutum, kein auf sich als auf die Reihe seiner eigenen Vorgänger gestellter Despot, kein in seiner genealogischen Substanz selbstherrlich gründender Autokrat, sondern Genosse in einer Gruppe von Gleichgesinnten, Angehöriger eines vergleichsweise homogenisierten Standes, Mitglied eines Interessenverbandes, dessen Existenz und Zusammenhalt conditio sine qua non der ökonomischen Eigenständigkeit und politischen Unabhängigkeit ist, die in seiner privaten Religion, seinem persönlichen Kult um die Ahnen, seiner zur genealogischen Bindung ermäßigten genokratischen Ursprungsfixierung ihren sakralen Ausdruck findet und ihre soziale Legitimation erlangt. Und ebenso wenig ist das Geschlecht, dem der einzelne Aristokrat als Pater familias vorsteht, ein in autarker Isolation und völliger Autonomie für sich bestehendes Gebilde, sondern es ist Teil der anfänglich genokratisch und nach ihrer monarchischen Lehrzeit nunmehr aristokratisch verfassten Geschlechtergemeinschaft, die sich um das fundamentum in re ihres gemeinschaftlichen Bestehens, den locus communis ihres praktischen Zusammenhalts, den städtischen Handelsplatz, schart und die, was sie an ökonomischer Eigenständigkeit und politischer Unabhängigkeit selber in genere behauptet und ihren einzelnen Mitgliedern in specie garantiert, der von allen getragenen Verantwortung und Haftung für dieses ihr Realfundament, der solidarischen Hege und Pflege dieses ihres Gemeinplatzes verdankt.

Und genau jene Einbindung der Aristokraten und ihrer Geschlechter in den Bezugsrahmen und Interessenverbund der städtisch-kommerziellen Einrichtung, genau jene Überführung der Aristokraten selbst in einen Verein von Patres und Verwandlung ihrer Geschlechter in einen Kreis führender Familien, die ebenso sehr per modum wie pro domo des als ökonomische Grundlage und als politisches Faustpfand allen Strebens nach Eigenständigkeit und Unabhängigkeit firmierenden städtischen Marktes statthat – sie verhindert nun aber, dass sich das Heilmittel, das die Aristokratie gegen die mit dem Transfer territorialherrschaftlich-opferkultlichen Reichtums ins städtisch-kommerzielle Milieu verknüpfte Gefahr sakrilegischer Profanisierung anwendet, als ein auf seine Anwender zurückschlagendes Gift herausstellt und dass nämlich die ahnenkultliche Bindung, die die Aristokratie gegen alle opferkultlichen Verpflichtungen geltend macht und die ihrem Anspruch auf innerstädtisch-freie Verfügung über den herrschaftlichen Reichtum eine eigene Sanktion, ein sakrales Recht sui generis verleiht, in den alten katabolischen Verfall des verfügbaren Reichtums an die Toten ausartet, sprich, in totenkultlicher Fixierung an das von jedem Herrn des Reichtums letztlich zu beziehende und deshalb den Reichtum als in Wahrheit sein Erbteil fordernde und verschlingende unterweltliche Jenseits endet. Weil die im Pater familias sich artikulierende genokratische Selbstherrlichkeit, auf die der römische Aristokrat seinen Anspruch auf freie Verfügung über den der theokratischen Sphäre entstammenden Reichtum stützt, nicht etwa Ausdruck eines gleichermaßen als ökonomische Autarkie und als politische Autonomie sich präsentierenden unmittelbar unabhängigen Bestehens des vom einzelnen Aristokraten angeführten Sippenverbandes oder Geschlechtes, sondern vielmehr Konsequenz der mittelbaren ökonomischen Eigenständigkeit und politischen Unabhängigkeit ist, deren die einzelnen Geschlechter allererst durch ihr auf den locus communis der kommerziellen Funktion konzentriertes soliarisches Zusammenwirken, ihr vom ökonomischen Realfundament und politischen Faustpfand des städtischen Handelsplatzes getragenes adelsrepublikanisches Schutz- und Trutzbündnis teilhaftig werden, und weil insofern die für die genokratische Selbstherrlichkeit als Legitimationsbasis grundlegende ahnenkultliche Bindung ihre entscheidende Voraussetzung in jenem um die städtisch-kommerzielle Sphäre kreisenden adelsrepublikanischen Zusammenhalt hat, kommt nun auch diese ahnenkultliche Bindung gar nicht erst dazu, ihre alte totenkultliche Dynamik zu entfalten und sich in einen an die Welt der Lebenden adressierten Imperativ zur katabolischen Übertragung von Reichtum an seine im Reich der Toten residierenden wahren Eigner zu verwandeln, sondern findet sich von vornherein in die Reflexion ihres eigenen konditionellen Bestehens getrieben und das heißt, in ein Motiv zur Erhaltung und Pflege dieses, als ihre conditio sine qua non firmierenden adelsrepublikanischen Zusammenhalts und seiner städtisch-kommerziellen Basis umfunktioniert.

So gewiss die in der isolierten Existenz der einzelnen Geschlechter sich mitnichten erschöpfenden äußeren Umstände und strukturellen Bedingungen, die den geschlechtereigenen Ahnenkult seine alte Macht behalten beziehungsweise wiedergewinnen lassen, das die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Geschlechter gewährleistende aristokratisch-ständische Bündnis und die diesem Bündnis Halt und Inhalt verleihende kommerziell-städtische Gemeinschaft sind, so gewiss liegt es im Selbsterhaltungsinteresse der Ahnen, dass diese äußeren Umstände und strukturellen Bedingungen Bestand haben und in Kraft bleiben; statt in alter, totenkultlicher Manier ihre die Zuwendung von Reichtum betreffenden Ansprüche an die Lebenden geltend machen und durchsetzen zu können, müssen sie es zufrieden sein, dass der Reichtum erst einmal und vordringlich für die Aufrechterhaltung und Sicherung jenes aristokratischen Bündnisses und jener städtischen Gemeinschaft verwendet wird, die Voraussetzung dafür sind, dass, wie die Geschlechter ihre relative Eigenständigkeit und Unabhängigkeit, so sie, die als Legitimationsinstanz an diese Unabhängigkeit gebundenen Ahnen selbst, ihre Existenz behalten und, wenn schon nicht aktuell, so jedenfalls virtuell ihre totenkultlichen Reichtumsansprüche und Eigentumstitel geltend machen können.

Auf diese Weise also verwandeln sich die Ahnen der römischen Geschlechter aus potentiell egoistischen unterirdischen Mächten, die ihre speziellen Nachfahren in den Dienst ihrer mittels Zuwendung von herrschaftlichem Reichtum zu vollbringenden Anbindung ans irdische Leben und Einbindung in dessen Perspektive stellen, in eine aktuell solidarische substantielle Instanz, die vielmehr sich in den Dienst der um den locus communis gescharten generellen Gemeinschaft stellt, indem sie die gemeinwohldienliche Verwendung herrschaftlichen Reichtums, seine Überführung aus der opferkultlichen Sphäre ins städtisch-kommerzielle System und seine Nutzbarmachung für dieses System und für das darauf fußende adelsrepublikanische Bündnis, mit einer der verratenen göttlichen Sakrifizierung ebenbürtigen neuen Sanktion versieht und damit vor dem drohenden Vorwurf sakrilegischer Profanisierung bewahrt. Und auf diese Weise gelingt es der Aristokratie in der Tat, den genokratischen Ahnenkult, den sie im Zuge ihres Wechsels aus dem monarchisch regierten territorialherrschaftlichen Zwangsrahmen in den selbstregierten Freiraum der Stadt und des damit verknüpften Transfers herrschaftlichen Reichtums aus der Sphäre opferkultlich-öffentlicher Zuteilungen in ein System kommerziell-privaten Austausches nicht sowohl kontinuiert, als vielmehr parallel zur Einrichtung der Opferbehörde des Rex sacrorum wiederaufgreift und neuinszeniert, zu einem nicht weniger beherrschbaren als nützlichen Instrument eben dieses Wechsels und Transfers zu machen: Während einerseits der Ahnenkult die ihm zugewiesene Aufgabe erfüllt, dem durch die kommerzielle Funktion organisierten Raum städtischer Privatheit ein Moment von sakraler Bindung zu verleihen, das die sakralen Verpflichtungen, die mit der von der Opferfunktion beherrschten Sphäre kultischer Öffentlichkeit verknüpft sind, zu substituieren und damit außer Kraft zu setzen vermag, bleibt er andererseits durch seine Einbettung in den neuen Kontext eines um die Förderung und Erhaltung des städtischen Handelsplatzes kreisenden adelsrepublikanischen Unabhängigkeitsstrebens geschützt davor, dass dieses Moment von sakraler Bindung sich verselbständigt und die alte Dynamik einer totenkultlich-katabolischen Jenseitsorientierung entfaltet – mit anderen Worten, der vom einzelnen Aristokraten, vom Pater familias, gepflogene Ahnenkult bleibt für die Gesamtheit der Patres, für den aristokratischen Stand, ein brauchbares Strategem und faktorelles Hilfsmittel, die politische Emanzipation vom monarchisch-theokratischen System auch religiös zu artikulieren und sich frei vom Verdacht sakrilegischer Profanisierung eine vergleichsweise selbstherrliche Verfügung über den vom theokratischen System und seinen Göttern übernommenen territorialherrschaftlichen Reichtum zu sichern.

Während die griechische Arete, der Bezug zum Wesen, einen wirklichen Bruch mit der opferkultlich-rituellen Reichtumsbindung, einen effektiven Ausfallschritt heraus aus der Prozession des theokratischen Kults um den Reichtum bedeutet, bleibt die römische Pietas, die Beziehung zu den Ahnen, im Kontinuum der Reichtumsfixierung und wechselt nur die sakralen Herren des Reichtums, tauscht den theokratischen gegen einen genokratischen Eigentumstitel aus. Dass dieser Wechsel nicht zu einer Regression in totenkultliche Praktiken gerät, ist dabei der Tatsache geschuldet, dass die Ahnen ihren locus communis und ihre Bestandsgarantie in der städtischen Gemeinschaft haben und Ahnenkult deshalb wesentlich und zuerst Dienst an der Förderung und Erhaltung des städtischen Freiraums ist.

Wenn man will, erfüllt damit in Rom die ahnenkultliche Bindung der Aristokratie die gleiche Aufgabe wie in Athen ihr wesenskultlicher Selbstbezug. Wie dort sein aufs Wesen gerichtetes höheres Selbstsein es ist, das den Aristokraten von der Göttermacht und der Befolgung ihrer opferkultlichen Sanktionen vergleichsweise emanzipiert und ihm jene auf Arete hinauslaufende überlegene Intelligenz und Vortrefflichkeit des Urteils verleiht, dank deren er die Dinge der Welt als hintergrundslose Gegebenheiten, bedeutungslose Erscheinungen wahrzunehmen und deshalb einen von kultischen Verpflichtungen weitgehend dispensierten Umgang mit ihnen zu pflegen, eine von agnostischer Unbekümmertheit getragene freie Verfügung über sie zu erlangen vermag, so ist es hier seine in den Ahnen fundierte tiefere Personalität, die ihm Distanz zur theokratisch-opferkultlichen Sphäre ermöglicht und ihm jene aus Pietas hervorgehende substantielle Resolution und Handlungsvollmacht gewährt, kraft deren er die Dinge der Welt als eine von aller götterkultlich-hpyothekarischen Belastung freie Objektivität, als Privateigentum ohne jeden Beigeschmack einer Privation, eines an der Öffentlichkeit begangenen Raubes, mit Beschlag zu belegen und pro domo seiner Interessen zu instrumentalisieren, sprich, einer vom sachwalterischem Rationalismus familiären Machterwerbs und Machterhalts beherrschten Verwendung zuzuführen vermag. Und wie dort das in Arete sich äußernde wesensbezogen höhere Selbstsein zugleich dafür sorgt, dass die freie Verfügung des Aristokraten über die weltlichen Güter im allgemeinen und den eigenen herrschaftlichen Reichtum im besonderen liturgische Formen annimmt und vornehmlich im gemeinwohldienlichen Sinne, nämlich zu Nutz und Frommen derer praktiziert wird, die ihm nur aufgrund der liturgischen Wendung, die er seiner freien Verfügung über den Reichtum gibt, das diese legitimierende höhere Selbstsein attestieren, geradeso gewährleistet nun hier die zur Pietas verhaltene ahnenvoll tiefere Personalität, dass die Verwendung, die der römische Aristokrat für den ihm zur Disposition stehenden herrschaftlichen Reichtum findet, vordringlich der Förderung und Stärkung jener Kombination aus städtischem Handelsplatz und aristokratischem Bündnis dient, die conditio sine qua non allen adelsrepublikanischen Unabhängigkeitsstrebens und damit auch und nicht zuletzt der aus genokratischen Zeiten übernommenen Ahnenverehrung ist, in der sich dieses Unabhängigkeitsstreben kultischen Ausdruck verschafft.

Griechische Arete und römische Pietas, die dem Wesensbezug entspringende Einsicht des autonomen Selbst in den von substantiellen Rücksichten freien, hintergrundslosen Erscheinungscharakter der Welt und der dem Ahnenkult entstammende Glaube der bevollmächtigten Person an den vom Interesse der Sippe beherrschten, vorbehaltlosen Werkzeugcharakter der Welt, erfüllen beide den Zweck, den herrschaftlichen Reichtum, den die Aristokratie in den kommerziellen Kontext der Stadt überführt, von göttlichen Prärogativen und opferkultlichen Hypotheken zu dispensieren und für den neuen, privaten Gebrauch, den die Aristokratie in der Stadt von ihm macht, verfügbar werden zu lassen. Und beide tragen sie dank des in der Polisstiftung oder der Urbs condita bestehenden politisch-ökonomischen Rahmens, in dem sie selbst und der sie qua Wesensbezug oder qua Ahnenkult legitimierende Grund überhaupt nur möglich sind, zugleich Sorge dafür, dass die freie Verfügung über den herrschaftlichen Reichtum nicht einer unkontrollierbaren Eigendynamik verfällt und nämlich weder zu einem um den Preis des öffentlichen Friedens privative Machtgelüste und idiosynkratische Geltungsbedürfnisse einzelner befriedigenden Mißbrauch verkommt, noch in einen um den Preis des allgemeinen Wohlstandes jenseitigen Ansprüchen und unterweltlichen Titeln Rechnung tragenden totenkultlichen Zwangsmechanismus ausartet. So gewiss beide, Arete und Pietas, Eigenschaften beziehungsweise Verhaltensformen sind, deren legitimierendes Prinzip und organisierendes Zentrum seinerseits in der städtischen Gemeinschaft des Handelsplatzes die Voraussetzung seines Bestehens, seine conditio sine qua non, hat, so gewiss ist vielmehr in beiden Fällen dafür gesorgt, dass die freie Verfügung über den herrschaftlichen Reichtum, die sie der Erbin des monarchischen Systems, der Aristokratie, verschaffen, eine dieser städtischen Gemeinschaft und ihrem Bestand, dem Gemeinwohl, verpflichtete Veranstaltung bleibt.

Allerdings liegt bei aller funktionellen Gleichsinnigkeit und faktisch identischen Wirkung damit zugleich auch auf der Hand, was Arete und Pietas, den griechischen und den römischen Weg zur Integration territorialherrschaftlichen Reichtums in den kommerziellen Freiraum der Stadt, inhaltlich oder der strukturellen Anlage nach unterscheidet – die Differenz nämlich zwischen den die beiden Haltungen legitimierenden Prinzipien selbst, die Divergenz, mit anderen Worten, zwischen Wesensbezug und Ahnenkult. Als eine die Welt zur wesenlosen Erscheinung degradierende Perspektive ist der Wesensbezug ein ebenso radikales wie geniales Mittel, die Macht der Götter über den herrschaftlichen Reichtum und dessen in der göttlichen Macht bestehende opferkultliche Substantialität, seine hypothekarisch-hintergründige Wirklichkeit, aufzuheben und der diesen herrschaftlichen Reichtum verwesenden Aristokratie ineins die freie Verfügung über ihn zu verschaffen und eine gemeinwohldienliche Ausübung solcher freien Verfügung zur Pflicht zu machen. Auch wenn so der Wesensbezug am empirischen Ende nur metaphysisches Mittel zum physischen Zweck ist und nämlich nur als transzendenter Bezugspunkt gebraucht wird, um jene aus überlegener Einsicht und höherer Rücksicht, aus Freiheit und Selbstverpflichtung gemischte Haltung zu erzeugen, die Arete heißt und die dem sie kultivierenden Aristokraten Motiv ist, seinen konsumtiven Gebrauch des zum Privateigentum entgöttlichten herrschaftlichen Reichtums mit gemeinschaftsdienlich liturgischen Leistungen zu verknüpfen, die er kraft solchen Privateigentums vollbringt – auch wenn also der Wesensbezug letztlich nur als List der praktisch-politischen Vernunft herhalten muss, bleibt er doch im theoretisch-systematischen Prinzip ein offensiver Ausbruch aus dem Kontext opferkultlicher Reichtumsverwendung, ein wirklicher Ausfallschritt heraus aus der althergebrachten Prozession eines als Bindemittel seinerseits gebundenen Sakrifiziums, eines von den Göttern als ihr Eigentum mit Beschlag belegten, weil seinerseits die Götter ihrer latenten Indifferenz und Negativität entkleidenden und als seine Herren in Positur bringenden, als seine Eigner dingfest machenden Opferguts.

Mit anderen Worten, der Wesensbezug säkularisiert – und unter den gegebenen Umständen des von der Aristokratie vollzogenen Frontenwechsels von der theokratischen Herrschaft zur städtischen Freiheit heißt das: privatisiert – den herrschaftlichen Reichtum auf nachdrückliche Weise, macht ein für allemal Schluss mit jener Art von hypothekarischen Rücksichten und stipulatorischen Verbindlichkeiten, wie sie im opferkultlichen System dank der grundlegenden Bedeutung, die dem herrschaftlichen Reichtum für die über ihn Verfügungsgewalt verleihenden Götter selbst, für ihr interessiertes Verhältnis zur Welt, ihre Positivität und Bodenhaftung, zukommt, an die Verfügung über diesen Reichtum geknüpft ist. Weil das Wesen, auf das sich der Aristokrat nun als auf das Reflexiv seines höheren Selbstseins bezieht, das vom Aristokraten selbst als seine zeitlos vergangene eigene Herkunft reklamierte Sein des anderen Subjekts in all seiner bezüglich der Welt ausgemachten Indifferenz und Negativität ist, entwertet und entwirklicht dieser Bezug aufs Wesen wie die Welt in genere, so den herrschaftlichen Reichtum in specie ein für allemal zur wesenlosen Erscheinung und macht damit in der Tat auch jener hypothekarischen Beziehung, jener opferkultlich reaffirmierten Rücksicht auf die Götter den Garaus, die ja nur dem Versuch sich verdankt, den Reichtum vor solcher Entwertung und Entwirklichung durch die mittels seiner vollzogene Umdeutung der Indifferenz in eine spezifisch reichtumbezügliche Anspruchshaltung, die mit seiner Hilfe ins Werk gesetzte Umfunktionierung der Negativität in eine eignerschaftlich opferheischende Position, zu bewahren – einem Versuch, der in dem Maße, wie er demnach den Reichtum dazu missbraucht, die von diesem selbst bezeugte Wahrheit zu verschleiern und umzulügen und nämlich das als das Jüngste Gericht über seinen Wert und seine Wirklichkeit ihm selbst entspringende Geschöpf, das andere Subjekt, durch Vergöttlichung und opferkultliche Positivierung in einen Erhalter eben nur der Reichtumsperspektive zu verkehren, nolens volens den Reichtum in dieser Rolle als sakrales Bindemittel, für die er ihn missbraucht, um ihn als profane Wirklichkeit zu erhalten, aufgehen lässt, ihn mit anderen Worten dieser seiner opferkultlichen Umfunktionierungsfunktion, die er ihm aufbürdet, um ihn nicht zum Opfer bringen zu müssen, aufopfert.

So gewiss der Wesensbezug eine vorbehaltlose, wenn auch durch die quasibiographische Reklamation des Anerkannten entscheidend entschärfte Anerkennung des Seins des anderen Subjekts in seiner ganzen weltüberhobenen Indifferenz und transzendenten Negativität darstellt, so gewiss bildet er zugleich eine rücksichtslose Absage an alle qua Götterkult dieser Indifferenz und Negativität gegenüber mit Hilfe des herrschaftlichen Reichtums ins Werk gesetzte Verleugnungs- und Umfunktionierungsstrategien. Durch den Wesensbezug, den die Erbin der Theokratie, die Aristokratie, behauptet, von jeder funktionellen Einbindung in jene götterkultlich-sakrifiziellen Verleugnungsstrategien befreit, ohne die Befreiung mit neuer Ahängigkeit von seinem Befreier, dem ihn vielmehr als wesenlose Erscheinung preisgebenden und verwerfenden Wesen, bezahlen zu müssen, erweist sich demnach der herrschaftliche Reichtum in der Tat als ein im Vergleich mit seiner bisherigen hypothekarischen Haftung und Verhaftetheit herrenloses Gut; mit anderen Worten, er steht den Erben oder vielmehr Konkursverwaltern der Theokratie, den als bloße Bürger, wenn auch reichtumfundiert höherer Geltung, als simple Privatleute, wenngleich standesbedingt ersten Ranges, in den städtischen Freiraum, den der Kommerz stiftet, übergewechselten Aristokraten, zur privatim-machtpolitischen Verwendung und zum konsumtiv-persönlichen Gebrauch theoretisch uneingeschränkt zur Verfügung.

Wenn es dennoch mit der praktisch uneingeschränkten Verfügbarkeit nicht weit her ist und wenn vielmehr der Aristokratie aus ihrem de jure frei verfügbar gewordenen Reichtum de facto neue, als liturgisches Wirken, als Dienst an der Gemeinschaft ausgemachte opferkultähnliche Verpflichtungen und quasirituelle Verbindlichkeiten erwachsen, dann nicht etwa, weil diese neuen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten im Wesenbezug positiv einbegriffen wären und weil also das den herrschaftlichen Reichtum von der göttlichen Eignerschaft entbindende, vom Opferkult freisetzende Wesen nun seinerseits eignerschaftliche Ansprüche auf den Reichtum erhöbe und eine ihn rituell bindende Kraft entfaltete, sondern weil im Gegenteil das wohlverstandene Wesen eigentlich nicht nur von der opferkultlichen Botmäßigkeit gegenüber den Eignern des herrschaftlichen Reichtums, den Göttern, sondern auch und mehr noch vom Interesse an dem Eigentum als solchem, dem zur wesenlosen Erscheinung entwirklichten herrschaftlichen Reichtum selbst, entbindet, weil insofern das privative Festhalten am herrschaftlichen Reichtum und Streben nach persönlicher Verfügung über ihn und die Funktionalisierung des Wesens zu einem Mittel bloß der Freisetzung des Reichtums von göttlicher Eignerschaft den von der Aristokratie behaupteten Wesensbezug ebenso wohl als widersprüchlich diskreditiert, weil mit anderen Worten die von der Aristokratie für ihre freie Verfügung über den Reichtum geltend gemachte Legitimationsbasis, das Wesen, sich durch eben das, was legitimiert werden soll, die Verfügung über den Reichtum, einer problematischen Existenz überführt zeigt und weil nun die Polisgemeinschaft diese problematische Existenz des Wesens zu einem Handel nutzt, in dessen Ergebnis sie der Aristokratie die Wirklichkeit ihres Wesensbezuges, sprich, die Gegebenheit der für ihre freie Verfügung über den herrschaftlichen Reichtum erforderlichen Legitimationsbasis attestiert, allerdings nur unter der Bedingung, dass die Aristokratie diese freie Verfügung sozialverträglich realisiert und nämlich ihren Reichtum der beschriebenen liturgisch-gemeinschaftsdienlichen Verwendung zuführt.

Auch wenn also praktisch oder modo obliquo des wesenswidrigen Gebrauchs, den die Aristokratie von dem kraft Wesen den Göttern entzogenen und vom Opferkult entpflichteten herrschaftlichen Reichtum unmittelbar zu machen strebt, der Wesensbezug dazu dient, den Reichtum mit neuen quasisakralen Verpflichtungen zu belasten und die Verfügung über ihn an neue quasirituelle Konditionen zu binden – theoretisch oder via directa bleibt er der besagte offensive Ausbruch aus dem System des als sakrales Bindemittel rituell gebundenen herrschaftlichen Reichtums, bleibt er der wirkliche Ausfallschritt, der den Reichtum ein für allemal entsakralisiert und seiner die Indifferenz und Negativität des anderen Subjekts in eignerschaftliche Anteilnahme und göttliche Positivität zu verkehren bestimmten kultischen Funktionen entkleidet, kurz, der den Reichtum in den neuen profanen Zusammenhang der durch kommerziellen Austausch vergesellschafteten Stadt ebenso reibungslos integrierbar wie rückhaltlos überführbar werden lässt.

Ganz anders der Ahnenkult, mit dessen Hilfe die römische Aristokratie den herrschaftlichen Reichtum seinen opferkultlich-territorialen Bindungen entreißt und dem städtischen Freiraum zuwendet. Weil er die auf dem herrschaftlichen Reichtum liegende Hypothek göttlicher Eignerschaft nicht durch Berufung auf ein qua Wesen den Reichtum zur bloßen Erscheinung entwirklichendes und damit das reichtumfixiert eignerschaftliche Verhältnis als solches, den Götterkult überhaupt, als Humbug entlarvendes transzendentes Sein aushebelt, sondern nur durch Beschwörung eines zur göttlichen Eignerschaft alternativen Eigentumstitels auf den Reichtum, einer mit den Göttern konkurrierenden anderen und totenkultlich älteren Opfermacht ablöst, bleibt der Ahnenkult in der vom Götterkult vorgezeichneten Immanenz einer den Reichtum als sakrales Bindemittel reklamierenden und nämlich als Mittel zur Einbindung des anderen Subjekts, zur Verwandlung seiner existentiellen Negativität in sakrifizielle Positivität, seiner revokativen Selbstherrlichkeit in affirmative Herrschaft mit Beschlag belegenden Verdrängungs- und Umfunktionierungsveranstaltung. Weil er nicht in der einfachen Anerkennung der reichtumüberhoben absoluten Indifferenz und Negativität des reichtumentsprungen anderen Subjekts, sondern bloß im Bekenntnis zu einer alternativen Form dieses als differente Instanz und positive Macht reichtumbezüglich begründeten und vereinnahmten anderen Subjekts besteht, ist der römische Ahnenkult im Unterschied zum griechischen Wesensbezug kein offensiver Ausbruch, sondern nur ein regressiver Ausweg aus dem Zwangsrahmen einer das andere Subjekt in Göttergestalt bannenden opferkultlichen Reichtumsverwendung, stellt er mit anderen Worten keinen reellen Ausfallschritt dar, bei dem sich der Aristokrat kraft Berufung auf eine absolute Schiedsinstanz der Ansprüche der relativen Göttermacht auf sein theokratisches Erbe, den herrschaftlichen Reichtum, ein für allemal entledigt, sondern nur einen artifiziellen Spagat, bei dem der Aristokrat die Ansprüche der reichtumrelativen Göttermacht durch die Forderungen einer ebenso reichtumrelativen kultischen Gegenmacht, eben der totentkultlich reklamierten Ahnen, entkräftet und ersetzt.

Oder vielmehr ist, sub specie dieser seiner als einfacher Machtwechsel immanenten Ersetzungsleistung betrachtet, der Ahnenkult unmittelbar bloß ein Übergang, nichts weiter als ein nach Maßgabe der historisch verkehrten Richtung, die er einschlägt, regressiver Schritt; zum Spagat wird er erst dank des – für das eigentliche Ziel einer freien Verfügung über herrschaftlichen Reichtum im Kontext der Stadt allerdings entscheidenden – Umstandes, dass die familiären Ahnen, zu denen der regressive Schritt hinführt, die Stammestoten, zu deren kultischer Verehrung der Übergang weg vom Götterkult vollzogen wird, ihre conditio sine qua non und Bestandsgarantie, die Bedingung ihrer regressiv reaffirmierten Existenz in der um die kommerzielle Funktion, die Schwerkraft des Handelsplatzes gescharten städtischen Gemeinschaft haben und an deren Wachstum und Gedeihen deshalb nicht weniger und sogar vordringlicher interessiert sein müssen als an ihrer eigenen Erhaltung und Pflege. Weil es die Vergesellschaftungsform des Handelsplatzes, die kommerziell fundierte städtische Gemeinschaft ist, die den genokratischen Geschlechtern und nach dem monarchischen Intermezzo auch den aristokratischen Familien ihre politisch-ökonomische Unabhängigkeit, ihre Widerstandskraft gegen die definitive theokratische Vereinnahmung, verleiht und, so gesehen, auch die Bedingung der Möglichkeit der qua Ahnenkult artikulierten kultischen Eigenständigkeit der Geschlechter darstellt, fällt nun, da die Aristokratie diese ahnenkultliche Eigenständigkeit geltend macht, um ihren der götterkultlichen Sphäre entstammenden Reichtum seinen theokratischen Verpflichtungen zu entziehen, in den Freiraum der Stadt zu überführen und dort zur freien Verfügung zu haben, hinsichtlich der aus der freien Verfügung konsequierenden faktischen Verwendung des herrschaftlichen Reichtums der städtischen Gemeinschaft die Rolle eines primären Adressaten und zentralen Begünstigten zu und nimmt mit anderen Worten die Stadt selbst die Züge einer den Impetus totenkultlich-katabolischen Reichtumstransfers, der im Ahnenkult impliziert ist, wie man will, zu brechen oder umzulenken geeigneten sanktionierten Nutznießerin oder lebendigen Opferstätte an. So gewiss der Ahnenkult dasjenige ist, was dem aufgrund des opferkultlichen Formalismus, den der von der Aristokratie bestellte Rex sacrorum praktiziert, den Göttern entrissenen und in den städtischen Kontext überführten herrschaftlichen Reichtum die Legitimität eines von göttlicher Sanktion befreiten Bestehens, eines Prospektes sui generis, verleiht und so gewiss aber dieser Ahnenkult, rebus sic stantibus, eine ideelle Position, um nicht zu sagen, ideologische Konstruktion ist, die ihr fundamentum in re, ihre empirische Voraussetzung in eben dem städtischen Kontext hat, zu dem aus der opferkultlichen Sphäre überzulaufen und in den das theokratische Erbe, den herrschaftlichen Reichtum, mitzunehmen, sie die Aristokratie zu legitimieren dient, so gewiss gewinnt die Aufgabe einer Erhaltung und Stärkung jenes städtischen Kontextes Priorität vor dem Vollzug und der Erfüllung der von den Ahnen auferlegten totenkultlichen Verpflichtungen oder wird, wenn man so will, das eine, die Entfaltung des Kults der aristokratischen Geschlechter, in der Rolle eines dem herrschaftlichen Reichtum zwingend vorgeschriebenen Verwendungszweckes suspendiert und zugunsten des anderen, der Erhaltung der für den Kult der Geschlechter erforderlichen städtischen Gemeinschaft, ad calendas graecas oder vielmehr ad datum romanum außer Kraft gesetzt.

Der ideologisch einfache regressive Wechsel und Übertritt der Aristokratie aus der theokratischen Sphäre in die genokratische Tradition erweist sich somit als ein empiriologisch komplizierter Spagat, ein in actu verhaltener Spreizschritt: Indem das, wozu übergetreten werden soll, jene totenkultlich-chthonische Macht der Ahnen, die die Emanzipation von der opferkultlich-olympischen Herrschaft der Götter zu legitimieren dient, ihre Existenzbedingung, ihr empirisches Fundament in dem als kommerziell-städtischer Kontext etablierten irdischen Raum hat, der überhaupt erst den für die faktische Distanzierung von der götterkultlich-territorialherrschaftlichen Sphäre nötigen Freiraum bietet, findet sich die mitsamt ihrem theokratischen Erbe, dem herrschaftlichen Reichtum, im Übertritt begriffene Aristokratie in ihrer Konversionsbewegung aufgehalten, in ihrem regressiven Fortschreiten arretiert und an eben diesen kommerziell-städtischen Kontext als an den nur in haltgebender Eigenschaft weiterbringenden Trittstein für den Übergang, das nur in tragender Funktion übersetzende Vehikel für den Wechsel bis auf unabsehbar weiteres fixiert. Und damit ist in der Tat genau das erreicht, wozu die ahnenkultliche Bindung der römischen Aristokratie verhelfen soll: kraft in der ahnenkultlichen Bindung bestehender kultischer Sanktion oder sakraler Legitimation kann die Aristokratie ihr formaliter, in den Opferhandlungen des Rex sacrorum, als Eigentum der Götter anerkanntes theokratisches Erbe, den herrschaftlichen Reichtum, realiter den Göttern entziehen, in den städtischen Freiraum einbringen und dort unbeeinträchtigt von opferkultlichen Rücksichten und Verbindlichkeiten darüber verfügen, ohne dass sie ihre Emanzipation von der Sphäre der Götter mit neuen kultischen Hypotheken büßen müßte und sich nämlich durch die ihre Emanzipation legitimierende alternative sakrale Instanz, die Ahnen, Hals über Kopf in eine totenkultliche Katabole gestürzt fände.

Der Preis, den die Aristokratie für die ahnenkultliche Überführung ihres territorialherrschaftlichen Reichtums in den Freiraum der Stadt zahlt, ist die ideologische Verwandlung eben dieses städtischen Freiraums in eine Kult- und Opferstätte der Ahnen. Weil der Reichtum eben dieser Opferstätte zugute kommt, statt in alter Manier einer totenkultlichen Katabole zu erliegen, hat diese ideologische Umdeutung des Freiraums zuerst einmal keine praktischen Folgen und zeitigt höchstens und nur den positiven Effekt, dass anders als die sozialverträglich-liturgische Arete der Griechen, die gemeinschaftsdienlich-zivile römische Pietas sich, statt einer obliquen Herleitung aus dem Wesenskult zu bedürfen, vielmehr als direkte Konsequenz aus dem Ahnenkult ergibt. Zum praktischen Problem allerdings wird das den städtischen Freiraum ideologisch umdeutende ahnenkultliche Reichtumsintegrationsstrategem in dem Maß, wie sich das römische Gemeinwesen als ganzes auf die Beschlagnahmung und gewaltsame Aneignung des Reichtums der umliegenden Territorialherrschaften verlegt.

Allerdings hat, nicht zwar empiriologisch-verhaltenspraktisch, wohl aber ideologisch-legitimationstheoretisch, dieser Erfolg der mittels Ahnenkult durchgesetzten aristokratischen Ablösung von der götterkultlichen Sphäre und Integration in den Freiraum der Stadt seinen Preis: er lässt den städtischen Freiraum selbst zu einem, topisch betrachtet, Stützpunkt oder tragenden Grund beziehungsweise, dynamisch gesehen, Vorposten oder Schanzwerk des ahnenkultlichen Prospekts werden. Sosehr die Aristokratie durch ihren ahnenkultlichen Prospekt und durch die Tatsache, dass dieser Prospekt mit der Existenz der städtischen Gemeinschaft steht und fällt, verhaltenspraktisch auf die letztere eingeschworen und in der Verwendung ihres theokratischen Erbes, des herrschaftlichen Reichtums, auf ihre Erhaltung und Förderung fixiert ist, sosehr erscheint damit legitimationstheoretisch die städtische Gemeinschaft selbst eingebunden in den totenkultlichen Prospekt, erscheint sie mit anderen Worten aus Sicht der aristokratischen Ideologie in ein topisches Medium beziehungsweise dynamisches Vehikel zur vorläufigen Bewahrung und schließlichen Verwirklichung eben jenes ahnenkultlichen Prospektes umfunktioniert. So definitiv der städtischen Gemeinschaft zugewandt die Pietas des römischen Aristokraten ist und so definitiv gemeinschaftsdienlich die ihr entsprechende Reichtumsverwendung sich erweist, Quelle und letzter Bezugspunkt dieser aristokratischen Pietas und des durch sie diktierten Umgangs mit dem herrschaftlichen Reichtum ist der Ahnenkult und ist der mit ihm von Haus aus verknüpfte totenkultliche Reichtumstransfer; von daher gesehen ist der kraft Ahnenkult legitimierte verhaltenspraktische Wechsel aus der opferkultlichen Sphäre der Götter in den städtisch-kommerziellen Zusammenhang, den die Aristokratie mitsamt ihres theokratischen Erbes vollzieht, gleichbedeutend mit einer legitimationstheoretischen Einbindung des städtisch-kommerziellen Zusammenhanges in den qua Ahnenkult beschworenen Prospekt, kurz, gleichbedeutend mit einer Verwandlung der Stadt in eine wie immer festgegründete Opferstätte im Dienste der unterweltlich fordernden Ahnen, eine wie immer bleibende Zwischenstation auf dem Weg zur letztlich geforderten totenkultlichen Katabole.

Das Strategem der römischen Aristokratie zur Herauslösung des herrschaftlichen Reichtums aus seinen theokratisch-opferkultlichen Bindungen und zur Integration dieses Reichtums in den Freiraum der städtischen Gemeinschaft ist demnach zwar praktisch von Erfolg gekrönt, hat aber zugleich die unverhoffte Konsequenz, dass die städtische Gemeinschaft ideologisch ihren Freiraumcharakter einbüßt und sich, den neuen Bindungen des ihr zugeführten herrschaftlichen Reichtums gemäß, in den topischen Platzhalter und dynamischen Vorposten des von der Aristokratie auf städtischem Boden geltend gemachten neuen alten Opferzusammenhanges eines dem Leben der Ahnen geweihten Totenkultes verwandelt findet. Ganz anders, was den letzteren Punkt betrifft, wirkt sich, wie gesagt das zu solchem Integrationszweck von der Aristokratie der Polis eingesetzte Strategem aus, als das sich der Wesensbezug darstellt. Weil das Wesen, auf das sich die griechische Aristokratie beruft, um ihr theokratisches Erbe, den herrschaftlichen Reichtum seiner opferkultlichen Bestimmung zu entziehen und eine dem Freiraum der Stadt angemessene freie Verfügung über ihn zu gewinnen, anders als die Ahnen kein – wie auch immer fälschlich – positives Verhältnis zum Reichtum behauptet und keinerlei eigene Ansprüche mit ihm verknüpft, weil es mit anderen Worten die bestehenden götterkultlichen Bindungen des Reichtums in actu ihrer Aufhebung nicht durch neue, wesensspezifische Verbindlichkeiten ersetzt, gibt es nun auch nichts, was in genere das praktische Verhalten des Aristokraten in seinem neuen städtischen Entfaltungsraum und in specie den Gebrauch, den er dort von seinem Reichtum macht, im Voraus festlegen und damit mehr noch dem städtischen Entfaltungsraum selbst einen durch das Verhalten der Aristokratie und ihre Reichtumsverwendung bestimmte ideologische Stellung und Funktion vindizieren könnte. Das heißt, das Wesen erschöpft sich mangels eigener, positiver, oder besser gesagt in Positivität verkehrter, Beziehung zum herrschaftlichen Reichtum in der rein negativen Leistung, den Reichtum seiner Substantialität und Abgründigkeit, sprich, seiner für die göttliche Sphäre konstitutiven Rolle und seiner dadurch bedingten, opferkultlich reaffirmierten, eigentümlichen Bindung an die Götter zu berauben und als die hintergrundslos-substanzlose Gegebenheit, als die er hiernach erscheint, denen zur freien Verfügung zu überlassen, die ihn aus dem territorialherrschaftlich-theokratischen Bereich in den Freiraum der Stadt überführen.

Eben dies allerdings, dass das Wesen seine Wirksamkeit darin erschöpft, den herrschaftlichen Reichtum um den Preis seiner Degradation zur bloßen Erscheinung seiner götterkonstitutiv-substanziellen Bedeutung und seiner opferkultlich-sakralen Funktion ein für allemal zu entkleiden, kurz, ihn unwiderruflich zu säkularisieren und zu profanisieren, und dass sich damit die Aristokratie kraft des Bezugs zum Wesen, den sie behauptet, legitimiert findet, über diesen ihren säkularisierten und profanisierten Reichtum nach Gutdünken zu verfügen, das heißt, mit ihm als mit ihrem, ihr durch nichts und niemanden mehr streitig zu machenden Privateigentum anzufangen, was sie will – eben dies beschwört die Gefahr einer von egoistischem Machtstreben und persönlicher Geltungssucht diktierten und deshalb die Gemeinschaft als Ganzes in Konflikte stürzenden und aufs Spiel setzenden Verwendung des Reichtums herauf. Und zur Bewältigung dieser Gefahr bemüht nun die Polisgemeinschaft erneut den aristokratischen Wesensbezug, nicht etwa, um dem vom Aristokraten reklamierten Wesen ein dennoch positiv eigenes und den aristokratischen Umgang mit dem Reichtum direkt disponierendes Verhältnis zum Reichtum nachzuweisen, sondern einzig und allein, um ihn, den aristokratischen Wesensbezug, als solchen zu problematisieren und damit die von der Aristokratie für ihren potentiell privativen Umgang mit dem Reichtum geltend gemachte Legitimationsbasis in Frage zu stellen.

Dass sich der Wesensbezug, sofern er besteht, hinsichtlich des herrschaftlichen Reichtums im Sinne einer ersatzlosen Streichung aller kultischen Hypotheken und sakralen Bindungen und einer privateigentümlich freien Verfügung über diesen Reichtum auswirkt, das ist ein für allemal ausgemacht. Ob er allerdings besteht, ob im Falle der theokratischen Erbin, der Aristokratie, der Wesensbezug Wirklichkeit ist, daran meldet die Polisgemeinschaft, gestützt auf den latenten Widerspruch, dass das Wesen, dessen sich die Aristokratie zur Befreiung von opferkultlichen Bindungen bedient, an sich ja auch von den Bindungen an den Reichtum selbst zu befreien taugt, Zweifel an. Und indem sie sich nun ineins zur Richterin über und zur Kronzeugin für die Wirklichkeit oder Unwirklichkeit des aristokratischen Wesensbezuges aufwirft und ihr affirmatives Zeugnis und Urteil aber daran knüpft, dass die Aristokratie von ihrem zum Privateigentum säkularisierten Reichtum einen gemeinschaftsdienlichen Gebrauch macht, gelingt es ihr in der Tat, die Gefahr konfliktträchtigen Machtstrebens und asozialer Geltungssucht zu bannen und bei der Aristokratie jene Arete genannte Haltung zu provozieren, die, wie sie einerseits als Nachweis des aristokratischen Wesensbezuges honoriert wird, so andererseits die Gewähr für eine sozialverträgliche Integration des aristokratischen Reichtums in den städtischen Kontext bietet.

Von diesem, als Arete firmierenden verhaltenspraktischen Resultat her gesehen, erweist sich das zur Herauslösung des herrschaftlichen Reichtums der Aristokratie aus territorialherrschaftlich-theokratischen Bindungen und zur Einbindung dieses Reichtums in den kommerziell-städtischen Kontext bemühte Strategem des Wesensbezuges als ganz und gar das Werk der kommerziell-städtischen Gemeinschaft selbst und bestätigt damit deren relative Eigenmacht und Unabhängigkeit. Der Wesensbezug ist das Zuckerbrot und die Peitsche, womit die städtische Gemeinschaft operiert, um die mit herrschaftlichem Reichtum gesegnete Aristokratie ihren territorialherrschaftlichen Obligationen zu entreißen und in der Stadt heimisch werden zu lassen, sie dort aber auch zur Räson bürgerlichen Gemeinsinns zu bringen und auf eine der Gemeinschaft nicht zum Fluch werdende, sondern im Gegenteil förderliche Verwendung ihres Reichtums zu vereidigen.

Die Polisgemeinschaft ist es, die der Aristokratie jenen Bezug zum Wesen attestiert, der ihr eine bedingungslose Emanzipation von der Göttermacht und eine unbeschränkt freie Verfügung über ihr theokratisches Erbe, den herrschaftlichen Reichtum, verschafft. Und die Polisgemeinschaft ist es, die ihr Attest an Konditionen knüpft, deren faktischer Effekt die Überführung der privatim freien Verfügung des Reichtums in dessen gemeinschaftsdienliche Verwendung, die Verwandlung reichtumgestützt persönlicher Ambitionen in reichtumfundiert liturgische Leistungen ist. Der Wesensbezug ist das katalytische Ferment, das die Polisgemeinschaft aus eigener Machtvollkommenheit ins Spiel bringt, um sich die Aristokratie zu amalgamieren und ihren der theokratischen Sphäre entstammenden Reichtum in das kommerziell profanisierte, als Warenzusammenhang säkularisierte polisspezifische Eigentum zu integrieren: Ohne materialiter in den Prozess einzugehen und ohne einen die eigene Beschaffenheit zur Geltung bringenden verändernden Einfluss auf die am Prozess beteiligten Faktoren auszuüben, ruft dies katalytische Ferment aus reiner, Widerstände und Vorbehalte in Gestalt von Bindungen und Rücksichten außer Kraft setzender Negativität die gewünschte Reaktion hervor – die Herauslösung der Aristokratie und ihres Reichtums aus der territorialherrschaftlich-opferkultlichen Sphäre und die sozialverträgliche Einbindung beider in die durch kommerziellen Austausch bestimmte Vergesellschaftungsform der Stadt.

Anders der Ahnenkult, der gemäß dem für die römische Republik konstitutiven anderen Kräfteverhältnis zwischen einer in Patronatsrolle figurierenden übermächtigen Aristokratie und einer in abhängiger Klientelfunktion firmierenden kommerziell-städtischen Gemeinschaft das strategische Werk nicht der letzteren, sondern vielmehr der Aristokratie selbst ist. Die Aristokratie selbst ist es, die aus der Tiefe ihrer genokratischen Vergangenheit den Ahnenkult als für ihre Emanzipation von götterkultlicher Bevormundung und ihre Integration in den Freiraum der Stadt taugliches Strategem hervorzieht und ins Spiel bringt. Vom herrschaftlichen Reichtum als von der Substanz ihres Daseins noch ganz und gar eingenommen und in der Logik seiner ihn selber kultisch bindenden sakralen Bindekraft noch ganz und gar befangen, wendet sie demnach einen Kunstgriff an, der im Unterschied zu der von der griechischen Polis qua Wesensbezug gebrauchten List nicht in einer simplen Entwertung der sakralen Funktion des Reichtums resultiert, sondern in deren veritabler Umwertung besteht, der die mit dem Reichtum verknüpfte opferkultliche Rücksicht nicht ersatzlos streicht, sondern durch eine alternative Rücksicht ersetzt, dessen Wirksamkeit sich mit anderen Worten nicht in der schieren Negation aller bis dahin dem Reichtum aufgebürdeten konstitutiven Leistungen und repräsentativen Bekräftigungen erschöpft, sondern auf eine positive Neuorientierung dieser unverändert gleichen Konstitutions- und Affirmationsfunktion auf ein einfach anderes Objekt hinausläuft.

Und das wiederum bedeutet, dass das mit solchem Strategem verfolgte eigentliche Ziel, die dem Freiraum der Stadt und seinen kommerziellen Austauschverhältnissen angemessene freie Verfügung über den herrschaftlichen Reichtum, sich nicht als aus der Negation der alten Verhältnisse diskret entspringende, originär neue Bestimmung ergibt, sondern nur als in die Revision der alten Verhältnisse, in ihre reproduktive Erneuerung, kontinuierlich eingebettete sekundär resultierende Bestimmtheit zu haben ist. Eine den ursprünglichen territorialherrschaftlich-opferkultlichen Bindungen zum Trotz im städtischen Freiraum praktizierte freie Verfügung über ihren Reichtum erlangt hier mit anderen Worten die Aristokratie nicht deshalb, weil, wie beim emanzipierenden Strategem des Wesenbezuges, eine vollständige Negation und Abschaffung jener opferkultlichen Bindungen statthat und der dadurch zum Privateigentum mutierte Reichtum mit seinen Eigentümern in den als solcher zur territorialherrschaftlichen Sphäre alternativen städtischen Freiraum überwechselt und dort heimisch wird, sondern vielmehr deshalb, weil sich mit dem emanzipierenden Strategem des Ahnenkults eine positive Alternative zu den götterkultlichen Bindungen bietet, die dem städtischen Freiraum eine im Blick auf sie sakrale Bedeutung verleiht, sprich, eine hinsichtlich der Verbindung zu den Ahnen kultisch tragende Rolle zuweist und deshalb die als Dienst an den Ahnen, als quasitotenkultliche Leistung wohlverstandene Reichtumsverwendung pro domo des städtischen Freiraumes als eine im Sinne der Emanzipation von götterkultlichen Verpflichtungen, die sie voraussetzt, frei zu nennende Verfügung legitimiert.

Das hat den unbestreitbaren Vorzug, dass die gemeinschaftsdienliche Verwendung des herrschaftlichen Reichtums, die soziale Verpflichtung des aristokratischen Eigentums, als direkte Konsequenz aus dem emanzipierenden Strategem selbst hervorgeht, weil unter den gegebenen Bedingungen eines der ahnenkultlichen Option nirgends sonst als im städtischen Freiraum ausgesetzten Realfundaments der beste und in der Tat einzige Weg, den Ahnen zu dienen und den zwecks Emanzipation von den Göttern neu übernommenen ahnenkultlichen Bindungen Tribut zu zollen, kurz, die vom theokratischen Opferkult befreiende alternative Frömmigkeit zu beweisen, die als Pietas gilt – dass also der einzige, Pietas unter Beweis stellende Weg darin besteht, sich dem Dienst an eben jenem ahnenkultlichen Realfundament zu verschreiben, will heißen, all sein Vermögen, all seine persönliche Kraft und sein privates Vermögen in den Aufbau und die Erhaltung, die Pflege und Förderung des als Bastion und Opferstätte der Ahnen wohlverstandenen städtischen Freiraumes zu investieren. Ein und dasselbe sozialverträgliche beziehungsweise gemeinschaftsdienliche Verhalten, das beim die Aristokratie emanzipierenden und ihre freie Verfügung über den Reichtum legitimierenden Strategem der griechischen Polis unter dem Namen Arete umständlich und durch quasi formelle Verfahrenstricks, nämlich durch die Problematisierung und an Bedingungen geknüpfte Attestierung des als Befreiungsinstrument und Legitimationsbasis herhaltenden Wesensbezuges, durchgesetzt werden muss, ergibt sich beim entsprechenden Strategem der Urbs Romana wie von selbst und liegt nämlich als Pietas in der strukturellen Konsequenz und der situativen Logik des hier als Befreiungsinstrument und Legitimationsbasis ins Spiel gebrachten Ahnenkultes der aristokratischen Geschlechter.

Diesem praktischen Vorzug, den der – Gemeinschaftssinn in der Bedeutung von Pietas erzeugende – römische Ahnenkult vor dem – Gemeinschaftssinn im Sinne von Arete bewirkenden – griechischen Wesensbezug hat, steht allerdings der besagte ideologische Nachteil gegenüber, dass im Unterschied zum Wesensbezug der Ahnenkult den Freiraum der Stadt nicht so belässt, wie er ist, dass er vielmehr in dem Maße, wie er realiter der Erhaltung und Förderung des städtischen Freiraumes dient, ihn idealiter in seine kultische Perspektive verstrickt und ihn aus einem von der territorialherrschaftlich-theokratischen Sphäre relativ ausgenommenen profanen Austauschort und säkularen Handelsplatz für herrschaftlichen und in wachsendem Umfange auch nichtherrschaftlichen Reichtum in eine Niederlassung und Hochburg totenkultlicher Aspirationen, in das Schanzwerk oder den Vorposten einer beileibe zwar nicht aktuell, wohl aber potentiell auf den Transfer herrschaftlichen Reichtums an seine wahren Eigner, die Ahnen, abgestellten und zum göttlichen Opferkult einfach nur alternativen Jenseitigkeit umdefiniert. Insofern der das pietätvolle Wirken der Aristokratie für die Stadt, ihre gemeinschaftsdienliche Verwendung herrschaftlichen Reichtums, im Doppelsinn von Rechtfertigung und Motivierung begründende Ahnenkult eine bloß ideale Bestimmung, die totenkultlichen Konsequenzen, die mit ihm verknüpft sind, ein bloß potentieller Prospekt bleiben, und insofern also die neue religiöse Perspektive, in die er die städtische Gemeinschaft einspannt, und die alternative sakrale Funktion, die er ihr aufhalst, eben nur eine ideologische, die Praxis in der Gemeinschaft nicht weiter tangierende Relevanz behauptet, fällt jener Nachteil nicht ins Gewicht und ist im Blick auf das eigentliche Ziel der Veranstaltung, im Blick auf die Integration des herrschaftlichen Reichtums der Aristokratie in den kommerziell-städtischen Kontext, das von der römischen Aristokratie angewandte ahnenkultliche Strategem nicht schlechter – beziehungsweise, was die Unmittelbarkeit des von ihm induzierten Gemeinschaftssinnes betrifft, sogar besser – als der Kunstgriff einer der Aristokratie attestierten wesensbezüglichen Haltung, mit dem die Polisgemeinschaft operiert.

Daran ändert auch nichts der Umstand, dass es bei der ahnenkultlichen Ausrichtung der Stadt ganz ohne empirisch-sichtbarliche Konsequenzen doch nicht abgeht und diese ahnenkultliche Neuorientierung sich, wenn sie schon keine praktisch-reellen Auswirkungen hat, so immerhin doch kultisch-institutionellen Ausdruck verschafft. So wahr die römische Aristokratie dem Rex sacrorum, dem bürokratisch-kursorischen Abspeiser der Götter, den Pontifex maximus, den "Großen Brückenbauer", zur Seite stellt beziehungsweise als oberste religiöse Einrichtung überordnet, so wahr zollt dieses höchste kultische Amt der prekären Stellung der Stadt zwischen abgedankter theokratisch-opferkultlicher Verpflichtung und um der Abdankung jener Verpflichtung willen geltend gemachter genokratisch-ahnenkultlicher Bindung Tribut und markiert mit anderen Worten den Spagat, den die Aristokratie vollführt, um sich und ihr theokratisches Erbe, den herrschaftlichen Reichtum, aus der territorialherrschaftlichen Sphäre auszulösen und in den Freiraum der Stadt zu integrieren – einen Spagat, der in der Tat dem Schwebezustand eines Brückenbaues, einem in die Schwebe zurückgenommenen, zur Brücke in sich verhaltenen Übergang gleicht und in den die Aristokratie auch, ideologisch zumindest, die dadurch in einen tragenden Pfeiler verwandelte städtische Gemeinschaft verwickelt und einspannt. Aber eben weil der große, von den Göttern zu den Ahnen, vom Opferkult zum Ahnenkult verlaufende Bogen, in den der Pontifex maximus die städtische Gemeinschaft als tragenden Pfeiler einspannt, weil die richtungweisende Brücke, die er mit Hilfe der als Stützpunkt und Operationsbasis reklamierten Stadt schlägt, eine rein kultische, nicht etwa zur Praxis in der Stadt alternative, sondern ihr vielmehr komplementäre Veranstaltung bleibt, dient das ideologisch die Stadt als Mittel zum ahnenkultlichen Zweck reklamierende Amt des Pontifex maximus in aller Praxis dazu, die städtische Gemeinschaft selbst als vorläufig höchsten Zweck des aristokratischen Tuns und Treibens, den Freiraum der Stadt als das A und O ihres von Pietas erfüllten reichtumgestützen Wirkens ineins zu bestätigen und zu bekräftigen.

Faktisch wichtig und praktisch folgenreich wird der in der Einbindung der städtischen Gemeinschaft in die ahnenkultliche Perspektive der aristokratischen Geschlechter und in der Umfunktionierung des städtischen Freiraums in eine quasitotenkultliche Opferstätte bestehende ideologische Nachteil des römischen Strategems zur Integration herrschaftlichen Reichtums nur und erst dort, wo herrschaftlicher Reichtum zu einer ständig wiederkehrenden und ständig neu nach seiner integrativen Bewältigung verlangenden Erscheinung wird. Weil die emanzipierende Kraft des ahnenkultlichen Strategems sich nicht wie beim Kunstgriff des Wesensbezuges in der definitiv negativen Entwertung und Entwirklichung des herrschaftlichen Reichtums und aller ihn angeblich eignerschaftlich reklamierenden theokratischen Mächte erschöpft, sondern vielmehr in einer infinit positiven Umwertung und alternativen Verwirkung des Reichtums, sprich, in der Ablösung der alten, dem städtischen Freiraum, der sich aus ihrem Herrschaftsgebiet absentiert, feindlich gesonnene Herren des Reichtums und ihrer Ersetzung durch neue, dem städtischen Freiraum, der sich ihnen als Kultstätte zur Disposition stellt, wohlgesinnte Reichtumseigner resultiert und weil also das ahnenkultliche Strategem den herrschaftlichen Reichtum nicht einfach ein für allemal entmächtigt und der mit ihm verknüpften sakralen Verbindlichkeiten entledigt, sondern dies nur dadurch vollbringt, dass es ihm ad infinitum eine alternative Mächtigkeit nachweist und ihn einer neuer sakralen Bindung überführt, ist in besagtem Falle, dem Fall, dass ständig weiterer herrschaftlicher Reichtum in die Stadt fließt, dafür gesorgt, dass nun auch jener vom ahnenkultlichen Strategem geltend gemachte alternative eignerschaftliche Anspruch ständig neu erhoben wird und als ein der Erscheinung des herrschaftlichen Reichtums selbst an Permanenz in nichts nachstehender Bemächtigungstrieb in Aktion tritt.

Sowenig das, was den herrschaftlichen Reichtum der Aristokratie im Sinne einer Entkräftung seiner opferkultlich-sakralen Bindungen profanisiert, ein als absolutes Wesen negatives Prinzip ist, das dem Reichtum als solchem mit nicht geringerer Indifferenz und Negativität begegnet als den hinter ihm stehenden göttlichen Mächten, sosehr es vielmehr seinerseits eine als relative Ahnenreihe positive Macht ist, die den herrschaftlichen Reichtum seinen göttlichen Eignern streitig macht und ihn in diesem Sinne profanisiert, nur um ihn stante pede mit neuer sakraler Bedeutung zu versehen und nämlich zu ihrem eigenen Anliegen zu erklären, ihn als etwas, das ihr zusteht, in Anspruch zu nehmen, sowenig kann diese qua Ahnen wirksame, alternativ besitzergreifende Macht jemals Ruhe geben, sosehr muss sie sich jeden weiteren, im Freiraum der Stadt von außerhalb auftauchenden herrschaftlichen Reichtums als ihres Erbteils, ihres legitimen Eigentums bemächtigen. Oder besser gesagt müssen, da sie selbst ja nur ein ideologischer Faktor, eine nirgends sonst als in den religiösen Vorstellungen und kultischen Veranstaltungen der aristokratischen Familien Wirksamkeit beweisende strategische Figur ist, ihre lebendigen Repräsentanten, die in ihrem Namen, als ihre Sprachrohre, ihre personae, agierenden Oberhäupter der Familien, die aristokratischen Patres, solchen Bemächtigungstrieb an den Tag legen und mit unstillbarer Besitzgier allen im Dunstkreis der Stadt etwa auftauchenden herrschaftlichen Reichtum an sich reißen, um jenem zur Integration des Reichtums in den kommerziell-städtischen Zusammenhang ersonnenen Strategem einer Entkräftung und Tilgung theokratisch-opferkultlicher Verpflichtungen durch alternative Ansprüche genokratisch-ahnenkultlicher Provenienz Genüge zu leisten.

Allerdings legen die Patres dieses von Rücksicht auf die Ahnen, von schierer Pietas, diktierte unersättliche Besitzstreben im Blick auf allen der territorialherrschaftlich-götterkultlichen Sphäre entstammenden Reichtum ja nur an den Tag, um sogleich die kultische Rücksicht in praktische Voraussicht, die pietätvolle Bindung an die familiären Ahnen in nicht minder pietätvolle Verbundenheit mit dem als Wohnsitz und Hochburg der Ahnen unentbehrlichen städtischen Freiraum umzumünzen und den in Besitz genommenen Reichtum in den Dienst dieses Freiraumes und des ihn okkupierenden Gemeinwesens zu stellen, kurz, ihn gemeinschaftsdienlich zu verwenden. Nur durch diese im Begriff der Pietas beschlossene Gleichsetzung des Kults um die Ahnen mit einem hingebungsvollen Wirken für das Wohl der als faktische conditio sine qua non solchen Ahnenkults erscheinende städtische Gemeinschaft, nur also durch die umstandslose ideologische Umfunktionierung der Stadt in die vordringlichste und vornehmste ahnenkultliche Opferstätte, können sich ja die Patres den totenkultlich-katabolischen Konsequenzen eines in das Grab hinein fortgesetzten Reichtumstransfers entziehen, die ansonsten in dem von ihnen zur Anwendung gebrachten ahnenkultlichen Strategem beschlossen und die in der Tat geeignet wären, die mit dem Strategem verfolgte Zielsetzung einer Integration des herrschaftlichen Reichtums in den kommerziell-städtischen Kontext katabolisch-gründlich ad absurdum zu führen.

Und von dieser qua Pietas durchgesetzten Gleichsetzung von Bindung an die Ahnen und Hingabe an die Stadt beziehungsweise von familiär-privativer Aneignung und gemeinschaftsdienlicher Verwendung her betrachtet, scheint nun auch die Dynamik der mit dem ahnenkultlichen Strategem verknüpften Bemächtigungssucht und Besitzgier, mit der die Patres im Namen der genokratischen Substanz, die sie personifizieren, jeglichem in der Stadt auftauchendem herrschaftlichen Reichtum begegnen, kein sonderlicher Schade und überhaupt kein wirklicher Nachteil, da somit der von der Aristokratie kultverdächtig-zwanghaft angeeignete Reichtum pietätvoll-zuverlässig stets doch der städtischen Gemeinschaft zugute kommt, zur Festigung und Förderung, Vergrößerung und Erhöhung des kommerziell-städtischen Gemeinwesens verwendet wird, und sich also der vom ahnenkultlichen Strategem diktierte familiär-privative Gestus des Pater familias, des persönlichen Repräsentanten der Ahnen, immer gleich wieder in die selbstverleugnende Gebärde des in der res publica seine wahre Heimstatt und sein eigentliches familiäres Anliegen findenden Patronus urbis, des öffentlichen Bewahrers der von den Ahnen geheiligten Kultstätte, umgewandelt zeigt.

Zum Problem wird die Sache nur und erst dann, wenn nicht allein ständig neuer herrschaftlicher Reichtum in das städtische Gemeinwesen fließt, sondern wenn es mehr noch das städtische Gemeinwesen selbst ist, das für diesen ständigen Zufluss an herrschaftlichem Reichtum sorgt. Falls nämlich die Stadt selbst den Reichtum beschafft, der jedes Mal neu den im ahnenkultlichen Strategem implizierten Bemächtigungstrieb der Aristokratie beziehungsweise ihrer Oberhäupter erregt, liegt der Nachteil jener die Integration des Reichtums durch dessen positive Umwertung ins Werk setzenden ahnenkultlichen Strategie auf der Hand und tut sich in einem wahren Teufelskreis aus privater Bereicherung und Verwendung fürs öffentliche Wohl, sprich, in einem circulus vitiosus der Umwandlung des kommerziell-städtischen Freiraums in eine sich selbsttätig füllende Beute- und Schatzkammer der aristokratischen Ahnen ebenso unabschließbar wie unübersehbar kund.

Unnötig zu sagen – weil in der früheren Behauptung von einer mit dem Übergang von der griechischen Polis zur römischen Urbs einhergehenden Verwandlung des städtischen Gemeinwesens aus einem kommerziellen in einen nichtkommerziellen Reichtumbeschaffer ja bereits vorweggenommen –, dass genau dies, die problematische Kombination nämlich des ahnenkultlichen Strategems zur Integration herrschaftlichen, nichtkommerziell erworbenen Reichtums in die Stadt mit einem von der Stadt selbst ausgebildeten Mechanismus zur Beschaffung immer neuen herrschaftlichen, nichtintegrierten Reichtums, der Fall der römischen Republik ist! Und unnötig zu sagen – weil durch die Geschichte selbst sattsam belegt –, dass diese Kombination aus aristokratischem Strategem und gemeinschaftlich ausgebildetem Mechanismus der Fall der Republik in der ganzen Zweideutigkeit des Wortes ist: mit der Republik Gegebenes, Faktum, und zugleich über die Republik Verhängtes, Fatum. In eben dem Maße, wie der von der res publica, der städtischen Gemeinschaft unter aristokratischer Führung, ständig neu herbeigeschaffte herrschaftliche Reichtum von der Aristokratie im Namen ihrer genokratischen Substanz, der Ahnen, mit Beschlag belegt und aber aus Pietas, aus wohlverstandener Sorge um das Leben der Ahnen und den Bestand ihres Kultes, zur Stärkung und Förderung ihrer irdischen Hochburg und diesseitigen Kultstätte, des als kommerzielles Gemeinwesen etablierten städtischen Freiraumes, verwendet wird, wird nolens volens auch und zugleich die Fähigkeit dieser von der Aristokratie geführten städtischen Gemeinschaft gestärkt und gefördert, den von ihr ausgebildeten nichtkommerziellen Appropriationsmechanismus immer umfänglicher und wirksamer einzusetzen und immer mehr herrschaftlichen Reichtum aus der territorialherrschaftlichen Sphäre in den Freiraum der Stadt zu schaffen, und findet sich damit, wie zum einen die städtische Gemeinschaft immer stärker in einen Beschaffungsautomaten für die Habgier der im Namen ihrer Ahnen agierenden Familien überführt, so zum anderen die Aristokratie selbst vor die immer herausforderndere und zunehmend unlösbare Aufgabe gestellt, den im Namen der Ahnen vereinnahmten herrschaftlichen Reichtum entgegen allen mit ihm unmittelbar verknüpften totenkultlich-katabolischen Konnotationen im Sinne von Pietas zu verwenden und das heißt, zu Nutz und Frommen der in einen Automaten zur Beschaffung von immer mehr herrschaftlichem Reichtum verwandelten städtischen Gemeinschaft zu gebrauchen. Die römische Republik findet sich mit anderen Worten durch die Kominbation aus ahnenkultlichem Reichtumsintegrationsstrategem und nichtkommerziellem Reichtumsbeschaffungsmechanismus in eine eskalierende Zirkelbewegung, eine automatische Spirale eingespannt, die ebenso sehr als ihr Lebensprinzip, als ein sie zu gewaltiger politischer Macht und beispielloser historischer Größe treibendes Motiv erscheint, wie sie sich am Ende als ihre Todesspirale, eine sie in die schier endlose Agonie des Kaiserreichs katapultierende, selbsttragend-prinzipielle Fehlorientierung herausstellt.

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