10. Militärdespotie

Der Versuch des Kaisers, sich dem in den Wahnsinn treibenden Einfluss des Populus durch Verhätschelung und Begünstigung seines militärischen Arms zu entziehen, schlägt fehl, weil dadurch die fortbestehenden Bindungen des Heers an den Populus nur irrationalisiert und des Charakters funktioneller Eigenmächtigkeit und pathologischer Unberechenbarkeit überführt werden.

Ungeachtet oder vielmehr wegen der mit ihr einhergehenden Vereindeutigung der politischen Stellung des Imperators, seiner Extraktion aus allem patrizischen Kontext und definitiven popularen Verankerung, bringt also die im Kaiserkult besiegelte Allianz zwischen plebejischem Souverän und konsularischem Tribun, zwischen Populus Romanus und Augustus Cäsar, alles andere als institutionelle Stabilität und personelle Kontinuität im Staate mit sich und resultiert im Gegenteil in einem ständigen, zwischen den Ansprüchen des Populus und den Anforderungen des Imperiums schwelenden und während der ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderte periodisch zum Ausbruch kommenden, strukturellen Widerspruch und intentionalen Konflikt. Weil der Populus als zentraler Nutznießer des imperialen Ausbeutungssystems letzterem gegenüber in äußerster Passivität und Abstraktheit verharrt und den Betrieb und Erhalt des Systems der absoluten Procura und kultisch überhöhten Amtsgewalt des Kaisers und seiner equestrischen Helfershelfer überlässt, bildet sich bei ihm eine Konsumenten- und Rentiershaltung, quasi eine automatische Empfangsbereitschaft, ein Naturrecht auf Dotierung heraus, das durch kein Moment von aktiver Teilnahme an den Reichsgeschäften mehr vermittelt, durch keinerlei Einsicht in die zur Aufrechterhaltung des Systems erforderlichen militärischen Anstrengungen, bürokratischen Veranstaltungen und infrastrukturellen Vorrichtungen mehr getrübt ist.

Und wie so der Populus in ihn, den per Kaiserkult zum absoluten Machthaber erhobenen Imperator, der nur mehr durch die als cäsarische Natur ihm eingefleischten Verpflichtungen gegenüber seiner plebejischen Klientel in seiner Willkürherrschaft eingeschränkt beziehungsweise, positiv ausgedrückt, in seiner Willensfreiheit bestimmt ist, all seine Hoffnungen auf subsistenzielle Versorgung und soziale Unterhaltung, das heißt, auf die Entfaltung und Sicherung seiner imperialen Nutznießerrolle, setzt, konzentriert nun aber auch, wie nicht anders zu erwarten, der Populus auf ihn, den als Reichsverweser und Systemerhalter mit der Wahrung eben des Realitätssinns, den er selbst in seinem abstrakten Konsumentenstatus und passiven Rentiersdasein eingebüßt hat, betrauten kaiserlichen Machthaber, seine gesammelte Enttäuschung und Empörung, wenn ihm seine abstrakte Perspektive und durch schiere Passivität entstellte Sicht die imperatorische Sorge ums Reich als Verrat am Volk, den praktizierten Realitätssinn des Kaisers als strafwürdigen Vertragsbruch vor Augen stellt. Und so sehr diese Enttäuschung und Empörung des Populus im Normalfall die Latenzform schwelenden Ressentiments wahrt, so sehr kann sie in durch äußere Umstände oder Cäsarenwahn verschuldeten Krisen- und Notzeiten doch aber auch zum Ausbruch kommen und die manifeste Gestalt einer Meuterei und Revolte annehmen, die auf den Sturz des aller epiphanischen Göttlichkeit entkleideten und als profaner Usurpator entlarvten Machthabers und seine Ersetzung durch einen als die demgegenüber wahre Verkörperung der cäsarischen Natur erscheinenden neuen Imperator zielt.

Was Wunder, dass bei den kaiserlichen Amtsinhabern, soweit sie noch ihre fünf Sinne beisammen haben und sich nicht vor dem Druck der an sie gestellten widersprüchlichen Anforderungen in den haltlosen Populismus beziehungsweise die Allmachtsphantasien des Cäsarenwahns flüchten, das Bedürfnis entsteht und der Gedanke reift, den Populus, der sie mit seinen allen Realitätssinns baren Ansprüchen auf wohlfahrtsstaatliche Versorgung und circensische Unterhaltung in den Wahnsinn treibt, zu entmachten, um sich vor seinen in periodischen Umstürzen resultierenden Ressentiments und Aufsässigkeiten zu schützen, mit anderen Worten, den mit der plebejischen Klientel geschlossenen und im Kaiserkult besiegelten Bündnisvertrag zu lösen und die formaliter absolute Macht, die der Imperator kraft cäsarischer Natur mit der plebejischen Klientel teilt, realiter in Anspruch nehmen und gegen alle konkurrierenden Aspirationen behaupten zu können. Eine Entmachtung des Populus Romanus aber setzt voraus oder ist vielmehr gleichbedeutend damit, dass es gelingt, den popularen Beitrag zur imperatorischen Herrschaft, das aus den plebejischen Reihen rekrutierte Massenheer, entbehrlich werden zu lassen oder jedenfalls in seiner spezifischen Rolle als Beitrag des römischen Volkes zu neutralisieren. Schließlich sind ja die aus den plebejischen Reihen angeworbenen Söldnertruppen die maßgebende Leistung, die im Blick auf die Errichtung und Erhaltung des imperatorischen Regiments und kaiserlichen Imperiums das Volk erbringt, und dementsprechend auch die grundlegende Rechtfertigung für die Erwartungen und Ansprüche, die es mit der kaiserlichen Herrschaft verknüpft.

Wie das Volk mit dem der Mariusschen Heeresreform entspringenden Massenheer dem zum Imperator avancierenden tribunizischen Konsul das militärische Machtinstrument an die Hand gibt, kraft dessen dieser die senatorische Republik in die cäsarische Volksdiktatur überführt, so gewinnt es nun aber auch selber mit eben jenem Massenheer ein Druckmittel, das ihm nachhaltigen Einfluss auf die Politik des Kaisers und eine dauerhafte Kontrolle über deren Optionen verleiht. Dank des sozialen Zusammenhangs, der ethnischen Kontinuität und der familiären Bindungen zwischen dem römischen Populus und den kaiserlichen Legionen kann sich der erstere auf die letzteren jederzeit verlassen, kann er sie zuverlässig ins Feld führen, wenn es darum geht, den Kaiser zur Einhaltung seiner popularen Verpflichtungen zu bewegen und ihn davon abzubringen oder abzuhalten, den Forderungen staatspolitischer Vernunft nachzukommen beziehungsweise den Launen cäsarischer Hybris nachzugeben. Und ins Feld führen kann der Populus die Legionen eben nicht etwa nur als moralischen Appellativ und überzeugungskräftiges Argument zur Begründung seines Anspruchs auf Versorgung und Zuwendung, sondern durchaus als praktisches Korrektiv und schlagkräftiges Mittel zur Disziplinierung dessen, an den sich der Anspruch richtet: Wie der militärische Arm, den das Volk dem Kaiser leiht, den objektiven Beweg- und Rechtfertigungsgrund für das Brot und die Spiele, die wohlfahrtsstaatlichen Leistungen und sozialen Veranstaltungen, darstellt, die letzterer dem ersteren schuldet, so bildet er auch und zugleich das aktive Macht- und Durchsetzungsinstrument, um diese Schuld beim Kaiser geltend zu machen und gegebenenfalls mit Gewalt einzutreiben. Tatsächlich ist es das Heer, das in den periodisch wiederkehrenden, durch Notzeiten des Imperiums oder den Wahnsinn der Imperatoren heraufbeschworenen akuten Konfrontationen zwischen dem Kaiser und seiner popularen Klientel die Führungs- und Exekutivrolle übernimmt und die auf den Sturz des falschen Cäsar und seine Ersetzung durch eine bessere persona und wahre Epiphanie des paradigmatischen Ahnherrn hinauslaufenden Konsequenzen zieht.

Die kaiserlichen Amtsträger, die klug und staatsmännisch genug sind, für sich und ihre Nachfolger eine größere Stabilität der Herrschaft und mehr Freiheit in der Machtausübung anzustreben und die zu diesem Ende bemüht sind, ihre plebejische Klientel, den römischen Populus, als maßgebenden politischen Faktor, als im Zentrum der Macht operierende einflussreiche Lobby in Schach zu halten beziehungsweise nach Möglichkeit auszuschalten, haben, so gesehen, gleich doppelten Grund, im militärischen Beitrag des Populus zur Entfaltung und Erhaltung des imperialen Staats, im plebejischen Massenheer, das vordringliche Problem und entscheidende Hindernis zu erkennen, das einer Festigung der institutionellen Grundlagen der kaiserlichen Herrschaft und Sicherung ihrer personellen Kontinuität im Wege steht: So gewiss das aus dem Populus rekrutierte und ihm in vielerlei Hinsicht verbunden bleibende Volksheer dessen wohlfahrtgesellschaftliche Versorgungsansprüche und sozialgemeinschaftliche Unterhaltungsforderungen nicht etwa nur objektiv-faktisch begründet beziehungsweise passiv-moralisch repräsentiert, sondern mehr noch offensiv-praktisch vertritt und aktiv-militärisch durchzusetzen bereit steht, so gewiss können die kaiserlichen Amtsträger nur in dem Maße hoffen, ihren institutionellen Stand zu festigen und ihre personelle Kontinuität zu sichern, wie ihnen gelingt, das Heer um seine amphibolische Position als gleichermaßen militärischer Arm des Imperators und politisches Faustpfand des Populus zu bringen und es dem bestimmenden Einfluss und der relativen Verfügung des letzteren zu entziehen, um es zu ihrem alleinigen Instrument, einem ausschließlich ihnen, den kaiserlichen Amtsträgern, verpflichteten Corpus zu machen.

Dieses Ziel einer Vereindeutigung der Stellung des Heeres, seiner Verwandlung in ein dem obersten Befehlshaber rückhaltlos ergebenes Korps suchen die Kaiser vornehmlich dadurch zu erreichen, dass sie die Legionen ihrer besonderen Zuwendung und Fürsorge würdigen, ihnen durchgängig eine Vorzugsbehandlung angedeihen lassen. Nicht nur, dass ihnen nichts mehr am Herzen liegt als die Veteranenversorgung und die Dotierung der im Feld stehenden beziehungsweise siegreichen Truppen mit Sonderzahlungen und Beuteanteilen, sie betreiben darüber hinaus, wie bereits erwähnt, eine systematische Militarisierung des Staatsapparats, des kaiserlichen Hofes und des gesellschaftlichen Establishments, indem sie Offiziere der Linientruppen und der Eliteeinheiten, der Feldlegionen und der Prätorianergarden, militärische Chargen und Günstlinge aller Art, mit hohen Staatsämtern betrauen, in den Senat expedieren, mit Landgütern beschenken und mit Reichtümern überhäufen. Wie diese Personalpolitik und Promotionspraxis den oben genannten Zweck erfüllt, den Einfluss des Patriziats zurückzudrängen und die alte, kraft ihrer traditionellen politischen Institutionen und ihrer ökonomischen Basis noch relativ eigenständige Oberschicht durch eine vom kaiserlichen Hof abhängige und seinem Schicksal auf Gedeih und Verderb verbundene Funktionärs- und Günstlingsclique zu ersetzen, so verfolgt sie aber auch und zugleich den Zweck, einen Keil zwischen die mit Vorzug behandelten Militäreinheiten und ihre begünstigten Chargen einerseits und die plebejischen Massen, aus denen sie sich rekrutieren, andererseits zu treiben, und so die ersteren dem letzteren hinlänglich zu entfremden, um an ihnen ein willfähriges, dem kaiserlichen Willen rückhaltlos ergebenes und das heißt, auch und nicht zuletzt gegen den Einfluss des eigenen sozialen Herkunftsmilieus immunen und von kommunalen Bindungen und familiären Rücksichten freien Werkzeugs zu haben.

Der Erfolg dieser, wie einerseits auf die Brechung der Macht des Patriziats, so andererseits auf die Neutralisierung des Einflusses des Populus abgestellten Politik einer Militarisierung des Staatsapparats und der Oberschicht lässt allerdings zu wünschen übrig. Weit entfernt davon, dass die Avancen, zu denen sich die kaiserlichen Amtsinhaber gegenüber dem Militärapparat bereit finden, diesen dazu brächten, seine soziale Herkunft und seine kommunal-familiären Bindungen zu vergessen und sich der imperialen Sache seines Dienstherrn rückhaltlos zu verschreiben, dienen sie vielmehr nur dazu, das Selbstbewusstsein und die Anspruchshaltung des solchermaßen Umworbenen zu stärken beziehungsweise zu hypertrophieren und ihn aus einem im Normalfall willfährigen Werkzeug der kaiserlichen Politik, das sich vom Populus im Not- und Ausnahmefall gegenüber dem Kaiser als ein Korrekturmittel und Disziplinierungsinstrument in Anschlag bringen und als Büttel plebejischer Interessen und Exekutor des Volkswillens einsetzen lässt, in eine relativ eigenständige fraktionelle Kraft und halbwegs selbstbestimmte politische Agentur zu verwandeln, die das Volksbegehren und plebejische Interesse zwar durch den ihr vom Kaiser zugewiesenen Sonderstatus und privilegierten Standort, den ihr vom Kaiser verliehenen gesellschaftlichen Subjektcharakter flektiert und filtriert, es in dieser revidierten Fassung und militarisierten Form aber nichtsdestoweniger zu ihrer ureigensten Sache erklärt und als ihr wesentliches Anliegen festhält und es dank ihrer konstitutiven Bedeutung und effektiven Unentbehrlichkeit für die kaiserliche Herrschaft dem Kaiser als allzeit präsentes und permanent drohendes Menetekel vor Augen rückt.

Ohne seine soziale und familiäre Verankerung, seinen Rückhalt im Volk zu verlieren, erlangt so der Militärapparat durch jene Begünstigungspolitik, die ihn seiner Basis, seinem Herkunftsmilieu entfremden und ganz auf die Seite des Kaisers ziehen soll, nur ein besonderes Gewicht und neues Format, das ihn zu einem mit Eigenleben ausgestatteten Instrument, einem mit Eigenwillen begabten Agenten, kurz, einem Quasisubjekt oder Pseudosouverän, avancieren lässt und ihm erlaubt, die unverändert von ihm vertretenen Interessen seiner Basis und Ansprüche seines Herkunftsmilieus, amalgamiert mit seinen eigenen, militärspezifischen Zuwendungserwartungen und Versorgungsforderungen jederzeit und gegebenenfalls mit Gewalt gegenüber dem ihm permanent ausgelieferten, weil im engsten systematischen Umgang mit und in völliger praktischer Abhängigkeit von ihm den Staat regierenden Kaiser geltend zu machen. Statt die durch soziale Zusammengehörigkeit und familiäre Bindungen fest geknüpfte Interessengemeinschaft aus Populus und Militia aufzulösen, verschiebt die Bevorzugung und Beförderung, die der Kaiser der letzteren zuteil werden lässt, nur das Kräfte- und Kompetenzverhältnis zwischen beiden: Aus dem Werkzeug, dessen sich notfalls sein Schöpfer gegen seinen Benutzer bedienen kann, wird ein Automat, der den Willen beziehungsweise die Launen des Schöpfers selbsttätig gegen den Benutzer und seine Absichten zur Geltung bringt, aus dem militärischen Arm, den der Populus dem Imperator zur Verfügung stellt und den er notfalls gegen diesen erheben kann, wird ein verselbständigter Roboter, der aus eigener Programmbefugnis darüber entscheidet, wie lange er dem Kaiser dienstbar bleibt und wann er im Namen des popularen Leihgebers, sprich, im Interesse der von ihm als Handlungssubjekt und realem Akteur repräsentierten Volksmacht und sozialen Substanz, gegen den Kaiser aufsteht.

Ganz anders als geplant fällt also das Ergebnis aus, das die von den kaiserlichen Amtsträgern verfolgte Politik einer Begünstigung des Militärs und seiner Erhebung zu einer nicht nur im Feld, sondern mehr noch bei Hofe, im Staatsapparat und sogar in der guten Gesellschaft tonangebenden Schicht zeitigt. Statt die populare Leihgabe, das Heer, ganz und gar für sich einzunehmen, und damit dem Volkswillen seine Appellationsinstanz, sein dem Staat gegenüber aktivierbares Kontroll- und Disziplinierungsorgan, zu entziehen, erreichen die kaiserlichen Amtsträger mit ihrer Begünstigungspolitik nichts weiter als eine Ermächtigung und Autorisierung des Heeres, seine Verselbständigung zu einem Automaten, einem Quasisubjekt, die den nach wie vor wirksamen Volkswillen, das nach wie vor Einfluss übende populare Interesse aus einem behaftbaren äußeren Bestimmungsfaktor in ein jeder Kontrolle entzogenes inneres Verhaltensmotiv, aus einer objektivierbar politischen Instanz in eine subjektiviert psychische Disposition überführt. In der Tat läuft die aus der Erhebung des Volksheeres und seiner Chargen zum Günstling und Hätschelkind des Kaisers resultierende und oben als bloße Verschiebung des Kräfte- und Kompetenzverhältnisses zwischen Populus und Militia beschriebene Wahrnehmung der Ansprüche und Interessen des Volkes durch das dank kaiserlicher Gunst zum gesellschaftlichen Automaten, zum roboterhaften Quasisubjekt verselbständigte Militär, insofern sie mit einer Flektion jener Ansprüche durch die Eigensucht des automatisierten Herrschaftsinstruments, einer Verquickung jener Interessen mit der Eigendynamik des roboterisierten militärischen Arms einhergeht, nolens volens auf eine Pathologisierung und Irrationalisierung des Wahrnehmungsmodus hinaus. Jenes intermittierende Aufbegehren des Militärs, das zu Anfang äußerer popularer Anstachelung, bürgerschaftlich-situativer Manipulation, gesellschaftlich-politischem Fremdeinfluss entsprang, es geht jetzt aus einer spontan-inneren Reizbarkeit, eigentümlich-konstitutiven Unzufriedenheit und persönlich-idiosynkratischen Aufsässigkeit hervor. So gesehen, ist den Kaisern mit ihrer Begünstigungspolitik nichts weiter gelungen, als den Teufel mit Beelzebub auszutreiben. Zwar haben sie den militärischen Arm zu einer eigenständigen, die Quasiautonomie eines Roboters behauptenden Macht im Staate avanciert und ihn insofern dem direkten Einfluss des Volkscorpus und der unmittelbaren Inanspruchnahme durch es entzogen, aber was sie damit gewonnen haben, ist ein pathologisiertes, von krankhafter Dysfunktionalität und Widersetzlichkeit gebeuteltes Instrument, ein irrationalisierter, von unberechenbaren Ausbrüchen des Ressentiments und der Empörung heimgesuchter Agent.

Verantwortlich für diese Pathologisierung des militärischen Arms und Irrationalisierung des Herrschaftsinstruments ist das populare Corpus, dessen Willen der wie auch immer zu roboterhaftem Eigenleben beförderte Arm verhaftet, ist die familiäre Matrix, deren Anspruch das wie sehr auch zum automatischen Quasisubjekt verselbständigte Instrument hörig bleibt. Jene soziale Zugehörigkeit und familiäre Bindung des Volksheeres, die dank der Förderung, die ihm die Kaiser angedeihen lassen, die Bedeutung eines für es entscheidenden öffentlich-praktischen Beweggrunds und einer es bestimmenden manifest-persönlichen Verpflichtung einbüßt, sie lebt als ständig intervenierende privatpsychologische Disposition und als immer neu irritierende latent-idiosynkratische Rücksicht in dem zum kapitalen Machtfaktor avancierten Militär fort beziehungsweise kehrt in dieser privatisierten Form und subjektivierten Gestalt in ihm wieder und sorgt dafür, dass die Kaiser mit der Bändigung und Kontrolle ihres militärischen Armes fast ebenso viel zu tun haben wie mit seinem Einsatz und Gebrauch, dass sie mit der Beherrschung und Pflege ihres Herrschaftsinstruments kaum weniger beschäftigt sind als mit seiner Betätigung und Handhabung. Voraussetzung dafür, dass es gelingt, das durch die kaiserliche Förderungspolitik zu einem Machtfaktor nicht zwar sui generis, wohl aber propria auctoritate verselbständigte Heer von seiner pathologischen Disposition zu befreien und als den militärischen Arm des Imperiums wieder fest in den Griff zu bekommen, ihm seine irrationale Natur auszutreiben und es als kaiserliches Herrschaftsinstrument dauerhaft handhabbar zu erhalten, scheint demnach seine Ablösung von der sozialen Substanz, der es bei aller institutionellen Selbständigkeit verhaftet, seine Abtrennung von der generischen Matrix, in der es bei aller funktionellen Eigenmächtigkeit verwurzelt bleibt. Nur wenn sie es schaffen, den imperialen Legionen und Prätorianern ihre soziale Zusammengehörigkeit und ethnische Kontinuität mit dem Populus Romanus zu nehmen und die familiären Bindungen und persönlichen Abhängigkeiten, die erstere mit letzterem verknüpfen, aufzulösen, können die Kaiser hoffen, ihren Truppen und Garden den als pathologische Unruhe und als irrationale Motivation in ihnen fortwirkenden Volkswillen zu verschlagen und, wie damit den Volkswillen seines Handlungsorgans zu berauben und zu ressentimentgesättigter Ohnmacht zu verdammen, so dem militärischen Herrschaftsinstrument selbst die rationale Fasson eines um sein motivationales Eigenleben gebrachten bloßen Instruments zu verleihen.

Das Heer bedarf mit anderen Worten, um als Herrschaftsinstrument beherrschbar und als imperiales Machtorgan brauchbar zu sein, einer weitestgehenden personellen Erneuerung, einer möglichst vollständigen Auswechslung seiner traditionellen Belegschaft, einer Ersetzung seiner sozial und familiär, biographisch und ethnographisch in der italischen Bürgerschaft, dem Populus Romanus, verwurzelten besoldeten Angehörigen durch Offiziere und Mannschaften, die als eine aus aller Herren Länder, aus den verschiedensten Ethnien und Kulturen rekrutierte Söldnerschar frei von solchen sozialen und persönlichen Bindungen ist und die mit dem römischen Volk faktisch nichts verbindet als eben der Sold, in den der dies Volk mit Generalvollmacht vertretende und in seiner absoluten Machtausübung höchstens und nur durch das populare Schibboleth seiner cäsarischen Natur eingeschränkte Kaiser sie nimmt.

Die Ablösung des Heers von seiner bisherigen sozialen Rekrutierungsbasis, dem römischen Populus, ergibt sich aus den Notwendigkeiten der Erhaltung und Verwaltung des Reiches selbst. Wenn damit der Populus Romanus als Nutznießer des kolonialistischen und sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystems abgedankt wird, liegt dies in der Logik der objektiven Bedingungen, unter denen er seine Nutznießerrolle übernommen hat.

So absurd dies auf eine Emanzipation des Kaisers von seiner popularen Klientel und deren ressentimentgeladenem Einfluss, ihrer herrschaftswidrigen Kontrolle, zielende militärpersonale Erneuerungs- und Auswechselprogramm als theoretische Forderung auch erscheinen mag, so bar jeder historischen Praktikabilität es anmutet, wenn man es sich als ein von den imperatorischen Amtsträgern bewusst in die Wege geleitetes und aus bürokratisch freien Stücken organisiertes Projekt vorstellt – als eine durch die Verhältnisse selbst, die Existenzbedingungen der imperialen Herrschaft diktierte und angestoßene Entwicklung ist solch eine Erneuerung des Heerespersonals, solch eine Auswechslung der militärischen Belegschaft durchaus praktikabel und tatsächlich längst empirisches Ereignis. Wie so oft kommen auch hier die historischen Umstände den um eine Orientierung verlegenen historischen Akteuren, wie man will, zu Hilfe oder in die Quere und weisen ihnen den Weg, dem sie nur zu folgen beziehungsweise den sie nur zielstrebig einzuschlagen brauchen, um das Problem, angesichts dessen sie sich desorientiert zeigen, zu lösen. Und derart zwingend und unwiderstehlich zeigt sich auch in diesem Fall die Macht der durch historisches Handeln geschaffenen historischen Verhältnisse, dass, recht besehen, nicht einmal von einer Koinzidenz oder einem Zusammenwirken zwischen subjektivem Vorhaben und objektiver Vorgabe, zwischen politischem Programm und faktischem Prospekt zu reden angebracht scheint, sondern dass sich vielmehr die historische Entscheidung oder politische Lösung der Akteure als schiere Reaktion auf die Gegebenheiten, als bloße Konsequenzzieherei aus einer historischem Handeln entspringenden und es im Rückschlag naturprozessual determinierenden Entwicklung darstellt.

Der Not gehorchend, beginnen die Kriegs- und Besatzungstruppen des römischen Imperiums schon früh damit, Söldner aus den Provinzen und vor Ort der weit entfernten Kriegsschauplätze anzuwerben und ihren Reihen einzugliedern. Durch die räumliche Expansion des Reiches, die Vielzahl und Stärke der in den neueroberten Provinzen zu stationierenden Garnisonen und stehenden Heere und die Unablässigkeit der an der einen oder anderen Front zu führenden Kriege ist die Bevölkerung der italischen Kerngebiete, der römische Populus, als Einzugsgebiet für die Aufstellung der Legionen und Garden, als Reservoir für die Rekrutierung des militärischen Personals, bald schon hoffnungslos überfordert, zumal die wohlfahrtsstaatlichen Versorgungsleistungen und Unterhaltungsprogramme, in deren Genuss der Populus regelmäßig gelangt, seine Begeisterung für den Kriegsdienst nicht eben befördert. Den Kaisern bleibt gar nichts anderes übrig, als aus den lokalen Bevölkerungen Soldaten anzuwerben und mit ihnen die bestehenden Verbände aufzufüllen beziehungsweise eigene Truppenteile und ganze neue Legionen aus ihnen zu bilden. So sehr diese Praxis funktionell an die seit den frühesten Zeiten der Republik gepflegte Tradition einer Ergänzung und Unterstützung der römischen Heere durch von den Bundesgenossen oder später der Provinzialen gestellten Hilfstruppen anknüpft, so sehr unterscheidet sie sich doch aber strukturell von jener Tradition dadurch, dass die nichtrömischen Kontingente vollständig den regulären Verbänden eingegliedert und uneingeschränkt römischer Führung unterstellt werden.

Verstärkt und in der Tat entscheidend eskaliert wird diese Barbarisierung des Militärs, diese Durchdringung des Heeres mit nichtrömischem Personal noch durch die zur Stabilisierung der Lage an den östlichen und vor allem nördlichen Grenzen des Reiches angewandte militärische Strategie. Angezogen von den zivilisatorischen Errungenschaften des Römischen Imperiums und der Aussicht auf Beute, die es eröffnet, tauchen dort immer neue Stämme und Stammesgruppierungen von außerhalb auf und üben ständigen Druck auf die Grenzen aus beziehungsweise verwickeln die Grenzregionen und deren römische Verteidiger in nicht enden wollende, zermürbende Kämpfe. Diesen Druck sucht das durch seine Abwehrleistungen überforderte römische Imperium in zunehmendem Maße dadurch zu mindern oder zu konterkarieren, dass es einzelne oder Gruppen der feindlichen Barbaren von der anderen Seite der Grenze auf seine Seite zieht, sie auf Reichsgebiet Land nehmen und siedeln lässt beziehungsweise sie in Sold nimmt und zum Militärdienst heranzieht und so in ein probates Mittel zur Abwehr von ihresgleichen umfunktioniert.

Durch dies beides, die Rekrutierung von Provinzialen und die Integration äußerer Feinde oder Beutehungriger in die römischen Verbände verwandeln sich im Laufe des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts die römischen Legionen und Garden aus einem besoldeten Massenheer, das der Populus Romanus den Cäsaren zur Verfügung stellt, in ein Söldnerheer sans phrase, eine aus dem ganzen Imperium und seinen angrenzenden Regionen zusammengezogene, bunt gewürfelte Streitmacht, für die der Eintritt ins römische Militär mehr oder minder gleichbedeutend ist mit dem Ausscheiden aus ihren angestammten sozialen, ethnischen, kulturellen und familiären Zusammenhängen und die kraft der existenziellen, weil Subsistenz und soziale Identität miteinander verschmelzenden Relevanz, die das Soldverhältnis für sie gewinnt, und dank ihrer sonstigen Wurzel- und Bindungslosigkeit dem kaiserlichen Regiment und seinem primär auf die Erhaltung des Imperiums und höchstens in zweiter Linie auf die Befriedigung der Ansprüche ihrer plebejischen Klientel gerichteten Selbstbehauptungsanspruch tatsächlich mit Haut und Haar verschworen sind. Die kaiserlichen Amtsträger müssen also nur dieser durch die objektiv militärpolitischen Verhältnisse, die strukturbedingt personalpolitische Not des Militärs unvermeidlichen Entwicklung nachgeben beziehungsweise Folge leisten und brauchen sie nur als den auf der Mannschaftsebene sich vollziehenden grundlegenden Wandlungsprozess, der sie ist, durch eine auf den Austausch der militärischen Führungsriege, des Offizierskorps, abgestellte gezielte Personalpolitik zu ergänzen und zu verstärken, um das Problem einer ihnen vom Populus im Heer sei's dank dessen direkter Beeinflussbarkeit, sei's kraft seiner indirekten Disponiertheit beigegebenen Kontrollinstruments und Korrektivs ein- für allemal zu lösen.

Sie tun es, folgen der ihnen durch die strukturellen Umstände und objektiven Erfordernisse vorgezeichneten Entwicklung – mit dem Ergebnis, dass sie am Ende des zweiten Jahrhunderts den Populus Romanus weitgehend seiner mittels Heer behaupteten direkten oder indirekten Einwirkungsmöglichkeiten auf die kaiserliche Politik beraubt und wie den ersteren zu einem machtlosen und seinem kaiserlichen Wohltäter auf Gnade und Ungnade ausgelieferten Sozialfall degradiert, so das letztere auf ein ganz und gar dem imperialen Regiment dienstbares und nämlich keinem anderen Herrn mehr als seinem kaiserlichen Sold- und Brotgeber verpflichtetes Faktotum reduziert haben. Besiegelung und zugleich Ausweis ihres Erfolgs ist die Verdrängung des Populus aus der Rolle der meistbegünstigten Klientel oder des vorzugsweisen Nutznießers der imperatorischen Herrschaft und die damit Hand in Hand gehende Provinzialisierung des italischen Raums und hauptstädtischen Einzugsgebiets, seine Entprivilegierung und Eingliederung in das imperiale Verwaltungssystem. Was Commodus noch als die vom Cäsarenwahn inspirierte Großtat einer als Neubegründung verstandenen Umwandlung Roms in eine seinen Namen tragende Kolonie zelebriert, das exekutiert gut zwanzig Jahre später Caracalla als simplen bürokratischen Akt: Rom verliert mitsamt dem italischen Kerngebiet den Sonderstatus einer Metropole des Reiches und wird zu einer bloßen Kolonie, einer imperialen Provinz unter anderen. Und zugleich verliert die Bevölkerung der Metropole ihre Sonderstellung als Populus Romanus, als römische Bürger: das Bürgerrecht wird auf alle freien Bewohner des gesamten Imperiums ausgedehnt. Dass alle Reichsangehörigen Mitglieder der römischen Civitas werden, bedeutet demnach nicht etwa, dass sie allesamt das wohlfahrtsstaatliche Erbe des Populus, der entmachteten römisch-italischen Klientel des Kaisers, antreten – es signalisiert im Gegenteil, dass auch die römisch-italische Klientel, die Bürger der Metropole, nunmehr auf den Status von Provinzialen, von einfachen Untertanen des Kaisers reduziert sind, dass mit anderen Worten sämtliche, dem Kaiser unterworfene Subjekte des Imperiums zwar privatrechtlich frei und unterschieden von den Sklaven, dem Arbeitsvieh der Latifundien und Manufakturen des imperialen Ausbeutungssystems, und insofern Bürger, aber zugleich ohne Anspruch auf eine privilegierte Behandlung, auf kaiserliche Zuwendungen und wohlfahrtsstaatliche Segnungen, und vielmehr steuerrechtlich dem Kaiser untertan, sprich, verpflichtet sind, durch ihrer Hände Arbeit, ihre ökonomische Tätigkeit für den Unterhalt der einzigen noch verbliebenen Nutznießerschicht des Systems zu sorgen, für die einzige Gruppierung, die der Kaiser nach wie vor als seine Klientel, seine privilegierten Schutzbefohlenen betrachtet und behandelt, nämlich das Militär, die erforderliche Subsistenz zu schaffen.

In der Tat ist nach Auflösung der sozialen, ethnischen und familiären Bindungen zwischen Militia und Populus und dem dadurch bedingten Versinken des letzteren in Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit beziehungsweise seiner Reduktion auf den Status normaler Provinzialer und Untertanen das aus Söldnern jeder sozialen Herkunft und Volkszugehörigkeit, aus Illyrern, Syrern und Afrikanern, aus Hispaniern, Galliern und Germanen bunt gemischte Heer der nunmehr einzige Nutznießer des sklavenwirtschaftlich-kolonialistischen Ausbeutungssystems des römischen Imperiums und Empfänger seiner Segnungen. In perfektem Kurzschluss tritt das Instrument und Faktotum, das der militärisch-strategischen Aufrechterhaltung und bürokratisch-politischen Instandhaltung des Ausbeutungssystems dient, damit dessen Früchte dem heimlichen Souverän und erklärten Profiteur des Imperiums, eben dem römischen Populus, zufließen können, an die Stelle des letzteren und avanciert selber zum unmittelbaren Adressaten und Empfängersubjekt der imperialen Beute. Perfekt ist dieser Kurzschluss deshalb, weil er Resultat eines von vornherein zum Zirkel angelegten Schlussverfahrens und insofern eigentlich nur logische Konsequenz aus den Prämissen ist. Schließlich firmiert die zum Populus geadelte römische Plebs nur deshalb als heimlicher Souverän des Imperiums und erklärter Nutznießer seines Ausbeutungssystems, weil sie eben die Söldnerscharen, eben die Legionen und Garden stellt, die nötig sind, um das System in Gang und in Ordnung, funktionsfähig und intakt zu erhalten. Gelingt es der militärischen Ordnungsmacht, der kaiserlichen Herrschaft, sich ihr Personal auf anderen Wegen als über die Bevölkerung der römisch-italischen Kerngebiete des Imperiums zu rekrutieren, aus anderen Quellen als aus den Reihen des Populus Romanus ihre Mobilmachung und Mobilerhaltung zu organisieren, und schafft sie es nämlich, sich aus dem ebenso entspezifiziert anonymen wie generalisiert ubiquitären Fundus des Imperiums als ganzen ihren personalen Nachschub zu sichern, so ist in der Tat nicht einzusehen, warum sie sich noch den Luxus einer wohlfahrtsstaatlichen Subventionierung und Dotierung jenes zur Systemerhaltung nichts Nennenswertes mehr beitragenden römischen Populus leisten und warum sie nicht vielmehr alle durch das Ausbeutungssystem verfügbar gemachten Ressourcen in die Selbsterhaltung, sprich, in die Hege und Pflege dieses aus anderen Quellen organisierten materialen und personalen militärischen Bestands investieren sollte.

Objektive Grundlage und conditio sine qua non der kaiserlichen Herrschaft ist ja das sklavenwirtschaftlich-kolonialistische Ausbeutungssystem, das sie mit Hilfe der militärischen Unterstützung ihrer plebejischen Klientel seinen ursprünglichen Betreibern und Besitzern abnimmt – und dessen Sicherung und Erhaltung hat deshalb oberste Priorität für sie oder ist, besser gesagt, absolutes Gebot. Zwar, solange der römische Populus als militärische Rekrutierungsbasis und politische Akklamationsinstanz für die kaiserliche Herrschaft unentbehrlich ist und solange das Ausbeutungssystem noch die relative Eigenständigkeit eines wenngleich militärisch-politisch von der kaiserlichen Herrschaft beschlagnahmten und kontrollierten, so doch aber ökonomisch-bürokratisch von der alten Nobilität beziehungsweise den equestrischen Verbündeten des Kaisers besessenen und betriebenen Apparats behauptet, hat es in der Tat nicht nur den Anschein, sondern verhält sich auch so, dass die Sicherung und Erhaltung des Ausbeutungssystems für die kaiserliche Herrschaft deckungsgleich mit der wohlfahrtsstaatlichen Versorgung und gemeinschaftsstiftenden Unterhaltung des Populus, sprich, mit der Dotierung und Subventionierung des letzteren aus dem Füllhorn des ersteren ist, und kann in der Tat wie der Kaiser als militärisch-politischer Funktionär des Populus, so dieser als der heimlicher Souverän des Imperiums erscheinen. In dem Maße aber, wie mit Hilfe des auf ihn als cäsarische Verkörperung des Volkswillens setzenden, ihm göttlich-absolute Macht verleihenden Populus der Kaiser die alte Nobilität auch ökonomisch verdrängt und ihren zu ihm übergelaufenen equestrischen Teil zu abhängigen Helfershelfern, zu reinen Angestellten des Hofes degradiert, ändert sich die Situation.

Der Kaiser wird aus einem militärisch-politischen Herrn und Verfüger über das von anderen geschaffene und in Gang gehaltene imperiale Ausbeutungssystem zum ökonomisch-bürokratischen Betreiber dieses Ausbeutungssystem selbst, wird aus einem staatlichen Vertreter plebejischer Interessen gegenüber dem vom imperialen Expropriationsmechanismus akkumulierten gesellschaftlichen Reichtum zum staatlichen Verwalter eben jenes Expropriationsmechanismus, der bei der Verteilung des durch letzteren akkumulierten gesellschaftlichen Reichtums gegebenenfalls und nach Möglichkeit auch die plebejischen Interessen waren muss. Gegebenenfalls – das heißt, solange der Populus kraft des unentbehrlichen Dienstes, den er als militärische Rekrutierungsbasis der kaiserlichen Herrschaft leistet, dem Anspruch auf Wahrung seiner Interessen den nötigen Nachdruck zu verleihen vermag. Und nach Möglichkeit – will heißen, sofern der Populus nicht durch seine wohlfahrtsstaatlichen Forderungen die ökonomische Leistungskraft des mittlerweile unter kaiserlicher Regie betriebenen Ausbeutungssystems überfordert und dessen Funktionsfähigkeit in Frage stellt.

Genau dazu aber tendiert der Populus dank der aus effektiver Bedürftigkeit und konsumtivem Realitätsverlust gewirkten artifiziellen Existenz im Zentrum des Reiches, zu der ihm die kaiserliche Herrschaft verhilft, und lässt so das strukturelle Dilemma der aus ein- und demselben Fundus zu bestreitenden wohlfahrtsstaatlichen Zuwendungen an ihn und imperialherrschaftlichen Aufwendungen für das System als zerstörerisch intentionalen Widerspruch sichtbar werden. Was Wunder, dass da der nunmehr primär als Systemerhalter firmierende kaiserliche Herr jede Gelegenheit nutzt, sich dem Einfluss und der Kontrolle des Populus zu entziehen und ihn seiner Stellung als heimlicher Souverän und gehätschelte Klientel zu entsetzen. Im Grunde – in jenem Grunde, der den scheinbaren Kurzschluss einer Reduktion des popularen Corpus auf nichts als den militärischen Arm als vielmehr logisch konsequent erweist – folgt der Kaiser damit ja nur dem bewusstlos impliziten Willen oder objektiven Geheiß des Populus selbst: So gewiss dieser seit Anfang der tribunizischen Volksbewegung rückhaltlos auf die Partizipation an dem von der Nobilität, dem politisch-ökonomischen Gegner, geschaffenen und betriebenen kolonialistisch-sklavenwirtschaftlichen Ausbeutungssystem setzt und sein Wohl und Wehe an dessen Ausbau und Fortbestand knüpft und so gewiss er seinen tribunizisch-konsularischen Fürsorger sei's als imperatorischen Princeps, sei's als cäsarischen Monarchen mit der militärisch-politischen Kontrolle beziehungsweise gar der ökonomisch-bürokratischen Hege und Pflege jenes von ihm als Realfundament seiner realen Subsistenz und sozialen Existenz affirmierten Ausbeutungssystems betraut, so gewiss knüpft er, der Populus, sein eigenes Schicksal an das des Systems, macht sich zu dessen Kreatur und nimmt in Kauf, dass sein kaiserlicher Fürsorger als in eben dieser Fürsorgeeigenschaft wesentlich und primär Sachwalter des Systems sich in dem Maße, wie er, der Populus, das System überstrapaziert und in seiner Funktionsfähigkeit zu negieren, in seinem Bestand zu zerstören droht, gegebenenfalls – nämlich, sobald er auf die militärischen Dienste des Populus ohne Gefährdung des Systems verzichten kann – für die Kontinuität des letzteren und gegen seine, des Populus, Existenz entscheidet.

Durch die Abdankung des Populus und die Beschränkung der Nutznießerrolle auf die militärischen und zivilen Funktionäre des Systems findet sich die Ritterschaft endgültig ihres ökonomisch-kommerziellen Bewegungsspielraums beraubt und auf die Stellung bürokratischer Angestellter, beamteter Repräsentanten der kaiserlichen Herrschaft vereidigt. Ihren Rückzug aus der Ökonomie und ihre Beschränkung auf die Rolle von fiskalischen Eintreibern und bürokratischen Requisiteuren erfahren die Provinzen als Entlastung.

So sehr die instrumentell vernünftige Konsequenz, mit der die nicht in den Cäsarenwahn getriebenen oder sich flüchtenden Inhaber des kaiserlichen Amts ihren Systemerhaltungsauftrag wahrnehmen und mit der sie deshalb die Gelegenheit nutzen, sich durch Auslösung des Heeres und des Offizierskorps aus den sozialen, familiären und kulturellen Verflechtungen und Verpflichtungen des traditionellen Populus Romanus dessen Einfluss und Anspruch auf privilegierte Behandlung zu entziehen – so sehr diese keineswegs als Kurzschluss, sondern durchaus als sach- und situationsgemäße Folgerung erscheinende Konsequenz zu Lasten eben des traditionellen Populus geht und seinen Untergang im Meer der Reichsangehörigen oder provinziellen Untertanenheer bedeutet, so sehr scheint sie doch aber dem Untertanenheer selbst zum Vorteil auszuschlagen und ihm gleich in mehrfacher Hinsicht eine Besserung seines beschwerlichen Loses zu verheißen. Erstens nämlich besiegelt die Abdankung der popularen Klientel des Kaisers aus der Meistbegünstigtenrolle und die Beschränkung der kaiserlichen Fürsorge und Gnade auf das für die die Sicherung und Erhaltung des imperialen Systems unabdingbare und aber nunmehr aus dem gesamten Imperium wahl- und vorurteilslos ausgelesene und eben deshalb dem Reich als bindungslos neutrale Söldnertruppe aufgepfropfte Militär – erstens also besiegelt diese Überführung des Kaiserreichs in eine Militärdiktatur reinsten Wassers die endgültige Vertreibung der mit der Verwaltung des Reiches und das heißt, mit dem Betrieb des imperialen Ausbeutungssystems betrauten Ritterschaft aus der Stellung generalbevollmächtigter Prokuristen oder mit Freibrief versehener Pauschalpächter und ihre unwiderrufliche Verbeamtung, ihre vollständige Unterwerfung unter den persönlichen Willen und das direkte Gebot ihres kaiserlichen Auftraggebers.

Jener zum neuen imperatorischen Regiment übergelaufene Teil der Nobilität, der für die bürokratische Organisation und ökonomische Fundierung der neuen imperialen Herrschaft entscheidende Bedeutung gewinnt und dafür von ihr mit weitgehender bürokratischer Handlungsvollmacht und ökonomischer Narrenfreiheit belohnt wird – er ist zwar schon durch das nicht zuletzt dank seiner Aktivitäten effektuierte Verschwinden des Patriziats in seinem Bewegungsspielraum ebenso eingeschränkt wie in seiner Sonderstellung erschüttert und, wie aus der einflussreichen Position des Mittlers und Koordinators zwischen dem neuen Herrn und der alten Führungsschicht vertrieben, so in eine ebenso unliebsame wie ungewohnte direkte Abhängigkeit von ersterem und Hörigkeit ihm gegenüber gebracht. Ihres letzten Rests von unbeschränkter bürokratischer Prokura und unkontrollierter ökonomischer Initiative beraubt aber findet sich die Ritterschaft nun erst durch die Abdankung des Populus Romanus als meistbegünstigten Adressaten und wohlfahrtsstaatlich umsorgten Empfängers der Segnungen des kolonialistischen Ausbeutungssystems und seine mit der Eingliederung der römisch-italischen Kernregion in den Provinzialzusammenhang des Reiches, ihrer Degradierung zu einer Kolonie unter anderen, verwaltungstechnisch besiegelte Integration in die imperiale Untertanengemeinschaft. Was nämlich mit der Nivellierung des italisch-römischen Raums zum provinziellen Untertanengebiet endgültig gegenstandslos wird und sich erledigt hat, ist die besondere Funktion, die traditionell der Ritterschaft zufällt und deren fortdauernde Wahrnehmung und Erfüllung ihr überhaupt nur ihre ökonomische Generalprokura und bürokratische Handlungsvollmacht, kurz, ihre Position als vergleichsweise frei schaltende und waltende kaiserliche Kommissäre verschafft: die Aufgabe, den kontraktiv-kommerziellen, in Äquivalententausch und Geldwirtschaft gründenden Marktzusammenhang der Metropole und ihres Einzugsgebiets mit dem kompensationslos-extraktiven, auf Sklavenarbeit und kolonialistischer Enteignung basierenden Ausbeutungssystem des Imperiums zu vermitteln, besser gesagt, letzteres im Interesse und Dienste des ersteren zu entfalten und zu organisieren.

Indem im Rahmen des von der republikanischen Nobilität geschaffenen Kolonialreichs und Sklavenhalterstaats die Ritterschaft diese Organisationsfunktion übernimmt und in zunehmendem Maße monopolisiert und indem sich auf die Erfüllung dieser Funktion gleichermaßen ihre persönliche Bereicherung, ihre soziale Karriere und ihre ständische Macht gründen, entwickelt sie die kaufmännische Übung, das finanztechnische Knowhow und die unternehmerische Initiative, kurz, die ökonomische Kompetenz, auf die auch das neue imperatorische Regiment mit seiner Absicht und seinem Programm angewiesen ist, das etablierte ökonomische System für Zwecke einer wohlfahrtsstaatliche Versorgung derer nutzbar zu machen, die als interne Opfer des Systems sich doch zugleich als für dessen militärische Aufrechterhaltung unabdingbare Akteure erwiesen haben und deren staatserhaltender Mitwirkung das neue imperatorische Regiment in der Tat ja seinen Aufstieg und seine Macht verdankt. Zwar bringt die neue wohlfahrtsstaatliche Komponente, bringen die fürsorglich-volksfreundlichen Versorgungsleistungen und Unterhaltungsangebote, zu denen das imperatorische Regiment fortan verpflichtet ist, ein im Prinzip dem traditionellen, marktvermittelten Ausbeutungssystem Roms abträgliches, ein der spezifisch republikanischen Kombination aus Distribution durch Austausch, die auf Extraktion durch Gewalt basiert, und Extraktion durch Gewalt, die Distribution durch Austausch intendiert, eigentlich widerstreitendes Moment ins politisch-ökonomische Spiel, aber weil die wohlfahrtsstaatlichen Gütermassen und Versorgungsleistungen ja im Rahmen und auf dem Boden des übernommenen, marktvermittelten Ausbeutungssystems beschafft und erbracht werden müssen, führt dieser prinzipielle Widerspruch zwischen der marktbestimmt-akkumulationsträchtigen Ausbeutung von Sklavenarbeit und Ausplünderung der Kolonien und der marktfeindlich-kompensationlosen Abschöpfung eines Teils der Beute zu Zwecken wohlfahrtsstaatlicher Umverteilung zu einer außerordentlichen Dynamisierung, einer geradezu pathologischen Hypertrophierung des traditionellen Ausbeutungssystems, in deren Zentrum die Ritterschaft steht und die sie als veritabler Zaubermeister ins Werk setzt.

Die Ritter sind es, die kraft ihrer kaufmännischen Übung, ihres finanztechnischen Knowhow und ihrer unternehmerischen Initiative das imperialen Ausbeutungssystem derart in Schwung bringen, dass es die ihm vom imperatorischen Regiment abgeforderten neuen, marktwidrigen und akkumulationsschädlichen populären Hilfs- und Fürsorgefunktionen erfüllen kann, ohne dass dadurch seine traditionellen, marktdienlichen und akkumulationsträchtigen kommerziellen Angebots- und Zufuhrleistungen nennenswert beeinträchtigt werden. Sie sind es, die dem Imperator ermöglichen, die subsistenziellen und sozialen Verpflichtungen zu erfüllen, die er mit seinem Aufstieg zur Alleinherrschaft eingegangen ist, ohne dadurch die materielle Basis seiner Alleinherrschaft, das unter seine militärisch-politische Kontrolle gebrachte ökonomisch-bürokratische Ausbeutungssystem der römischen Nobilität in Gefahr zu bringen oder gar zugrunde zu richten. Und für diese, die politische Großtat ihrer Desertion ins imperatorische Lager krönende ökonomische Glanzleistung, die sie im Dienste des imperatorischen Regiments vollbringen, belohnt sie nun der Imperator damit, dass er ihnen freien Hand lässt, dass er ihnen als dem Ochsen, der da drischet, das Maul nicht verbindet, dass er ihnen, kurz, bei ihren Steuerpachten, ihren Handelsgeschäften, ihren kapitalistischen Unternehmungen unbeschränkte Prokura und Generalvollmacht einräumt – welche Vollmacht die Ritterschaft wiederum nutzt, um mit derselben Effektivität, mit der sie dem Imperator Ressourcen zuführt und die für die Erfüllung seiner sozialen Verpflichtungen und seiner militärischen Aufgabe, kurz, für die Festigung der imperatorischen Herrschaft, erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung stellt, sich selbst zu bereichern und, so gut sie es nur immer versteht, in die eigene Tasche zu wirtschaften.

So sehr, kurzfristig betrachtet, die Erfolgsgeschichte der Ritter als bevollmächtigter Prokuristen oder freihändiger Intendanten des Imperators an den Erfolg geknüpft ist, den sie der imperatorischen Politik auf der Basis des von der republikanischen Nobilität übernommenen marktvermittelten Ausbeutungssystems sichern, so sehr ist allerdings eben jener Erfolg des imperatorischen Regiments dazu angetan, auf diese von der Ritterschaft beherrschte und betriebene Basis zurückzuschlagen und sie als solche bis zur Unbrauchbarkeit für equestrische Bereicherungszwecke zu verändern. Wie gesehen, verschafft dem imperatorischen Regiment der ökonomisch-bürokratische Erfolg, den es dank der Ritterschaft erringt, im Verein mit der militärisch-politischen Unterstützung, die ihm Plebs und Volksheer gewähren, letztendlich einen vollständigen Sieg über seinen großen gesellschaftlichen Gegenspieler, die traditionelle Nobilität und ihren harten Kern, das Patriziat, und ermöglicht ihm nämlich nicht nur, diese alte, senatorisch verfasste Oberschicht der Republik politisch zu entmachten und durch kaiserliche Kreaturen aus ihren Staatsämtern zu verdrängen, sondern sie mehr noch ökonomisch zu ruinieren und nämlich ihre territorialen Besitzungen und kolonialen Pfründen teils an sich zu bringen und in eigene Regie zu übernehmen, teils herrenlos werden und an Günstlinge und Strohmänner der kaiserlichen Herrschaft fallen zu lassen. Aber damit findet sich ja nun die Ritterschaft gleich in doppelter Hinsicht um ein tragendes Element ihrer besonderen Reichsverweserstellung und privilegierten Prokuristenfunktion gebracht. Mit dem Niedergang und Verschwinden der alten patrizischen Oberschicht entfällt nämlich nicht nur der große gesellschaftliche Gegenspieler des Imperators, der in dem Maße, wie er mit diesem noch um die Früchte des imperialen Ausbeutungssystems konkurriert, die Ritterschaft politisch zu einem wichtigen Verbündeten und unentbehrlichen Mitarbeiter des imperatorischen Regiments aufwertet und ihr deshalb zur relativen Unabhängigkeit und Eigenmacht des Loyalität und Knowhow, Engagement für die Zielsetzung der imperatorischen Herrschaft und Vertrautheit mit der Wirkungsweise des patrizischen Systems, miteinander verbindenden Mittlers und Maklers verhilft. Das Verschwinden der patrizischen Oberschicht bedeutet auch und mehr noch den Verlust eines entscheidenden Segments und einer in der Tat maßgebenden Schicht der den italisch-römischen Marktzusammenhang konstituierenden Konsumentengesellschaft und damit die Aushöhlung des besonderen Charakters des imperialen Ausbeutungssystems selbst, die Unterminierung seiner staatliche Gewalt mit privatem Austausch, exaktive Expropriation mit kontraktiver Akkumulation verbindenden Marktvermittelheit oder kommerziellen Bestimmtheit.

Nicht also nur, dass in der Konsequenz des vollständigen und vernichtenden Triumphs, den mit Hilfe der Ritterschaft das kaiserliche Regime über die patrizische Partei erringt, die Ritterschaft politisch in zunehmende Abhängigkeit vom kaiserlichen Regime und Botmäßigkeit ihm gegenüber gerät und damit die relative bürokratische Eigenständigkeit und prokuristische Vollmacht, die ihr ihre Mittlerstellung zwischen den Kombattanten verleiht, einbüßt, sie sieht sich darüber hinaus ökonomisch um einen fundamentalen Bestandteil ihres persönlichen Bewegungsspielraums und ihres privaten Bereicherungsstrebens gebracht und, wie in rasch wachsendem Maß nurmehr mit cäsarischen Abnehmern, statt auch und vor allem mit patrizischen Konsumenten konfrontiert, so in ihrer Tätigkeit um jegliche in eigener Regie und auf eigene Rechnung betriebenen kommerziell-akquisitorischen Geschäfte gebracht und auf das uneigentlich so nennende eine Geschäft einer im Dienste und zum Vorteil des Kaisers praktizierten fiskalisch-requisitorischen Enteignung reduziert. Und diesen mit dem Untergang der alten patrizischen Oberschicht und ihrer Klientel, der traditionellen republikanischen Gentry und ihres stadtbürgerlichen Anhangs, im Prinzip bereits besiegelten Verlust nicht nur an politischer Eigenständigkeit und Entscheidungskompetenz, sondern auch und vor allem an ökonomischer Eigeninitiative und Bewegungsfreiheit, den die Ritterschaft in der direkten Konsequenz ihres erfolgreichen Wirkens erleidet – ihn vollendet und krönt nun aber die vom Kaiser im Zuge seiner neuen, vom italisch-römischen Raum unabhängigen, militärischen Rekrutierungspraxis betriebene Abdankung des Populus Romanus in der Rolle des bevorzugten Adressaten und Nutznießers der Früchte des imperialen Ausbeutungssystems und Beschränkung des Meistbegünstigtenstatus auf die aus dem ganzen Imperium zusammengewürfelte und ihm als ebenso intentions- wie bindungslose Ordnungsmacht aufgehuckte Legionärstruppe und Söldnerschar.

Nicht, dass der Populus Romanus selbst als eine Stütze der relativen Marktvermitteltheit und in distributiver Hinsicht kommerziellen Ausrichtung des imperialen Ausbeutungssystems und mithin als geeigneter Entfaltungsraum für ein von der Ritterschaft unverändert gepflegtes kaufmännisch-privatives Erwerbsstreben, eine von ihr nach wie vor verfolgte unternehmerisch-akkumulative Bereicherungsstrategie gelten könnte! So gewiss vielmehr das römische Volk ebenso wie das aus ihm rekrutierte Massenheer vom imperatorischen Regime zum Lohn für seine staatstragende Leistung subsistenziell versorgt und sozial unterhalten zu werden beansprucht, so gewiss zählt es zu jener gewaltigen wohlfahrtsstaatlichen Hypothek, die im Gegenteil auf dem marktvermittelten imperialen Ausbeutungssystem lastet, an ihm zehrt und es nur zu rasch zerstören würde, wäre da nicht die marktwirtschaftliche Initiative der Ritterschaft, die aus Eigennutz und Bereicherungssucht ihr ganzes kaufmännisches Knowhow, finanztechnisches Arsenal und unternehmerisches Ingenium aufbietet, um durch Ausschöpfung aller Potentiale und durch Mobilisierung sämtlicher Ressourcen des imperialen Ausbeutungssystems die Hypothek dennoch erträglich und mit dem marktvermittelt-kommerziellen Bestand des Systems vereinbar werden zu lassen.

Was aber ungeachtet seiner in der Hauptsache und unmittelbar die kommerziell-marktwirtschaftliche Ausrichtung des Systems belastenden wohlfahrtsstaatlichen Ansprüche den Populus Romanus dennoch zu einer Stütze, um nicht zu sagen, zu einer Art von Aktivposten für die Marktorientierung und – zumindest in distributiver Hinsicht – kommerzielle Bestimmtheit des Systems werden lässt, ist die sekundäre und mittelbare Wirkung seiner Existenz und nämlich dies, dass mit dem im wesentlichen auf die italisch-römische Bevölkerung eingeschränkten Populus Romanus das Imperium immer noch ein topisches Zentrum und einen organisatorischen Fokus besitzt, in dem, wie das Gros der für wohlfahrtsstaatliche Zwecke requirierten, sprich, für eine kompensationslose Verteilung bestimmten Finanzmittel und Ressourcen zusammenströmen, so nolens volens aber auch die übrigen, von der Ritterschaft zwecks privater Bereicherung in eigener Initiative und mit unternehmerischem Engagement mobilisierten Gelder und Güter ihren natürlichen Sammelpunkt und ihre Abnehmer beziehungsweise Käufer finden können. So gewiss allein schon die räumlich-demographische Zusammenballung und das gesellschaftlich-organisatorische Zusammenspiel dieser als Populus eine wohlfahrtsstaatliche Vorzugsstellung genießenden italisch-römischen Bevölkerung eine ganze Korona von nicht schon durch die wohlfahrtsstaatliche Distribution und ihre subsistenzielle beziehungsweise soziale Grundversorgung befriedigten kulturellen Bedürfnissen und auf deren Befriedigung abgestellten ökonomischen Aktivitäten voraussetzt beziehungsweise magisch anzieht, so gewiss die Verwaltung und Verteilung der aus den Provinzen nach Rom und Italien strömenden Reichtümer Gruppen von Bürokraten und Maklern in die Welt setzt, die sich für ihre Dienste aus dem Reichtumsfundus mehr als schadlos halten und dank solcher Dotierung als potente Konsumenten auf dem Markt erscheinen, so gewiss die geographische und politische beziehungsweise ethnische Beschränkung der Rolle des Populus, der vom imperialen Ausbeutungssystem vorzugsweise begünstigten kaiserlichen Klientel, auf die Bevölkerung Roms und des italischen Raums dafür sorgt, dass auch der kaiserliche Hof mitsamt seinen militärischen Garden und seiner zivilen Bürokratie fest und dauerhaft in der römischen Metropole verankert bleibt und seine ganze gewaltige Konsumkraft dort zum Tragen bringt, und so gewiss schließlich die Konzentration der imperialen Beute auf die Metropole und ihr Einzugsgebiet zur Folge hat, dass sich Begüterte aus allen Provinzen dorthin gezogen fühlen, um mit ihrem Vermögen sei's lukrative Geschäfte zu machen, sei's an dem dort herrschenden konsumtiven Luxus zu partizipieren – so gewiss die Existenz des wohlfahrtsstaatlich versorgten Populus Romanus alter Prägung all diese mittelbaren Konsequenzen hat, so gewiss macht sie, dass auch nach dem Untergang der als Eckstein des traditionellen Marktvermitteltheit und kommerziellen Bestimmtheit des imperialen Ausbeutungssystems firmierenden Patriziats immer noch genug Marktpotential und kommerzielle Aktivität erhalten bleibt, um teils dem exaktiv-tributären System seine alte, ihm von der Nobilität verliehene kontraktiv-kommerzielle Ausrichtung, teils der Ritterschaft ihre gewohnten Akkumulationsstrategien und Bereicherungschancen zu erhalten.

Genau das aber ändert sich nun, da das kaiserliche Regiment, der Not gehorchend und im Interesse der Aufrechterhaltung imperialer Wehrtüchtigkeit zu einer universalen militärischen Werbepraxis überwechselnd, aus dieser militärischen Not eine politische Tugend macht und den bislang als hauptsächlicher militärischer Rekrutierungsfonds firmierenden und aus dieser seiner Funktion exorbitante wohlfahrtsstaatliche Ansprüche herleitenden römisch-italischen Populus ebenso sehr in der Rolle der begünstigten Klientel des Kaisers und der Hauptnutznießerin des imperialen Ausbeutungssystems abdankt wie seinen metropolitanen Siedlungsraum die besondere Stellung eines Dreh- und Angelpunkts der imperialen Herrschaft, einer gleichermaßen subsistenziell-ökonomisch und residenziell-bürokratisch bevorzugten Zentralregion des Reiches verlieren lässt und als normalen territorialen Bestandteil des Reiches, als ein Verwaltungsgebiet unter anderen in das imperiale Provinzialsystem zurücknimmt und integriert. Indem der Populus Romanus seiner Vorzugsbehandlung verlustig geht und der römische Bürger mit dem imperialen Untertanen deckungsgleich wird und indem Hand in Hand damit die italisch-römische Metropole ihre Position als ebenso sehr ökonomischer Sammel- und Umschlagspunkt wie politischer Zentral- und Organisationspunkt des Reiches einbüßt, fällt die letzte Bastion des marktvermittelten, kommerziell ausgerichteten Ausbeutungssystems: Was mit dem Untergang des Patriziats und der in ihm und seiner Klientel bestehenden zivilgesellschaftlichen Konsumentenschichten begann, die Verwandlung des imperialen Ausbeutungssystems aus einem immer noch auf kommerzielle Distribution und Marktchancen abgestellten tributären Exaktions- und spekulativen Extraktionsmechanismus in einen nurmehr durch die fiskalischen Forderungen und den requisitorischen Bedarf des kaiserlichen Staatswesens in Gang gehaltenen bürokratischen Abschöpfungsapparat, findet mit der Abdankung des als die Bürgerschaft der Hauptstadt und ihres italischen Glacis firmierenden Populus Romanus seinen Abschluss und seine Vollendung. Durch das Verschwinden aller neben den Verfahren kaiserlich-staatlicher Steuereintreibung und Güterbeschlagnahmung und komplementär dazu den Eintreibern und Requisiteuren offenstehenden kommerziellen Privatgeschäfte und merkantilen Absatzchancen jeder ökonomischen Eigeninitiative und jedes privatunternehmerischen Entfaltungsraums beraubt, finden sich die kaiserlichen Faktota, die durch den Untergang des Patriziats ohnehin bereits politisch um ihren Freiraum gebrachten und an die Kandare genommenen Ritter, endgültig auf die Stellung simpler Befehlsempfänger, weisungsgebundener Staatsdiener reduziert. Als Fiskale und Requisiteure nicht mehr pro cura, sondern nur noch pro domo ihres cäsarischen Herrn sind sie diesem zwar ebenso unentbehrlich wie zuvor; aber aus prokuristischen Beauftragten werden bürokratische Angestellte, aus bevollmächtigten Vertretern der kaiserlichen Macht, in eigener Regie operierenden Sachwaltern des kaiserlichen Interesses, werden beamtete Repräsentanten der kaiserlichen Herrschaft, im Rahmen ihrer Weisung agierende Verwalter der kaiserlichen Privilegien und Liegenschaften.

Und indem so aber durch die Totalisierung der imperatorischen Herrschaft und Verfügung über das imperiale Ausbeutungssystem und durch das damit Hand in Hand gehende und mangels ziviler Konsumentenschichten unaufhaltsame Verschwinden der merkantilen Ausrichtung und kommerziellen Bestimmtheit des Systems, seiner Umrüstung aus einem auch und immer noch auf zivilgesellschaftliche Vermarktung zielenden in einen nurmehr und ausschließlich auf die Versorgung des militärischen und bürokratischen Herrschaftsapparats abgestellten Expropriationsmechanismus, die Ritter sich aus Bevollmächtigten und Beauftragten der imperatorischen Herrschaft in Beamte und Angestellte ihres cäsarischen Herrn, aus Prokuristen des imperialen Staats in Majordomi des kaiserlichen Hofes verwandelt finden, geht diese ihre Metamorphose zwangsläufig auch mit einer veränderten Haltung gegenüber dem imperialen Ausbeutungssystem selbst einher und hat nämlich ihren Rückzug aus dem Wirtschaftsleben, sprich, den Verzicht auf eigene kaufmännische Aktivitäten, finanzielle Spekulation, unternehmerische Engagements und die Beschränkung auf eine von bürokratischer Distanz geprägte, rein fiskalische Eintreibungs- und requisitorische Abschöpfungstätigkeit zur Folge. Ebenso sehr durch das Verschwinden eines neben und außerhalb der kaiserlich-wohlfahrtsstaatlichen Distribution perennierenden nennenswerten Marktzusammenhangs ökonomisch aller privaten Geschäftsperspektiven und persönlichen Bereicherungschancen beraubt, wie durch den Untergang des Patriziats politisch um jegliche Handlungsvollmacht und unabhängige Stellung gebracht und der direkten Weisung und Kontrolle ihres kaiserlichen Herrn unterworfen, verliert die Ritterschaft jedes Motiv und jeden Mut, jede Initiative und jede Chuzpe, sich auf das imperiale Ausbeutungssystem in der alten Weise einzulassen und es durch den Einsatz kaufmännischen Knowhows, finanztechnischer Kompetenz und unternehmerischen Ingeniums zum Gegenstand engagiertester Bewirtschaftungs- und Profitmaximierungsstrategien, sprich, zum Tummelplatz der rücksichtslosesten Auspressung und Ausplünderung zu machen. Fortan überlässt sie das Wirtschaften den Untertanen und beschränkt sich darauf, letztere nach getaner Arbeit requisitorisch zu schröpfen und fiskalisch zur Kasse zu bitten.

Für die traditionell von der Ritterschaft als Privatbesitz der Nobilität betriebenen sklavenwirtschaftlichen Latifundien- und Manufakturbetriebe bedeutet dieser Rückzug der Ritter aus dem kapitalistischen Prokuristendasein ins bürokratische Intendantentum, diese ihre Verwandlung aus Pächtern und Unternehmern in Beamte und Ministeriale, den raschen Niedergang und den Verlust der wirtschaftlich maßgebenden Stellung, die sie als Mustergüter des imperialen Ausbeutungssystems bis dahin innehaben. Gleichermaßen ihrer merkantilen Absatzchancen und ihrer privatunternehmerischen Eigentümer beraubt, verlieren diese Betriebe ihren Sinn: die intensive Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft und manufaktureller Produktivkraft, die sie ermöglichen, zielt ins Leere des mit dem Markt verschwundenen kommerziellen Akkumulationsprospekts und erweist sich mithin als kontraproduktiv. Was vom System der auf Sklavenarbeit basierenden Latifundien und Manufakturen bleibt, sind Landgüter und Vogteien, handwerkliche Ausrüstungsbetriebe und staatliche Werkstätten, die als nicht mehr für den Markt, sondern nur mehr für Hof und Militär produzierende frondienstliche Unternehmungen ein im Vergleich zu früherer Effektivität bescheidenes Dasein fristen und ihren Arbeitersklaven ein fast schon humanes Leben ermöglichen.

Für die Ökonomie der Provinzen andererseits, die nunmehr zur Hauptträgerin des imperialen Ausbeutungssystems wird und an die sich die bürokratische Abschöpfungsstrategie des nach dem Untergang des Patriziats und der Abdankung des Populus zur konkurrenzlosen Militärdespotie, zum cäsarischen Dominat vollendeten augusteischen Prinzipats vornehmlich hält – für diese Provinzökonomie also bedeutet die Verbeamtung der Ritterschaft, ihr Rückzug aus dem Wirtschaftsleben, die Befreiung vom Würgegriff der bis dahin mit kaufmännischem Knowhow, finanztechnischer Raffinesse und unternehmerischer Initiative betriebenen kapitalistischen Extraktionsgeschäfte und prokuristischen Profitmaximierungsstrategien. Weil die nicht mehr pro cura, sondern bloß noch pro domo des Kaisers, nicht mehr als Bevollmächtigte, als Patentierte, sondern bloß noch als Beamte, als Ministeriale des cäsarischen Staates funktionierenden Ritter mangels Markt und privativer Bereicherungschancen und aufgrund der als unmittelbare Weisungsgebundenheit erscheinenden Abhängigkeit von ihrem kaiserlichen Herrn alles Interesse am persönlichen Engagement in den Provinzen und an einer Übernahme und Kontrolle, Ankurbelung und Intensivierung der dortigen landwirtschaftlichen Aktivitäten, handwerklichen Produktionen, bergbaulichen Unternehmungen und kommerziellen Austauschprozesse verlieren, können die Provinzen aufatmen und sich in dem Maße, wie sich ihre Inanspruchnahme durch das imperiale Regiment auf bürokratisch festgelegte und regelmäßig eingeforderte Steuerleistungen und Zinsabgaben beschränkt, von der dirigierenden Habsucht und intervenierenden Unersättlichkeit der equestrischen Schergen des Regiments befreit und in ein zwar unter imperialer Aufsicht stehendes und dem Imperium fiskalisch rechenschaftspflichtiges, aber doch in seinen ökonomischen Aspekten, seinen praktisch-technischen Verfahrensweisen und kaufmännisch-kalkulatorischen Vorgaben vergleichsweise selbständiges und ungestörtes Wirtschaften entlassen finden.

Da die Entlastung der provinziellen Ökonomie nicht nur qualitative, die Bürokratisierung der Ritterschaft betreffende, sondern auch quantitative, eine Verkleinerung des Nutznießerkreises implizierende, und modale, die Form der Abschöpfung angehende, Folgen hat, erleben die Provinzen die Überführung des Reiches in eine des popularen Wasserkopfes ledige Militärdespotie als Gelegenheit zur wirtschaftlichen Erholung. Der Eindruck, als sei das Römische Reich nunmehr zur Normalität der alten theokratischen oder ständehierarchischen Gesellschaftsordnung zurückgekehrt, trügt allerdings: Die vor Ort der Provinzen das Ausbeutungssystem sichernden und verwaltenden Militärs und Beamten eint funktionell nichts als ihre militärisch-bürokratischen Aufgaben und intentional nichts als die mit solcher Aufgabenerfüllung verknüpfte Aussicht auf Beute.

Und dabei ist diese Entlastung der das imperialen Ausbeutungssystem nunmehr vorzugsweise, um nicht zu sagen, ausschließlich tragenden provinziellen Ökonomie, recht besehen, nicht nur qualitativen Charakters, das heißt, sie ist nicht nur im veränderten Verhalten der Agenten des imperialen Systems gegenüber ihren provinziellen Opfern begründet, hat nicht bloß darin seinen Grund, dass jene Agenten sich nun nicht mehr als profitsüchtige Initiatoren und Organisatoren des ökonomischen Prozesses in Szene setzen, sondern die Ökonomie sich selbst überlassen und sich auf die Rolle von an den Früchten des eigenständigen Prozesses partizipierenden fiskalischen Eintreibern und bürokratischen Requisiteuren beschränken – sie hat vielmehr auch und darüber hinaus eine quantitative Seite und resultiert nämlich ebenso sehr daraus, dass mit der Entwicklung des imperialen Regiments zur bürokratisch organisierten Militärdespotie die Masse der durch das imperiale Ausbeutungssystem Begünstigten schrumpft, der Kreis derer, die aus den Früchten der fiskalisch-requisitorischen Abschöpfungspraxis Nutzen und ihren Unterhalt ziehen, markant kleiner wird. So gewiss die Abdankung des Populus Romanus in der Rolle der wohlfahrtsstaatlich versorgten kaiserlichen Klientel indirekt und in sekundärer Konsequenz dem Ausbeutungssystem die letzte Bastion seiner Marktvermitteltheit und kommerziellen Orientierung raubt und damit aber die equestrischen Betreiber des Systems dazu veranlasst, sich als initiative Teilhaber und aktive Investoren aus dem Wirtschaftsleben zurückzuziehen und durch die Beschränkung auf die Funktion amtlicher Besteuerer und ministerialer Requisiteure die provinzielle Ökonomie in die relative Freiheit einer den fremdherrschaftliche Zugriff nur mehr als äußerliches Tributverhältnis, als Exaktion, statt wie bis dahin als inneren Aneignungsmechanismus, als Extraktion erfahrenden beziehungsweise erduldenden Produktions- und Distributionszusammenhangs zu entlassen, so gewiss ist direkt und im primären Effekt jene Abdankung des Populus Romanus gleichbedeutend damit, dass der in der Bewohnerschaft der römischen Metropole und ihres italischen Umfeldes bestehende und von den Früchten des imperialen Ausbeutungssystems zehrende konsumtive Wasserkopf schrumpft beziehungsweise verschwindet und der Kreis der durch das System Begünstigten und Dotierten sich definitiv auf die mit der Hege und Pflege des letzteren befassten Funktionäre, das Militär und die Bürokratie, das als förmliche Fremdenlegion rekrutierte Söldnerheer und die equestrische Beamtenschaft, reduziert.

Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass die Erhebung des imperatorischen Regiments und kaiserlichen Hofs zum konkurrenzlosen und durch keinen heimlichen popularen Souverän mehr an die Kandare genommenen und kontrollierten Machthaber den konsumtiven Aufwand dieser absoluten Herrschaft, ihre Repräsentationswut und Prachtentfaltung, gewaltig steigert und ebenso sehr den Herrscher selbst zu kostspieligen Palastbauten und Großprojekten, zu Ressourcen verschlingenden Ruhmestaten ad majorem gloriam imperatoris, anstachelt wie seine Chargen und Günstlinge zu haltloser Verschwendung und Korruption, zu Exzessen absolutistischer Prunksucht, animiert, bleibt doch die mit der Verabschiedung des Populus aus der Rolle der kaiserlichen Klientel besiegelte und als radikale Beschneidung und Reduktion erscheinende grundlegende Umgestaltung des Nutznießerkreises des imperialen Ausbeutungssystems eine außerordentliche quantitative Entlastung des Systems und erfüllt damit eben die Erwartungen, die im Sinne einer Stabilisierung des Ausbeutungssystems und Deeskalierung seiner Betriebstemperatur und Extraktionsrate das zwischen den Selbsterhaltungsforderungen des Imperiums und den popularen Ansprüchen auf wohlfahrtsstaatliche Versorgung in die Klemme geratene kaiserliche Regiment mit ihr verknüpft. Tatsächlich ist ja diese durch Abdankung des Populus erzielte und die provinzielle Ökonomie quantitativ entlastende Verkleinerung des Nutznießerkreises des imperialen Ausbeutungssystems auch und zugleich die Voraussetzung für jene erwähnte, im Rückzug der equestrischen Ausbeuter aus dem Wirtschaftsleben bestehende qualitative Entlastung. Wie die Abdankung der popularen Klientel des Kaisers und die Beschränkung der Begünstigtenrolle auf Militär und Bürokratie dem System strukturell das letzte Moment von Marktorientierung austreibt und damit der Ritterschaft jede Motivation zum kapitalistischen Engagement in den Provinzen nimmt, so entzieht sie ebenso sehr und darüber hinaus diesem kapitalistischen Engagement der Ritter reell die Grundlage, indem sie durch die Rückführung der wohlfahrtsstaatlichen Versorgungsansprüche die mit Rücksicht auf deren Befriedigung sich bis dahin als notwendig gerierenden Umfänglichkeit und Intensität der Ausbeutung objektiv überflüssig werden lässt.

Und nicht nur als konditionelle Voraussetzung für jene qualitative Befreiung des Wirtschaftslebens der Provinzen aus dem Würgegriff der Ritterschaft erweist sich die demnach zur zentralen Leistung der militärdespotischen Umrüstung des Imperiums avancierende quantitative Entlastung der provinziellen Ökonomie durch den Ausschluss des Populus aus dem imperialen Nutznießerkreis, sie stellt sich zu allem Überfluss auch noch als der funktionelle Grund für eine nachhaltige modale Entspannung des Ausbeutungssystems als solchen heraus, in deren Genuss die Ökonomie der Provinzen gelangt. Nicht nur wird ja durch die Verabschiedung des Populus die Anzahl der Nutznießer des Systems wesentlich verkleinert, es erfährt darüber hinaus auch ihre Anordnung und Verteilung im Reich eine entscheidende und folgenreiche Veränderung. Solange der als Rekrutierungsbasis für die imperatorische Streitmacht unentbehrliche italisch-römische Populus noch das geographisch-politische Zentrum des Reiches markiert beziehungsweise dem Reich eine auf dies Zentrum, auf die Metropole Rom und ihr italisches Glacis, ausgerichtete Struktur verleiht, bleibt die wohlfahrtsstaatliche Versorgung des Populus als des in der Mitte des Reichscorpus subsistierenden Hauptnutznießers, des auf den Schultern des Imperiums lastenden kapitalen Wasserkopfs, ein die gesamte Ökonomie der Provinzen zentralistisch determinierendes und das heißt, ebenso sehr organisatorisch beherrschendes wie logistisch in Anspruch nehmendes Erfordernis. So gewiss die Ritterschaft damit befasst ist, die Provinzen mit allen Mitteln monopolistischer Handelsgeschäfte, erpresserischer Steuerpachten und kapitalistischer Produktionsprozesse auszubeuten, so gewiss sind die Früchte dieser Ausbeutung, soweit sie nicht direkt dem vor Ort operierenden römischen militärischen und bürokratischen Apparat zufließen, dazu bestimmt, ins ferne Italien verschifft zu werden und dort die subsistenziellen Ansprüche und konsumtiven Bedürfnisse des römischen Populus und des imperatorischen Hof sowie den Güternachschubbedarf des im Umkreis beider perennierenden Marktsystems zu befriedigen. Die Provinzen sind mit anderen Worten dem vollen, erdrückenden Gewicht zentralistischer Fremdbestimmung ausgesetzt. Das heißt, sie sind nicht nur in ihrer Produktion und kommerziellen Ausrichtung zur Gänze heteronomisiert und nämlich den rücksichtslosen Ansprüchen und exaktiven Forderungen der fernen Metropole und ihrer Bürgerschaft beziehungsweise ihres Marktes ausgeliefert, das Ausbeutungsverhältnis, dem sie unterworfen sind, hat zudem dank der räumlichen Distanz und zentralistischen Trennung der Ausbeuter von den Ausgebeuteten die Form eines extrem einseitigen, fast ausschließlich von der Provinz zur Metropole verlaufenden und selbst jeder indirekten Kompensation, jeden kommerziellen Rückstaus nahezu entbehrenden Abflusses von Geld und Gut, eines quasi reinen Verlustgeschäfts: Fast die ganze Beute, die von der Ritterschaft aus der jeweiligen Provinz herausgepresst wird, strömt ebenso unwiederbringlich wie unwiderruflich nach Rom und ins italische Zentrum und lässt die ebenso sehr von fremdem Bedarf beherrschte wie vom ständigen Substanzverlust gebeutelte provinzielle Ökonomie ohne die Möglichkeit, sich auf eigene Bedürfnisse einzurichten oder eigene Perspektiven zu entwickeln und ohne eine nennenswerte Chance, von ihrem expropriierten Reichtum durch die Anwesenheit und Konsumtätigkeit der Expropriateure wenigstens sekundär zu profitieren und so den primären Verlust zu Teilen wieder wettzumachen, zurück. Wie sollen die so in toto zu Vogteien, Staatsgütern, Plantagen der römischen Herrschaft degradierten Provinzen je auf einen grünen Zweig kommen, wie soll ihre Wirtschaft unter diesen Umständen etwas anderes sein können, als ein im Interesse seiner wiederholten vampyristischen Ausbeutung durch den fernen Zwingherrn gerade noch leben gelassener, am Rande der Existenzfähigkeit gehaltener, zum Nutzvieh degradierter Organismus?

Genau das aber ändert sich nun in dem Maße, wie das kaiserliche Regiment den Populus Romanus als Nutznießer des imperialen Ausbeutungssystems abdankt und die römisch-italische Metropole als solche abschafft, sie provinzialisiert, sprich, sie in ein uniformes imperiales System eingliedert, das im Prinzip nurmehr zwei gesellschaftliche Strata umfasst: die große Masse der als besteuerbare Untertanen firmierenden Reichsangehörigen, und die kleine Schicht derer, die den die Besteuerung sicherstellenden, durchführenden und von ihr profitierenden kaiserlichen Apparat bemannen und bedienen. Was hiernach die Rolle von Nutznießern des imperialen Ausbeutungssystems behält, ist eben jenes den Apparat betreibende kaiserliche Personal, sind die des popularen Wasserkopfes ledigen Gruppen der Ministerialen und Militärs, die im Einklang mit ihren Befriedungs- und Verwaltungsaufgaben im ganzen Reich verteilt sitzen, sich quasi als eine das Imperium überziehende Furnitur dem Kernholz der Untertanenschaft anlegen und gleichzeitig doch in ihren Garnisonen und Amtssitzen eine nicht zwar vielleicht gegen Korruption gefeite, wohl aber mit persönlichem Engagement von ökonomischer Tragweite und Privatgeschäften großen Stils unvereinbare Distanz zu ihr wahren, sich darauf beschränken, im Dienste des Kaisers die Untertanen vor äußeren Feinden zu schützen, sie polizeilich zu überwachen, bürokratisch zu erfassen und ihnen auf requisitorischem und fiskalischem Wege die für den Unterhalt ihrer selbst und den Bestand des kaiserlichen Regiments beziehungsweise den Luxus und das Zeremoniell des kaiserlichen Hofes erforderlichen Mittel zu entziehen. So aber vor Ort der Provinzen stationiert und residierend und, was die mit Landlosen belohnten Veteranen betrifft, sogar fest Fuß fassend und dauerhaft ansässig werdend, können diese als alleinige Nutznießer des imperialen Ausbeutungssystems übrig gebliebenen militärischen und ministerialen Gruppen gar nicht anders als sich mit ihren provinziellen Aufenthaltsorten, ihren Regionen, in einem gewissen Maße zu identifizieren, Empfänglichkeit für deren Bedürfnisse, Interesse an ihrem Gedeihen zu entwickeln und also die abstrakt zentralistische Raubperspektive und Extraktionshaltung durch eine Art Parteinahme für den eigenen Lebensraum zu modifizieren, sie im Sinne einer das imperiale Ganze nurmehr als die Summe seiner Teile wahrnehmenden und deshalb das Bestehen des ersteren in das Wohlergehen der letzteren setzenden Regionalismus zu konkretisieren.

Und gleichzeitig und wichtiger noch sorgt die ständige Anwesenheit jener allein noch durch das imperiale Ausbeutungssystem begünstigten Gruppen vor Ort der ausgebeuteten Provinzen, dass letztere, wenngleich sie zwar die Last der subsistenziellen Versorgung und finanziellen Ausstattung der ersteren tragen müssen, doch aber sekundär von ihnen profitieren können und nämlich, statt ihr fiskalisch konfisziertes Geld und bürokratisch requiriertes Gut zur Gänze und auf Nimmerwiedersehen in der fernen römischen Zwingburg verschwinden zu sehen, vielmehr Vorteil aus dem von jenen stationären Gruppen über ihre Subsistenz hinaus geübten Konsum ziehen, der immerhin einen Großteil des konfiszierten Geldes in die regionale Zirkulation zurückfließen lässt und so auf die zuvor geschröpfte und geschwächte provinzielle Wirtschaft die Wirkung einer Art von Blutzufuhr, eines nach dem Aderlass halbwegs wieder belebenden Tropfes hat. Die Ökonomie der Provinzen dankt dem kaiserlichen Regiment diese Hand in Hand mit ihrer Entlastung durch die quantitative Verkleinerung der Schar der Ausbeuter und die qualitative Verminderung der Intensität der Ausbeutung gehende modale Entspannung der Ausbeutungssituation durch eine merkliche Erholung: Während die jahrhundertlang gebeutelten orientalischen und afrikanischen Provinzen alte regionale Märkte und Austauschzusammenhänge wiederentdecken und einen Anflug ihrer alten hellenistischen Blüte zurückgewinnen, erleben die Barbarenprovinzen des Westens und Nordens dank ihrer unverbrauchten Naturressourcen und ihres unentwickelten menschlichen Potentials einen regelrechten ökonomischen Aufschwung.

Wenn man will, scheint das Römische Reich im Begriff, zur Normalität einer Territorialherrschaft alten Stils zurückzukehren, zu jenem Regelfall einer stratifizierten Gesellschaft, bei dem eine relativ kleine Oberschicht sich einer relativ breiten Schicht von Untertanen oktroyiert, zu dieser eine ebenso offensichtliche topisch-kulturelle Nähe wie ausgeprägte ständisch-zeremonielle Distanz wahrt und sich zum Lohn für militärische, bürokratische und kultische Leistungen, die sie für sie zu erbringen beansprucht, von ihr aushalten und mit den Früchten ihrer landwirtschaftlichen und handwerklichen Tätigkeiten, dem Reichtum und Überfluss ihres als Fronarbeit organisierten gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses versorgen lässt. Was mit der Abdankung des Populus Romanus und mit der Reorganisation des Imperiums als eines einzigen, großen Provinzialsystems ohne wirkliches städtisches Zentrum, ohne Metropole, endgültig überwunden und ad acta gelegt erscheint, ist der für den Aufstieg und den Erfolg des Römischen Reiches konstitutive Fall einer patrizisch verfassten Marktgemeinschaft, einer dank kommerzieller Segnungen und kraft aristokratischer Führung städtische Freiheit genießenden bäuerlich-handwerklichen Bürgerschaft, die sich insofern als Sonderfall, als völlige Atypie herausstellt, als sie ihre im Dunstkreis des Marktes erworbenen kommerziellen Fähigkeiten, technischen Fertigkeiten und zivilen Tüchtigkeiten mehr und mehr in den Dienst einer von ihrer Nobilität getragenen territorialen Eroberungspolitik stellt, mehr und mehr der ökonomisch-produktiven Verwendung entzieht und zum militärisch-appropriativen Einsatz bringt, mehr und mehr dazu nutzt, nicht mehr die für einen kontraktiven Austausch mit den territorialherrschaftlichen Nachbarn nötigen ökonomischen Leistungen zu erbringen, sondern nur mehr die für die extraktive Ausplünderung jener Territorialstaaten erforderlichen militärischen Vorrichtungen zu schaffen. Indem sie die, gestützt auf ihre militärische Stärke, Austausch treibende und mit den Nachbarn Transaktionen tätigende Zivilgemeinschaft immer mehr zu einer unter Einsatz ihrer militärischen Stärke Tribut nehmende und sich auf die Ausplünderung der Nachbarn verlegende Kampfgenossenschaft entwickelt, indem sie also in zunehmendem Maß ihr ganzes Ingenium und ihre gesammelte Produktivkraft darein setzt, mit requisitorischer Gewalt zu erlangen, was sie sich sonst unter Einsatz ihres Ingeniums und ihrer Produktivkraft durch kompensatorische Gegenleistungen verschaffen müsste, treibt die römische Bürgerschaft im Laufe ihrer mehrhundertjährigen Geschichte in der Tat einen als imperiales Ausbeutungssystem funktionierenden militärisch-bürokratischen Apparat hervor, der sie zum Empfänger und Nutznießer der Segnungen des gesamten Mittelmeerraums und der an ihn angrenzenden Regionen werden lässt, dem allerdings auch sein Systemcharakter, das Eigenleben, das er als militärisch-bürokratischer Apparat entfaltet, eine vom Selbsterhaltungsstreben und Bemühen um systemeigene Stabilität gespeiste instrumentelle Rationalität eingibt, die ihm die Nutznießerrolle der als kaiserliche Klientel firmierenden Bürgerschaft zunehmend beschwerlich werden und als unnötige Belastung erscheinen lässt und ihn dazu disponiert, sich dieses seines zum bloßen Ballast und überflüssigen Esser degradierten Erfinders und Initiators bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu entledigen. Indem nun der Apparat, der Not einer andernfalls eklatanten Bedrohung seiner Funktionsfähigkeit gehorchend, sein Personal immer weitgehender aus dem imperialen Gesamtfundus rekrutiert und damit der italisch-römischen Bürgerschaft jene Eigenschaft einer Rekrutierungsbasis für die imperialen Heere und Verwaltungen verschlägt, die letztlich maßgebendes Kriterium für ihre andauernde Nutznießerrolle war, ist diese Gelegenheit da, und der einstige Souverän und Erfinder des imperialen Ausbeutungssystems, der Populus Romanus, büßt seinen Begünstigtenstatus, seinen Rang als Resident der Metropole, ein und findet sich zum Provinzialen unter Provinzialen degradiert, in die Masse der durch das System unterschiedslos ausgebeuteten Untertanen zurückgegliedert.

Seines zur nutzlosen Belastung, zum Wasserkopf verkommenen Initiators, der römischen Bürgerschaft, ledig, kann der hiernach ineins als unbestrittener Souverän und alleiniger Nutznießer des Imperiums übrig bleibende militärisch-bürokratische Apparat in der Tat auf den ersten Blick den Eindruck einer Rückkehr zum territorialherrschaftlichen Normalfall traditioneller Theokratien oder ständehierarchischer Ordnungen machen. Gleichmäßig über das Reichsterritorium verteilt und die Untertanen als eine sie ebenso sehr militärisch überwachende und bürokratisch organisierende, wie von ihnen requisitorisch zehrende und von ihrer Hände Arbeit sich mittels Besteuerung nährende Schicht überlagernd, mit ihnen in einer aus habitueller Nähe und funktioneller Distanz gewirkten Symbiose verbunden, scheint das Personal jenes Herrschaftsapparats des späten Römischen Reiches bruchlos an die Eliten der nicht vom Kommerz durchdrungenen und in die politischen oder republikanischen Bürgerschaften der Handelsstädte umgekrempelten alten Gesellschaften anzuknüpfen. Nichts falscher indes als dieser Eindruck! Bei aller formellen Ähnlichkeit, die der nunmehr im Imperium herrschende Apparat mit früheren Führungsschichten haben mag – weder weist er deren ethnische, soziale und kulturelle Homogenität, ihre gemeinsamer Geschichte, Sprache und Erziehung entspringende Gruppenidentität, auf, noch besitzt er eine ihrer gesellschaftlichen Begründung oder schichtspezifischen Berufung, ihrem reaffirmativ-opferkultlichen Ritual oder repräsentativ-wesenskultlichen Zeremoniell vergleichbare Motivation oder Legitimation. Als ein aus dem ganzen Reich, aus all seinen internen Ethnien und externen Barbarenvölkern bunt zusammengewürfelter Haufe sind die römischen Söldnertruppen und die Reihen der zivilen Beamten, in denen sich alle equestrische Tradition verliert, bar jeden gewachsenen Zusammenhalts und ohne jede, über den praktischen Einfluss, den das Herrschaftsinstrument der römischen Sprache und Kultur ausübt, hinausreichende soziale Identität.

Und wie dem Populus Romanus, als dessen Erben und Restposten sie übrig bleiben, fehlt diesen vom imperialen Regiment organisierten Söldnerheeren und Beamtenscharen, diesen Betreibern des unter kaiserlicher Herrschaft zum Ausbeutungsautomaten verselbständigten Apparats, auch jeder sakrale Grund oder jede ideologische Rechtfertigung für ihr ausbeuterisches Tun. Das heißt, sie setzen das gleiche entschädigungslose, durch keine religiös-kultische oder sozialstrategische Gegenleistung gewichtete Ausbeutungsverhältnis fort, halten das gleiche, anfangs intern noch durch Pietas geheiligte und aber extern, gegenüber den Opfern der Ausbeutung, von Anfang an durch keinerlei sakrale Gegengabe, keinerlei rituellen Gewinn, keinerlei religiösen Trost kompensierte Requisitions- und Konfiskationssystem aufrecht, das die römische Marktgemeinschaft unter Führung ihrer Nobilität aus dem Boden ihres ursprünglich nur militärisch flankierten Handelssystems stampft und das in seinem von nichts als vom Kalkül der Macht bestimmten säkularen Charakter, seiner der Habgier zum Rang des höchsten religiösen Motivs verhelfenden Profanität alle bisherige Herrschaft in den Schatten stellt, besser gesagt, in die Schranken eines von irrationaler Umständlichkeit und falschen Rücksichten geprägten Zwangsrituals weist.

Mit den repräsentativen Verpflichtungen und zeremoniellen Bindungen, denen in den theokratischen und ständehierarchischen Gesellschaften die fronwirtschaftlichen Reichtum aneignenden, verwaltenden und verbrauchenden Oberschichten zusätzlich zur Erfüllung ihrer militärischen und bürokratischen Aufgaben genügen und gerecht werden müssen und in denen sie ihre kulturelle Bestimmung und ihre ständische Identität finden – mit solchen Verpflichtungen und Bindungen haben die jenen Gesellschaften quasi als Ausbeuter zweiter Potenz aufgepropften und auf bloße Tributnahme, die gewaltsame Beschlagnahmung und Aneignung des Reichtums anderer Gemeinwesen, beschränkten, statt mit innergesellschaftlicher Distribution, das heißt, mit der verbindlichen Verfügbarmachung und Sanktionierung solchen Reichtums als Herrenguts, befassten Söldnerheere und Beamtenscharen des römischen Imperiums nichts im Sinn. Das einzige, was diese aus aller Herren Länder zusammengelesene und von allen konkreten Milieus abstrahierte, von allen ethnischen, kulturellen oder sozialen Kontexten abgehobene Oberschicht äußerlich-funktionell eint, sind die militärisch-bürokratischen Aufgaben, die sie zum Zwecke der Sicherung ihrer durch keine gesellschaftliche Konstitutionsleistung sanktionierten tributären Requisitionen und fiskalischen Konfiskationen, sprich, im Interesse der ganz und gar profanen, ganz und gar vom Pragmatismus einer Aufrechterhaltung der imperialen Herrschaft um der Herrschaft willen getragenen Hege und Pflege des imperialen Ausbeutungssystems, erfüllen müssen, sind ihr soldatischer Dienst, ihre logistischen Vorkehrungen, ihre infrastrukturellen Maßnahmen, ihre städte- und festungsbaulichen Aktivitäten, ihre demographischen und fiskalischen Erhebungen. Und das einzige, was diese Oberschicht innerlich-intentional verbindet, ist die mit der Erfüllung jener pragmatischen Aufgaben verknüpfte Aussicht auf Beute, die Erwartung, dass das durch jene Aktivitäten instand gehaltene imperiale Ausbeutungssystem kraft der in seinem Rahmen routinemäßig durchgeführten requisitorischen Enteignungen und fiskalischen Eintreibungen dem imperialen Regiment und seinem gesamten, über das Reich verteilten militärisch-bürokratischen Apparat die für ein von subsistenzieller Not beziehungsweise konsumtiver Beschränkung freies Leben erforderlichen Mittel liefert.

Die Ungleichverteilung der Lasten und Chancen im Riesenreich bringt es mit sich, dass die auf die Funktionäre des Ausbeutungssystems reduzierte Oberschicht in einen Zustand permanenter innerer Wirren und Kämpfe verfällt. Dabei bildet wie zu Zeiten des Populus die Auswechslung des jeweiligen Imperators das Patentrezept im Machtkampf. Da aber mit der Abdankung des Populus auch die tribunizische Funktion entfallen ist, kann sich jeder ambitiöse Offizier die cäsarische Maske aufsetzen. Die Verheerungen der unablässigen Revierkämpfe treiben das Reich an den Rand des ökonomischen und sozialen Zusammenbruchs, so dass sich, auch nachdem dank Kampfesmüdigkeit, kaiserlicher Seilschaften und neuer Religion eine gewisse Beruhigung der Lage eingetreten ist, der imperiale Betrieb nur mehr durch die Einführung frondienstlicher Zwangsmechanismen aufrechterhalten lässt.

Genau in dieser, als notdürftig inneres Band und restbeständig intentionaler Konsens firmierenden Erwartungshaltung aber liegt nun auch der Keim des Zerwürfnisses und Verderbens. Sie nämlich kann angesichts der topischen Zusammensetzung und dynamischen Struktur des Imperiums gar nicht anders als enttäuscht werden. Als ein von äußeren Feinden umringtes und von raubgierigen beziehungsweise landhungrigen Barbarenvölkern bedrängtes territoriales Riesengebilde, das sich an seinen Grenzen und in seinen Randregionen in immer neue Abwehrkämpfe verwickelt und zu immer neuen Integrationsanstrengungen oder Zugeständnissen gezwungen sieht, bietet das Reich der es verteidigenden und verwaltenden Oberschicht abhängig von der geographischen Lage, militärischen Situation und strategischen Bedeutung der jeweiligen Regionen stark unterschiedliche Arbeits-, Lebens- und Unterhaltsbedingungen. Während in den einen Provinzen friedliche und geordnete Verhältnisse herrschen, herrscht in anderen Aufruhr und Krieg. Während aufgrund der politisch-militärischen Situation oder auch klimatisch-natürlicher Bedingungen die einen Provinzen ökonomisch benachteiligt sind oder Mangel leiden, schwelgen andere im Überfluss. Während die einen Provinzen ihrer militärisch-bürokratischen Oberschicht die Gelegenheit bieten, sich an der Front auszuzeichnen und Kriegsbeute zu machen beziehungsweise unverbrauchte Reichtumsquellen zu erschließen, verurteilen andere ihren Verwaltungsapparat zu karrierefeindlicher Routine und wirtschaftlicher Stagnation. Während die einen Provinzen sich wegen irgendwelcher ethnischer, regionalistischer oder strategischer Voreingenommenheiten des Kaisers und seines Hofes stiefmütterlich behandelt und vernachlässigt finden, sehen sich andere ins Zentrum der Aufmerksamkeit und Zuwendung des kaiserlichen Regiments gerückt. Aus objektiven Gründen oder aus subjektiver Sicht, weil die staatliche Beute in dem von ihnen beherrschten Gebiet spärlicher ausfällt als in anderen Landesteilen, weil im Vergleich zur Schwere oder Bedeutung ihrer militärisch-bürokratischen Aufgaben oder Leistungen der Lohn zu gering ausfällt, weil das imperiale Geschehen an ihnen vorbeiläuft und sie sich zum schieren Provinzdasein verurteilt sehen, weil sie sich in der kaiserliche Gunst und vom kaiserlichen Regiment benachteiligt finden – so oder so sehen sich die einen oder anderen regionalen Gruppen oder strategischen Verbände der über das Imperium herrschenden Militärs und Ministerialen in ihrer Erwartungshaltung getäuscht und mit einer wirklichen oder vermeintlichen Ungleichverteilung der Beute und Lebenschancen konfrontiert, für die sie natürlich den Herrn und Meister des ganzen Systems, den göttlichen Cäsar, ihren imperatorischen Führer verantwortlich machen und deren Korrektur und Behebung sie von ihm mehr oder minder dringlich verlangen. Kommt er ihrer Forderung nach, sind sie zufrieden, und es herrscht Ruhe, bis in der Konsequenz seiner Konzilianz oder unabhängig davon eine andere Gruppe oder ein weiterer Verband sich benachteiligt findet und auf eine Revision der Beute- und Chancenverteilung dringt. Was aber, wenn er aus objektiven Rücksichten oder aus subjektiver Borniertheit ihrem Verlangen nicht nachkommen kann oder will?

Hier zeigt sich nun, dass bei aller ökonomischen Erleichterung und Entlastung, die die Abdankung des Populus und die Beschränkung des Status der durch den imperialen Ausbeutungsapparat Begünstigten auf die militärischen Erhalter und bürokratischen Betreiber des Apparats selbst mit sich bringt, das imperiale Regiment doch aber die politische Bürde und Hypothek der dem tribunizisch-konsularischen Imperator übergestülpten Maske des Gottkaisertums dadurch mitnichten los geworden ist. Jene cäsarisch-göttliche Natur, die das römische Volk seinem tribunizisch-konsularischen Führer attestiert und kultisch an ihm verehrt, um ihn der qua Prinzipat beschworenen Einbindung ins Patriziat zu entreißen und als ebenso selbstherrlichen wie quasi natürlich, eben durch sein göttliches Cäsarentum, den Interessen seiner popularen Klientel verpflichteten Autokraten zu etablieren – sie wird auch von der um den Wasserkopf des Populus Romanus gekürzten militärisch-bürokratischen Funktionärsschicht, die als alleinige Nutznießerin des imperialen Ausbeutungssystems übrig bleibt, bereitwillig akzeptiert und, obwohl das Patriziat längst das Zeitliche gesegnet hat und der Imperator mit autokratischer Befehlsgewalt, mit absolutem imperium, regiert, als nach wie vor zwingendes kultisches Erfordernis hochgehalten. Der Grund für dieses Festhalten am Kult des göttlichen Cäsar ist dabei das haargenau gleiche und unverändert zweideutige Motiv, das schon dem Populus jenen Kult lieb und teuer machte: So effektiv sich die Maske der cäsarisch-göttlichen Natur dem Imperator überstülpen und zu einem unwiderstehlichen Palladium oder Apotropäon im Kampf gegen die patrizischen Gegner des Alleinherrschers machen lässt, so umstandslos lässt sie sich dem Imperator aber auch herunterreißen und einem anderen, die empirische Person, die sie trug, spurlos ersetzenden oder vernichtend anonymisierenden Individuum zuwenden. Weil, wie oben ausgeführt, zwischen der cäsarischen Maske und ihrem empirischen Träger kein spezifisches Band biologischer oder sozialer Zusammengehörigkeit, genealogischer oder persönlicher Kontinuität existiert, bleibt der empirische Träger der cäsarischen Maske ein abstraktes Substrat, ein das Kultbild tragendes Podest, dessen Austausch und Ersetzung sich in einem bloßen Standortwechsel des im übrigen immer gleichen Kultbilds erschöpft.

Jene Maske des Gottkaisertums gibt also dem Populus nicht nur das Zuckerbrot an die Hand, mit dem er sich das Wohlwollen des Imperators erkaufen, sondern auch die Peitsche, mit der er dessen Wohlverhalten erzwingen kann, sie dient mit anderen Worten dem Populus nicht nur als Kampfinstrument, um ihn bei seinem Ringen um die Alleinherrschaft zu unterstützen, sondern auch als Pressionsmittel, um ihn als Alleinherrscher in Schach oder besser gesagt bei der Stange seiner als Heer- und Volksführer eingegangenen Verpflichtungen zu halten. Und mag die erstere, positive Rolle der cäsarischen Maske sich, weil dem Imperator niemand mehr die Alleinherrschaft bestreitet und er keiner parteilich-fraktionellen Unterstützung durch eine Volksbewegung, keiner besonderen Klientel, mehr bedarf, mittlerweile erledigt haben, in ihrer letzteren, negativen Funktion als Kontroll- und Disziplinierungsinstrument, als dem Herrscher ebenso leicht zu entziehendes wie zu verleihendes Unterpfand seiner Macht, bleibt sie, auch nachdem der Populus abgedankt ist und die militärisch-bürokratischen Betreiber des Ausbeutungsapparats als dessen alleinige Nutznießer übrig geblieben sind, unverändert erhalten und in Kraft. Angesichts der unvermeidlichen, weil gleichermaßen in der Struktur und Dynamik des imperialen Riesengebildes angelegten Ungleichverteilung der Beuteaussichten und Karrierechancen rekurrieren die wirklich oder vermeintlich benachteiligten Gruppen der Söldner und Ministerialen, wenn sie sich selber hinlänglich stark beziehungsweise die Umstände günstig und ihre territoriale Basis tragfähig genug glauben, geradeso wie einst der Populus und das Volksheer angesichts ihrer wirklichen oder vermeintlichen Vernachlässigung durch den kaiserlichen Patron auf das bewährte Mittel, diese ihre Benachteiligung oder Vernachlässigung als schlagenden Beweis für einen Verrat des imperatorischen Amtsinhabers an seinem Amt, als unmissverständlichen Beleg dafür zu nehmen, dass der Maskenträger an der Spitze des imperialen Ausbeutungssystems seiner göttlich-cäsarischen Maske, sprich, seinem Vertrag mit denen, die das System direkt oder indirekt tragen und deshalb Anspruch auf die Nutznießerschaft am System erheben, nicht gerecht wird und folglich sein Recht auf die Herrschaft verwirkt hat. Wie zuvor der römische Populus und sein militärisches Instrument, das Volksheer, sind auch die unter Verzicht auf die römisch-populare Basis aus der Untertanenmasse des gesamten Imperiums rekrutierten und dieser als ebenso egale wie abstrakte militärisch-bürokratische Oberschicht oktroyierten Söldnertruppen und Beamtenschaften allzeit bereit, im gegebenen Fall ihren kaiserlichen Herrn für einen unechten Cäsar, einen bloßen Maskenträger zu erklären und ihn entweder, falls sie sich stark genug fühlen, die Maske herunterzureißen, um sie einem anderen aufzusetzen, dem sie angeblich besser zu Gesicht steht, oder aber eine Gegenmaske ins Treffen zu führen, einen konkurrierenden Cäsar auf den Schild zu heben, dem dann die Aufgabe zufällt, seinen Nebenbuhler zu überwinden und sich als Alleinherrscher durchzusetzen.

Die Hoffnung auf eine Stabilisierung der imperialen Herrschaft und größere Bewegungsfreiheit für das kaiserliche Regiment, die der Imperator ursprünglich mit der Entmächtigung seiner römisch-popularen Klientel und der Befreiung des Heeres und Verwaltungsapparats von deren Einfluss verbindet, erfüllt sich demnach nicht. Die bindungslos-freischwebenden Militärs und Ministerialen, auf die der Kaiser nun seine Herrschaft gründet, sind nicht weniger eigensüchtig und im Falle einer vermeintlichen oder wirklichen Benachteiligung nicht weniger zur Meuterei geneigt als zuvor der Populus beziehungsweise das aus ihm rekrutierte Volksheer alter Prägung. Und warum sollten sie auch? Schließlich ist es das unverändert gleiche, qua Imperium dem Mittelmeerraum oktroyierte und ihn mit jeder Kompensationsleistung barer militärischer Gewalt und bürokratischer Systematik zur Ader lassende Ausbeutungssystem, das sie aufrecht zu erhalten dienen und im Blick auf dessen Früchte sie dafür die Nutznießerrolle beanspruchen. Und schließlich sind, so gesehen, sie nicht anders als zuvor der Populus und das aus ihm rekrutierte Volksheer der heimliche Souverän des Systems, der, wie er sich voll und ganz in den Dienst seines Repräsentanten und Führers, des Hüters und Organisators des imperialen Ausbeutungssystems, stellt, diesem unbeschränkte Vollmacht, die absolute Herrschaft überträgt und sich bedingungslos und mit kultischer Hingabe seinem Willen, dem Willen des cäsarischen Imperators, unterwirft, so aber auch darauf insistiert, dass kraft seiner cäsarischen Konstitution der Wille des Imperators nichts anderes sei, als der vom heimlichen Souverän, der Gefolgschaft des kaiserlichen Herrn, aufgeopferte Wille in manifester Gestalt oder epiphanischer Reproduktion, dass mit anderen Worten die dem kaiserlichen Herrn übertragene Vollmacht nichts weiter darstelle als die in die ebenso kompakte wie opake und ebenso effektive wie irrationale Form individueller Entscheidungsbefugnis und persönlicher Selbstherrlichkeit gebannte Volksmacht.

An dieser durch das imperiale Ausbeutungssystem und die Modalitäten seiner Nutzung gegebenen Grundkonstellation, die aus dem Imperator eine amphibolische Kombination aus sakralem Zweck und profanem Mittel, eine vergöttlichte Kreatur, einen relativen Funktionsträger in Gestalt eines absoluten Kultobjekts, kurz, einen Fetisch, macht und die ihn für den Fall, dass er den an ihn als Funktionsträger sich richtenden Ansprüchen nicht gerecht wird, die ihm als profanem Mittel gestellten Aufgaben nicht erfüllt, der üblichen Gefahr aussetzt, die jedem Fetisch droht, nämlich dem Schicksal, von seiner enttäuschten Kultgemeinde als bloße Kreatur, bloßes maskenhaftes Machwerk entlarvt und durch einen neuen Fetisch ersetzt zu werden – an dieser Grundkonstellation ändert sich dadurch, dass die Riege der durch das imperiale Ausbeutungssystem Begünstigten um den Wasserkopf des römischen Populus gekürzt wird und sich auf die wirklichen Funktionsträger des Systems, die an der Pflege und Hege des Systems aktiv Beteiligten reduziert, nicht das geringste. Das einzige, was sich ändert, ist dies, dass die Abdankung des Populus und die Beschränkung der als kaiserliche Klientel firmierenden Nutznießer des Systems auf eine Art Fremdenlegion oder internationale Brigade, ein buntes Völkergemisch aus Militärs und Ministerialen, die Anfechtbarkeit und Austauschbarkeit des kaiserlichen Maskenträgers erheblich vergrößert. Solange der Populus und die von ihm okkupierte Metropole noch eine politische Rolle spielen und eine strategische Bedeutung behalten, wahrt der Kaiser in wie auch immer routinierter und abgestumpfter Form seine anfängliche Doppelfunktion als Feldherr und Volksführer, sein ihn als den Imperator ursprünglich an die Macht bringendes tribunizisch-konsularisches Format. Das heißt, sein Amt weist eine Qualifikation, eine Stellenbeschreibung auf, die sich für jeden Versuch, den Amtsinhaber zu stürzen und zu ersetzen, als Hürde oder zumindest als Komplikation erweist. So gewiss nämlich der Ersatzmann für einen Imperator, der sich als seiner cäsarischen Maske oder göttlichen Natur unwürdig erweist, in erster Linie ebenfalls Heerführer, ein mit Imperium ausgestatteter Militär, ein das besoldete Volksheer zu führen fähiger Konsul, sein muss, so gewiss muss er aber auch zweitens imstande sein, die soziale Basis des Volksheeres, die metropolitane Plebs, seine populare Gefolgschaft zu lenken, kurz, den Volksführer zu mimen, den Tribun zu geben.

Auch wenn diese tribunizische Zusatzbestimmung, diese die Imperatorenrolle volksführerschaftlich einschränkende Bedingung natürlich nicht verhindert, dass sich im Zweifelsfall immer ein Kandidat für das vakante beziehungsweise zur Vakanz ausgeschriebene Imperatorenamt findet – sie schließt aber immerhin aus, dass sich jeder Haudegen im Imperium, jeder strebsame Offizier für das Amt berufen wähnen kann. Mit der Abdankung der römisch-popularen Klientel des Kaisers und der Beschränkung seiner Gefolgschaft auf die militärischen und bürokratischen Funktionäre des imperialen Ausbeutungssystems verschwindet indes die tribunizisch-volksführerschaftliche Komponente des imperatorischen Amtes. Der Imperator ist hiernach nichts mehr als Heerführer, die römischen Legionen befehligender konsularischer Offizier, mit absolutem Imperium ausgestatteter Militär. Das heißt, von den übrigen Offizieren des römischen Massenheeres unterscheidet ihn nichts mehr als eben nur das imperatorische Amt, das er bekleidet, beziehungsweise die mit dem Amt verknüpfte und es qua Sanktionierung legitimierende, qua Fetischisierung krönende göttlich-cäsarische Maske, die er trägt. Deshalb steht auch jeder Offizier im Reich, der über genügend Phantasie und Ehrgeiz verfügt, als Ersatzmann für das Amt bereit, steht Gewehr oder vielmehr Pilum bei Fuß, einem Amtsinhaber, der sich in irgendeiner Hinsicht missliebig macht oder bei irgendeiner Gruppierung der militärisch-bürokratischen Oberschicht Anstoß erregt, die Maske herunterzureißen, um sie sich aufzusetzen.

Dieses auf dem Nährboden einer Reduktion der imperialen Oberschicht auf Militärs und Bürokraten Virulenz gewinnende unselige Zugleich von dank der dynamischen Struktur des imperialen Riesengebildes allzeit gegebenem objektivem Anlass zur Unzufriedenheit und in Gestalt karrieresüchtiger Offiziere allgegenwärtiger Motivation zum Aufruhr besiegelt den Niedergang, den das römische Imperium im 3. Jahrhundert n. Chr. erlebt und der all die ökonomische Erleichterung und logistische Entlastung, die jene Entfernung des popularen Wasserkopfes und Reduktion der imperialen Nutznießerschicht von Haus aus mit sich bringt, durchkreuzt beziehungsweise wieder zunichte macht. Vom immer neu und an immer anderen Orten aufbrechenden Gefühl der Benachteiligung oder Vernachlässigung durch das imperiale Regiment verfolgt, verwandeln sich die Legionen in marodierende Landsknechtshorden, die jederzeit auf dem Sprung stehen, dem Kaiser die Gefolgschaft aufzukündigen und ihren truppeneigenen Führern per Akklamation das imperatorische Amt zu übertragen. Und von ihren Truppen auf den Schild gehoben, mutieren die als Imperatoren einander abwechselnden oder verdrängenden einzelnen Offiziere zu Rottenführern, Kondottieri, die nichts weiter im Sinn haben, als sich des imperialen Ausbeutungssystems in toto zu bemächtigen und sich mit dessen Früchten die Dankbarkeit und Loyalität ihrer jeweiligen Mannschaft zu erkaufen und zu erhalten. Die Folge dieses ständigen, allgegenwärtigen Streits um eine Neuverteilung der materiellen Beute und Karrierechancen, in den sich die einzelnen, regional, funktionell oder strategisch verschiedenen Gruppen der militärisch-bürokratischen Oberschicht unter Führung karrieresüchtiger Offiziere verstricken, ist die Überführung des Imperiums in einen einzigen großen, von waberndem Hin und Her, von unablässigen Umwälzungen und Umschichtungen erfüllten Unruheherd, seine Transformation in einen einzigen großen, von militärischen Rüstungen und Kampagnen widerhallenden potentiellen oder aktuellen Kriegsschauplatz. Solange die aufrührerischen Truppenteile und deren Kondottieri stark genug sind, um ihre Gebiete gegen den amtierenden Imperator zu behaupten, aber zu schwach, um ihn aus dem Amt zu jagen, wirken sich solche Erhebungen eher im Sinne einer Regionalisierung der Macht und Spaltung des Imperiums, einer Bildung von Sonderreichen aus. Sobald sich indes der amtierende Imperator oder seine Konkurrenten stark genug fühlen, um den Gegner aus dem Felde zu schlagen, dringen sie auf die Wiederherstellung der Einheit des imperialen Ausbeutungssystems unter ihrer Herrschaft und ziehen gegeneinander in den Krieg.

Dass sich solch eine Situation permanenten Streits und absoluter Instabilität, solch ein ständiges, mit militärischen Mitteln betriebenes Revirement in der Machtverteilung und Herrschaft im Wortsinne verheerend auf die ökonomischen und sozialen Verhältnisse im Reich auswirken muss, liegt auf der Hand. So gewiss die militärisch-bürokratische Oberschicht zusätzlich zu den fiskalischen und requisitorischen Abgaben die sie vom Amts wegen und routinemäßig bei den Untertanen erhebt, diesen auch noch die finanzielle und materielle Last ihrer außerplanmäßigen internen militärischen Auseinandersetzungen und der dafür erforderlichen Rüstungen aufbürdet und so gewiss sie dazu auch noch, während sie einerseits die Untertanen aufs stärkste belastet, sie andererseits durch die fortwährenden militärischen Kampagnen in der Ausübung der wirtschaftlichen Aktivitäten, die nötig wären, um die Last schultern zu können, behindert, Arbeitskräfte aus ihren Reihen als Soldaten presst, Gewerbe für Rüstungszwecke zwangsverpflichtet, den kommerziellen Austausch verunmöglicht und die Saaten zertrampelt – so gewiss dies alles Konsequenz ihrer ebenso krampfhaften wie vergeblichen Bemühungen ist, ein Äquilibrium in der Verteilung der Beute und der Karrierechancen zu erreichen, so gewiss vereitelt sie damit die Aussichten auf Besserung und Entlastung, die die Abdankung des Populus, die Befreiung des Imperiums vom Wasserkopf der metropolitanen Klientel des Kaisers, den Provinzen an sich eröffnet, erstickt im Keim beziehungsweise vernichtet nach kurzer Blüte, was sich an dezentralem Leben, an regionaler Initiative in den Provinzen regt, und sorgt für einen das ganze 3. Jahrhundert lang anhaltenden, unaufhaltsamen ökonomischen Niedergang, der das imperiale Ausbeutungssystem eines Großteils seiner Reichtumsquellen beraubt und als eine vornehmlich mit der Verwaltung des Mangels befasste Notversorgungs- und Zwangsvollstreckungseinrichtung zurücklässt.

Als sich am Ende des Jahrhunderts staatliche Vernunft oder imperatorisches Selbsterhaltungsinteresse in Gestalt des Diokletian auf das zwei Jahrhunderte zuvor mit dem Adoptivkaisertum praktizierte Rezept, dem Imperatorenamt größere strategische Stabilität und dynastische Kontinuität zu sichern, zurückbesinnt und mit dem Tetrarchensystem kaiserliche Seilschaften ins Leben ruft, die mittels Aufteilung von Machtsphären und durch Nachfolgeregelungen aus potentiellen Konkurrenten aktuelle Verbündete und aus drohenden militärischen Auseinandersetzungen präventive politische Schulterschlüsse werden lassen, sorgt das zwar militärisch-politisch für eine gewisse Beruhigung und Normalisierung der Situation und hat, soweit die Rezeptur in der einen oder anderen Form das letzte Jahrhundert hindurch, das dem Imperium noch beschieden ist, in Kraft bleibt und nicht durch Rückfälle in die alte Anarchie konterkariert wird, längere Phasen inneren Friedens und ziviler Ordnung, eine Art von wiederkehrender Pax Romana, zur Folge. Ökonomisch-sozial aber sind die Schäden irreparabel und ist der Niedergang irrevozibel. Einer durch die ewigen Kämpfe verwüsteten und in ihren kommerziell-geldwirtschaftlichen Strukturen, ihren übergreifenden Marktzusammenhängen bis in die fernsten Provinzen zerstörten, kurz, auf die Unmittelbarkeit und Enge naturalwirtschaftlichen Austauschs reduzierten Wirtschaft gelingt es nurmehr mit Mühe und Not, die ihr vor Ort aufgehuckte militärisch-bürokratische Oberschicht mit den für deren Unterhalt, ihre Subsistenz, ihre militärische Funktionsfähigkeit und die Aufrechterhaltung eines Minimums an herrschaftlich-demonstrativem Lebensstil, erforderlichen Gütern zu versorgen.

Es gelingt ihr mit Mühe und Not, genauer gesagt, sie schafft es nur dank einer gegen die Untertanen ausgeübten direkten militärischen Gewalt und eines gegen sie angewandten direktiven bürokratischen Zwanges. Weil die ständigen militärischen Aktionen und die einschneidenden bürokratischen Requisitionen, denen der die Oberschicht umtreibende Kampf um die Verteilung der Beute und der Karrierechancen die Provinzen aussetzt, die autochthonen Produktionszusammenhänge ruiniert und die lokalen Wirtschaftsordnungen demontiert hat, bleibt der Oberschicht gar nichts anderes übrig, als das provinzielle Wirtschaftsleben nun doch wieder in die wenn auch beileibe nicht mehr nach Ritterart extraktiv-unternehmerisch oder profitorientiert-ausbeuterisch, so jedenfalls doch nach Intendantenart präskriptiv-organisatorisch oder restriktiv-dirigistisch eigenen Hände zu nehmen. Weit entfernt davon, sich auf reine Abschöpfungsökonomie, das heißt, auf die einfache, distanzierte Funktion fiskalischer Eintreibungen und requisitorischer Beschlagnahmungen beschränken zu können, sieht sich die Oberschicht angesichts des imperiumsweiten Zusammenbruchs des Wirtschaftslebens und Leerlaufens der es routinemäßig schröpfenden Ausbeutungsapparatur in zunehmendem Maße gezwungen, militärisch-bürokratisch Hand anzulegen und selber die für eine wenigstens notdürftige Aufrechterhaltung der traditionellen Reichtumsproduktion nötigen Maßnahmen zu treffen und in die Tat umzusetzen.

So wird von Staats wegen das Kolonat, der Schollenzwang eingeführt, der die ackerbautreibenden Untertanen nicht nur in die Kontinuität ihrer gesellschaftlichen Tätigkeit zwingt, sondern mehr noch auf den Fleck der Ackerfläche bannt, auf der sie ihre Tätigkeit ausüben, und durch den der Landflucht und chaotischen Migrationsneigung, die Folge der militärischer Zerstörung und ökonomischem Elend entspringenden allgemeinen Entwurzelung und Auflösung ist, ein Riegel vorgeschoben werden soll. Desgleichen wird über die Handwerker und Gewerbetreibenden ein Berufs- und Organisationszwang verhängt, um sie unter staatlicher Kontrolle zu halten und daran zu hindern, ihre ihnen durch ständige Requisitionen verleidete Profession an den Nagel zu hängen, und um auf diese Weise die Produktion handwerklicher Güter wenigstens in der rudimentären Form, in der sie noch existiert, zu gewährleisten. Darüber hinaus finden sich die Untertanen Zwangsverpflichtungen, Fronleistungen, unterworfen, um den Bedarf an öffentlichen Arbeiten, an der Errichtung staatlicher Bauten, militärischer Festungen, infrastruktureller Anlagen zu decken. Und schließlich bildet das späte imperiale Regime ein System von Staatsagenten, Dekurionen, aus, die als eine Art von Miniaturvögten vor Ort der jeweiligen Untertanengemeinde persönlich dafür haften, dass diese ihre Steuerabgaben entrichtet und ihre Fronpflichten erfüllt.

Die frondienstliche Vereinnahmung der Untertanenschaft ist ebenso wenig eine Rückkehr zu traditionellen territorialherrschaftlichen Verhältnissen wie die spätrömische Funktionärsschicht eine Anknüpfung an alte theoretische oder ständehierarchische Oberschichten. Die Schollenbindung und der Innungszwang sind vielmehr schiere Notveranstaltungen zur Aufrechterhaltung eines Minimums an ausbeutbarem Wirtschaftsleben. Die innere, existenzielle Abwendung der Untertanenschaft von ihren gewohnten weltlichen Geschäften hat ihren Grund nicht nur in der Doppelbelastung, der sie von Seiten ihrer eigenen und der römischen Herrschaft ausgesetzt sind, und auch nicht nur in der Widersprüchlichkeit einer Herrschaft, die die Saaten derer zertrampelt, von denen sie dann das Korn eintreiben will. Die abgründige Verzweiflung der Untertanenschaft an der Welt und ihrem Treiben hat ihren Grund auch und vor allem in der Nachdrücklichkeit, mit der die im Kaiserkult bestehende ideologische Absicherung der römischen Herrschaft die den Völkerschaften der Provinzen eigenen religiösen Rechtfertigungssysteme und Sinnstiftungen untergräbt und zerstört.

Wie schon die Reduktion der Nutznießer des imperialen Ausbeutungssystems auf eine das Imperium flächendeckend überziehende und kontrollierende militärisch-bürokratische Funktionärsschicht, so könnte auch die frondienstliche Vereinnahmung der Bevölkerung des Imperiums, die diese zu einer auf den Fleck ihres demographischen Orts gebannten beziehungsweise an die Kette ihrer ökonomischen Aktivität gelegten Untertanenschaft homogenisiert und nivelliert, auf den ersten Blick den Eindruck einer simplen Rückkehr zu den traditionellen Machtübungsformen und Herrschaftsverhältnissen theokratischer oder ständehierarchischer Provenienz machen. Tatsächlich aber wäre der Eindruck in Ansehung der fronenden Untertanen nicht weniger falsch und irreführend als hinsichtlich der herrschenden Nutznießerschicht aus Militärs und Bürokraten. Weit entfernt davon, dass diese imperialen Militärs und Bürokraten die Tradition der theokratisch verfassten oder ständehierarchisch geordneten alten territorialherrschaftlichen Oberschichten wiederaufnähmen und deren religiös sanktioniertes, durch opferkultliche Beschwörungen der Objektivität dieser Welt, rituelle Gewährleistungen ihrer Wirklichkeit und ihres Wertes erfülltes Vertragsverhältnis mit der Gesellschaft fortsetzten, stehen sie vielmehr voll und ganz in der Kontinuität der profanen, kompensationslosen, das heißt, aller religiösen Gegen- und sozialen Garantieleistungen baren Ausbeutungspraxis der aus einer kontraktiv-kommerziellen Erzeugergemeinschaft in einen expansiv-imperialen Kampfverband umgerüsteten und jetzt ebenso militärdespotisch organisierten wie ursprünglich familiär-aristokratisch verfassten, städtischen Marktgesellschaft.

Wenn diese in eine militärisch-bürokratische Funktionärsschicht unter Führung eines nur durch seine göttlich-cäsarische Maske vom Kondottiere unterscheidbaren Imperators mutierte Marktgesellschaft Ähnlichkeit mit alten territorialherrschaftlichen Oberschichten theokratischer oder ständehierarchischer Provenienz aufweist, dann deshalb, weil sie am Ende dieser von ihr gewahrten Kontinuität einer maßgeblich säkularen, wesentlich profanen, will heißen, in ihrer militärisch-bürokratischen Rationalität aller opferkultlich-rituellen Begründung, wenn auch nicht jeglicher ahnenkultlich-initialen Motivation, entbehrenden Ausbeutung steht und ihr, beziehungsweise der Funktionärsschicht, in die sie mutiert ist, vor dem Scherbenhaufen, in den ihre rücksichtlose Ausbeutungspraxis die von ihr betroffenen Territorialstaaten und vorstaatlichen Gebiete rund um das Mittelmeer verwandelt hat, gar nichts anderes übrig bleibt, als um einer wenigstens rudimentären Aufrechterhaltung des imperialen Ausbeutungssystems willen Formen einer symbiotischen Lebensgemeinschaft mit den Ausgebeuteten oder parasitären Nähe zu ihnen, Mechanismen einer auf die direkte fiskalische und requisitorische Inanspruchnahme der jeweiligen lokalen Bevölkerung abgestellten stationären militärischen Präsenz und vor Ort etablierten bürokratischen Kontrolle auszubilden, die in der Tat an die Lebensweise der Oberschichten der alten, theokratisch oder ständehierarchisch stratifizierten Gesellschaften erinnern. Die Ähnlichkeit bleibt indes eine bloß äußere Parallele, eine der substantiellen Übereinstimmung gänzlich entbehrende funktionelle Analogie, die durch die Tatsache, dass sie Resultat der imperiumsweiten realen Zerstörung eben dessen ist, wozu die phänomenale Affinität bestehen soll, unschwer als von der Überlebensnot diktierte, zerr- und vexierbildliche Mimikry erkennbar ist. Dass und wie sehr die militärisch-bürokratische Oberschicht spätrömischen Zuschnitts bloßes Zerr- und Vexierbild der Oberschichten alter Prägung ist, beweist nicht zuletzt ihre schier unbezwingliche Rastlosigkeit und Instabilität, ihre von der ständigen Angst vor Benachteiligung und Vernachlässigung geplagte, vom permanenten Verdacht der Ungleichverteilung der Beute und Karrierechancen heimgesuchte Geistesverfassung, die sie in den fraktionellen Krampf einer als Soldatenkaisertum firmierenden Rottenbildung hineintreibt und in jene aufreibenden, zerstörerischen Revierkämpfe verwickelt, an deren Ende der ebenso endgültige wie vollständige Zusammenbruch der alten Wirtschaftsordnungen und ihrer letzten, provinziellen Marktstrukturen und die als Notveranstaltung, nämlich als Mittel zur Aufrechterhaltung eines wenigstens rudimentären Wirtschaftslebens, unschwer erkennbare Rückkehr zu fronwirtschaftlichen Verhältnissen stehen.

Ebenso wenig wie die militärisch-bürokratische Oberschicht der Spätphase des Kaiserreichs in irgendeinem substanziellen, die funktionelle Analogie inhaltlich fundierenden Sinne an die Oberschichten der alten territorialherrschaftlichen Theokratien und ständehierarchischen Gesellschaften anknüpft, steht demnach auch die mit militärischer Gewalt und bürokratischem Zwang frondienstlich organisierte Untertanenschaft dieser Spätphase in der mindesten, über eine vexierbildliche Parallele hinausgehenden Kontinuität mit den fronwirtschaftlich Reichtum produzierenden Untertanen der alten Territorialherrschaften. Sie ist im Gegenteil das ebenso diskrete wie heterogene Resultat einer Entwicklung, die in den beiden Etappen der systematischen Ausbeutung des Imperiums durch die prätorianisch-equestrische Gefolgschaft des Kaisers und des chaotischen Streits der auf eine militärisch-bürokratische kaiserliche Funktionärsschicht reduzierten Ausbeuter um die schwindende Beute zur Zerstörung und zum Zusammenbruch all jener wirtschaftlichen Strukturen und gesellschaftlichen Ordnungen führt, an die sie bei oberflächlicher Betrachtung anzuknüpfen beziehungsweise auf die sie zu rekurrieren scheint. Dabei ist der Zusammenbruch, dem die mittels Schollenbindung und Frondienst zwangsverpflichtete Untertanenschaft des ausgehenden Römischen Reichs als ein von aller reproduktiven Wiederaufnahme weit entferntes regressives Vexierbild der alten territorialherrschaftlichen Knechtschaft entspringt, vollständig und endgültig in dem Sinne, dass auch die militärisch-politische Beruhigung der Situation und Stabilisierung der kaiserlichen Macht, die im 4. Jahrhundert dank der allgemeinen Kriegsmüdigkeit, der Bildung kaiserlicher Seilschaften und dem Siegeszug einer neuen Religion eintritt, und die damit gegebene Chance zur ökonomisch-sozialen Erholung oder Restauration nichts mehr retten können und keine Umkehr zu früheren Zuständen oder Fortsetzung alter Traditionen mehr zu bewirken vermögen.

Tatsächlich ist der Umstand, dass die als Notveranstaltung zur Aufrechterhaltung eines Minimums an ausbeutbarem Wirtschaftsleben wohlverstandene und mit Mitteln militärischer und Gewalt und bürokratischen Zwangs durchgesetzte frondienstliche Rekrutierung und Arretierung der Untertanen in eine Zeit fällt, in der, militärisch-politisch oder formell gesehen, Gelegenheit für eine Wiederherstellung der zerstörten Wirtschaftsformen und zersprengten Marktzusammenhänge wäre, weil so unangefochtene Herrscher wie ein Diokletian oder Konstantin für längere Phasen relativer Ruhe und Ordnung im Imperium sorgen, schlagender Beweis dafür, dass der alle Provinzen umfassende Zusammenbruch der überkommenen autochthonen ökonomischen Strukturen und regionalen kommerziellen Zusammenhänge, der in der Konsequenz der von den Rotten des Soldatenkaisertums ausgetragenen zerstörerischen Revierkämpfe stattfindet, sich nicht in einer äußeren Demontage oder objektiven Funktionsstörung des imperialen Systems erschöpft, sondern vielmehr Ausdruck einer inneren Demotivierung und radikalen Entfunktionalisierung der als Untertanen ebenso sehr am Systemzerfall beteiligten wie von ihm betroffenen Subjekte selbst ist. Wie der faktische Zusammenbruch der das imperiale Ausbeutungssystem bis dahin tragenden traditionellen, territorialherrschaftlichen Strukturen der unter römische Herrschaft gebrachten und ihren Bedürfnissen zwar angepassten, aber doch strukturell unangetastet gelassenen provinziellen Ökonomien und Märkte den äußeren Anlass für die als Notstandsverordnung unschwer erkennbare fronwirtschaftliche Umrüstung des Imperiums bildet, so stellt den inneren Grund für diese Umrüstung die Tatsache dar, dass die Untertanen als an der traditionellen herrschaftlichen Reichtumsproduktion im Rahmen ihrer politisch-institutionellen Loyalitäten und ethnisch-kulturellen Bindungen mehr oder minder freiwillig mitwirkende Akteure, als in der Erzeugung jener Güterfülle, die den römisch-imperialen Ausbeutern zugleich mit den eigenen Oberschichten ein erwartungs- beziehungsweise standesgemäßes Auskommen sichert, ihre mehr oder minder affirmative Bestimmung findende Werktätige, aufgehört haben zu existieren.

Nachdem sie jahrhundertlang die doppelte Belastung, zwei Strata von Herren, die theokratisch oder ständehierarchisch eigene Herrschaft und die imperialen Besatzer, aushalten und bedienen zu müssen, geduldig ertragen haben, haben sie nun, salopp gesagt, die Faxen dicke, haben allen Glauben an einen Sinn und Nutzen ihres Tuns, alle Hoffnung auf eine Rückkehr zu normalen, nicht schon ins imperiale Quadrat gehobenen, sondern auf der Ebene der ursprünglichen, theokratischen oder ständehierarchischen Gesellschaftsverträge verhaltenen Ausbeutungsverhältnissen verloren und empfinden ihre ökonomischen Aktivitäten und sozialen Leistungen als eine Bürde, die sie nurmehr das Interesse haben, in toto abzuschütteln, betrachten ihre Arbeits- und Lebenswelt als einen Kerker, dem zu entfliehen, zu ihrem zunehmend obsessiven, immer ausschließlicheren Bedürfnis wird. Sie sehen sich mit den Bedingungen ihres natürlichen Daseins und ihrer gesellschaftlichen Praxis zerfallen, finden in dem, was sie wirken und vollbringen, weder Halt noch Perspektive und werden von einem Gefühl der Vergeblichkeit und Sinnlosigkeit ergriffen, das in tiefe Verzweiflung an ihrer irdischen Existenz in ihrer ganzen gegenwärtigen Beschaffenheit einmündet und sie zur Weltflucht, zur Bereitschaft, sich allen realen Bindungen und sozialen Verpflichtungen zu entziehen, disponiert. Sie verfallen in eine Art von Stupor, in eine Haltung der Teilnahmslosigkeit und Indifferenz gegenüber allen sie okkupierenden weltlichen Geschäften und der Verantwortungslosigkeit und Indolenz gegenüber sämtlichen sie reklamierenden kollektiven Ansprüchen, die in der Tat dem imperialen Regiment, wenn es sich ihre Arbeitskraft erhalten und ihre sozialen Mitwirkung sichern will, gar keine anderen Wahl lässt, als sie mit militärischer Gewalt und bürokratischem Zwang der relativen individuellen Bewegungsfreiheit und habituellen Selbstbestimmung, über die sie im Rahmen der Anforderungen des imperialen Ausbeutungssystems immerhin noch verfügen, zu berauben und in vollständige frondienstliche Unterwerfung und Abhängigkeit zu versetzen.

Dabei ist der Hauptgrund für ihr radikales Degagement, ihren inneren Ausstieg aus dem Weltgeschäft gar nicht so sehr die rein quantitative Last des ihnen abgeforderten Beitrags zur Reichtumsproduktion, der größenmäßige Umfang der Steuern und Abgaben, die das zu ihrer eigenen Herrschaft hinzutretende oder sie vielmehr überlagernde imperiale Regiment ihnen aufbürdet. Harte Belastungen, die sie an den Rand ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit bringen und ihnen kaum mehr als das nackte Überleben konzedieren, sind die Untertanen auch aus ihren angestammten theokratischen oder ständehierarchischen Gemeinschaften gewöhnt, in denen die Prunksucht, die Habgier oder der Größenwahn Herrscher immer wieder zu schlimmsten Ausbeutungs- und Enteignungsexzessen antreibt. Außerdem ist, wie gesehen, nach der Abdankung des römischen Populus, der Entfernung des metropolitanen Wasserkopfes, und der Einschränkung der imperialen Nutznießerrolle auf eine für den Betrieb des imperialen Ausbeutungssystems unabdingbare Oberschicht aus Soldaten und Beamten, Militärs und Ministerialen, die ökonomische Belastung der Untertanen eher rückläufig und dazu angetan, den Provinzen die Gelegenheit zur wirtschaftlichen Regeneration und sozialen Reorganisation zu bieten.

Was vielmehr die Untertanen endgültig zur Verzweiflung treibt und für sie zum Auslöser und Anlass wird, sich aller freiwilligen Mitwirkung an einem durch das imperialen Ausbeutungssystem bestimmten Leben mehr und mehr zu enthalten und in der Tat alles Interesse an den Dingen und Zusammenhängen dieser Welt zunehmend zu verlieren, ist die modale Form, die in diesem nurmehr von Soldaten und Beamten kontrollierten und organisierten späten römischen Reich die herrschaftliche Belastung annimmt, sind mit anderen Worten die mörderischen internen Konflikte, in die sich Soldateska und Bürokratie bei der Wahrnehmung ihrer Herrschaftsfunktion verstricken. Durch die dynamischen Verwerfungen und spannungsreichen Ungleichgewichte im Aufbau des Reiches in den paranoiden Wahn permanenter regionaler Benachteiligung und personaler Vernachlässigung getrieben, sieht sich diese dank der Verabschiedung des römischen Populus jeder Bodenhaftung, jeder ethnischen Anbindung an eine disponierende Herkunftsgruppe und jeder topischen Ausrichtung auf ein organisierendes Reichszentrum verlustig gegangene Oberschicht aus Funktionären dazu gebracht, sich zu ständig wechselnden regional, funktional oder strategisch besonderten Gruppen zusammenzurotten und einander ihre als Repräsentanten ihres Anspruchs auf Beute und Macht jeweils zum neuesten Imperator gekürten hauseigenen Militärs, ihre mit der cäsarisch-göttlichen Maske gekrönten Rottenführer um die Ohren zu schlagen, sprich, unablässige zerstörerische Revierkämpfe auszutragen, die das Reich ebenso sehr ökonomisch in Mitleidenschaft ziehen, wie politisch ins Chaos stürzen.

Wie dieses wahnsinnige, vom unheilbaren Widerspruch zwischen gemeinsamem Ausbeutungsinteresse und partikularem Machtstreben gezeichnete Treiben der militärisch-bürokratischen Oberschicht alle Aussichten auf eine ökonomische Erholung im Keim erstickt, so raubt es auch den Untertanen jede Hoffnung auf eine unter solch widersprüchlichen Herrschaftsbedingungen mögliche sozial gedeihliche oder jedenfalls erträgliche Existenz. Dass die imperiale Herrschaft eben die territorialherrschaftlich vorgefundenen wirtschaftlichen Strukturen und sozialen Ordnungen, die sie fiskalisch und requisitorisch auszubeuten beansprucht, durch ihre unablässigen internen Kriege vielmehr zertrümmert und verwüstet, dass sie die Saaten, von denen sie leben will, regelmäßig vielmehr niedertrampelt, den Gewerken, auf deren Produkte sie baut, durch Rekrutierungen und Zwangsverpflichtungen die Arbeitsfähigkeit raubt, die kommerziellen Beziehungen, von denen sie profitieren möchte, permanent zerreißt und unterbindet – das ist es, was die Untertanen am Sinn und Nutzen einer unter den Bedingungen des imperialen Ausbeutungssystems stattfindenden herrschaftlichen Reichtumsproduktion endgültig verzweifeln lässt und sie disponiert, jenen inneren Ausstieg aus ihren ökonomischen Verpflichtungen und sozialen Bindungen zu vollziehen und jene Indifferenz und Negativität gegenüber den vom Römischen Reich organisierten irdischen Geschäften auszubilden, die dem imperialen Regiment, will es die Abtrünnigen dennoch bei der Stange ihrer Untertanenpflichten halten, gar keine andere Wahl lässt, als sie mit militärischer Gewalt und bürokratischem Zwang an ihre Scholle zu binden beziehungsweise an ihr Gewerke zu ketten.

Dabei scheint allerdings die Endgültigkeit und epochale Unwiderruflichkeit der Verzweiflung der Untertanenschaft des späten Römischen Reiches aus der widersprüchlichen und selbstzerstörerischen Art und Weise, wie das Soldatenkaisertum die herrschaftliche Reichtumsproduktion betreibt und vielmehr konterkariert beziehungsweise wie es das imperiale Ausbeutungssystem handhabt und vielmehr malträtiert, noch nicht hinlänglich erklärt. Warum sollten, nachdem das imperiale Regiment sich gefangen hat und zu geordneteren politischen Verhältnissen zurückgekehrt ist, nicht auch die Untertanen zur Tagesordnung ihrer früheren Geschäftigkeit und Weltzugewandtheit zurückkehren, statt auf dem traumatischen, alles Vertrauen in den Sinn und Nutzen irdischen Handels und Wandels von Grund auf erschütternden und nichts als nackte Verzweiflung an der conditio humana als solcher erzeugenden Charakter ihrer jüngsten Erfahrung zu beharren und so das wieder stabilisierte imperiale Regiment zu zwingen, zwecks Erhaltung des imperialen Ausbeutungssystems seine Zuflucht zu einer vom römischen Staat selbst durchgeführten und sich auf alle Provinzen erstreckenden, ebenso abstrakten wie regressiven fronwirtschaftlichen Reorganisation des imperialen Wirtschaftslebens zu nehmen? Warum sollte es den Untertanen nicht möglich sein, zu ihren alten territorialherrschaftlich-autochthonen Produktionsverhältnissen und Organisationsformen unter römisch-imperialer Oberherrschaft zurückzufinden, nachdem das imperiale Regiment beziehungsweise dessen Personal seinen ausgedehnten Anfall von paranoider Streitsucht, von entfesseltem Verfolgungswahn und unbezwinglicher Revierkampflust, überwunden und sich wieder auf seine Aufgabe besonnen hat, unter der Führung eines cäsarischen Alleinherrschers beziehungsweise einer Alleinherrscherseilschaft zwecks Erhaltung und Betreibung des imperialen Ausbeutungssystems und seiner auf den Unterhalt eben nur des imperialen Regiments und seines Personals gerichteten Abschöpfungsökonomie für einen militärisch gesicherten Frieden und bürokratisch geordnete Verhältnisse im Reich zu sorgen?

Tatsache aber ist, dass die ebenso kompensationslos-profane wie prätentionslos-säkulare Herrschaft, die die aristokratisch verfasste römische Marktgesellschaft, sich zur imperialen Militärmacht mausernd, über den Mittelmeerraum gewinnt, gerade in der pseudoreligiösen Entwicklung zum Gottkaisertum, die sie zwecks interner Konfliktbewältigung nimmt, und in den soldatenkaiserlich-rottenführerschaftlichen Wirren, in denen diese Entwicklung kulminiert, weit mehr ist als ein den autochthonen Produktionsverhältnissen und Organisationsformen der eroberten Gebiete bloß aufgesetzter und ebenso ideell wertneutraler wie materiell beutehungriger Ausbeutungsapparat, ein den traditionellen Territorialherrschaften und ihrer Expropriationspraxis einfach nur übergestülpter funktionalistisch sekundärer Abschöpfungsmechanismus, und vielmehr nichts Geringeres darstellt als ein hochnotpeinliches Gericht über die innersten Motive und heiligsten Überzeugungen, die der primären Expropriationspraxis der traditionellen Territorialherrschaften zugrunde liegen! Tatsache ist, dass das von der römischen Imperialmacht aus innenpolitischen Gründen kreierte Gottkaisertum, indem es sich in den römischer Macht unterworfenen Gesellschaften als religiöser Faktor und dogmatische Sanktion zur Geltung bringt, die Bedeutung eines vernichtenden Offenbarungseides auch und gerade für die religiöse Konstitution und sakrale Begründung der jenen Gesellschaften eigenen Herrschaftsformen gewinnt! Tatsache ist, dass der gottkaiserliche Supremat, unter dem herrschaftliche Reichtumsproduktion imperiumsweit stattfindet, in seiner pseudoreligiösen Profanität, seiner aus Pragmatismus und Fetischismus gemischten idolatrischen Verfassung die zerstörerische Kraft beweist, die götterkultlichen Begründungen und opferkultlichen Legitimierungen von herrschaftlicher Reichtumsproduktion überhaupt und in allen ihren traditionellen Formen zu untergraben und zum Einsturz zu bringen. Tatsache ist, dass die Untertanen, weit entfernt davon, sich unter dem Eindruck des gottlosen römischen Kaiserkults und der in seinem Namen mit militärisch-bürokratischem Zynismus geübten Ausbeutungspraxis auf eigene intakte religiöse Rechtfertigungssysteme und durch sie geheiligte Formen der kollektiven Schöpfung und herrschaftlichen Aneignung von Reichtum zurückziehen und aus dieser als Widerstandsbastion wohlverstandenen Rückzugsposition heraus die römische Fremdherrschaft als eine ebenso äußerlich verhängte wie gründlich verhasste Landplage ertragen zu können, diese eigenen Legitimationssysteme durch eben jenen Kaiserkult vielmehr zutiefst desavouiert und bis in ihren innersten Kern hinein um ihre Glaubwürdigkeit gebracht erfahren und deshalb am Ende der als Soldatenkaisertum firmierenden Phase machtparanoiden Wahns und rottenführerschaftlicher Wirren nichts mehr in Geltung finden als eben jene zur traurigen Wahrheit und zum factum brutum jeglicher herrschaftlichen Reichtumsproduktion erhobene zynische Profanität einer durch die cäsarische Maske, den religiösen Vorwand immer nur kaschierten unheiligen Mischung aus militärischem Machthunger und bürokratischer Habgier. Tatsache ist, dass unter dem Eindruck solcher – den bedrängten Verhältnissen, unter denen sie leben, und der Ausbeutung, der sie unterworfen sind, jeden höheren Sinn und sakralen Nutzen verschlagenden – radikalen religiösen Ernüchterung und finalen Götterdämmerung die Untertanen von weltflüchtiger Verzweiflung, abgründigem Zweifel an ihrer um die Produktion von Reichtum kreisenden gesellschaftlichen Existenz und ihrer darein unauflöslich verstrickten natürlichen Subsistenz ergriffen und damit bereit werden für die gnostische Alternative, die toto coelo andere Wirklichkeit, die als aberwitzige Hoffnung, als das Quia absurdum einer neuen Religion, aus jenem Abgrund von Verzweiflung keimt.

Dieser den Konkurs der alten Welt besiegelnden abgründigen Verzweiflung an Wert und Wirklichkeit des irdischen Daseins und ihrem Ausbruch in die absurde Hoffnung auf ein himmlisches Sein müssen wir uns nunmehr zuwenden.

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