3. Expansiver Föderalismus
Die junge aristokratische Republik ist nicht auf territoriale Eroberungen, sondern darauf aus, ihrem Handelsplatz ein möglichst umfassendes Betätigungsfeld zu erschließen. Signum dieser nichtokkupativen Expansion sind die foedera, die sie mit den umliegenden Völkerschaften und Gemeinwesen nach deren militärischer Niederlage jeweils schließt und durch die sie sich diese als Bundesgenossen angliedert.
Noch allerdings stehen wir nicht am Ende, sondern am Anfang der Republik, noch ist von den beiden Faktoren, die in Kombination den Lebenslauf der Republik befeuern und dabei in eine tödliche Fieberkurve überführen werden, nur erst das eine, pietätvoll-reichtumintegrative ahnenkultliche Strategem vorhanden. Es sorgt dafür, dass die Häupter der Aristokratie, die Patres, nach der Vertreibung des Monarchen und der Beseitigung des Königstums ihr territorialherrschaftliches Erbe, ihren nichtkommerziell erwirtschafteten, frondienstlich erworbenen Reichtum, mit Duldung beziehungsweise Zustimmung der durch die bürokratischen Opfergesten des Rex sacrorum abgespeisten Götter in den unter aristokratischem Patronat sich entfaltenden kommerziell-städtischen Freiraum einbringen und dort frei über ihn verfügen, sprich, ihn nach Maßgabe der vom Pontifex maximus repräsentierten ahnenkultlichen Orientierung pietätvoll und nämlich zu Nutz und Frommen, zur Stärkung und Erhöhung, der als diesseitiger Aufenthalt und irdische Opferstätte der Ahnen geheiligten Urbs Romana verwenden können. Ehe sie dies dann mit ebenso großem Erfolg wie Einsatz zu tun beginnen, ehe sie anfangen, mit Zielstrebigkeit und dem Glück des Tüchtigen die ihrem Patronat unterstehende Stadt in immer weiteren Teilen Mittelitaliens und darüber hinaus als zentrale Gegebenheit in Szene zu setzen, den Handelsplatz Rom zum immer umfangreicher organisierenden Knotenpunkt und immer weitreichender richtungweisenden Kraftfeld der Region zu machen, erleidet das römische Gemeinwesen allerdings noch einen Rückschlag und Machtverlust, der die Erfolgsaussichten eines unter aristokratischem Patronat sich vollziehenden – und das heißt, von der Aristokratie nicht bloß politisch kontrollierten, sondern mehr noch ökonomisch gemanagten – Aufstiegs des Handelsplatzes zur Metropole in einem eher trüben Lichte erscheinen lässt.
Unmittelbar nach der Abschaffung der Monarchie fallen die unter der Monarchie unterworfenen latinischen Stämme und eroberten latinischen Städte von Rom ab und reduzieren die Stadt in dem Augenblick, in dem sie unter die Herrschaft ihrer zur Aristokratie homogenisierten bodenständigen Genokratie zurückkehrt, scheinbar wieder auf die eher ökonomische als politische Bedeutung eines überregionalen Marktes und Fernhandelsfunktionen erfüllenden Umschlagsplatzes, die sie vor Etablierung der Monarchie, zu Zeiten der genokratischen Herrschaft, auch bereits hatte. Indes ist, was als Wiederherstellung eines Status quo ante erscheinen könnte, in Wahrheit ein bloßes Atemholen, ein kurzes Innehalten, ehe die Stadt unter ihrer aristokratischen Führung die von der Monarchie eingeschlagene machtpolitische Richtung und adoptierte expansive Strategie mit ebensoviel pietasgesättigter Kraft wie gemeinschaftssinnigem Nachdruck weiterverfolgt. Wie der kurz darauf mit dem latinischen Städtebund geschlossene Bündnisvertrag, der dem römischen Gemeinwesen die unter der Monarchie errungene Vorherrschaft vor Ort erneut sichert, erkennbar werden lässt, hat die junge aristokratische Republik den Expansionsdrang der abgeschafften tarquinischen Monarchie durchaus übernommen; nur die Mittel zu seiner Befriedigung sind andere geworden, die Art und Weise, wie die Expansion betrieben wird, hat sich markant gewandelt – und nichts anderes als diesen markanten Wandel, diesen Paradigmenwechsel in der Vergrößerungsstrategie läutet der vorübergehende Verlust der durch die Monarchie unter römische Botmäßigkeit gebrachten Gebiete ein.
Im Unterschied zur theokratischen Monarchie ist die junge aristokratische Republik nicht darauf aus, territoriale Eroberungen zu machen, sich neue, fremde Gebiete anzueignen, um sich auf diesem Wege neue Überflussquellen zu erschließen, ihre fronwirtschaftlich betriebene Produktion herrschaftlichen Reichtums auf eine erweiterte Grundlage zu stellen. Vielmehr geht es ihr nur darum, das Unterpfand ihres ökonomischen Wohlstandes und ihrer politischen Unabhängigkeit zu stärken und in seiner Entwicklung zu fördern, sprich, den Handelsplatz, in dem sie gründet, weitreichenden Einfluss und umfassende Verbindlichkeit gewinnen zu lassen, der kommerziellen Funktion, um die sich organisiert, Zugriff auf möglichst viele Wirtschaftsräume und Produktionsgemeinschaften zu verschaffen. Territoriale Eroberungen und Okkupationen, insofern sie die Möglichkeit zu einer direkten Inbesitznahme fremder Reichtumsquellen zwecks herrschaftlicher Ausbeutung eröffnen, wären diesem Ziel einer indirekten Erschließung fremder Reichtumsquellen mittels kommerziellen Austausches im Zweifelsfall eher abträglich als förderlich. Weil im Zuge der direkten militärischen Bemächtigung und okkupatorischen Gewaltausübung die fremden Reichtumsquellen, soweit sie nicht überhaupt zerstört oder zum Versiegen gebracht würden, den Okkupanten in die Hände fielen und als persönliches Eigentum für sie verfügbar, ihrer fronwirtschaftlich-herrschaftlichen Ausbeutung zugänglich würden, wäre die in der relativen politisch-ökonomischen Selbständigkeit der fremden Reichtumsquellen bestehende Basis für die indirekte, durch kommerziellen Austausch praktizierte Reichtumsaneignungsprozedur, der die Okkupation doch von Haus aus dienen und zu der sie eigentlich nur den Grund liegen sollte, in actu solcher Grundlegung vielmehr entfallen; in einer Art Unschärferelation schließt das eine, die im realen Zugriff unmittelbare Okkupation der fremden Reichtumsquellen, das andere, die durch kommerziellen Austausch vermittelte Partizipation an deren Früchten, aus.
Letzteres aber, die kommerziell vermittelte Partizipation an fremdem Reichtum, ist, wie der Existenzgrund des Handelsplatzes und des in seinem Kraftfeld sich entfaltenden städtischen Freiraumes, so zugleich die Bestandsgarantie der als seine Beschützer, seine Patrone, um den städtisch-kommerziellen Freiraum gescharten, weil in ihm die Grundlage ihres ökonomischen Wohlergehens und das Faustpfand ihrer politischen Unabhängigkeit findenden aristokratischen Allianz. Will die aristokratische Allianz im Bewusstsein ihrer ständischen Geschlossenheit und militärischen Stärke die Expansionspolitik der verjagten Monarchie fortsetzen beziehungsweise wiederaufnehmen, so kann und darf sie das nicht auf dem Wege einer direkten territorialen Okkupation tun, die kraft besagter Unschärferelation der Substanz ihres Wohlergehens und ihrer Unabhängigkeit, der kommerziellen Funktion, vielmehr den Weg verbauen und die Expansionsmöglichkeiten verschlagen und außerdem sie, die Allianz selbst, zersprengen und ihre Mitglieder, die aristokratischen Familien, bestenfalls in landnehmende und ihren festen Besitz, ihr Territorium, einander streitig machende traditionelle Herrschaften zerfallen, schlimmstenfalls zur – nach Maßgabe ihrer Zerstrittenheit und Isolation – leichten Beute für umliegende Teritorialmächte werden lassen müsste. Statt dessen muss die aristokratische Allianz Expansion pro domo und im Interesse des Handelsplatzes betreiben, muss sie im oben erklärten Sinne von pietas alles daransetzen, den Geltungsbereich, das Tätigkeitsfeld und die Einflusssphäre des den städtischen Freiraum begründenden und die städtische Gemeinschaft tragenden kommerziellen Austauschsystems zu vergrößern.
Ausdruck des so definierten expansiven Bestrebens sind die foedera, die zuerst mit den unmittelbaren Nachbarn und dann mit den Völkerschaften und Gemeinwesen des zunehmend weiter gefassten Umkreises jeweils zum Ende militärischer Auseinandersetzungen geschlossenen Bündnisse, sind Verträge, die den im Krieg unterlegenen Gegner, den Vertragspartner, zum freundschaftlichen Verkehr und friedlichen Güteraustausch mit Rom verpflichten, ihn dafür aber vor der völligen Unterwerfung und der direkten Unterstellung unter römische Herrschaft bewahren und ihm ein mehr oder minder großes Maß an politischer Autonomie und sozialer Selbstorganisation belassen. Dafür, dass der römische Handelsplatz ungehinderten Zugang zu den Austauschprozessen des anderen Gemeinwesens und freien kommerziellen Zugriff auf seine Überschüsse und Ressourcen erhält und für das andere Gemeinwesen Fernhandelsaufgaben übernimmt und seine Einbindung in den größeren, zu Anfang eher latinisch-mittelitalischen und später dann mehr noch italisch-mittelmeerischen Wirtschaftsraum besorgt, macht die Römische Republik das andere Gemeinwesen zum Bundesgenossen, zum socius, bietet ihm Beistand und Schutz gegen Nachbarn und äußere Feinde und lässt es an einem durch die römische Wehrhaftigkeit garantierten allgemeinen Landfrieden partizipieren, während sie ihm gleichzeitig gestattet, seine kommunal-lokalen Organisations- und Entscheidungsstrukturen beizubehalten und seine inneren Angelegenheiten auch weiterhin per Selbstverwaltung zu regeln. Nichts weiter setzt die Römische Republik mittels Bündnisvertrag durch als jenes Minimum an politischer Vorherrschaft und militärischer Kontrolle, das erforderlich ist, um beim Bundesgenossen kommerzielle Aufgeschlossenheit, sprich, die ökonomische Bindung an den Handelsplatz Rom, zu gewährleisten.
Nicht von ungefähr geht den Bündnisverträgen fast immer eine kriegerische Auseinandersetzung voraus; ohne ein gewisses Maß an militärischen Zwang und politischem Druck ist die kommerzielle Aufgeschlossenheit, das gegenüber dem römischen Austauschsystem bewiesene Wohlverhalten, des Vertragspartners, seine Kooperation, nicht zu haben, geschweige denn zu erhalten: Zu klärlich bedeutet einerseits die ökonomische Bindung an den Handelsplatz Rom, aller relativen Autonomie, die dem Bundesgenossen verbleibt, zum Trotz, eine Beschneidung seiner Souveränität, das heißt, eine Einschränkung ebenso sehr seiner außenpolitischen Bewegungsfreiheit, seiner Freiheit, sich nach Maßgabe seiner eigenen Interessen Freunde zu suchen und Feinde zu machen, wie seiner innenpolitischen Prozessfähigkeit, seiner Fähigkeit, gesellschaftliche Konflikte auszutragen und nach Maßgabe eigener Kräfteverhältnisse zu lösen, und zu spürbar ist andererseits das im kommerziellen Prinzip als solchem angelegte Moment ökonomischer Ausbeutung, die für allen Handel konstitutive Tatsache nämlich, dass der Handeltreibende nur vermittelnd tätig wird, wenn der Austausch ihm einen regelmäßigen, bezifferbaren Mehrwert einbringt – zu deutlich also sind diese beiden mit der festen Anbindung an den Handelsplatz Rom und sein kommerzielles System verknüpften Belastungen, als dass sich nicht sei's bei den um ihre politische Macht bangenden führenden Gruppen, sei's bei den ökonomische Nachteile befürchtenden unteren Schichten des prospektiven Bündnispartners Widerstand gegen den Anschluss an Rom regen beziehungsweise, wenn er denn Wirklichkeit geworden, immer wieder einmal das Bedürfnis einstellen müsste, sich der politischen Vormundschaft und ökonomischen Direktive Roms zu entziehen.
Allerdings sind auch die mit dem Bündnis verknüpften Beeinträchtigungen und Nachteile wiederum nicht so groß und nicht so bar jeder kompensatorischen Implikationen, dass der Widerstand unüberwindlich würde beziehungsweise das Aufbegehren eine Stärke und Unnachgiebigkeit gewänne, die es über spontane Unruhen und sporadische Aufstände hinausgelangen und die Fasson einer ständigen Bereitschaft zur Revolte und Widerstandsbewegung annehmen ließe. Schließlich bietet den oberen Schichten der ins Bündnis aufgenommenen Gemeinschaften die Eingliederung in das römische Handelssystem Gelegenheit, ihren Reichtum oder Wohlstand in ganz anderem Maße als zuvor sei's akkumulativ zu mehren, sei's konsumtiv zu nutzen, und beschert ihnen mit anderen Worten Bereicherungschancen und eine Hebung ihres Lebensstandards, die ohne weiteres geeignet erscheinen, für den Verlust an außenpolitischer Autonomie und innenpolitischer Entscheidungsfreiheit zu entschädigen. Und schließlich ermöglicht diese Eingliederung in das römische Handelssystem Individuen aus den unteren Schichten der Bundesgenossen ein bis dahin unbekanntes Maß an sozialer Mobilität und ökonomisch fundierter politischer Emanzipation, das heißt, es eröffnet den Tüchtigen, Intelligenten und Glücklichen Wohlstandsperspektiven und soziale Aufstiegschancen, die ihnen ihr Gemeinwesen in der alten Form und Verfassung nicht zu bieten hätte und die aus Sicht dieser einzelnen eine durchaus akzeptable Kompensation für die den unteren Schichten als Kollektiv widerfahrende kommerzielle Ausbeutung darstellen. Die den Vertragspartnern aus ihrem Bündnis mit der Römischen Republik entstehenden Nachteile politischen Machtverlusts und kommerzieller Ausbeutung werden also durch die ihnen aus dem Bündnis erwachsenden Vorteile individuellen Wohlstands und sozialer Mobilität halbwegs wettgemacht, und deshalb genügt ein initialer Akt kriegerischer Gewalt beziehungsweise in der Folge dann ein relativ geringes Maß an politischer Kontrolle und militärischem Zwang, um die Bundesgenossen bei der Stange des römischen Handelssystems zu halten und ihre Mitwirkung bei der spezifischen römischen Expansionsstrategie zu gewährleisten.
In der Tat ist, dass die Römische Republik, sobald sie ein von ihr besiegtes und ihrer Expansionsstrategie erlegenes Gemeinwesen vertraglich gebunden und auf die Kooperation im Rahmen ihres kommerziellen Systems vereidigt hat, dies Gemeinwesen im Blick auf künftige kriegerische Auseinandersetzungen zur militärischen Gefolgschaft und Stellung von Hilfstruppen verpflichtet und also dazu bringt, sich an der Fortsetzung eben der Strategie aktiv zu beteiligen, der es zuvor selbst zum Opfer gefallen ist, vielleicht das genialste Strategem in der eigentümlichen Verfahrensweise, kraft deren das frühe, adelsrepublikanische Staatswesen seine politisch-ökonomische Einflusssphäre ausweitet und damit seine Unabhängigkeit und Macht offensiv sichert. Indem die Römische Republik die im Rahmen ihrer föderativen Expansionsstrategie ihrem mittelitalischen Handelssystem eingegliederten Stämme und Gemeinden zur Heerfolge, sprich, zur Beteiligung an künftigen kriegerischen Auseinandersetzungen mit gemeinsamen Nachbarn und Gegnern verpflichtet, verwandelt sie die Eingegliederten aus passiven Objekten, faktischen Positionen der Strategie in faktorelle, die Strategie mittragende Aktivposten, in wenn auch ihr, der Römischen Republik, nachgeordnete handelnde Subjekte, lässt die damit aus einer bloßen Manövriermasse in Handlungsgehilfen, Strategen zweiter Ordnung, Transformierten wie in specie an der mit Krieg verknüpften Aussicht auf Beute, so in genere an der mit Expansion einhergehenden Perspektive vermehrten Wohlstandes und gesteigerter Macht teilhaben und schafft auf diese Weise einen motivationalen Einklang und intentionalen Zusammenhang, der an Stärke des Zusammenhalts und solidarisierender Wirkung alles übertrifft, was politischer Zwang und militärische Kontrolle herzustellen vermöchten.
Allerdings werden mit dieser, in der Überführung der vincti in socii, der Unterworfenen in Bundesgenossen, beschlossenen Transformation der primären Objekte und Opfer der römischen Expansionsstrategie in deren sekundäre Subjekte und Träger bei den solcherart Transformierten auch Erwartungen geweckt und Ansprüche genährt, die sich auf Dauer mit der den Betreffenden zugewiesenen Stellung von Handlungsgehilfen und Bundesgenossen, von Mitwirkenden zweiten Grades, nicht vertragen und vielmehr auf eine vollgültige Mitgliedschaft, auf die uneingeschränkte Aufnahme in die städtische Gemeinschaft Roms, die Zuerkennung voller Bürgerrechte dringen. Sosehr die Geschichte der römischen Republik geprägt ist von dem daraus resultierenden Konflikt, dem Versuch einerseits der Bundesgenossen, als Vollbürger, als an der Unabhängigkeit der römischen Gemeinschaft Partizipierende, Geltung zu erlangen, und dem Bemühen andererseits der römischen Gemeinschaft selbst, die Bundesgenossen als Bürger zweiter Klasse in Abhängigkeit zu erhalten, sowenig ändert indes der Konflikt etwas daran, dass die Konstellation, in deren Rahmen er sich abspielt und entfaltet, nämlich das römische System von Bundesschlüssen, in dem das ökonomische Gebilde des von Rom organisierten latinisch-italischen Handelszusammenhanges sich politisch artikuliert, eine ebenso große Haltbarkeit wie Dynamik, eine ebenso ausgemachte Kohäsions- wie Expansionskraft beweist, die ihren Grund in dem motivational ansprechenden Subjektstatus, dem intentional verbindenden Projektbewusstsein findet, mit dessen Hilfe die Römische Republik die Objekte ihrer Aggression politisch-ökonomisch wieder aufrichtet, kaum dass sie sie strategisch-militärisch am Boden hat.
Im Inneren ist die Gesellschaft in Patrizier und Plebejer, das heißt, in die aristokratische Oberschicht und deren Anhang einerseits und in die kommerzielle Funktion und die hinter ihrer Fahne sich sammelnden Handwerker und Lohnabhängigen andererseits dichotomisiert, wobei sich die Plebejer dank des zunehmenden ökonomischen und sozialen Gewichts, das ihnen die auf Ausdehnung des römisch-italischen Marktsystems zielende bundesgenossenschaftliche Strategie der Republik verschafft, eine wachsende Beteiligung an der politischen Macht sichern; deutlichsten Ausdruck findet ihre politische Emanzipation in der Einrichtung der Zenturiatskomitie.
Tiefgreifender als die Differenzen mit den Bundesgenossen und für die Existenz der Republik beziehungsweise den Bestand ihres hegemonialen Systems bedrohlicher ist da der Streit, der bald schon im Machtzentrum selbst, in der städtischen Gemeinschaft der Urbs Romana, ausbricht und der als Ständekampf an die zweihundert Jahre lang die Politik beherrscht, weil er an wechselnden Stellen des sozialen Gefüges die immer gleich entscheidende klassengesellschaftliche Verwerfungslinie markiert. Nährboden des Streites ist die erfolgreiche Entwicklung, die unter aristokratischem Patronat das latinisch-italische Handelssystem mit Rom als organisierendem Zentrum und primär profitierendem Umschlagsplatz nimmt: In dem Maße, wie dank der auf die Förderung der kommerziellen Funktion und die Erweiterung der kommerziellen Einflusssphäre gerichteten kontraktiven Expansionsstrategie der römischen Aristokratie der Handel gestärkt wird und gleichermaßen an geographischem und sächlichem Volumen, an Verbreitung und Vielseitigkeit gewinnt, sammelt sich aufgrund des mit der Handelsfunktion untrennbar verknüpften Akkumulationsmechanismus kommerzieller Reichtum in den Händen derer, die den Handel betreiben, wie auch derer, die ihm als in seinem Kraftfeld, im Freiraum der Stadt, siedelnde Handwerker zuarbeiten, und erzeugt politische Spannungen zwischen diesen Neureichen von unten und der aristokratischen Führungsschicht.
Quelle der Spannungen ist im wesentlichen die mit dem neuen Reichtum, der neuen ökonomischen Kapazität, verknüpfte Forderung nach politischer Mitsprache und Mitwirkung, der die aristokratische Oberschicht entschieden ablehnend begegnet. Für die Oberschicht ist die kommerzielle Funktion beziehungsweise die sie wahrnehmende und ausübende städtische Gemeinschaft ein gleichermaßen als außenpolitischer Faktor und als innenpolitisches Faktotum wirksames strategisches Instrument, mit dem sie rechnet und das sie nach Maßgabe eigener Interessen einsetzt. Die kommerzielle Gemeinschaft dient der Oberschicht mit anderen Worten als Faustpfand ihrer unabhängigen Stellung und ihres Einflusses nach draußen sowie als Grundlage ihres konsumtiven Wohlergehens und ihres urbanen Lebensstandards. Weil der römische Handelsplatz der politischen Unabhängigkeit und der ökonomischen Wohlfahrt der aristokratischen Oberschicht nutzt, genießt er deren Schutz und Patronage und erscheint als der Hauptbegünstigte der von letzterer mit militärischen Mitteln verfolgten kontraktiven Expansionsstrategie. Aus aristokratischer Sicht aber ist damit zugleich die kommerzielle Funktion und die sie tragende Gemeinschaft auf ein striktes Klientelverhältnis vereidigt: Ihre Stärkung und Förderung soll abhängige Variable des Unabhängigkeitsstrebens und Lebensformbedürfnisses sein und bleiben, dem die Oberhäupter der Familien, die als Patrone firmierenden Patres, huldigen und das sie umstandlose mit dem Interesse des gesamten Gemeinwesens, der Republik als solcher, gleichsetzen.
Wie sich indes herausstellt, ist die kommerzielle Funktion beziehungsweise die sie wahrnehmende städtische Gemeinschaft kein so ohne weiteres beherrschbares, kein nach Belieben manipulierbares Instrument, sondern vielmehr ein mit Eigeninteressen und mit eigenem Willen begabtes gesellschaftliches Subjekt, das in dem Maße, wie es dank der interessierten Protektion der aristokratischen Führungsschicht an ökonomischer Kraft und sozialer Präsenz gewinnt, diese seine Eigeninteressen zunehmend deutlicher artikuliert und diesen seinen eigenen Willen immer vernehmlicher geltend macht. Dabei sind es in der Hauptsache zwei Quellen, aus denen sich die Eigeninteressiertheit und Eigenwilligkeit der kommerziellen Funktion und ihrer Träger beziehungsweise Gefolgschaft speist und kraft deren sie sich zu einer aller Instrumentalisierung trotzenden originär oppositionellen Haltung, einer dem aristokratischen Kalkül in die Quere kommenden alternativen Programmatik entfaltet.
Die eine Quelle ununterdrückbarer Eigengesetzlichkeit und unmanipulierbarer Selbstmächtigkeit ist das für die kommerzielle Funktion als solche konstitutive Akkumulationsprinzip, der jedem kommerziellen Austausch eingeschriebene Zwang, das jeweils Eingetauschte sogleich wieder als Ausgangspunkt für einen neuen und erweiterten Austauschvorgang in Anspruch zu nehmen, mithin als Basis für eine kontinuierliche Anhäufung von Tauschmitteln und darin verkörpertem Tauschwert, kommerziellem Reichtum, zu nutzen. Treibendes Motiv dieses ökonomischen Zwanges ist, wie an früherer Stelle ausgeführt, das Streben der den kommerziellen Austausch Betreibenden nach politischer Emanzipation, nach einer auf der Grundlage des angehäuften kommerziellen Reichtums zu guter Letzt zu erlangenden Absolution von den Abhängigkeiten und, egal ob theokratischen, ob ständehierarchischen Zwangsmechanismen, die mit der Erzeugung und Verteilung fronwirtschaftlich-herrschaftlichen Reichtums verknüpft sind. So paradox, um nicht zu sagen, zutiefst widersprüchlich diese dem kommerziellen Austausch eigentümliche und ihn, wenn man so will, intern instrumentalisierende Zielsetzung einer durch die Akkumulation von Reichtum zu effektuierenden Befreiung aus den mit der Produktion von Reichtum ausgebildeten gesellschaftlichen Abhängigkeiten und Herrschaftsverhältnissen auch anmuten mag, sie macht den Austausch jedenfalls immun gegen jede anderweitige, externe Instrumentalisierung. Sie verhält ihn mit anderen Worten in unverbrüchlicher Treue zum ihn als kommerziellen konstituierenden Akkumulationsprinzip, zumal bei aller Unerreichbarkeit jenes paradoxen Ziels einer politischen Autonomie auf Basis ökonomischer Eigenständigkeit die Treue zum Akkumulationsprinzip doch mit soviel Gewinn an ökonomischer Macht und Zuwachs an politischem Einfluss belohnt wird, dass die Handeltreibenden gar nicht umhin können, darin sei's einen überzeugenden Vorschuss auf das noch nicht Erreichte, sei's einen annehmbaren Ersatz für das in Wahrheit ja auch gar nicht Erreichbare zu gewahren.
Mag also auch die kommerzielle Funktion unter den in der römischen Republik herrschenden Strukturbedingungen gezwungen sein, sich als Klientin dem Patronat der aristokratischen Familien zu unterstellen und ihnen gleichermaßen als Faustpfand ihrer politischen Unabhängigkeit und als Faktotum ihres ökonomischen Wohlergehens dienstbar und zu Willen zu sein, ihr als Akkumulationsprinzip, als Prinzip einer Anhäufung kommerziellen Reichtums zwecks Anhäufung kommerziellen Reichtums perennierendes paradoxes Konstitutiv verliert sie deshalb noch lange nicht aus den Augen; und je mehr ökonomische Macht und politischen Einfluss ihr die strikte Wahrung dieses ihres konstitutiven Prinzips einträgt, um so vernehmlicher und dringlicher wird ihre Forderung nach einer direkten Einbeziehung ihrer auf dessen weitere Wahrung gemünzten Interessen und Vorstellungen in den von der aristokratischen Führungsschicht monopolisierten politisch-ökonomischen Entscheidungsprozeß. Beileibe nicht jede politische Maßnahme oder bürokratische Initiative der Aristokratie entspricht dem Bereicherungsinteresse der kommerziellen Funktion und ihrer Betreiber. Beileibe nicht jede Taktik, mit der die Aristokratie die militärische Stellung oder den bündnispolitischen Einfluss der Republik zu stärken und mit der sie die eigene innenpolitische Machtposition zu konsolidieren oder den eigenen zivilen Wohlstand zu sichern strebt, liegt im Sinne der Handel- und Gewerbetreibenden in der Stadt, mag sich die Aristokratie der Bedeutung von Handel und Gewerbe für die Unabhängigkeit und Wohlfahrt des Gemeinwesens auch noch so bewusst und mag ihre Gesamtstrategie deshalb auch noch so sehr auf deren Förderung und Ausbreitung gerichtet sein. Die Handel- und Gewerbetreibenden haben deshalb allen Grund, ihren dank solcher Förderung wachsenden politisch-ökonomischen Einfluss mit dem Ziel einer Mitwirkung an den Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen der Republik geltend zu machen.
Dieser zunehmende politisch-ökonomische Einfluss der Handel- und Gewerbetreibenden oder, besser gesagt, die soziale Konstellation, auf der er beruht, stellt nun aber neben der ersten, im Akkumulationsprinzip bestehenden, inneren, die zweite, äußere, aber deshalb nicht minder ergiebige Quelle dar, aus der sich die Eigeninteressiertheit und Eigenwilligkeit der kommerziellen Funktion speist. In dem Maße, wie die kommerzielle Funktion ihren Wirkungsbereich ausbreitet und an Geschäftsvolumen gewinnt, vergrößern sich auch die Gruppen der Handwerker und Handlanger, der kleinen Produzenten und Lohnarbeiter, die direkt oder indirekt, kontinuierlich oder bei Gelegenheit, aktuell oder potentiell für den Markt tätig und in ihrer Subsistenz deshalb mehr oder minder von ihm abhängig sind. Von der kommerziellen Funktion auf den Plan des Handelsplatzes gerufen und dort als marktbezogenes Kollektiv, als durch den Austausch vermittelte Assoziation organisiert, sind es diese Gruppen, die zusammen mit den Betreibern der kommerziellen Funktion, den Handeltreibenden selbst, die städtische Gemeinschaft im engeren Sinne bilden. Und sie sind nun zugleich die soziale Konstellation, die der kommerziellen Funktion ihr volkswirtschaftliches Fundament und ihren politischen Rückhalt verleiht, in der die ökonomische Macht und der politische Einfluss verkörpert sind, die bei Auseinandersetzungen mit der aristokratischen Führungsschicht die Handeltreibenden ins Feld führen können. Indem sich das subsistenzielle Wohl oder Wehe jener marktbezogenen Gruppen zunehmend mit dem Gedeihen oder Verderben der kommerziellen Funktion und ihrer Betreiber verquickt, können die ersteren gar nicht umhin, in letzteren die Repräsentanten ihrer Interessen und Garanten ihres Wohlergehens zu gewahren, und sind im Zweifelsfall, der der Normalfall ist, geneigt, die Positionen der Betreiber des Marktes gegenüber der aristokratischen Führung zu unterstützen und sich mit ihren Forderungen nach Mitwirkung bei den Staatsgeschäften und Mitbestimmung in den durch die Patres monopolisierten Entscheidungsprozessen der Republik zu solidarisieren.
Was sich auf diese Weise herausbildet und was als maßgebendes Strukturmerkmal während der ersten knapp hundert Jahre nach Begründung der Republik das römische Gemeinwesen charakterisiert, ist eine Dichotomisierung der Gesellschaft, bei der die Scheidelinie direkt unterhalb der aristokratischen Oberschicht verläuft und bei der sich die Vielen, die hinter der Fahne der kommerziellen Funktion und ihrer Betreiber versammelten unteren Schichten aus Handwerkern und Lohnabhängigen, kurz, die Plebejer, und die um die Patres, die Sippenhäupter, gescharten Angehörigen der aristokratischen Familien, die Patrizier, als politische Konkurrenten, als Kontrahenten in der Frage, ob patrizisches Machtmonopol oder plebejische Beteiligung an der Macht der Republik bekömmlicher und angemessener sei, gegenüberstehen.
Dabei fungieren in dieser ersten Etappe des Ständekampfes die hinter dem Banner der kommerziellen Funktion versammelten unteren Schichten noch als dessen bloße Träger und Hochhalter, als den Betreibern der kommerziellen Funktion, den Handeltreibenden und am Marktgeschehen maßgeblich Beteiligten, durch ihre Parteinahme einfach nur Rückhalt gebende und Einfluss verschaffende Pressuregroup, und kehren noch keine eigene soziale Identität hervor, bringen sich noch nicht als ein politisch-ökonomisch besondertes Subjekt zur Geltung. Weil es die kommerzielle Funktion ist, die mit dem als dynamisches Zentrum ihr eingeschriebenen Akkumulationsprinzip eine originäre, nicht auf das kollektive Unabhängigkeitsinteresse, korporative Machtstreben und privative Wohlstandsdenken ihrer Patrone, der Patres, reduzierbare Eigeninteressiertheit und Eigenwilligkeit beweist und weil die unteren, handwerklichen und lohnarbeitenden Schichten, die Plebejer im eigentlichen Sinne, die kommerzielle Funktion mitsamt aller akkumulationsspezifischen Dynamik bis dahin ausschließlich als segensreiche, existenzsichernde Instanz, als in ihrem politisch-ökonomischen Sinne und zu ihrem subsistenziellen Wohle wirkende gesellschaftliche Kraft kennen und schätzen gelernt haben, ist es durchaus konsequent, dass sie in den Betreibern der kommerziellen Funktion ihre Repräsentanten, ihre Sachwalter erkennen, sich hinter ihnen zusammenscharen und die Forderungen nach politischer Mitwirkung und Beteiligung an den Staatsgeschäften, die jene erheben, zu ihrer Sache machen oder, besser, sich selbst als Druckmittel und Durchsetzungsinstrument in den Dienst jener Forderungen stellen.
Und indem aber die Plebejer sich solcherart mit den Betreibern und Vertretern des Marktes solidarisieren, indem sie diese mittlerweile vermögenden Gruppen aus dem plebejischen Milieu als ihre politisch-ökonomische Führung vorbehaltlos akzeptieren und nach Kräften unterstützen, verschaffen sie den letzteren das soziale Gewicht, das nötig ist, um die widerstrebende Aristokratie zu Zugeständnissen zu bewegen und ihr eine allmähliche Gleichstellung dieser nach Maßgabe ihres Vermögens führenden plebejischen Gruppen in juridischer, militärischer und schließlich politischer Hinsicht abzutrotzen. Der frühen Kodifikation des Rechtes im Zwölftafelgesetz, das die Plebejer als Rechtssubjekte zur Geltung bringt, folgt bald schon die Zulassung vermögender Plebejer zum Heeresdienst, die gleichbedeutend ist mit der Anerkennung der Betreffenden als Vollbürger, und endlich die Einführung der Zenturiatskomitie, einer nach Vermögensklassen gegliederten gemeinsamen Volksversammlung aus Patriziern und Plebejern, die ergänzend zu der bis dahin alleinherrschenden Kuriatskomitie, der rein patrizischen Vollversammlung, hinzutritt und diese in den politisch entscheidenden Fragen, bei Beschlussfassungen über Krieg und Frieden, bei bündnispolitischen Fragen und bei der Wahl der Staatsbeamten in der Tat ersetzt. Ihren krönenden Abschluss findet dieser mühsame Prozess einer Eingliederung der führenden plebejischen Gruppen in das bis dahin von der Aristokratie monopolisierte politisch-militärische Entscheidungs- und Machtgefüge, der die Formationsphase der Republik markiert, in der gut hundert Jahre nach Gründung des republikanischen Gemeinwesens erreichten Zulassung von Plebejern zum höchsten Staatsamt, zum Konsulat.
Dank der sich ausbildenden Klientelverhältnisse zwischen Patriziern und Plebejern, der zunehmenden Beteiligung der ersteren an den Profiten der letzteren, der Totalisierung der Münze des Marktes, wie sie die Einteilung der Gesellschaft in Vermögensklassen bezeugt, und des dadurch ermöglichten Erwerbs von Landbesitz durch neureiche Plebejer wächst die patrizische Führungsschicht mit letzteren allmählich zu einer Oberschicht neuen Gepräges, einer als Gentry zu charakterisierenden Nobilität, zusammen.
So massiv und hartnäckig der von Standesdenken und Traditionalismus geprägte Widerstand der Patrizier gegen eine Beteiligung der vermögenden, oberen Schicht der Plebejer an der politischen Macht auch ist, der Prozess der politischen Gleichstellung dieser Schicht mit dem Patriziat erweist sich als unaufhaltsam, weil er in Wahrheit nur Ausdruck der zwischen den beiden gesellschaftlichen Gruppen zunehmenden ökonomischen Verflechtung und infolgedessen fortschreitenden sozialen Integration ist. Wenn die patrizische Oberschicht durch ihre expansive Bündnisstrategie der kommerziellen Funktion und ihren plebejischen Betreibern neue Handelsquellen eröffnet und weitere Märkte erschließt, so primär im Interesse an einer durch das Handelszentrum Rom gewährleisteten Stärkung ihrer politischen Unabhängigkeit, ihrer korporativen Stellung, und Verbesserung ihres ökonomischen Wohlergehens, ihres konsumtiven Gedeihens. In dem Maße indes, wie diese von den patrizischen Patronen zugunsten ihrer plebejischen Klientel verfolgte expansive Strategie Wirkung zeigt und der letzteren die Anhäufung wachsenden kommerziellen Reichtums ermöglicht, finden sich die Patrizier selbst über die Rolle von machtpolitisch Begünstigten und konsumtiven Nutznießern der Akkumulation hinaus zunehmend in die Lage regelrechter Geschäftspartner, direkter oder auch indirekter Teilhaber an der kommerziellen Bereicherung, versetzt.
Direkt ziehen sie durch ihren ausgedehnten Landbesitz Nutzen aus der Entfaltung des Handelssystems: Die kommerzielle Funktion ermöglicht ihnen, die Überschüsse aus der fronwirtschaftlichen Produktion ihrer Landgüter in klingende Münze umzusetzen, beziehungsweise eröffnet ihnen die im Umfang ihrer Güter angelegte Chance, Teile der Anbaufläche an Handelsbedürfnissen auszurichten und durch monokulturellen oder anderweitig im Sinne der Nachfrage des Marktes spezialisierten Landbau an den wachsenden Gewinnen, die das im Gefolge der militärisch-bündnispolitischen Expansion ausgreifende Handelssystem erzielt, systematisch zu partizipieren. Indirekt profitieren die Patrizier von der kommerziellen Funktion durch die Patronatsrolle, die sie ihr gegenüber erfüllen und deren Wirksamkeit sich nicht etwa schon in der generellen Förderung und Begünstigung erschöpft, die sie ihr kraft militärisch-bündnispolitischer Strategie angedeihen lassen. Auch nachdem sie ihre generelle Aufgabe einer militärstrategischen Erschließung neuer Märkte und einer bündnispolitischen Absicherung der zu den neuen Märkten aufgenommenen Handelsbeziehungen erfüllt haben, bleiben die Patrizier wegen ihrer Macht und ihres Ansehens, wegen ihres außenpolitischen Einflusses und ihrer innenpolitischen Stellung für die plebejischen Handeltreibenden von ganz spezieller Bedeutung, und wie es für die letzteren nahe liegt, sich zur Herstellung von Kontakten, zur Anbahnung von Geschäften, zur Anerkennung von Rechtstiteln und zur Schlichtung von Streitigkeiten der Hilfe der patrizischen Honoratioren zu versichern und also zu dem einen oder anderen von ihnen ein persönliches Klientelverhältnis zu unterhalten, so ist, zumal in einer zunehmend vom kommerziellen Tausch geprägten Gesellschaft, für die als Patrone in Anspruch genommenen Patres die Versuchung unwiderstehlich, sich die Hilfestellung, die sie als Kontaktknüpfer, Berater und Flankenschutz den Handeltreibenden leisten, von diesen honorieren und in Form einer Beteiligung an den Gewinnen aus den mit ihrer Unterstützung angebahnten Geschäften, erwirkten Titeln und geschlossenen Vergleichen vergüten zu lassen.
Dank der korporativen Geschlossenheit, in der das dominierende Interesse an ihrer politischen Unabhängigkeit und adelsrepublikanischen Autonomie die Aristokratie verhält, und dank der objektiven Kontroll- und Disziplinierungsfunktion, die kraft ihrer finanziellen Zuwendungen die am Bestand des Gemeinwesens aufs höchste interessierten plebejischen Klienten gegenüber ihren patrizischen Patronen ausüben, führen diese Klientelverhältnisse nun zwar nicht zu Klüngelbildungen und partikularen Machtkonzentrationen, die wie in der griechischen Polis die Bürgerschaft mit Spaltung und Parteienzwist bedrohten, wohl aber haben die Klientelverhältnisse zur Folge, dass es zu einer nach Maßgabe der geschäftlichen Verbindungen zwischen Patronen und Klienten und der finanziellen Nützlichkeit, die letztere für erstere beweisen, zu einer fortschreitenden Durchlöcherung der patrizischen Abwehrfront kommt. In die Geschäfte der kommerziell Tätigen eingespannt und an ihren Gewinnen beteiligt, können die Patrizier gar nicht anders, als sich mit dieser ihrer Klientel gemein zu machen und sie allmählich in ihren Reihen Fuß fassen zu lassen: Sosehr sie sozial oder pro forma ihrer Patronatsrolle die neureichen Plebejer, als deren Beschirmer und Wohltäter sie fungieren, auf Distanz halten und in die untergeordnete Stellung von bloßen Schutzbefohlenen, abhängigen Faktota verweisen, sosehr erkennen sie real oder pro materia der Tauschgeschäfte, die sie mit ihnen tätigen, diese ihre Klienten als eigenständige Kontrahenten, als bei aller juniorpartnerschaftlichen Zweitrangigkeit im Prinzip des Austauschverhältnisses gleichberechtigte Mitspieler an.
Und nicht nur erkennen die Patrizier die reichen Plebejer als de facto ihrer geschäftspartnerschaftlichen Beziehungen ihresgleichen an, sie akzeptieren dabei mehr noch und vor allem deren Austauschmittel, den kommerziellen Reichtum mit seinem allgemeinen Äquivalent, seiner Münze, dem Geld, als verbindliche Maßbestimmung und allgemeingültiges Vergleichsmedium. Nicht, dass sie den Markt, solange sich ihr Umgang mit ihm noch weitgehend auf den Güterverkehr, den Austausch von Produkten ihrer Ländereien, von frondienstlich erwirtschaftetem, herrschaftlichem Reichtum, mit den Waren, die der Markt ihnen offeriert, mit im Äquivalententausch erworbenem, kommerziellem Reichtum – nicht dass die Patrizier da den Markt und seine Münze als maßgebende ökonomische Einrichtung nicht auch schon akzeptierten. Nur bleibt, weil sie in dieser Situation des reinen Gütertausches den Ausgang von einem nicht bereits zum Markt gehörigen, nicht schon dem Markt als Ware integrierten Gut, nämlich von ihrem eigenen herrschaftlich erwirtschaftetem Reichtum, einem unmittelbar in ihren Händen befindlichen Konsumgut, nehmen, der Markt für sie eine bloße Hilfskonstruktion und seine Münze, seine im allgemeinen Äquivalent, im Geld bestehende Maßgabe ein bloß äußeres Mittel, das sich auf die Rolle eines katalytischen Ferments beschränkt und dessen Funktion sich nämlich darin erschöpft, ihren unmittelbar gegebenen herrschaftlichen Reichtum mit sich selbst zu vermitteln und einem Transformationsprozess zu unterziehen, in dessen Konsequenz er sich aus überflüssigem in brauchbaren Reichtum, aus einem Konsumgut, das quantitativ des Guten zuviel ist, in ein qualitativ anderes und als solches konsumierbares Gut verwandelt zeigt.
Nun aber, da sie auch und in zunehmendem Maße kraft nichtsächlicher Leistungen mit den Handeltreibenden in Austausch treten, da sie, wenn man so will, nichts als ihre Arbeitskraft, genauer gesagt, ihre Fähigkeit, Kontakte zu knüpfen, Titel zu erwirken, Lobbyismus zu betreiben, juridischen Beistand zu gewähren, zu Markte tragen und sich ihre dieser Fähigkeit entspringenden Leistungen mit der Münze des Marktes honorieren lassen, sich für ihre persönliche Mitwirkung am Markt, ihren organisatorischen Beitrag zum kommerziellen Geschehen, mit allgemeinem Äquivalent, mit in Geldform gefasstem Anspruch auf den sächlichen Fundus der Handelssphäre, die auf dem Markt versammelten Güter, entlohnt finden – nun also ergeht es ihnen ähnlich wie anderen, in ihrer Subsistenz unmittelbar auf den Markt angewiesenen gesellschaftlichen Gruppen, den Gruppen der arbeitsteiligen Handwerker, der sächlichen Beiträger zum Markt, und der lohnabhängigen Handlanger, der persönlichen Zuträger des Marktes: Sie erleben die Handelssphäre als umfassendes Medium, als Totalität, erfahren den kommerziellen Reichtum als selbstgesetzte Einheit seiner selbst und seines vorausgesetzten anderen, des herrschaftlichen Reichtums, gewahren die Münze des Marktes als, was sie ist, allgemeines Äquivalent, Maß aller Dinge. Sosehr sie durch ihren allen kommerziellen Transaktionen vorausgesetzten herrschaftlichen Reichtum einerseits Distanz zum Markt wahren und den letzteren bloß als ein ihrer Sphäre äußeres Mittel, als eine ihren Reichtum einfach nur zu metamorphisieren und damit konsumtiv zu diversifizieren taugliche Hilfsfunktion gelten lassen, so sehr verwickeln sie andererseits ihre halb komplizen-, halb partnerschaftlichen Geschäfte mit den Handeltreibenden zunehmend in den Marktzusammenhang selbst und stellen ihnen diesen als kraft Tauschverhältnis alles, was geschieht und existiert, auf sich beziehende und mit sich vergleichende mediale Sphäre, als gleichermaßen zur Integration und zur Distribution jeder erdenklichen Art von Reichtum und Subsistenz geschickte funktionelle Totalität vor Augen.
Und diese bei den Patriziern Raum greifende neue Sicht vom Markt als von einem im Prinzip ebenso sehr alles integrierenden wie im Effekt alles distribuierenden Medium, die zur traditionellen patrizischen Vorstellung vom Markt als von einem zum Zwecke der Verwandlung herrschaftlichen Reichtums und Entfaltung herrschaftlichen Konsums nach Belieben in Dienst zu nehmenden und auch wieder zu entlassenden äußeren Hilfsmittel und unverfänglichen Faktotum hinzutritt – sie muss in dem Maße, wie die sie nährende praktische Einlassung der Patrizier in die kommerziellen Geschäfte an ökonomischer Bedeutung für die letzteren gewinnt und wie sie selber zudem das ganze Gewicht einer von den anderen Gruppen geteilten, gemeinschaftlichen Sichtweise, einer kollektiven Perspektive, hervorkehrt, über jene traditionelle Vorstellung allmählich triumphieren und sie zumindest im öffentlichen Raum, im Umgang der Patrizier mit den anderen Gruppen, verdrängen und ersetzen. Praktisch-politische Besiegelung dieses Triumphs der Sicht vom Markt als medialer Realität über die Vorstellung vom Markt als marginaler Vermittlungsinstanz ist die auch und nicht zuletzt von den Patriziern akzeptierte Einteilung der Zenturiatskomitie nach Vermögensklassen, das heißt, die Bereitschaft der Patrizier, die Beteiligung der Plebejer an der politischen Macht und der Staatsregierung und damit auch ihren eigenen Anteil an ihr in der Münze des als mediale Sphäre mit dem gesellschaftlichen Raum deckungsgleich gedachten Marktes zu bestimmen und nämlich danach einzustufen beziehungsweise abzumessen, wie viel Tauschwert, was für ein Quantum Ware, ausgedrückt in allgemeinem Äquivalent, der Besitz des einzelnen potentiell darstellt, welche quantitative Partizipation am Markt und demgemäß kommerzielle Position auf ihm der einzelne mit anderen Worten hätte, wenn er sein gesamtes Hab und Gut zu Markte trüge und dort in die Waagschale würfe, als Mittel zur Befriedigung konsumtiver und subsistenzieller Bedürfnisse in Austausch brächte.
Nicht mehr qualitative, den gesellschaftlichen Wert seiner Person betreffende Kriterien, Stammbaum, ständische Stellung, korporative Verbindungen, Privilegien, Funktionen, Fähigkeiten, sondern ein quantitativer, im kommerziellen Tauschwert seines Eigentums bestehender Maßstab entscheidet demnach mit Zustimmung aller, auch der dadurch um ihr traditionelles Monopol auf politische Betätigung gebrachten Patrizier, fortan über die Tatsache und den Umfang der politischen Existenz des einzelnen, seine Mitwirkung an den Beratungen und Beschlussfassungen des grundlegendsten Organs der Republik, der Komitie. Ungeachtet und, wenn man so will, unbeschadet der sozialen Distinktionen, des ständischen Prestiges und der politischen beziehungsweise religiösen Prärogative, wodurch sich die patrizischen Familien auch weiterhin von der plebejischen Menge abheben, sorgt so die im quantitativen Vermögensbegriff zum maßgebenden Politikum gewordene Münze des Marktes für eine Vergleichsebene, auf der im Verhältnis der Gruppen zueinander die Kontinuität der Diskretheit die Waage hält und auf der sich bei Gleichheit oder Ähnlichkeit der als Tauschwert quantifizierten Vermögen eine quer zum traditionellen Standesdenken stehende substanziell-ökonomische Egalität der Betroffenen in Gestalt ihrer funktionell-politischen Gleichstellung Geltung verschafft. Wie könnte diese politische Gleichstellung mit ihrer sie fundierenden marktbestimmt ökonomischen Egalität verfehlen, ein Gruppenbewusstsein eigener Provenienz ins Leben zu rufen und die alten qualitativen, im Reichtumserwerb, in den sozialen Aufgaben und Positionen und in der Lebensart gründenden Unterschiede mit dem durch sie erzeugten Standesdenken und Korpsgeist zwar nicht über den Haufen zu werfen beziehungsweise ad acta zu legen, aber doch jedenfalls zu relativieren und in den Rang sekundärer, eher über oberschichtinterne Strukturen und Gesellschaftskreise als über Klassenschranken und die Zugehörigkeit zur Oberschicht als solche entscheidenden Distinktionen zu verweisen?
Vollends aber der Bildung eines neuen, integrativen Gruppenbewusstseins zwischen Patriziern und neureichen Plebejern förderlich zeigt sich die zum Zwecke der politischen Machtverteilung in der Münze des Marktes vorgenommene Gliederung der Gesellschaft nach Vermögensklassen und die darin implizierte tauschwertförmige Gleichsetzung des herrschaftlichen mit dem kommerziellen Reichtum in dem Maße, wie – durchaus im Einklang mit dem Totalitätsanspruch des Mediums Markt und seines universalen Maßstabes, des als allgemeines Äquivalent firmierenden Geldes! – diese Egalisierung nicht nur den herrschaftlichen Reichtum als frondienstlich produziertes Gut, als dem Grundbesitz und seiner Herrschaftsform entspringende bewegliche Habe, betrifft, sondern sich auch und mehr noch auf das ökonomische Fundament des frondienstlich Produzierten, die natürliche Quelle des herrschaftlichen Reichtums, den Grundbesitz selbst, erstreckt und mithin eben den Nährboden einbegreift, auf dem die traditionellen und, aller politischen Relativierung zum Trotz, soziale Kraft und ständische Geltung behauptenden Distinktionen und Prärogative der patrizischen Oberschicht entstehen und gedeihen. So gewiss sich die Patrizier aufgrund ihres wachsenden patronatsbedingten Engagements im Marktgeschehen, ihrer zunehmenden beraterschaftlichen, lobbyistischen, juridischen Mitwirkung an den kommerziellen Geschäften auf die Perspektive des Marktes als ebenso umfassenden wie zentralen und mit seinem Maßstab, seiner Münze gleichermaßen den eigenen, kommerziellen Reichtum und dessen formelles anderes, den herrschaftlichen Reichtum, bestimmenden Mediums einlassen, so gewiss müssen sie geschehen lassen, dass in systemkonformer Konsequenzzieherei auch die natürliche Quelle des herrschaftlichen Reichtums, der Grund und Boden seiner fronwirtschaftlichen Erzeugung, mit der gleichen Elle gemessen und, wie theoretisch-kalkulatorisch als Teil des Vermögens in den Tauschwertzusammenhang, so am Ende praktisch-transaktorisch als zu veräußerndes oder zu erwerbendes Gut in den Austauschprozess einbezogen wird.
Den neureichen Plebejern, denen ihr kommerziell akkumulierter Reichtum ohnehin schon die mit der Einführung der Vermögensklassen besiegelte ökonomische Egalisierung und, darauf fußend, die politische Gleichstellung gebracht hat, eröffnet sich damit die Möglichkeit, durch den Kauf von Grund und Boden, den Erwerb von Grundbesitz, auch in lebensartlich-ständischer Hinsicht mit den Patriziern gleichzuziehen und jenes soziale Prestige zu erringen, das unverändert mit herrschaftlichem Reichtum, sprich, mit der Verfügung über dessen Fundament und natürliche Quelle, mit Landeigentum, Dominium, verknüpft ist. Das Ergebnis dieser doppelten Bewegung einer in der Münze des Marktes vollzogenen Egalisierung der realen Vermögen und einer mittels der Kommerzialisierung und des Erwerbs von Landbesitz plebejischen Angleichung an die ständische Distinktion und das soziale Prestige der Patrizier ist eine neu formierte Oberschicht, eine aus reichen Plebejern und alten Patrizieren gemischte Nobilität, eine Gentry, die – ihren Namensgebern im zweitausend Jahre späteren England durchaus vergleichbar! – den kommerziellen Reichtum und sein allgemeines Äquivalent mit dem herrschaftlichen Reichtum und seinem besonderen Fundament, das Geldvermögen mit dem Grundbesitz, die Münze des Marktes mit der Quelle von Herrschaft derart gründlich amalgamiert, dass eine Trennung dieser beiden gesellschaftlichen Machtfaktoren praktisch unvorstellbar wird und die Basis für eine von oberschichtinternen Spannungen und Konflikten freie Herrschaft langfristig gegeben scheint.
Indem einerseits die Vertreter herrschaftlichen Reichtums, die patrizischen Landbesitzer, ihr ganzes politisch-militärisches Beginnen in den Dienst einer Stärkung und Expansion des ökonomisch-dynamischen Kerns der Stadt, der Handelsfunktion, stellen und sich mit anderen Worten als Wegbereiter, Lobbyisten und Schutztruppe zur Verfügung des von ihnen als das Maß aller Dinge, ihr herrschaftliches Eigentum eingeschlossen, akzeptierten kommerziellen Reichtums und seines Akkumulationsanspruches halten und indem andererseits die Repräsentanten akkumulierten kommerziellen Reichtums, die neureichen Plebejer, immer wieder bestrebt sind und auch die Möglichkeit finden, letzteren in Landbesitz und ihm entspringenden herrschaftlichen Reichtum zurückzuverwandeln, um auf diese Weise am sozialen Prestige und der ständischen Lebensart der Oberschicht, zu der nicht zuletzt pietätvolles Wirken für den Kultort der Ahnen, die Stadt, gehört, zu partizipieren, entsteht ein als ständiger Austauschprozess funktionierender elitärer Zyklus, der in dem Maße, wie er die Revision der alten Herrschaftsstrukturen durch die neue kommerzielle Macht mit einer Integration der neuen Macht in die alten Strukturen verknüpft und also uno actu den politischen Status quo Empfänglichkeit für die ökonomische Entwicklung und die ökonomische Entwicklung Anpassungsfähigkeit an den politischen Status quo beweisen lässt, eine beispiellose Homongenität der in der Stadt machthabenden Gruppen und Stabilität der von ihnen wahrgenommenen Führung bewirkt.
Die gedeihliche Entwicklung der aristokratischen Oberschicht und der neureichen Plebejer und ihr Zusammenwachsen zur Nobilität gehen zu Lasten der bäuerlichen Mittelschicht und reißen eine neue soziale Trennlinie auf. Den kurzfristigen Vorteilen, die dieser Mittelschicht aus der militärischen Expansion der Republik, deren Hauptträgerin sie ist, erwachsen, stehen langfristige Nachteile gegenüber, die in Verarmung und Landverlust resultieren. Gegen diesen fortschreitenden Verfall des Mittelstands und die Konfliktsituation, die er heraufbeschwört, weiß sich die Führung kein anderes Mittel als die Fortsetzung der militärischen Expansionsstrategie und steuert so das Gemeinwesen immer tiefer in die soziale Krise.
Dass die als städtischer Landadel, als Gentry, firmierende klassische römische Oberschicht, zu der alteingesessene Patrizier und neureiche Plebejer nach anderthalb Jahrhunderten zähen Ringens um politische Macht und soziale Anerkennung schließlich zusammenwachsen, dank der Art, wie ihre beiden Hauptgruppen einander als systematisches Konstitutiv dienen und sich praktisch auseinander reproduzieren, ebensoviel Homogenität im sozialen Auftreten wie Stabilität in der politischen Führung beweist, bedeutet allerdings nicht, dass sie ein unvermischter Segen für die Stadt wäre und der letzteren die gleiche relative Reibungs- und Konfliktlosigkeit bescherte, die sie selber auszeichnet. Tatsächlich hat die Entstehung dieser Gentry-Oberschicht ihren Preis; die Trenn- und Konfliktlinie zwischen Plebejern und Patriziern, die diese neue Oberschicht überwindet und partiell tilgt, kehrt an anderen Stellen und zuerst und vor allem als eine im patrizischen Milieu und Umfeld aufbrechende Verwerfungslinie wieder.
Was den kommerziellen Reichtum akkumulierenden und dessen Münze als das ökonomische Maß für militärische Mitwirkung und politische Mitsprache zur Geltung bringenden vermögenden Plebejern endgültig Aufnahme in die Reihen der patrizischen Oberschicht verschafft, der Erwerb von Grund und Boden und die Erlangung des damit verknüpften sozialen Prestiges beziehungsweise die Ausbildung eines darauf fußenden ständischen Lebens, geht eindeutig zu Lasten einer die aristokratischen Familien traditionell tragenden und ihrem Führungsanspruch überhaupt erst soziales Gewicht und politisch-ökonomisches Momentum verleihenden Schicht aus kleinen und mittleren Landeigentümern, freien Bauern, ackerbautreibenden Wehrfähigen, vergleichbar den Mittelständlern in der Polis, die über Landbesitz verfügen und als Hopliten Kriegsdienst leisten. Dieser, die kollektive politische Freiheit, die ihm die Republik beschert, mit relativer ökonomischer Unabhängigkeit verbindende Bauernstand, der zum Markt in einem ähnlichen Verhältnis interessierter Distanz oder reservierten Engagements steht wie die Aristokratie und den der relative Wohlstand und die kollektive Freiheit, die er auf der eigenen Scholle genießt, zum entschiedenen Traditionalisten macht, zum Bewahrer des Bewährten, zum Anhänger eines Status quo, zu dem neben der etablierten ständischen Ordnung und den überkommenen Eigentumsverhältnissen ohne Frage auch der städtische Markt und die mit ihm sich bietenden ökonomischen Entwicklungschancen und konsumtiven Entfaltungsmöglichkeiten gehören – dieser Bauernstand ist der natürliche Verbündete der Patrizier, mit denen er auch nach Einrichtung der Zenturiatskomitien im wesentlichen gemeinsame Sache macht und denen seine solidarische Existenz überhaupt erst das politische Standvermögen verleiht, das ihnen gestattet, anderthalb Jahrhunderte lang den Mitbestimmungs- und Gleichstellungsforderungen der aufstrebenden plebejischen Neureichen zu trotzen beziehungsweise höchstens und nur in einer Politik der kleinen und kleinsten Schritte nachzugeben.
Zugleich ist es diese bäuerliche Mittelschicht, diese Formation aus freien, wehrfähigen kleinen und mittleren Landbesitzern, die als natürlichen Verbündeten und freiwillige Gefolgschaft der patrizischen Familien die Hauptlast der vom Patriziat verfolgten föderativen Expansionsstrategie tragen. Und sie tun das bereitwillig und ohne alles Widerstreben. Schließlich sind auch sie an an der Erhaltung und am Gedeihen des republikanisch-städtischen Gemeinwesens interessiert, das ihnen ein unter monarchischen Verhältnissen unvorstellbares Maß an ökonomischer Eigenständigkeit und an politischer Mitsprache, kurz, an bürgerlicher Freiheit, beschert. Und schließlich wissen auch sie, dass beides, die Erhaltung und das Gedeihen des Gemeinwesens, entscheidend abhängig ist von einer Unterstützung und Stärkung der den städtischen Freiraum konstituierenden kommerziellen Funktion, die gleichermaßen die Grundlage des inneren Wohlergehens und das Faustpfand der äußeren Machtstellung bildet. Hinzu kommt, dass die auf die Stützung und Stärkung des Handelszentrums Rom gerichtete föderative Expansionspolitik, sowenig sie zwar, ihrer Zielsetzung gemäß, auf direkte Unterwerfung und einfache Ausplünderung gerichtet ist, doch aber immer ein gewisses Maß an Kriegsbeute und Reparationszahlungen mit sich bringt und insofern dem beteiligten einzelnen die Chance zur privaten Bereicherung bietet und persönliche Vorteile bringt.
Allerdings steht, wie sich zeigt, der vorübergehende persönliche Vorteil und private Gewinn aus der militärischen Aktivität in keinem rechten Verhältnis zu den langfristigen Nachteilen und Verlusten, die das ständige Kriegführen für die vielen einzelnen, die bäuerlichen Mittelständler als Gesamtheit, zu Hause, an der ökonomischen Basis ihrer kleinen Güter und bäuerlichen Besitzungen, zur Folge hat. Während die wehrfähigen Bauern unter Führung ihrer patrizischen Oberschicht durch immer neue militärische Operationen draußen bei den Nachbarn und in einem zunehmend weiter gespannten Umkreis dem römischen Kommerz den durch bundesgenossenschaftliche Verträge abgesicherten Boden bereiten und die neuen Märkte erschließen, nach denen es ihn – er weiß nicht, wieso – verlangt, tut er mit ebensoviel bewusstloser Zielstrebigkeit alles, um die in seinem Interesse solcherart Tätigen im heimischen Milieu für ihren Einsatz zu bestrafen und dort ökonomisch ins Hintertreffen geraten zu lassen. Erstens nämlich setzt die kommerzielle Akkumulation die bereits aus der griechischen Polis bekannte Arbeitsteilung zwischen städtisch-handwerklicher Güterproduktion und ländlich-agrarischer Lebensmittelerzeugung allmählich auch für die römische Republik durch und bewirkt dank des mit dieser Arbeitsteilung verknüpften Produktivitätsgefälles, dass aus den umliegenden Territorialgebieten wachsende Kontingente billiger Agrarerzeugnisse nach Rom fließen und den Produkten der römischen Bauernschaft Konkurrenz machen. Und zweitens bietet die kommerzielle Akkumulation nicht zwar den kleinen Landgütern und Bauernhöfen, wohl aber den großen landwirtschaftlichen Betrieben, den patrizischen Ländereien, dank der Absatzchancen für bestimmte Produkte, die sie eröffnet, den Anreiz, sich entsprechend der Marktnachfrage zu spezialisieren und im Zuge solcher Spezialisierung ihre Erzeugung zu rationalisieren, mit dem Ergebnis, dass auch diese patrizischen Nahrungserzeuger mit ihrer rationalisierungsbedingt billigeren Produktion als machtvolle Konkurrenz auf dem Markte auftreten und ihrem eigenen Anhang, der Bauernschaft, das Leben schwer machen.
Indem so also in einer nicht enden wollenden Folge von Kriegszügen und militärischen Operationen der bäuerliche Mittelstand jene patrizische Expansionsstrategie in die Tat umsetzt, die letztlich auf eine Stützung und Förderung des römischen Handelsplatzes, auf eine Entfaltung und Stärkung der kommerziellen Funktion des Gemeinwesens abzielt, wirkt sich im Gemeinwesen selbst diese Stärkung der kommerziellen Funktion im Sinne einer zunehmenden Schwächung der ökonomischen Stellung eben jenes ihr draußen die Stange haltenden und zu Reichtum und Einfluss verhelfenden bäuerlichen Mittelstandes aus. Wo die als wehrfähige Freie die Hauptlast der patrizischen Expansionspolitik tragenden kleinen und mittleren Landbesitzern traditionell gewohnt waren, mit den Erzeugnissen ihrer Höfe und Güter nicht allein eine in Nahrungsdingen halbwegs autarke Existenz zu führen, sondern mehr noch mit den Überschüssen ihrer agrarischen Produktion eine relativ starke Präsenz auf dem Markt zu behaupten und sich durch die Beteiligung am kommerziellen Austausch wenn auch nicht Reichtum, so doch einen gewissen Wohlstand oder jedenfalls ein gedeihliches Auskommen zu sichern, da entwertet nun die doppelte Konkurrenz der durch den Handel von draußen in die Stadt geschleusten und der von den patrizischen landwirtschaftlichen Betrieben auf den Markt geworfenen Agrarerzeugnisse diese Überschüsse und raubt ihnen eben den Tauschwert, der sie zum Schlüssel und Unterpfand mittelständischen Wohlergehens machte.
Auch wenn sie dank der Bewirtschaftung ihres Landes eine relative Autarkie behalten und jedenfalls nicht gleich vom Hungertod bedroht sind, bringt sie doch die markterzeugte agrarische Billigkonkurrenz von draußen und drinnen um jenen ökonomischen Spielraum, den ihre Produktionsüberschüsse ihnen traditionell gewährten und der ihnen erlaubte, als solventer Konsument auf dem Markt aufzutreten und sich mit Hilfe des letzteren einen ebenso sehr durch die qualitative Vielfalt wie die quantitative Fülle der Bedürfnisbefriedigungsmittel ausgezeichneten Lebensstandard zu sichern. Diesen Lebensstandard als einen quasi verbrieften Titel in Anspruch nehmend und ebenso wenig willens, die konsumtiven Einschränkungen zu akzeptieren, die ihre nach Maßgabe des geringeren Tauschwerts ihres Produkts geminderte Kaufkraft ihnen abverlangt, wie bereit, den sozialen Abstieg in Kauf zu nehmen, der mit den konsumtiven Einschränkungen Hand in Hand geht, fangen die Angehörigen der Mittelschicht an, über ihre Verhältnisse zu leben; das heißt, sie kaufen beim Markt auf Kredit, beschaffen sich die vom Markt zur Verfügung gestellten Bedürfnisbefriedigungsmittel auf den Borg seiner Repräsentanten. Sind sie aber diesmal schon nicht in der Lage, die Dinge, die sie zur Erhaltung ihres Lebensstandards vom Markte brauchen, mit den Produkten, die sie zu Markte tragen, zu vergüten, so werden sie es beim nächsten Mal noch weniger sein; was ihnen, der starrsinnigen Logik des kommerziellen Akkumulationsprinzips folgend, die Repräsentanten des Marktes borgen, was ihnen die Handeltreibenden als Kredit vorschießen, ist ja nicht einfach allgemeines Äquivalent, der Geldeswert dessen, was sie auf dem Markt kaufen, sondern ist Kapital, der Geldeswert mit dem ihm eingefleischten Anspruch, sich zu verwerten, Mehrwert zu bringen, Zins zu tragen; kommen sie also das nächste Mal auf den Markt, um zu kaufen, so fordern die Repräsentanten des Marktes von ihnen zusätzlich zu dem Produktwert, den sie für den neuen Austausch mitbringen müssen, die Rückzahlung des Kredits, das heißt, einen Gegenwert in Produktform, der nicht nur dem Wert der damals auf Borg gekauften Güter zuzüglich des beim Austausch zwischen Produzenten und Marktrepräsentanten den letzteren zu überlassenden Wertanteils entspricht, sondern der auch noch den Wertzuwachs kompensiert, den die Marktrepräsentanten, hätten sie damals nicht auf Kredit geliefert, sondern vom Produzenten ein dem Wert ihrer Lieferung gemäßes Äquivalent in Produktform erhalten, durch den weiteren Austausch dieses Äquivalents mittlerweile erwirtschaftet hätten.
Das Ergebnis ist klar: Sie verschulden sich immer weiter, geraten immer tiefer in die Kreide, bis sie zur Begleichung oder jedenfalls Minderung ihrer Schulden gezwungen sind, sich an der natürlichen Quelle ihrer relativen ökonomischen Autarkie und ihrer kollektiven politischen Autonomie, kurz, am Realfundament ihres spezifischen sozialen Bestehens, zu vergreifen und nämlich Grundbesitz zu verkaufen, statt der Erzeugnisse ihres Landes Stücke von ihm selbst zu Markte zu tragen, mithin die praktische Probe auf die tauschprozessuale Veräußer- und Erwerbbarkeit von Grund und Boden zu machen, die oben als der maßstäbliche Triumph des kommerziellen Reichtums und seiner Münze über den herrschaftlichen Reichtum und seine Quelle vorgestellt wurde. Wie diese Landverkäufe, zu denen der Preisverfall ihrer Erzeugnisse den bäuerlichen Mittelstand treibt, systematisch-real die Erhebung des Marktes zum allumfassenden Austauschmedium und seiner Münze, des Geldes, zum alles bestimmenden Vergleichsmaßstab vollenden, so besiegeln sie empirisch-sozial den Aufstieg der Repräsentanten des Marktes, der Handeltreibenden, in die Reihen der Oberschicht, ihre unwiderrufliche Amalgamierung mit den Patriziern zu einer in bezug auf Lebensstil und gesellschaftliche Distinktion einheitlichen Nobilität, weil mit dem sei's direkt von den mittelständischen Schuldnern übernommenen, sei's über Dritte erworbenen und kraft kommerziellen Reichtums zu stattlichen Gütern zusammengekauften Land die Handeltreibenden auch das mit letzterem verknüpfte ständische Ansehen und soziale Prestige erringen, das traditionell den Besitzern der großen Ländereien, den territorial fundierten patrizischen Familien, vorbehalten war.
Und während so aber der Handel mit Landbesitz für die Käufer, die als Repräsentanten des Marktes reich gewordenen Plebejer, den sozialen Aufstieg, die Etablierung auf dem angestammten Grund und Boden der Oberschicht, beinhaltet, bedeutet er für die Verkäufer, die als wehrfähige Freie im Dienst an der Republik verarmenden Bauern und kleinen Gutsbesitzer, zunehmende ökonomische Bedrängnis und fortschreitende soziale Deklassierung. Mit jedem Landverkauf, mit dem sie sich Entlastung von ihren Schulden oder die für die Erhaltung ihres Lebensstandards nötige Liquidität verschaffen, verkleinern sie noch die ohnehin schon zu schmale Basis ihrer ökonomischen Autarkie und vergrößern die Gefahr, durch den völligen Verlust ihres Grundbesitzes des an ihn geknüpften sozialen Status verlustig zu gehen, aus dem Kollektiv des kraft der relativen ökonomischen Autarkie, die der Grundbesitz verleiht, politische Autonomie beanspruchenden bäuerlichen Mittelstandes auszuscheiden und mitsamt ihren Familien ins gesellschaftlich Bodenlose einer durch keine handwerklichen oder sonstigen marktspezifischen Fertigkeiten subsistenziell aufzufangenden Existenz abzustürzen. Wie könnte diese Entwicklung verfehlen, die Betroffenen mit wachsender Erbitterung zu erfüllen? Wie sollte es wohl nicht ihr tiefes Ressentiment wecken, dass sie erleben müssen, wie jene Gruppe von Handel- und Gewerbetreibenden, denen sie durch ihren militärischen Einsatz ein breites kommerzielles Betätigungsfeld und ungeahnte Bereicherungschancen erschließen, den auf diesem Wege neugewonnenen Reichtum dazu nutzt, sie, die kleinen Landbesitzer, in ihrer angestammten Marktposition zu unterminieren und in ökonomische Bedrängnis zu bringen, um dann auf ihre Kosten beziehungsweise auf ihrem Rücken, nämlich durch Aneignung ihres Grundes und Bodens, den eigenen endgültigen sozialen Aufstieg zu inszenieren?
Die traditionelle Oberschicht, das Patriziat, sieht dieser kritischen Entwicklung mit gemischten Gefühlen zu. Erfüllt die von Standesdenken und Elitebewusstsein beherrschten alteingesessenen Patrizierfamilien schon mit Irritation und Abscheu, dass sich die neureichen Plebejer kraft Etablierung als Grundbesitzer und Territorialherren unaufhaltsam in ihre Reihen drängen und unabweislich auf ihrem sozialen Niveau festsetzen, so bereitet es ihnen vollends Unbehagen und Sorge, dass jene Etablierung der neureichen Marktrepräsentanten auf Kosten und zu Lasten der bäuerlichen Mittelschicht, ihres natürlichen Anhangs, ihrer fraktionellen Verbündeten in der Volksversammlung, verläuft und dass so die Stärkung der politischen Position der homines novi, der marktentsprungenen Emporkömmlinge, ihr unmittelbares Pendant in einer Zerrüttung und Schwächung der sozialen Basis und politischen Partei findet, auf die sie, die Patrizier selbst, sich stützen. Aber zugleich sind die Patrizier mit den plebejischen Marktrepräsentanten im Geschäft, sind sie sowohl durch die Ausrichtung ihrer agrarischen Produktion auf Absatzchancen, die der Markt eröffnet, als auch durch ihren Lobbyismus und ihre beratenden Funktionen im Dienste des Marktes an den kommerziellen Aktivitäten interessiert und beteiligt und können sie im Eigeninteresse und zwecks weiterer Partizipation am lukrativen Kommerz gar nicht anders, als ihren Juniorpartnern die Stange zu halten. Sie steuern also einen Zickzackkurs, wie ihn etwa die Licinisch-Sextischen Gesetze aus der Mitte des 4. Jahrhunderts beispielhaft vorführen: Einerseits sind sie ihren plebejischen Partnern, den reichen Handeltreibenden, zu Willen, indem sie diesen nun auch den Zugang zum höchsten politischen Amt der Republik, zum Konsulat, eröffnen und damit deren politische Gleichberechtigung, pro forma zumindest, besiegeln, während sie andererseits ihrem natürlichen Anhang, dem vom Verlust ihres ökonomischen Fundaments, ihres Grundes und Bodens, bedrohten bäuerlichen Mittelstand, beizuspringen bemüht sind, indem sie einer – allerdings nur vorübergehend wirksamen und wegen der Unwiderstehlichkeit der ökonomischen Entwicklung auf Dauer gar nicht durchsetzbaren – Beschränkung des Erwerbs von Grundbesitz ihre Zustimmung geben. Ökonomisches Eigeninteresse und soziales Standesbewusstsein liegen bei ihnen im Streit miteinander und sorgen für ein langdauerndes Ringen um politische Veränderung und ökonomische Stabilisierung – mit dem vorhersehbaren Ergebnis, dass das eine, die politische Veränderung – hier in Gestalt einer Gleichstellung der reichen Plebejer und ihrer Zulassung zu allen Staatsämtern –, erfolgt und fait accompli wird, während das andere, die ökonomische Stabilisierung – hier in Form einer Bewahrung des traditionellen Mittelstandes vor Enteignung und Deklassierung –, scheitert und von der Dynamik der ökonomischen Entwicklung vereitelt wird.
Das wichtigste Vehikel des Patriziats, seine ambivalente Haltung in dem zwischen kommerzieller Funktion und traditionellem Mittelstand aufgebrochenen Konflikt zum Tragen zu bringen, und zugleich das Medium, in dem die objektive Ungleichwertigkeit der beiden Rücksichten, die sich das Patriziat zu nehmen bemüht, am deutlichsten zutage tritt, ist die fortgesetzte militärische Expansionsstrategie der Republik. Sosehr diese Strategie einerseits den Zweck erfüllt, der kommerziellen Funktion der Stadt neue Märkte und Betätigungsfelder zu erschließen und also den Reichtum und die Macht der plebejischen Marktrepräsentanten zu mehren, sosehr dient sie andererseits auch der Absicht, den jene Strategie tragenden wehrfähigen Bauernstand beschäftigt zu halten und mittels Kriegsgewinnen und staatlicher Entschädigungen über seine dank der Entfaltung der kommerziellen Funktion, der er den Weg bereitet, zunehmende ökonomische Notlage und soziale Bedrängnis hinwegzutrösten. Und während aber das eine, der qua Stärkung der kommerziellen Funktion und Förderung des Handelsplatzes Rom verfolgte Zweck, realistisch ist und offenkundig verwirklicht wird, erweist sich das andere, die qua Stützung und Begünstigung des bäuerlichen Mittelstandes gehegte Absicht, als illusionär und geeignet, das genaue Gegenteil dessen, was ihr Ziel ist, zu erreichen. Weil ja der Zweck, den die militärische Expansion verfolgt und verwirklicht, eine fortschreitende Entfaltung der Handelsfunktion ist, die unter anderem eine immer umfänglichere Versorgung des römischen Marktes mit Agrarerzeugnissen aus den Territorien der Bundesgenossen und von den patrizischen Länderein mit sich bringt, liegt auf der Hand, dass sich die Absicht einer kurzfristigen Verbesserung der Einkommensverhältnisse des Mittelstandes, die mit der militärischen Expansion gleichzeitig verknüpft ist, durch die langfristige Verschlechterung der ökonomischen Existenzbedingungen eben dieses bäuerlichen Mittelstandes konterkariert und in der Tat zunichte gemacht finden muss. Hinzu kommt, dass durch die aus dem ständigen kriegerischen Engagement resultierende fortwährende Abwesenheit von Haus und Hof die bäuerlichen Wehrfähigen auch gar nicht dazu kommen, sich um ihren agrarischen Betrieb und die Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit zu kümmern und dass sie insofern nicht nur kollektiv-strukturell ins ökonomische Hintertreffen geraten, sondern dass sie auch subjektiv-individuell die kurzfristig spürbare Erhöhung ihrer Einkünfte durch den Kriegsdienst mit einer langfristig durchschlagenden Vernachlässigung ihrer zivilen Aktivitäten teuer bezahlen müssen.
Während also im Blick auf die Entfaltung des Marktes und die Förderung der an ihn geknüpften plebejisch-kommerziellen und patrizisch-agrarischen Interessen die militärische Expansionsstrategie der Republik ihren Zweck erfüllt, erweist sie sich hinsichtlich der mit ihr zugleich intendierten Stabilisierung der Lage des Mittelstandes als ein Palliativ, das die Leiden, die es ad hoc zu lindern dient, letztlich oder ad infinitum nur zu verschlimmern taugt. Die Strategie führt mit anderen Worten zu einer wachsenden Schicht von Unzufriedenen und halbwegs Empörten, die, ohne bereits im eigentlichen Sinne pauperisiert und in Mittellosigkeit gestürzt zu sein und noch weit entfernt davon, einen aus dem Funktionszusammenhang ausgefällten Bodensatz, eine Pariaschicht, zu bilden, sich doch aber hinlänglich ökonomisch bedrängt und sozial deklassiert finden, um eben jener Perspektive realer Mittellosigkeit und sozialer Funktionslosigkeit als einer zwar vagen, aber wahrnehmbaren Bedrohung inne und um von zunehmendem Ressentiment gegen diejenigen erfüllt zu sein, für die sie sich militärisch ins Zeug legen und die ihnen, während sie selbst es zu Reichtum und Macht bringen, ihren Einsatz durch die objektiv-strukturellen Konsequenzen und die subjektiv-individuellen Implikationen, die er für sie hat, sprich, durch die bei all seiner kurzfristigen Entlastungsfunktion langfristig wachsende Not, in die er sie stürzt, derart übel lohnen.
Und dabei richtet sich das Ressentiment dieser tragenden Säule der expansiven Entwicklung der Republik, die sich durch die expansive Entwicklung selbst erschüttert und in ihrer Standfestigkeit unterminiert erfährt, nicht etwa nur gegen die primären Profiteure der Expansion, die reichen Plebejer, die Repräsentanten des Marktes, sondern in zunehmendem Maße auch gegen die sekundären Nutznießer, die in der einen oder anderen Form mit dem Markt liierten Patrizier. Sosehr sich die letzteren anfangs noch kraft ihres sozialen Distinktionsanspruches und ständischen Abgrenzungsbedürfnisses und dank der Tatsache, dass ihre ökonomische Mitwirkung im Marktgeschehen eher als passive Konsequenzzieherei denn als aktives Engagement erscheint, sowohl im eigenen Bewusstsein als auch in den Augen ihres traditionellen mittelständischen Anhanges gegenüber den Machenschaften der Handeltreibenden distanziert und in der Reserve einer an Ablehnung grenzenden Neutralität verhalten zeigen, sosehr verliert sich doch aber in dem Maße, wie die patrizische Involvierung in die kommerziellen Geschäfte zunimmt und wie sich zugleich die Repräsentanten des Marktes in die patrizischen Reihen einkaufen und auf Basis erworbener Ländereien am sozialen Prestige und der ständischen Lebensform der traditionellen Oberschicht teilhaben, jene gewahrte Distanz und kultivierte Reserve der Patrizier und macht, wenn schon nicht in deren eigenem Bewusstsein, so jedenfalls aus Sicht ihres hart geprüften mittelständischen Anhanges, dem Eindruck eines alle scheinbare Neutralität Lügen strafenden mafiosen Einvernehmens, eines die ganze ehrenwerte Gesellschaft beherrschenden konspirativen Zusammenspiels zu Bereicherungszwecken Platz.
Um diesen Eindruck zu widerlegen oder wenigstens zu zerstreuen und um zu verhindern, dass er zum Kristallisationspunkt erklärter gesellschaftlicher Opposition und offenen politischen Aufbegehrens wird, weiß sich das mit den Marktrepräsentanten zusammenwachsende Patriziat, weiß sich die zur Nobilität vereinheitlichte Oberschicht keinen besseren Rat, als immer wieder zur Option Expansionsstrategie ihre Zuflucht zu nehmen und sich den infolge der letzteren strukturell-systematisch Benachteiligten und Frustrierten nach Maßgabe der individuell-kompensatorischen Erwerbsmöglichkeiten und Sanierungschancen, die sie ihnen zugleich doch eröffnet, immer wieder als Freund und Helfer, als im Grunde ebenso wohlmeinende wie treusorgende politische Führung zu suggerieren. Der unüberbietbare Vorteil, den diese strategische Option hat, besteht darin, dass sie neben der sozialen Beschwichtigungs- und Kompensationsfunktion, die sie im Blick auf den bedrängten Mittelstand erfüllt, auch den ökonomischen Interessen der Oberschicht selbst dient, und zwar den Interessen der patrizischen Etablierten nicht weniger als denen der plebejischen Neureichen, und dass also bei ihr alle meinen können, auf ihre Kosten zu kommen, dass alle dem Anschein nach von ihr profitieren. Der unabwendbare Nachteil, der mit dieser strategischen Option verknüpft ist, liegt darin, dass sie am Grundtrend der politisch-ökonomischen Entwicklung der Republik nicht etwa nur nichts ändert, sondern ihn vielmehr verstärkt und vorantreibt, dass sie mit anderen Worten, wie auf der einen Seite der Akkumulation von kommerziellem Reichtum und der damit Hand in Hand gehenden Durchsetzung neuer, arbeitsteilig bestimmter, externer Austauschbeziehung zwischen der römischen Republik selbst und ihrer handelspolitischen Macht- und Einflusssphäre Vorschub leistet, so auf der anderen Seite die gemeinschaftsinterne Austauschsituation und Marktposition, sprich, die ökonomische Lage, ausgerechnet derer, die jene Strategie tragen, immer weiter verschlechtert und eine immer größere Zahl von ihnen durch den Verlust ihrer zivilen Subsistenzbasis, ihres Grundbesitzes, an den Rand ökonomischer Not und sozialer Deklassierung bringt.
Die notgedrungene Ausdehnung des vollen Bürgerrechts auf die latinischen Bundesgenossen lässt den Mittelstand zu einer kritischen Masse werden, die in dem Maß, wie sie der ökonomischen Pauperisierung und sozialen Deklassierung unterworfen ist und zum harten Kern der plebejischen Partei herabsinkt, die Forderung nach politischer Mitbestimmung erhebt und in Gestalt der Tributkomitien und des politisch aufgewerteten Tribunenamts auch durchsetzt. Dieser als Tribunatspartei plebejischen Opposition geht es nicht um die Wiederherstellung alter Grundsitzverhältnisse; vielmehr eint sie mit der senatorischen Partei der Nobilität die Grundüberzeugung, dass das Heil der Republik in einer Fortführung der militärischen Expansionsstrategie liegt.
Eine aus nachträglicher Perspektive als qualitativer Sprung erkennbare dramatische Wendung nimmt dieser ökonomische Enteignungs- und soziale Entwurzelungsprozess, dem sich die bäuerliche Mittelschicht durch die mit Hilfe seiner Wehrkraft verfolgte Expansionsstrategie ausgesetzt findet, als die unmittelbaren latinischen Bundesgenossen endgültig genug davon haben, als Hilfstruppen beim römischen Expansionswerk mitzuwirken und für die Vergrößerung der Republik personale und finanzielle Opfer zu bringen, gleichzeitig aber mangels vollem Bürgerrecht vom Genuss der ökonomischen Früchte und der politischen Privilegien, die mit dem Aufstieg der Stadt verknüpft sind, ausgeschlossen zu bleiben und jedenfalls nur sekundär oder marginal daran zu partizipieren. Die im Latinerbund zusammengeschlossenen unmittelbaren Nachbarn Roms erheben sich also gegen die Republik, und in einer für den römischen Pragmatismus, den römischen Sinn für ökonomische Lösungen typischen Mischung aus militärischer Schlagkraft und politischer Weitsicht endet der Krieg wie einerseits mit der Niederlage der Bundesgenossen und der Auflösung ihres Bundes, so andererseits mit der Verleihung des Bürgerrechts an die Mehrzahl der latinischen Städte und ihrer vollen Integration in die Republik.
Die handeltreibenden beziehungsweise landbesitzenden Oberschichten der in die Republik aufgenommenen Städte sind mit dieser Lösung zufrieden: Sie stehen mit den führenden Schichten der Metropole schon lange in fruchtbarem kommerziellem beziehungsweise sozialem Austausch, und in Harnisch hat sie nur die relative politische Diskriminierung und ökonomische Benachteiligung gebracht, der sie durch ihren bundesgenossenschaftlichen Status ausgesetzt waren und die ja nun ihr Ende hat. Ebenso können sich auch die Handwerker und Gewerbetreibenden, soweit vorhanden und soweit nicht durch die kommerziell bedingte Arbeitsteilung zwischen handwerklicher Stadt und landwirtschaftlicher Provinz auf eine quantité négligeable beschränkt, mit der Aufnahme in die Republik befreunden, weil ihnen diese einen direkten und ungehinderten Zugang zum hauptstädtischen Markt beschert. Und schließlich ist auch der bäuerliche Mittelstand Latiums, die breite Schicht aus kleinen und mittleren Landbesitzer mit der vollen Aufnahme ihrer Gemeinden in die römische Republik einverstanden: Zwar haben sie dafür, dass sich bei ihnen eine ähnliche Sozialstruktur wie in Rom selbst herausgebildet hat, dass mit anderen Worten einige vom römischen Handel und der Zusammenarbeit mit ihm profitieren und es zu Reichtum bringen, während sie selbst, die breite Mittelschicht, die militärische Zeche für das Wachstum des römischen Handels zu zahlen und zudem noch die ökonomischen Lasten des mit dem kommerziellen Wachstum Hand in Hand gehenden Überangebots an landwirtschaftlichen Erzeugnissen und entsprechenden Verfalls der Agrarpreise zu tragen haben – zwar haben sie dafür mit Recht den römischen Einfluß verantwortlich gemacht, und sind gemeinsam mit ihren unzufriedenen Führungsschichten gegen die Hegemonialmacht auf die Barrikaden gegangen. Aber nun, da der Kampf zu Ende ist und ihre Oberschichten sich durch die Verleihung des vollen Bürgerrechts für die römische Sache haben vereinnahmen lassen, sind auch sie bereit, die Geschichte mit anderen Augen zu betrachten und sich nämlich vom römischen Vollbürgertum eine direkte Teilhabe an den materiellen Früchten und sozialen Privilegien zu erhoffen, die mit der militärischen Expansionsstrategie der Republik in Aussicht stehen, mithin eben der Verheißung einer Verbesserung ihrer ökonomischen Lage und Sicherung ihrer sozialen Stellung auf den Leim zu gehen, durch die sich auch die hauseigene bäuerliche Mittelschicht der Republik immer wieder ködern und zur Mitwirkung bewegen lässt.
Indes, die Hoffnung auf eine ernstliche und dauerhafte Verbesserung ihrer Situation durch eine qua Bürgerstatus garantierte volle militärische und zivile Partizipation am Aufstieg der römischen Republik führt die bäuerlich-latinischen Neubürger geradeso hinters Licht wie zuvor schon die eingesessene römische Bauernschaft. Zu gravierend sind die strukturell-systematischen Benachteiligungen, die diesen Gruppen aus dem von ihnen tatkräftig mitbetriebenen Aufstieg der Republik, der Expansion ihres Handelsnetzes und der Orientierung der gesellschaftlichen Distribution am Akkumulationsinteresse des Marktes, erwachsen, als dass die individuell-kompensatorischen Erwerbsmöglichkeiten und Gewinnchancen, die der Aufstieg diesen Gruppen immerhin eröffnet, anders zu Buche schlagen könnten als eben im Sinne einer Kompensation, einer mehr schlechten als rechten Entschädigung für die in der Hauptsache zu ihren Ungunsten verlaufende politisch-ökonomische Entwicklung. Aber wenn sich auch die Hoffnung der bäuerlichen Neubürger auf eine mit dem Vollbürgerstatus verknüpfte ökonomische Sanierung und politische Stabilisierung als Illusion erweist – was die Aufnahme dieser neuen Gruppe in die Republik immerhin bewirkt, ist eine quantitative Verstärkung der ökonomisch bedrängten und sozial bedrohten bäuerlichen Mittelschicht der Republik, die aus diesem einen qualitativ ernstzunehmenden politischen Faktor macht, die ihn mit anderen Worten seiner bisherigen Rolle eines instrumentalen Objekts patrizischer Interessen und einer der Expansionsstrategie der Nobilität zur Verfügung stehenden Manövriermasse überhebt und als ein mit Eigeninteresse begabtes intentionales Subjekt, als eine über die Expansionsstrategie der Nobilität Mitverfügung reklamierende kritische Masse in Erscheinung treten lässt.
Durch die Kontingente aus den in der Hauptsache bäuerlichen Regionen Latiums aufgerüstet und im Verhältnis zu den beiden anderen Gruppen der Nobilität und der funktionell marktbezogenen Plebejer in eine numerisch überlegene Position gebracht, gleichzeitig aber durch die ökonomische Entwicklung zunehmend aus seiner sozialen Mittelstellung vertrieben und mit der marktbezogenen plebejischen Unterschicht gleichermaßen in Ansehung ihrer ökonomischen Lage egalisiert, wie im Blick auf ihre soziale Geltung homogenisiert, hört die bäuerliche Mittelschicht in eben dem Maße, wie sie ihre mittelständische Apartheit einbüßt und sich als Teil der Unterschicht wiederfindet, auf, das bloß passive Werkzeug des Patriziats zu sein, das sie bis dahin war und das, seinem reinen Werkzeugcharakter gemäß, Einfluß auf das Tun des Patriziats auch nur in passiver Form, nämlich dadurch zu nehmen vermochte, dass es sich, von Zufriedenheit und Wohlbehagen beziehungsweise von Ressentiment und Unwillen über seine Behandlung erfüllt, mehr oder minder gut in die Hand seines Benutzers fügte, und verwandelt sich in einen aktiven Faktor, einen Agenten in dezidiert eigener Sache, der sich als eigenständige Kraft politisch artikuliert und der dem Patriziat beziehungsweise der aus Patrizieren und reichen Plebejern zur Nobilität zusammengewachsenen Führungsschicht nur unter der Bedingung zu Diensten ist, dass diese ihn mitbestimmen lässt und seinen Willensbekundungen ebensoviel Verbindlichkeit und Gesetzeskraft konzediert wie den eigenen senatorischen Beschlüssen und den Leges der von ihr dominierten Zenturiatskomitien.
Ausdruck und letzte Konsequenz dieser Wandlung zur selbstbewussten sozialen Kraft und Formierung zur eigenständigen politischen Fraktion, die das plebejische Stratum unter dem Druck und Einfluß der zu ihm herabsinkenden, landlos werdenden, verarmenden Bauernschaft durchmacht, ist die zu Anfang des dritten Jahrhunderts vollzogene Konstituierung der Tributkomitien, einer rein plebejischen Volksversammlung, deren Plebiszite fortan als mit den Leges der Zenturiatskomitien gleichrangige Gesetzgebung gelten. Repräsentanten und Sprachrohre des Willens der Plebejer, Organisatoren und Vorsteher ihrer Versammlungen sowie Initiatoren und ausführendes Organ ihrer Beschlüsse sind die Volkstribunen, ein Amt, das schon lange existiert und traditionell mit dem Schutz plebejischer Bürger vor patrizischen Übergriffen und Willkürakten, mit der Wahrung individueller Rechte und ziviler Ansprüche der Plebejer gegenüber der patrizisch dominierten Staatsmacht betraut ist, das jetzt aber eine parteipolitische Neubestimmung erfährt und als seine zentrale Funktion die Vertretung der kollektiven plebejischen Interessen, die Repräsentation der Plebejer als einer der Nobilität wenn schon nicht gleichrangigen, so jedenfalls doch gleichwertigen Gruppe, kurz, die Aufgabe zugewiesen bekommt, gegenüber und in den beiden Gesetzgebungsgremien der Republik, Senat und Zenturiatsversammlung, die qua Tributsversammlung verfasste Unterschicht als ein ebenso konstitutives wie eigenständiges Element der Republik, eine ebenso viel eigenes Recht beanspruchende wie politisches Gewicht besitzende Instanz zur Geltung zu bringen.
Dabei ist, dass den Volkstribunen Unverletzlichkeit, ein sakrosankter Status, in Ausübung ihres Amtes zugestanden und dass ihnen mehr noch ein Vetorecht gegenüber Beschlüssen des patrizischen Senats eingeräumt wird, Beweis dafür, wie sehr sie beziehungsweise die hinter ihnen stehenden Plebejer neuer Formation von der herrschenden Nobilität als politische Kraft ernst genommen und als eine quasi per ständige Intervention mitwirkende Instanz in der Tat gelten gelassen werden. Ebenso sehr aber belegt auch, dass die Volkstribunen die starke Stellung, die ihnen in den politischen Entscheidungsprozessen der Republik konzediert wird, zur effektiven Mitwirkung nutzen und nämlich als Aufforderung verstehen, positiv durch die Plebiszite und negativ durch das Vetorecht bestimmenden Einfluß auf die militärisch-strategische Orientierung und die aufs engste damit verknüpfte politisch-ökonomische Entwicklung der Republik zu nehmen, wie weit die als eigene Volksversammlung sich organisierende und im Volkstribunat artikulierende plebejische Formation entfernt davon ist, eine bloße, in Widerstand und Neinsagerei sich erschöpfende Opposition, eine simple Vereinigung der durch die Entwicklung der Republik Geschädigten und ihr deshalb feindselig und voller Sabotagegelüst Gegenüberstehenden zu sein, und wie sehr sie von Hoffnung und Zuversicht erfüllt ist, diese ihr Schaden bringende Entwicklung vielmehr zum eigenen Vorteil wenden und durch Einflussnahme, durch interventionistische Mitwirkung ihre bislang vernachlässigten Interessen Berücksichtigung finden lassen und wahren zu können.
So gewiss die negativ treibende Kraft der politischen Bewegung der um bäuerliche Gruppen erweiterten und durch sie neuformierten Unterschicht das Ressentiment, das Bewusstsein ihrer in der politisch-ökonomischen Entwicklung der Republik beschlossenen Benachteiligung und ungerechten Behandlung ist, so gewiss ist das positiv bestimmende Motiv die Hoffnung, sich mit den aus der Entwicklung Profitierenden, den Herrschenden, so arrangieren zu können, dass allen, auch den bislang durch die Entwicklung Benachteiligten, Vorteil aus ihr erwächst und Gerechtigkeit wird. Eben deshalb, weil die plebejische Opposition sich im Rahmen der tragenden Intentionalität der Republik bewegt und an ihrem Grundkonsens teilhat, kann ja die durch ihr ständisches Gremium, den Senat, maßgebende und in der allgemeinen Volksversammlung tonangebende Oberschicht aus Patriziern und reichen Plebejern, wie immer auch widerstrebend, der aufmüpfigen Unterschicht gesetzeskräftige Verbindlichkeit für ihre Plebiszite konzedieren und ihren tribunalen Repräsentanten ein Vetorecht in bezug auf die eigenen Beschlüsse einräumen, ohne befürchten zu müssen, dass die Bevollmächtigten ihre Vollmachten nutzen, um entweder die öffentlichen Geschäfte zu sabotieren und die Republik regierungsunfähig zu machen oder aber die gesellschaftlichen Verhältnisse zu revolutionieren und die Regierung des Patriziats durch eine Diktatur des Volkes zu ersetzen. Dass die plebejische Opposition ihre neuerrungene Macht in der einen oder der anderen Richtung missbraucht, muss mithin die herrschende Schicht nicht fürchten, zumal durch die Vervielfachung des Volkstribunats, durch die Vorkehrung, dass jeweils zehn Tribunen ins Amt gewählt werden, der bei Volksmengen, die nicht viel zu verlieren haben, um so mehr aber glauben, gewinnen zu können, immer vorhandenen Tendenz zur populistischen Radikalisierung ein zusätzlicher Riegel vorgeschoben wird, weil die Herrschenden dadurch die Möglichkeit erhalten, die Tribunen gegeneinander auszuspielen und in ihrer plebiszitären Durchsetzungskraft zu hemmen und so den durch sie vertretenen plebejischen Kontrahenten, den Gegenspieler, der sich durchaus als Mitspieler versteht, wenn auch nicht zu bändigen und in ein Werkzeug in patrizischer Hand zurückzuverwandeln, so jedenfalls doch zu zügeln und erforderlichenfalls zu manipulieren.
Der Grundkonsens, der die Tribunatspartei, die plebejische Opposition, die sich im Kristallisationspunkt einer ebenso politisch aktiven wie ökonomisch gestressten Bauernschaft formiert hat, mit der Senatspartei, der Nobilität, verbindet und der es möglich macht, ein interventionistisches Modell wie das des bevollmächtigt mitwirkenden Volkstribunats, das unter anderen Bedingungen zur Lähmung des politischen Lebens führen müsste, zu institutionalisieren und sich als höchst effektiv bewähren zu lassen – dieser Grundkonsens besteht in der Gewissheit, dass das Heil der Republik in einer konsequenten Fortführung der bereits verfolgten politisch-militärischen Strategie liegt, dass also eine Fortsetzung der von der Republik betriebenen spezifischen Expansionspolitik die letztlich allen Parteien bekömmlichste Perspektive darstellt und deshalb auch von allen Parteien unterstützt und mitbetrieben werden muss. Der Grundkonsens besteht mit anderen Worten in der Überzeugung aller Beteiligten, dass eben die Expansionsstrategie, die die Probleme schafft, indem sie eine politisch-ökonomische Entwicklung fundiert, die zur Pauperisierung und Deklassierung der jene Expansionsstrategie tragenden bäuerlichen Mittelschicht führt, diese Probleme allein auch zu lösen imstande ist, indem sie zugleich die Möglichkeit zur Wiedergutmachung oder jedenfalls Kompensation der der Mittelschicht kraft ihrer politisch-ökonomischen Konsequenzen aus ihr entstehenden Nachteile und Schäden eröffnet.
Eine Wiederherstellung alter Grundbesitzverhältnisse oder Stabilisierung des aus dem Lot geratenen traditionellen Kräftegleichgewichts zwischen den Gruppen durch Beschränkung des Landbesitzes oder gar eine auf die Restauration der bäuerlichen Mittelschicht zielende Umverteilung von Grund und Boden, wie das im 4. Jahrhundert noch die stets allerdings vereitelte Absicht war, führen die zum Volkstribunat verfassten Plebejer ebenso wenig im Schild wie die vom Senat repräsentierte Nobilität dergleichen im Sinn hat. Zu sehr hat sich die ganz oder partiell um ihren Grund und Boden gekommene und, soziologisch-strukturell genommen, ins Plebejertum abgesunkene bäuerliche Mittelschicht schon auf die expansionsstrategische Perspektive und ihre kompensatorischen Vergünstigungen und Verheißungen eingelassen und eingestellt und zu sehr gebunden an und motiviert durch eben die im Aufstieg der römischen Republik zur Handelsmacht bestehende politisch-ökonomische Entwicklung, die die bäuerliche Mittelschicht um ihren Grund und Boden bringt und ins Plebejertum absinken lässt, ist aber jene expansionsstrategische Perspektive, als dass die neuen Plebejer imstande oder auch nur geneigt dazu wären, dieser ihnen schädlichen Entwicklung in die Parade zu fahren oder gar Einhalt zu gebieten und damit denn auch die Durchkreuzung und den Verlust der durch sie motivierten und für die neuen Plebejer selbst allein noch verheißungsvollen Expansionsperspektive zu riskieren. Den partiell oder auch ganz aus ihrer bäuerlichen Existenz Verdrängten und hinsichtlich ihrer Subsistenz, ihrer Selbsterhaltung, auf die einzige Fähigkeit, die ihnen noch verblieben ist, ihre Kriegstüchtigkeit, Angewiesenen ist die Taube in der Hand, die mit der Expansionsstrategie der Republik immerhin verknüpfte Hoffnung auf Kriegsbeute und Kampfeslohn, naturgemäß lieber oder jedenfalls näher als der Spatz auf dem Dach, das durch die kommerzielle Entwicklung, die kraft Expansionsstrategie die Republik nimmt, ohnehin zur Aussichtslosigkeit verurteilte Streben nach Rückgewinnung ihres Landbesitzes und Restauration der verlorenen bäuerlichen Existenz – zumal beim wahrscheinlichen Scheitern ihrer restaurativen Bemühungen der Offenbarungseid drohte und sie nämlich damit rechnen müssten, auch noch der ihnen soziologisch-strukturell konzedierten Zugehörigkeit zum Plebejerstand verlustig zu gehen und in der Bodenlosigkeit einer durch keine marktbezügliche Bestimmtheit, keine handwerkliche Fertigkeit, keine zirkulative Tätigkeit aufgehaltenen ökonomisch-funktionellen Deklassierung zu versinken.
Dank der tribunizischen Mitbestimmung der verarmten Bauernschaft und des von ihr geltend gemachten Landhungers nimmt die römische Expansionsstrategie eine okkupativ-kolonialistische Wendung und führt zur Einrichtung von Militärkolonien und Munizipien römischen Rechts bei den Bundesgenossen. Diese Entwicklung wird von der Senatspartei mitgetragen, weil sie die militärstrategischen, logistischen und machtpolitischen Probleme lösen hilft, vor die ihre expandierende und bald schon das ganze mittlere und südliche Italien umfassende Machtsphäre die römische Republik stellt. Die neue Strategie verschiebt zwar das Gleichgewicht zwischen Kriegführenden und Handeltreibenden, aber damit es zu einer Aufhebung der bis dahin herrschenden, im Föderalismus der frühen Republik kodifizierten Funktionsteilung kommt, braucht es mehr als nur die Versuchung zur direkten Ausbeutung, die in der Präsenz römischer Besatzungen auf bundesgenossenschaftlichem Boden impliziert ist.
Allerdings – und hier liegt der praktische Dissens, der bei allem strategischen Grundkonsens Plebejer und Nobilität, Volkstribunat und Senat trennt und um den sich ihre politischen Auseinandersetzungen wesentlich drehen – dringen die Plebejer, dringen die um ihr Land gebrachten, verarmten Bauern, die als die kritische Masse der als Tributkomitie organisierten Plebejer firmieren, auf eine Revision der militärischen Expansionsstrategie und Neubestimmung ihrer Zielsetzung, die aus ihr auch und nicht zuletzt ein Instrument zur Landnahme, ein Vehikel territorialer Okkupation macht und so den verarmten Bauern eine reelle Kompensation für ihre durch die politisch-ökonomische Entwicklung der Republik, zu der sie als Träger der Expansionsstrategie, als Kriegsdienstleistende, selber den Grund legen, erlittenen Verluste gewährt. Die Expansionsstrategie in ihrer bis dahin praktizierten, bundesgenossenschaftlich ausgerichteten Form, die nicht sowohl auf eine dauerhafte Okkupation und herrschaftliche Unterwerfung der eroberten Gebiete mit dem Ziel ihrer definitiven politischen Annexion und finanziellen Besteuerung zielt, sondern auf eine haltbare Verfügung und vertragliche Kontrolle über sie zum Zwecke ihrer ökonomischen Integration und kommerziellen Erschließung berechnet ist, bringt, wie den Repräsentanten des Marktes und den sie protegierenden beziehungsweise mit ihnen kollaborierenden patrizischen Feldherren Reichtum und Macht, ökonomischen Gewinn und politischen Einfluß, so den bäuerlichen Truppen, die sie mit ihren Wurflanzen und Schwertern in die Tat umsetzen, finanzielle Zuwendungen, Soldzahlungen, Beuteanteile und Reparationsgelder, die zwar den Betroffenen und ihren Angehörigen einen im Einzelfall sogar auskömmlichen Unterhalt sichern mögen, die aber am Grundübel ihrer kollektiven ökonomischen Situation, an der auch und natürlich ihrer sozialen Stellung verderblichen Enteignungsprozedur, der sie als landbesitzende und landbestellende Mittelschicht ausgesetzt sind, nicht nur nichts ändern können, sondern die im Gegenteil mit der Fortsetzung jener expropriativen Entwicklung, für die ihr eigenes Wirken im Dienste der Strategie den Grund legt, teuer bezahlt sind.
Daran etwas zu ändern ist wesentlicher Programmpunkt der Tributkomitien und des sie repräsentierenden Volkstribunats. Dem Grundkonsens gemäß, der plebejische Volksversammlung und Senat verbindet, wird die militärische Expansionsstrategie beibehalten, aber sie erfährt eine folgenreiche Modifikation: Der bis dahin weitgehend geübte Verzicht auf dauerhafte Okkupationen und territoriale Eingriffe zugunsten einer rein bündnispolitischen Integration der eroberten Gebiete in den primär als kommerzielles System definierten Machtbereich der Republik wird aufgegeben, und die eroberten Gebiete werden für eine von Staats wegen vorgenommene reale Kompensation der ökonomiebedingt erlittenen Verluste des bäuerlichen Mittelstands, sprich: für Landzuweisungen an die verarmte römische Bauernschaft genutzt, mit dem Ergebnis, dass auf den fremden Territorien römische Kolonien und dem römischen Staatsverband unmittelbar zugeordnete Gemeinden, Munizipien, entstehen. Die indirekte Herrschaft, die mittels militärisch erzwungener Handelsverträge und Beistandspakte die römische Republik bis dahin über den sich immer mehr erweiternden Kreis der benachbarten Gebiete und an diese wiederum anschließenden Regionen praktiziert, bleibt also zwar im Prinzip erhalten, wird aber unter dem Druck und im Interesse der das militärische Zwangsinstrument stellenden und für ihren Einsatz durch eine langfristig-strukturelle Verschlechterung ihrer ökonomischen Lage und sozialen Position übel belohnten bäuerlichen Gruppen um ein Moment direkter Herrschaftsübung ergänzt, da ja die Beschlagnahme eroberten Landes, dessen Besiedlung mit römischen Bürgern beziehungsweise deren Verbündeten und die Etablierung dieser Kolonien oder Gemeinschaften als Gemeinden eigenen römischen oder von Rom gesetzten Rechts darauf hinausläuft, die eroberten Gebiete vor Ort unter Kuratel zu stellen und in ihrer Souveränität nicht nur systematisch-vertraglich, sondern mehr noch empirisch-handgreiflich einzuschränken und nämlich beim neuen Bundesgenossen Stützpunkte zu hinterlassen, die gleichermaßen als Überwachungs- und Kontrollstationen, als Alibi für Einmischungen und Eingriffe und gegebenenfalls als Operationsbasen für Strafexpeditionen herhalten können.
Sosehr der an ihre bündnispolitisch-indirekte Herrschaftspraxis gewöhnten und mit ihr bis dahin ja auch äußerst erfolgreichen Senatspartei diese okkupativ-kolonialistische Wendung, die unter dem Druck der ins Plebejertum abgesunkenen Mittelschicht die Expansionsstrategie der Republik nimmt, widerstreben und sosehr sie deshalb anfangs mit dem oppositionellen Volkstribunat im Dauerstreit liegen mag, die Vorteile der modifizierten Strategie sind zu offenkundig, als dass die Senatspartei umhin könnte, den Dissens letztlich bloß als Aufforderung zu begreifen, sich zum Standpunkt der Opposition zu bekehren und auf der Grundlage der neuen strategischen Vorgabe einen vollständigen und nach Maßgabe seiner Vollständigkeit ebenso durchschlagenden wie schlagkräftigen Konsens in Sachen Expansion zu erzielen. Nicht nur bietet nämlich die neue Strategie eine willkommene und in praxi unentbehrliche Entlastung vom innenpolitisch wachsenden Druck, ein Ventil zur Abfuhr der sich durch die wirtschaftliche Entwicklung und die Verarmung und Deklassierung, die sie für Teile der Bevölkerung zur Folge hat, aufbauenden sozialen Spannungen, sie liefert auch und mehr noch eine Lösung für die militärstrategischen, logistischen und machtpolitischen Probleme, die der ständig wachsende Umfang der von Rom kontrollierten Sphäre und immer größer werdende Entfernung der dem römischen Einflussbereich neu eingegliederten Gebiete mit sich bringen.
Wie soll mit einem rein bündnispolitischen Instrumentarium, das sich bestenfalls noch auf den Anreiz handelspolitischer Verbindungen stützen kann, die römische Republik ihren mit militärischen Mitteln errungenen Einfluß auf Bundesgenossen wahren, die weit entfernt und durch etliche andere bundesgenossenschaftliche Gebiete von Rom getrennt leben und die, nachdem der Bundesschluss feierlich besiegelt und das römische Heer und seine Verbündeten abgezogen sind, bald schon die Zweischneidigkeit der mit Rom eingegangenen Handelsbeziehungen zu spüren bekommen und demgemäß mit zunehmendem Ressentiment den Verlust an politischer Autonomie und die Bürde militärischer Beistandsverpflichtungen betrachten, die der mit der expansiven Republik geschlossene Vertrag bedeutet? Wie kann die Republik sicherstellen, dass sie, aller wachsenden räumlichen Distanz und zunehmenden bündnispolitischen Beziehungsvielfalt zum Trotz, über die jeweilige Situation vor Ort permanent im Bilde bleibt und die Möglichkeit gleichermaßen zur nachrichtendienstlich-informativen Kontrolle über und zur propagandistisch-suggestiven Einwirkung auf die soziale Stimmung und politische Entwicklung bei den Bundesgenossen erhält? Und wie kann die Republik dafür sorgen, dass sie gegebenenfalls, will heißen: im Falle einer ihren Interessen zuwiderlaufenden oder gar direkt gegen sie gerichteten Entwicklung bei einem der Bundesgenossen, über die Option zum Eingreifen, mit anderen Worten über ein Alibi beziehungsweise die Operationsbasis für korrektive Maßnahmen beziehungsweise militärische Strafexpeditionen verfügt?
Keine Frage, dass sich im Blick auf das eine wie auf das andere, die Möglichkeit aktiver Kontrolle und die Option korrektiver Eingriffe, die Ansiedlung römischer Bürger vor Ort der bundesgenossenschaftlichen Territorien und mithin die Schaffung eines die bündnispolitische Konstitution des römischen Machtbereichs unterfütternden Systems von als Kontrollposten und Stützpunkte fungierenden Kolonien und Munizipien als praktisches Passepartout und regelrechte Patentlösung aufdrängt und dass also zur intern sozialpolitischen Opportunität dieser Modifizierung der Expansionsstrategie ihr extern machtpolitischer Sinn und Nutzen als schwerwiegendes Argument hinzukommt. Tatsächlich geht der Einrichtung der mit plebiszitärer Macht versehenen Tributsversammlungen und des mit Vetorecht ausgestatteten Volkstribunats, mithin der Schaffung der politischen Bedingungen für die okkupativ-kolonialistische Wendung in der Expansionsstrategie, nicht von ungefähr ein umfangreicher Expansionsakt, nämlich die langwierige, aber zu guter Letzt siegreiche Auseinandersetzung mit den Samniten, die der römischen Republik den Weg ins südliche Italien öffnet, unmittelbar voraus und lässt sich, so genommen, die tribunatsverfasste Beteiligung der Plebejer an der politischen Macht ebenso wohl als indirektes Eingeständnis der patrizischen Führungsschicht verstehen, dass mit den neueroberten Gebieten in den Abruzzen und in Kampanien die alte, rein bündnispolitisch-föderalistisch betriebene Expansionsstrategie die Grenzen ihrer Leistungskraft und Haltbarkeit erreicht hat.
Die okkupativ-kolonialistische Wendung der Strategie, die nun aber der institutionalisierte plebejische Interventionist in Verfolgung seines Interesses an realer, in Grund und Boden sich niederschlagender Entschädigung für die Verluste, die der Aufstieg der Republik ihm beschert, bei der mehr und mehr von der Opportunität der Neuorientierung überzeugten Senatspartei durchsetzt – diese Wendung hilft nicht nur die militärstrategischen, logistischen, kontrollpolitischen, kurz: herrschaftssystematischen Probleme lösen, mit der die bereits erreichte Größe und Diversität ihrer Machtsphäre die Republik konfrontiert, sie leistet durch ihre Problemlösungskapazität zugleich auch einer weiteren kontrollierten Ausdehnung der Machtsphäre und organisierten Integration neuer Regionen kräftig Vorschub und erweist sich so als ein probates Mittel nicht nur zur Bewältigung innerer, sozialpolitischer Konflikte und nicht bloß zur Überwindung äußerer, machtpolitischer Schranken, sondern auch und sogar zur Beförderung und Eskalation der durch sie modifizierten Expansionsstrategie selbst. Nachdem durch die Etablierung von Tributkomitie und Volkstribunat als einer interventionistischen Macht im Staate die politischen Rahmenbedingungen für die kolonialistisch-okkupative Wendung in der Expansionsstrategie geschaffen, sprich: die Weichen für die Landnahme römischer Bürger auf den Territorien der Bundesgenossen und die damit beschlossene Gründung römischer Siedlungen und Munizipien, die Einrichtung von Stütz- und Kontrollpunkten der römischen Macht, gestellt sind, geht es mit der weiteren Expansion Schlag auf Schlag: bereits nach zwanzig Jahren befinden sich Mittel- und Süditalien bis zur Stiefelspitze unter römischer Herrschaft.
Nach wie vor ist diese Herrschaft durch den spezifischen Föderalismus geprägt, den die römische Republik praktiziert, durch Verträge, Bundesschlüsse mit den militärisch Unterworfenen, die den letzteren eine relative Autonomie belassen und ihnen bloß die beiden Verpflichtungen auferlegen, sich dem von Rom beherrschten kommerziellen System einzugliedern und der Republik im Kriegsfall militärischen Sukkurs zu leisten. So gesehen vollendet die rasche Eroberung Unteritaliens, zu der es infolge der kolonialistisch-okkupativ gewendeten römischen Expansionsstrategie kommt, nur das von dieser Expansionsstrategie in ihrer traditionellen Fassung angesteuerte föderalistische System, den bundesgenossenschaftlichen Verein, den Bund der socii, den die politische Ideologie der Republik zur römisch-italischen Wehrgenossenschaft verklärt. Aber insofern die Strategie in ihrer revidierten Form die dem römischen Machtbereich angegliederten Territorien mit römischen Militärkolonien und Munizipien übersät und durchsetzt, degradiert sie die bundesgenossenschaftliche Assoziationsweise ebenso sehr zum Formalismus und erweist die Wehrgenossenschaft auf dem Höhepunkt ihrer Entfaltung auch bereits als ausgehöhlt und zum Feigenblatt und Vorwand einer aller föderalistischen Assoziation und wehrhaften Genossenschaftlichkeit Hohn sprechenden hegemonialen Herrschaft geworden.
In der Tat lässt sich, wie in specie das System der römischen Militärkolonien dem der athenischen Kleruchien, so in genere das Herrschaftssystem Roms vor den Punischen Kriegen dem Herrschaftssystem Athens vor dem Peloponnesischen Krieg vergleichen. Wie die athenische Polis vor der Auseinandersetzung mit Sparta kraft einer Mischung aus Bündnispolitik und militärischer Schlagkraft eine hegemoniale Vormachtstellung im Raum des ägäischen Handelssystems erringt, so etabliert sich vor dem Zusammenstoß mit Karthago die römische Republik kraft Bündnispolitik und militärischer Präsenz als Hegemonialmacht im südlich der Apenninen gelegenen Teil der italischen Halbinsel. Allerdings – und hier endet die Parallele – nutzt die römische Republik ihre hegemoniale Stellung nicht wie die athenische Polis, um die Bundesgenossen zu schröpfen und ihnen unter dem Vorwand von Bündnisverpflichtungen und gemeinsamen Verteidigungsinteressen Tribute abzupressen; vielmehr dient ihr die hegemoniale Macht ausschließlich dazu, die Bundesgenossen politisch-militärisch unter Kontrolle und damit bei der Stange ihrer eingegangenen Bündnisverpflichtungen zu halten, sprich: sicherzustellen, dass die socii der Republik im Kriegsfalle Beistand leisten und Hilfstruppen stellen und vor allem aber, dass sie jederzeit für die kommerziellen Aktivitäten Roms offen stehen und integraler Bestandteil des vom römischen Handelsplatz aus entfalteten und gesteuerten Marktsystems bleiben. Was hätte denn auch die römische Republik von – wie immer als Beitragsleistungen kaschierten – Tributzahlungen der Bundesgenossen, da die letzteren ja nicht wie die Mitglieder des Attisch-Delischen Seebundes reiche, handeltreibende Städte und Gemeinschaften sind, deren kommerziell akkumuliertes Kapital man abschöpft, wenn man sie mit hegemonialherrschaftlichem Nachdruck zur Bundeskasse bittet, sondern vielmehr eine kunterbunte Mischung aus Ackerbau treibenden territorialen Stammesgruppen, agrarisch fundierten Marktflecken und kleineren Handelsplätzen griechischer Gründung entlang den Küsten, kurz, ein Vielerlei an Gemeinwesen, aus denen sich Gewinn außer durch territorialherrschaftlich-frondienstliche Ausbeutung höchstens und nur durch die kommerzielle Erschließung, die austauschförmige Aneignung, der kraft der Arbeit ihrer Bevölkerungen erzielten Produktionsüberschüsse ziehen lässt und deren einziger anderer und auf kurze Sicht vielleicht sogar wesentlicherer Nutzen darin besteht, dass sich ihre Territorien und ihre Wehrfähigen als militärische und logistische Operationsbasen und als Hilfstruppen für die weitere Expansion, die Eroberungen neuer, entfernterer Gebiete, in Anspruch nehmen und nach Maßgabe der hegemonial ausgeübten Kontrolle über sie tatsächlich auch mobilisieren lassen.
So gesehen, bedeutet also die mittels der Gründung römischer Militärkolonien und Munizipien auf bundesgenossenschaftlichen Territorien im Sinne einer direkten Kontrolle und systematischen Durchdringung des mittlerweile ganz Mittel- und Unteritalien umfassenden hegemonialen Machtbereiches der römischen Republik – anders als die hegemoniale Herrschaft, die mittels Attisch-Delischem Seebund die athenische Polis errichtet – keine grundlegende Änderung der strategischen Zielsetzung, sondern nur deren neue Verortung und revidierte Verfolgung. Während sich die athenische Polis mittels hegemonialer Herrschaft aus einem wasserwegig-zentralen Teilhaber am Ägäischen Handelssystems in dessen wasserköpfig-metropolen Tributnehmer, aus einer mit anderen Handel treibenden Gemeinschaft in einen Ausbeuter dieser anderen handeltreibenden Gemeinschaften verwandelt, dient der römischen Republik die hegemoniale Herrschaft, die sie durch Militärkolonien und Munizipien begründet und untermauert, ausschließlich zur Konsolidierung und Fortsetzung ihrer alten, mit militärischen Mitteln betriebenen Expansionsstrategie, deren maßgebendes Motiv die kommerzielle Erschließung der jeweils bündnispolitisch unter Kontrolle gebrachten Gebiete und ihre Integration in das um Rom zentrierte römisch-italische Handelssystem ist.
Aber wenn auch die mit der Konsequenz einer hegemonialen Herrschaftsform modifizierte Strategie, die unter der ideologischen Camouflage einer römisch-italischen Wehrgenossenschaft die römische Republik vollzieht, strategisch gesehen, will heißen: der praktischen Zielsetzung und aktuellen Absicht nach, keine Neuorientierung bedeutet, impliziert sie doch, systematisch betrachtet, will heißen: der theoretischen Perspektive oder den potenziellen Optionen nach, diese Neuorientierung durchaus. Indem die römische Republik durch ihre pro domo des verarmten bäuerlichen Mittelstandes praktizierte Landnahme oder kolonialistische Präsenz vor Ort der Bundesgenossen den Fuß in deren Tür setzt oder vielmehr festen Stand auf ihrem Territorium gewinnt, verschärft sie zwar im Prinzip oder de jure nur den militärstrategischen Druck beziehungsweise verstärkt den machtpolitischen Zwangsrahmen, unter dem beziehungsweise in dem die Bundesgenossen dann bereit sind, sich bündnispolitisch integrieren, sprich: in das kommerzielle System einbinden zu lassen, um dessen Expansion es der Republik letztlich zu tun ist – und so gesehen, bleibt denn auch im Prinzip oder de jure alles beim alten. Aber gleichzeitig impliziert diese Verstärkung des machtpolitischen Zwangsrahmens in der Praxis oder de facto eine unter Umständen folgenschwere Verschiebung in der Kräftebalance und der Funktionsteilung zwischen den die Strategie als ganze entfaltenden beiden Gruppierungen, der den militärstrategischen Druck erzeugenden Nobilität mit ihren bäuerlichen Truppen einerseits und den das kommerzielle System zur Geltung bringenden plebejischen Handeltreibenden andererseits.
Sosehr, wie gezeigt, die beiden Gruppierungen systematisch-strukturell miteinander verschränkt sind, sosehr einerseits die Aufnahme in die Nobilität und die Teilhabe an ihrem sozialen Prestige und ständischen Lebensstil das letzte Ziel und die alles bestimmende Perspektive der kommerziellen Reichtum akkumulierenden plebejischen Handeltreibenden bildet und andererseits die Protektion und Förderung der Handelsfunktion und der sie Wahrnehmenden für die jeweils bereits aus aristokratischen Patriziern und reichen Plebejern amalgamierte Nobilität die ebenso wohl dem Eigeninteresse entspringende verbindliche Direktive wie dem Staatswohl entsprechende höchste Aufgabe darstellt, sosehr bleiben die beiden Gruppierungen doch aber praktisch-funktionell unterschieden und beschränkt sich im Rahmen dieser praktischen Funktionsteilung die eine Gruppierung, die Nobilität, darauf, mit militärischen Mitteln, mit Mitteln direkter Zwangsausübung, den Gegner zu unterwerfen und das heißt: zur Räson der von ihm zu übernehmenden Bündnisverpflichtungen zu bringen, um es dann aber der anderen Gruppierung, den plebejischen Handeltreibenden, zu überlassen, mit den indirekten Mitteln kommerziellen Austausches die Früchte dieser militärischen Unterwerfung des Gegners zu ernten. Eben weil Unterwerfung nach römischem Muster wesentlich darin besteht, den militärischen Gegner zur Übernahme von Bündnisverpflichtungen zu zwingen und dadurch zum Sozius, zum Bundesgenossen zu machen, und weil, abgesehen von dem militärischen Beistand, den der Bundesgenosse bei der Unterwerfung weiterer Gegner zu leisten hat, seine Bündnisverpflichtung im wesentlichen darin besteht, sich den kommerziellen Aktivitäten des römischen Handelsplatzes zu öffnen und integrierender Bestandteil des durch diese Aktivitäten gestifteten Austauschsystems zu werden, ist die Funktionsteilung zwischen den die Expansionsstrategie der Republik verfolgenden beiden Gruppierungen der Nobilität mit ihren bäuerlichen Kontingenten und der Handeltreibenden mit ihrem handwerklichen Anhang klar und kommen sich beide nicht ins Gehege. Dass sie sich auch gar nicht ins Gehege kommen können, dafür ist in einem die Funktionsteilung quasi prozesslogisch untermauernden Sinne gesorgt, solange die eine Gruppierung sich strikt nur als Wegbereiter und Pionierkorps betätigt und nach Erfüllung ihres militärischen Auftrags das Feld räumt, um der anderen Gruppierung die Aufgabe zu überlassen, mit dem zum Sozius domestizierten Gegner zu kontrahieren und handelseins zu werden.
Nun aber, da die okkupativ-kolonialistische Wendung der Expansionsstrategie dazu führt, dass die militärische Gruppierung dauerhaft beim Bundesgenossen Fuß fasst und sich also aus einem bloßen Wegbereiter und Pionierkorps mehr noch zu einem permanenten Platzhalter und Kontrollorgan mausert, gerät die prozesslogisch garantierte strenge Funktionsteilung zwischen ihr und der kommerziellen Gruppierung ins Wanken: nicht nur erhält die letztere durch die Präsenz der ersteren ein Einschüchterungs- und Pressionsmittel, das ihre Transaktionen mit dem Bundesgenossen in eine ihr gar nicht unbedingt genehme Richtung drängt und gegebenenfalls mit dem Stempel halbrequisitorischer Zwangstauschveranstaltungen versieht, die militärkoloniale und munizipiale Gegenwart der ersteren stellt mehr noch die von der letzteren mittels kommerziellem Austausch praktizierte indirekte Form der Ausbeutung als ein ebenso umständliches, weil stets an die Befriedigung genereller konsumtiver Bedürfnisse beim Kontrahenten geknüpftes, wie ineffektives, weil immer durch die Berücksichtigung partieller Profitinteressen beim Kontrahenten vermitteltes, Verfahren zur Aneignung fremden Reichtums grundsätzlich in Frage. Weil die kommerziell betriebene Ausbeutung stets bedeutet, dass die Ausgebeuteten mit konsumtiven Anreizen geködert und zur freiwilligen Mitwirkung an ihrer eigenen Schröpfung bewogen werden, und weil sie beim Handel zwischen politisch separaten Gemeinschaften stets impliziert, dass Gruppen der anderen, ausgebeuteten Gemeinschaft als Mittelsleute oder Kontrahenten von der Ausbeutung mit profitieren und einen Teil der Beute einheimsen, ist die relative Zwanglosigkeit und Konsensfähigkeit dieser indirekten Form der Aneignung fremden Reichtums, ihre in dem foedus, der mit der anderen Gemeinschaft jeweils geschlossen wird, Ausdruck findende eigentümliche Verträglichkeit, immer durch Abstriche beim Beutemachen, durch eine Mäßigung der expropriativen Ansprüche erkauft. Was Wunder, dass diejenigen, die durch die Ausübung militärischen Zwangs allererst den politischen Rahmen für jene im kommerziellen Austausch bestehende gemäßigt-indirekte Form der Ausbeutung geschaffen haben, nun, da sie vor Ort präsent bleiben beziehungsweise über strategische Stützpunkte im fremden Land verfügen, wenn schon nicht mit dem Gedanken spielen, so jedenfalls doch die objektive Möglichkeit verkörpern, ihr militärisches Zwangsmittel, statt es nach Gebrauch wieder einzupacken und zugunsten der kommerziellen Wirkmechanismen zurückzunehmen, vielmehr an der kommerziellen Funktion vorbei und ohne Rücksicht auf sie weiterzuverwenden, sprich: zur kompensationslos-direkten, effektiv-requisitorischen Aneignung fremden Reichtums einzusetzen.
So fest verankert in oder, besser gesagt, verwoben mit der republikanischen Tradition ist indes die Praxis einer unter dem Schirm föderalistischer Beziehungen betriebenen kommerziellen Ausbeutung der eroberten Gebiete und so sehr bewährt hat sich diese Praxis nicht nur als Basis der prospektiven ökonomischen Wohlfahrt der Republik und als Garantin ihrer relativen politischen Eintracht, sondern auch und vor allem als ein ebenso wohlfeiler wie kommoder Weg, eine das günstigste Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag erzielende ideale Strategie, zur Ausdehnung des ökonomischen Einflusses und zur Erweiterung der politischen Macht der Republik, dass allein die okkupativ-kolonialistische Wendung, die teils zur Entlastung von innenpolitischen, in der Deklassierung des bäuerlichen Mittelstands begründeten Konflikten, teils zur Lösung militärisch-logistischer, aus dem Umfang des Herrschaftsgebiets resultierender Probleme die Expansionsbewegung der Republik nimmt, schwerlich schon Motiv genug ist, jene bewährte Praxis aufzugeben und die mit der okkupativ-kolonialistischen Wendung formell sich bietende Gelegenheit zur Ersetzung der kommerziell-indirekten Ausbeutung durch eine tributär-direkte Aneignung von Reichtum beim Schopf zu fassen. Normalerweise und solange nicht bei den in Angriff genommenen Gebieten und Gemeinschaften besondere, von den bisherigen Gegebenheiten abweichende Bedingungen vorliegen, gewährleistet die in der Frühgeschichte der Republik ausgebildete Mischung aus Anpassungsfähigkeit und Habsucht, Herrschsucht und Kalkül, die als römischer Pragmatismus firmiert, dass es bei jener bewährten Strategie einer unter dem Deckmantel föderalistischer Vertragsbereitschaft indirekt durchgesetzten, kommerziell vermittelten Bereicherung bleibt.
Solange mit anderen Worten bei den von der römischen Expansion erfassten Territorien und Populationen, wie in den mittel- und unteritalischen Gebieten durchweg der Fall, weitgehende politische Eigenständigkeit und relative ökonomische Ungebundenheit die vorherrschenden gesellschaftlichen Bedingungen sind, solange also bei den betroffenen Regionen eine autonome Struktur im Innern und eigene politische Ordnung Hand in Hand mit disparaten ökonomischen Bindungen nach außen, mit fragmentarischen Handelsbeziehungen, gehen, liegt die Opportunität einer Praxis, die das Bereicherungsinteresse der Republik in der bewährten Form kommerzieller Ausbeutung und durch die bewährte Instanz des Marktes und seiner Repräsentanten Genüge finden lässt, offen zutage. Weil die indirekte Form der Ausbeutung mittels Handel immer auch Vorteile für die Ausgebeuteten birgt und teils in genere durch die konsumtiven Befriedigungen, die sie ihnen verschafft, teils in specie durch die Bereicherungschancen, die sie bestimmten, als kommerzielle Mittelsleute fungierenden Gruppen unter ihnen eröffnet, höchst annehmliche Seiten herauskehrt, ist das Ausbeutungsprinzip, das sie immerhin doch verkörpert, für die Betroffenen leichter akzeptabel und können die letzteren, wenn sie erst militärisch zur Räson gebracht und hinlänglich verträglich gestimmt sind, eher dazu gebracht werden, sich der Praktizierung jener Ausbeutungsform per Bundesschluss zu fügen und den dafür erforderlichen Einschränkungen ihrer lokalen Autonomie und Modifikationen ihrer politischen Ordnung zuzustimmen. Die vormaligen Feinde und nunmehrigen Bundesgenossen lassen sich sogar zur Stellung von Hilfstruppen bei künftigen kriegerischen Auseinandersetzungen, das heißt, zur militärischen Beteiligung an der weiteren Expansion bewegen, wobei auch hier die Akzeptanz durch eine Balance aus Pro et Contra befördert wird und dem factum brutum der Zwangsrekrutierung und des erpressten Kriegsdienstes die Aussicht auf Kriegsbeute und Teilhabe an den ferneren Früchten der militärischen Eroberungen die Waage hält.
Jeder Versuch der Republik, ihr Bereicherungsinteresse mit anderen als mit kommerziellen Mitteln und nämlich auf dem Wege einer direkter Ausbeutung der Betroffenen zu befriedigen, müßte dagegen deren durch kein Pro et Contra, keinen Interessenkonflikt gebrochenen, eindeutigen und erbitterten Widerstand provozieren und müsste die zwar militärisch Besiegten, aber deshalb noch lange nicht ihrer autonomen Struktur und ihrer eigenen politischen Ordnung Beraubten veranlassen, sich mit allen aus ihrer autonomen Struktur ihnen erwachsenden Kräften und mit allen durch ihre politische Ordnung ihnen gegebenen Mitteln dem Sieger und seinen Zumutungen zu widersetzen. Jeder Versuch einer direkten Ausbeutung setzte mit anderen Worten die Zerschlagung jener autonomen Struktur des besiegten Gemeinwesens und die Auflösung der ihm eigenen politischen Ordnung sowie die Ersetzung beider durch eine vom Sieger dem fremden Gemeinwesen oktroyierte Reorganisation, ein vom Sieger etabliertes heteronomes Regiment voraus. Und diese für eine direkte, tributäre oder requisitive Ausbeutung des betreffenden Gemeinwesens unabdingbare Zerstörung seiner angestammten politischen Konstitution und Errichtung einer ihm als Ersatzstruktur und alternative Ordnung aufgezwungenen Fremdherrschaft wäre nun allerdings undenkbar ohne eine ständige massive militärische Präsenz des Siegers, ohne dass mithin auf längere, wo nicht unabsehbare Zeit in dem Gebiet Besatzungstruppen stationiert und die Gemeinschaft in einen Belagerungszustand versetzt würde.
Ob aber das Mehr an fremdem Reichtum, das die tributär oder requisitiv direkte Ausbeutung möglicherweise erbrächte, diesen militärischen Einsatz, diesen Aufwand an Menschen und Material zu kompensieren und wettzumachen oder gar zu belohnen und gewinnträchtig zu gestalten vermöchte, erscheint mehr als fraglich. Im Zweifelsfall wäre der Wechsel in der Ausbeutungsform, der Übergang von der Bereicherung durch kommerziellen Austausch zur Bereicherung durch habituelle Enteignung, jedenfalls ökonomisch gesehen, ein Verlustgeschäft. Solange bei den von der römischen Expansion Betroffenen die politisch-ökonomischen Bedingungen also die geschilderten sind, solange bei ihnen politische Eigenständigkeit Hand in Hand mit ökonomischer Ungebundenheit geht, eine autonome Gesellschaftsstruktur mit disparaten Handelsbeziehungen gepaart erscheint, spricht nicht nur historische Gewohnheit, der Konservativismus der lange bewährten Praxis, sondern ebenso sehr auch ökonomische Vernunft, das sich stets neu bewährende Kalkül des Eigeninteresses dafür, die indirekte, auf der Grundlage föderalistischer Bindungen mit Mitteln des kommerziellen Austauschs betriebene Form der Ausbeutung beizubehalten und sich auch nicht durch die in Gestalt von Militärkolonien und Munizipien formell bereits geschaffene strategisch-logistische Voraussetzung für einen Wechsel im Ausbeutungsparadigma in Versuchung führen oder gar motivieren zu lassen.