Vorwort zur zweiten Auflage
Dieses Buch druckt zwei Abhandlungen nach, eine kurze aus dem Jahre 1981 und eine längere, die zehn Jahre später erschien. Thema beider Abhandlungen ist der leviathanische bürgerliche Staat in seiner als Konsequenz der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft erkennbaren modernen Erscheinungsform – der Form des faschistischen Staates.Die frühere Abhandlung, die am Schluß des Buches steht, nähert sich dem faschistischen Staat antizipatorisch, um nicht zu sagen prophetisch: kraft der Reflexion Sören Kierkegaards, eines theologisierenden Bürgers aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts, der gegen alle historischen Kontinuitätsbeteuerungen seiner Zeitgenossen (zu denen auch der Dialektiker Hegel zählt) den epochalen Bruch ins Auge faßt, den das Bürgertum im 19. Jahrhundert vollzieht, indem es seine mittels ökonomischer Entwicklung errungene politische Autonomie eben jener ökonomischen Entwicklung zum Opfer bringt und zuläßt, daß seine ökonomische Substanz, das Kapital, mit dem aus vorbürgerlicher Zeit überkommenen Staat eine an mörderischer Gefährlichkeit unüberbietbare Verbindung eingeht: eine unheilige Allianz, die einerseits dem Kapital eine möglichst ungehinderte Verfolgung seines Akkumulationsinteresses garantiert und damit ihm, dem Bürgertum, als dem konsumtiven Hauptnutznießer solcher Akkumulation zum ökonomischen Vorteil ausschlägt, andererseits das Bürgertum politisch entmachtet und den Staat zunehmend in die Rolle eines vom gesellschaftlichen Erkenntnis- und Willensbildungsprozeß unabhängigen autokratisch handelnden Subjekts und Konfliktbewältigers von kapitalen Gnaden schlüpfen läßt.
Die jüngere Abhandlung, die allein schon dank ihres Umfanges den Hauptteil des Buches bildet, setzt sich mit dem faschistischen Staat diagnostisch oder, besser gesagt, symptomatologisch auseinander: am "Symptom" der Judenverfolgungen und der Judenvernichtung des ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird entwickelt, in welch pathologische Zustände und dilemmatische Verhältnisse den Staat sein kapitaler Konfliktbewältigungsauftrag verstrickt. Entwickelt wird, wie die vom Kapital der bürgerlichen Klasse entzogene und dem Staatsapparat als solchem übertragene Aufgabe, die Kapitalakkumulation langfristig sicherzustellen, dem Staat in unaufhaltsamer Folgerichtigkeit seinen faschistischen Charakter verleiht, wie es ihn mit anderen Worten zwingt, die pseudorevolutionären Züge eines Schutzpatrons des kleinen Mannes, eines Sachwalters der Werktätigen, eines Organisators der volksgemeinschaftlichen Arbeitsfront anzunehmen, und wie diese seine das innerste Wesen der modernen Staatsfunktion zum physiognomischen Ausdruck bringende konterrevolutionäre Strategie ihn nun in zunehmenden Widerspruch zu seinem mit der Kapitalakkumulation traditionell verknüpften Auftrag versetzt, die formellen Kapitaleigner, das nicht nur politisch, sondern mittlerweile auch weitgehend ökonomisch entmachtete Bürgertum, unverändert in den Genuß der konsumtiven Früchte der Akkumulation gelangen zu lassen. Entwickelt wird, wie die Juden als bis zur Unkenntlichkeit entstellte Ersatzfigur fürs Bürgertum dem Versuch des durch seinen inneren Widerspruch zur Raserei getriebenen Staates zum Opfer fallen, sich "ehrlich zu machen" und den Selbstverrat, den er, der erklärte Volksstaat, mit seiner fortdauernden Dienstbarkeit gegenüber der bürgerlichen Klasse begeht, mittels einer ebenso tödlichen wie symbolischen "antibürgerlichen" Ersatzhandlung, deren Zielscheibe eben die Juden sind, aus der Welt zu schaffen.
Dabei kann die Ungeheuerlichkeit, daß eine bloß symbolische Aktion praktisch mit allgemeiner Duldung beziehungsweise Zustimmung in der Ermordung von Millionen Menschen resultieren, daß ein rein symptomatisches Verhalten, ohne groß auf Protest oder Widerstand zu stoßen, die Gestalt eines ebenso bürokratisch geordneten wie viehisch ausgetüftelten Massenmordes annehmen kann, als Indiz dafür gelten, wie sehr das pathologisch handelnde Subjekt, das am Ersatzobjekt seinen Widerspruch abreagierende faschistische Staatskonstrukt, dem Dafürhalten und Wollen der einzelnen entzogen ist, wie sehr es sich zu einer ohne Rückbezug auf die empirischen Staatsbürger, ohne Rückkoppelung an individuelle Urteils- und Meinungsbildungsprozesse prozedierenden und nurmehr seiner eigenen Irrenlogik verpflichteten Herrschaftsautomaten verselbständigt hat. Daß der faschistische Staat seinen Ersatzhandlungsgelüsten, ungeachtet ihrer empirischen Folgenschwere, so freien Lauf lassen, daß er seine Symptome ohne Rücksicht auf ihre massenmörderischen Konsequenzen ausagieren kann, ist nicht nur Beweis für seine zutiefst pathologische Verfassung, es ist zugleich Ausdruck der Selbstverständlichkeit, Unanfechtbarkeit und Unhinterfragbarkeit, mit der er auch noch in seinen scheinbar oder tatsächlich irrationalsten Äußerungsformen, seinen scheinbar oder tatsächlich willkürlichsten Resolutionen dem Staatsbürgervolk entgegentritt. Er ist die objektive Macht, der die von ihr Beherrschten, die Staatsbürger, ebenso willen- wie besinnungslos ausgeliefert sind und der sie bis nach Stalingrad, bis in die KZ-Wachmannschaften, bis in die Luftschutzkeller, bis in den Volkssturm, bis in den Kadavergehorsam der verbrannten Erde Folge leisten müssen.
Ausgeliefert sind die Staatsbürger dem im Faschismus kulminierenden leviathanischen Staat nicht etwa deshalb, weil er übermächtig, ein sie in seiner Objektivität und Selbständigkeit erdrückendes fremdes Subjekt, sondern weil er von ihnen bevollmächtigt, ihre zum fremden Subjekt verselbständigte und objektivierte eigene Macht ist. Übermächtig ist der faschistische Staat also nicht deshalb, weil er jenseits jeder staatsbürgerlichen Kontrolle das militärisch-polizeiliche Gewaltmonopol, die politische Entscheidungsbefugnis und die ökonomische Richtlinienkompetenz ausübt, sondern deshalb, weil er durch solche, staatsbürgerlicher Kontrolle entzogene, Ausübung ökonomischer, politischer und militärischer Macht dem – seiner Wahrnehmung überlassenen – Interesse der Staatsbürger dient, ihren – an ihn delegierten – Willen erfüllt, ihren – durch seine Perspektive gebrochenen – Erwartungen entspricht. Der faschistische Staat ist es, der unter der von ihm garantierten transzendentalen Bestimmung fortgesetzter Kapitalakkumulation dafür sorgt, daß die bürgerliche Klasse in ihren mit der Akkumulation traditionell verknüpften Rentiersansprüchen, ihrer privilegiert konsumtiven Existenz, erhalten bleibt und nicht zu kurz kommt. Und er ist es, der der proletarischen und der von Proletarisierung bedrohten kleinbürgerlichen Klasse die Teilnahme am kapitalistischen Ausbeutungsprozeß, das heißt Arbeit, und eine den Grad der Ausbeutung in Schranken haltende Subsistenz auf Basis der Arbeit garantiert. Er schmiedet und verkörpert den ebenso faulen wie epochalen Kompromiß, den das auf kontinuierliche Selbstverwertung dringende Kapital, die absolute Substanz der spätbürgerlichen Gesellschaft, erzwingt: die kompromittierende Verknüpfung des traditionellen Anspruchs des Bürgertums, der konsumtiv-ökonomische Nutznießer des kapitalen Akkumulationsprozesses zu sein, mit dem revolutionären Anspruch der den Akkumulationsprozeß tragenden Arbeiterschaft, den letzteren in den Dienst der allgemeinen gesellschaftlichen Reproduktion zu stellen, mit anderen Worten die Subsistenz der akkumulativ Arbeitenden zum politisch obersten Prinzip und ökonomisch letzten Zweck der kapitalen Akkumulation zu erheben. Indem der Staat einerseits politisch-ideologisch einen Kult der Werktätigkeit inszeniert und ebensosehr die gesellschaftliche Arbeit zum A und O staatlichen Handelns und Planens, wie sich selbst zum Repräsentanten der arbeitenden Volksmasse und Sachwalter ihres Wohlergehens erklärt, indem er andererseits sein ideologisch-politisches Arbeitsfrontpathos praktisch-ökonomisch mit einer Besitzstandsgarantie für die bürgerlichen Mittelschichten verbindet und indem er drittens beides in den transzendentalen Rahmen kapitaler Akkumulation einbindet, macht sich der faschistische Staat den drei entscheidenden gesellschaftlichen Kräften Arbeiterschaft, Kapital und Bürgertum gleichermaßen unentbehrlich und etabliert sich als jene objektive gesellschaftliche Identität, in der alle drei ihre komplizenhaft ineinander verwirkte Existenz, ihren sich gegenseitig paradox bedingenden Bestand haben.
Und wie die gesellschaftlichen Kräfte sich dieser ihre Widersprüchlichkeit in eine objektive Einheit bannenden Identität eben deshalb, weil es ihre eigene ist, fügen müssen, wie sie dem faschistischen Staat eben deshalb, weil er die von ihnen bevollmächtigte Macht ist, ohnmächtig ausgeliefert sind, so sind sie nun auch den pathologischen Selbstfindungs- und Selbstbehauptungskrämpfen ausgeliefert, in die seine widersprüchliche Konstitution, seine schizophrene Repräsentation konfligierender Interessen, divergierender Willen, disjunktiver Perspektiven ihn unaufhaltsam hineintreibt. Das heißt, sie müssen akzeptieren oder gar gutheißen, daß er jene ungeheuerliche antibürgerlich-revolutionäre Ersatzhandlung begeht, die Millionen von Menschen in Ghettos und Konzentrationslagern das Leben kostet. Und sie müssen dulden und aktiv mittragen, daß er die Forderung des Kapitals nach Verwertung, den Anspruch der Arbeiter auf Subsistenz und die Renditenerwartung des Bürgertums mittels wirtschaftlicher Aktivitäten und Produktionsprogramme befriedigt, die geradewegs in den Weltkrieg führen und also in den schließlichen Konkurs und in die letztliche Zerstörung eben der kapitalen Akkumulation, proletarischen Subsistenz und bürgerlichen Wohlhäbigkeit führen, deren Sicherstellung doch eigentlich die Aufgabe ist, die zu erfüllen, er ins Leben gerufen und bevollmächtigt wird.
Wie völlig die gesellschaftlichen Kräfte dem Konzept des faschistischen Staates tatsächlich verfallen sind, wie wenig sie außerhalb der von ihm als coincidentia oppositorum verkörperten volksgemeinschaftlichen Synthesis eine eigene Identität sich noch vorstellen, geschweige denn realisieren können, zeigt nun aber eben dieser per Weltkrieg vollstreckte Konkurs des faschistischen Staats. An sich oder seiner inneren Logik nach ist der Konkurs Widerlegung des faschistischen Konzepts als solchen, Widerlegung des Anspruchs des faschistischen Staates, eine Lösung für die ökonomischen Krisen und die sozialen Konflikte im Spätkapitalismus darzustellen. Für die Betroffenen hingegen, die unter dem Dach des faschistischen Staates gebündelten gesellschaftlichen Kräfte, bedeutet der Konkurs, der Einsturz des Daches, nichts weiter als die dringende Aufforderung und die eilends wahrgenommene Chance, das Dach erneut zu errichten – es unter ökonomischen Bedingungen neu zu errichten, in der es zwar, strukturell gesehen, Realisierung des gleichen faschistischen Staatskonzepts ist, phänomenal betrachtet aber die ganz anderen Züge eines demokratisch erneuerten parlamentarisch-repräsentativen Staatswesens hervorkehrt. Weil der Krieg in einem Potlatch ohnegleichen, einer gigantischen Zerstörung gesellschaftlichen Reichtums, resultiert und, negativ betrachtet, Not und Armut, positiv genommen, einen schier unerschöpflichen Bedarf an Subsistenzmitteln und Konsumgütern hinterläßt, kann die reale Erbin und Rechtsnachfolgerin des faschistischen Staatswesens, die nach dem Vorbild des letzteren retablierte westdeutsche Republik, kraft der qualifizierten gesellschaftlichen Arbeit, über die sie nach wie vor verfügt, und dank des Kapitals, das amerikanische Hegemonialmachtpolitik ins Land pumpt, ein ökonomisches Wiederaufbauprogramm starten, das sich mit den politischen Institutionen einer repräsentativen Demokratie bestens verträgt und weitgehend ohne politisch-bürokratischen Zwang und militärisch-polizeiliche Gewalt durchgesetzt werden kann, weil es vorerst dem uneingeschränkten Interesse aller Beteiligten für alle unmittelbar erkennbar entspricht und allen Gruppen mehr oder minder zum Vorteil gereicht – dem Kapital eine strahlende neue Akkumulationsperspektive eröffnet, die Arbeiterschaft mit neuer Lohnarbeit und darin gründender Subsistenz ködert, das Bürgertum mit neuen Renditen und daraus entspringenden Konsummöglichkeiten lockt. Während der bundesrepublikanische Nachkriegsstaat warnend auf die naturwüchsig ausbrechenden ökonomischen Krisen und die offen ausgetragenen gesellschaftlichen Konflikte der Weimarer Republik verweist und sich vor dem Hintergrund dieses Schibboleth gleich wieder als faschistischer Einheitsstifter, als ein die paradoxe Identität der differenten gesellschaftlichen Kräfte in seiner übergesellschaftlichen Gestalt verkörpernder und gegen alle gesellschaftlichen Divergenzen in eigener Person behauptender Repräsentant der Volksgemeinschaft etabliert, kann er doch zugleich bei den beteiligten Gruppen mit so viel spontanem Konsens, so viel anhaltender Zustimmung rechnen, daß er die Einheitsstiftung mittels der demokratisch-republikanischen Prozeduren bürgerlicher Willensbildung ins Werk setzen, die volksgemeinschaftlich falsche Identität der Kräfte in den repräsentativ-parlamentarischen Formen gesellschaftlicher Selbstverwaltung herstellen kann. Nicht als führerkultlich quasireligiöse Epiphanie des bewußtlosen Willens einer verschworenen Volksgemeinschaft, sondern als fachkompetent medienwirksamer Repräsentant der allgemeinen Meinung eines im Grundkonsens verhaltenen Wahlvolkes setzt sich der heutige faschistische Staat in Szene, nicht Arbeitsfront und nationale Planwirtschaft, sondern Tarifpartnerschaft und soziale Marktwirtschaft sind seine Durchsetzungsmittel.
Der Anschein eines demokratisch gewählten und parlamentarisch legitimierten Staatswesens, in dem sich der Volksgemeinschaftsstaat der Nachkriegszeit darbietet, wird noch dadurch verstärkt, daß die traditionellen Grenzen zwischen den gesellschaftlichen Kräften des rentengestützten Bürgertums und der subsistenzabhängigen Arbeiterschaft zugunsten des Eindrucks einer homogenen Angestellten- oder Arbeitnehmergesellschaft zu verschwimmen beginnen. Dank ungeheurer technologischer Fortschritte und der durch sie bedingten Erhöhung der Produktivität und dank der auf breitester handels- und devisenwirtschaftlicher Front betriebenen Ausplünderung des Rohstofflieferanten Dritte Welt erfährt die Arbeiterschaft in den westlichen Ländern, ohne daß sich deshalb ihr relatives Einkommensniveau sonderlich änderte und ohne daß sich ihr proportionaler Anteil am gesellschaftlichen Reichtum nennenswert erhöhte, eine so markante Steigerung ihres Lebensstandards und Verbesserung ihrer Subsistenz, daß sich in der Tat in diesen Gesellschaften der Eindruck einer massenhaften konsumtiven Nutznießerschaft und Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum einstellt.
Das Ende dieser suggestiven Situation ist aber mittlerweile ebenso sicher gekommen, wie der Zusammenbruch der dem Wiederaufbau nach dem Weltkriegspotlatch geschuldeten kapitalen Wachstumswirtschaft im vollen Gange ist. Eben das, was die westliche Wohlstandsgesellschaft ins Leben gerufen hat, die technologisch eskalierende eigene Produktivität und die qua "Globalisierung" galoppierende Ausplünderung der Dritten Welt, bringt diese westliche Wohlstandsgesellschaft jetzt auch um: Weil die westlichen Märkte völlig übersättigt, die Märkte der Dritten Welt hingegen zugrunde gerichtet sind, weil sich die aktuellen Konsumenten in den westlichen Gesellschaften bis an die Grenze ihrer Konsumfähigkeit und darüber hinaus getrieben finden, die potentiellen Konsumenten der Dritten Welt dagegen konsumfähig nur mit Hilfe von nie und nimmer rückzahlbaren Krediten eben der westlichen Gesellschaften gehalten werden können, die ihnen ihre Konsumgüter andrehen wollen, weiß das Kapital nicht mehr, wohin mit dem von ihm erzeugten Überfluß, weiß es nicht mehr, wo es die von ihm produzierten Waren in klingende Münze verwandeln, sie in ihrem Wert und ihrem darin einbegriffenen Mehrwert realisieren soll. Das heißt, die transzendentale Bedingung des vom faschistischen Staat mit despotischen oder demokratischen Mitteln, mittels Arbeitsfront oder Sozialpartnerschaft durchgesetzten Commonwealth, die durch die kapitalistische Produktion effektuierte Akkumulation von Kapital, die Selbstverwertung des Werts, ist nicht mehr gewährleistet. Ohne diese transzendentale Bedingung aber ist in Gesellschaften mit kapitalistisch organisierter gesellschaftlicher Reproduktion keine empirische Produktion möglich.
Um dem Kapital die Akkumulationsfähigkeit zu erhalten, verfällt der Staat in seiner Not seit neuestem darauf, durch die Beförderung von Lohnsenkungen und Rationalisierungsmaßnahmen, durch den Abbau von Sozialleistungen und durch Niedrigzinsen die Produktionskosten seiner eigenen Volkswirtschaft zu senken, um ihr zu ermöglichen, die Volkswirtschaften der anderen Staaten auszukonkurrieren und die eigene Produktion auf Kosten der übrigen loszuschlagen und in ihrem Wert zu realisieren. Die zusätzliche Lähmung der ohnehin schon lahmenden binnenwirtschaftlichen Nachfrage, die diese Strategie bedeutet, hofft er dabei, durch entsprechende Erfolge auf dem Weltmarkt mehr als wettzumachen. Nur verfolgen die anderen westlichen Volkswirtschaften nolens volens die gleiche Strategie, und statt sich auf Kosten der anderen sanieren zu können, sehen sich so vielmehr alle immer tiefer in den Strudel aus wachsender Produktivität und sinkender Konsumkraft hineingezogen.
Die finale Krise dieses vom faschistischen Staat mit dem offenen oder geheimen Einverständnis aller gesellschaftlichen Kräfte aufrechterhaltenen Systems einer an die Kapitalakkumulation als an ihre konstitutive Bedingung geknüpften gesellschaftlichen Reproduktion ist unausweichlich. Die Frage ist, wie der zur Zeit noch mit demokratisch-parlamentarischen Mitteln agierende Staat auf die Krise reagieren wird. Wird er sein Heil in einer nationalen Wiedergeburt nach dem Vorbild des Faschismus der Vergangenheit suchen, in wirtschaftlicher Abschottung gegen den Weltmarkt und einem mittels staatlicher Großprojekte militärischer oder infrastruktureller Art hausgemachten Aufschwung? Wird er aus schierer Ausweglosigkeit und in der Wahnsinnshoffnung auf einen neuen kapitalistischen Wiederaufbau den Dritten Weltkrieg anzetteln? Wird er sich an den wichtigsten internationalen Kapitalverflechtungen orientieren und sich zu übernationalen Staatswesen oder Bündnissystemen zusammenrotten, um seine Probleme durch imperialistische Expansion zu lösen oder zu überspielen? Oder wird gar das Kapital auf den Volksgemeinschaftsstaat bisheriger Prägung verzichten und mit Zustimmung und Unterstützung der gesellschaftlichen Gruppen, die es tragen beziehungsweise subsistentiell oder renditenmäßig von ihm profitieren, eine direkte und quasi private Ausübung des politischen Entscheidungs- und militärischen Gewaltmonopols anstreben, auf Kosten und unter Preisgabe der anderen Gruppen, die bislang noch – wenn auch mehr schlecht als recht – unter die staatliche Bestandsgarantie fallen? Wird die Welt in einzelne, gar nicht mehr staatlich organisierte, sondern von Kapitalinteressen abgesteckte und aufrechterhaltene Wohlstandsenklaven zerfallen, eingebettet in ein Meer aus politischem Chaos, ökonomischem Verfall und ökologischer Zerstörung?
Sollte es unser Los sein, Zeitzeugen der großen Krise zu werden und den faschistischen Staat in seiner Agonie zu erleben, bleibt uns nicht einmal mehr die Hoffnung auf Gott – jedenfalls nicht auf den Gott, der den Leviathan erschuf – denn dieser Gott sind wir selbst.