5. Industriekapital und starker Staat: Die politische Entmachtung des Bürgertums
Genau diese Voraussetzung aber ist es, die das 19. Jahrhundert fortschreitend widerlegt und die sich am Ende gar nicht mehr aufrechterhalten läßt. Was die vorausgesetzte bruchlos funktionelle Einheit von bürgerlicher Klasse und bürgerlichem Staat allmählich unterminiert und was sie schließlich um alle Realität beziehungsweise Realisierbarkeit bringt und als höchstens und nur noch ideologische Deckadresse entlarvt, ist der eben beschriebene ökonomische Druck, unter den die industrielle Kapitalakkumulation die zu Lohnarbeitern deklassierten Kleinproduzentenschichten setzt, und die eskalierende Klassenkampfsituation, die sie damit heraufbeschwört. Angesichts der sich zuspitzenden sozialen Situation, in der die eskalierende Ausbeutung und Pauperisierung zwangsläufig resultieren, denen der industriekapitalistische Akkumulationsprozeß die arbeitenden Schichten unterwirft, beginnt das Kapital fast in demselben revolutionären Augenblick, in dem es seinen gesellschaftlichen Repräsentanten, den Dritten Stand, endlich an die langersehnte und ihm aus Rücksicht auf den absolutistischen Bundesgenossen lange genug vorenthaltene politische Macht bringt, auch schon gewahr zu werden, daß diese an die Macht gelangte bürgerliche Klasse nicht unbedingt die für die Wahrung der politischen Interessen ihrer eigenen ökonomischen Substanz, eben des Kapitals selbst, geeignetste Instanz darstellt. Das Kapital beginnt zu realisieren, daß seine in Staat sich werfende soziale Klientel, die Bourgeoisie, zu sehr Partei ist, um bestimmte, traditionell mit dem Staat als gemeinem Wesen verknüpfte, schiedsrichterlich-ausgleichende Funktionen beziehungsweise in einem gruppenübergreifenden Sinn ordnungstiftende oder friedenerhaltende Aufgaben wahrnehmen zu können und um nicht vielmehr dies gemeine Wesen Staat in den Konkurs eines sich nach Maßgabe seines rücksichtslosen Einsatzes für die Durchsetzung kapitaler Interessen beim Proletariat diskreditierenden bürgerlichen Machtinstruments und Gewaltmittels zu treiben. Indem die bürgerliche Klasse das Staatswesen an sich reißt und zu ihrer ganz und gar eigenen Sache macht, mißbraucht sie es teils institutionell als Mittel zur Schaffung der für die industrielle Kapitalentwicklung günstigsten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und das heißt als Instrument zur politischen Förderung und Absicherung des ökonomischen Ausbeutungsprozesses, teils verschlägt sie ihm konstitutionell seine relative Autorität und klassenüberhobene Eigenmacht und läßt es damit untauglich werden, in die politisch-ökonomischen Auseinandersetzungen der sich kapitalisierenden Gesellschaft schlichtend, mäßigend oder gar regulierend einzugreifen. Die absehbare Folge ist, daß der bürgerliche Staat am Ende machtlos zusehen muß, wie eben die soziale Krise, deren Herbeiführung er als parteiischer Scharfmacher tatkräftig mitbetreibt, seiner Kontrolle entgleitet und wie der im Staatswesen ausbrechende Klassenkampf oder Streit um die politische Macht sich zu einem ums Staatswesen entbrennenden Bürgerkrieg oder Ringen ums Überleben der Polis als solcher totalisiert. Und angesichts dieser mit einer konsequenten bürgerlichen Machtergreifung und der effektiven Übernahme des Staats durch die bürgerliche Klasse verknüpften Aussichten nimmt das Kapital Abstand vom revolutionären Projekt eines reinlichen politischen Machtwechsels und rekurriert auf sein früheres Bündnis mit der absolutistischen Staatsmacht, besinnt sich auf den traditionellen Staat und dessen ihm, dem Kapital, geleisteten spezifischen Vorschub und Sukkurs.
Wenn – und daran sei gegen alle unter dem Vorwand eines Kampfs gegen Verdinglichung nur deren historische Realität wegrationalisierende Scheinaufklärung vorsichtshalber noch einmal erinnert – hier das Kapital selbst als hypostatisch handelndes Subjekt ausgesprochen wird, so in Anerkennung der bereits explizierten Tatsache, daß im Zuge der qua Lohnarbeit vollzogenen Verwandlung der Arbeitssubjekte in variables Kapital, will heißen im Zuge ihrer objektiven Integration in den kapitalen Verwertungszusammenhang, die Kapitalfunktion eine spezifische Logik und eigene Intentionalität entwickelt, die ihr zur Stellung eines systematischen gesellschaftlichen Subjekts sui generis verhilft und ihr relative Eigenständigkeit und Handlungsfreiheit gegenüber den empirischen gesellschaftlichen Subjekten und deren Korporationen, die kapitaleigene gesellschaftliche Repräsentanz: das Bürgertum eingeschlossen, verschafft. Daß sich, um handeln zu können, dies systematische Subjekt Kapital wiederum empirischer Subjekte bedienen und daher auf Agenten und Funktionäre nach Art der "Marktrepräsentanten" angewiesen ist, versteht sich von selbst. Das ändert aber nichts daran, daß nicht diese Funktionäre, deren es sich bedient, handelndes Subjekt sind, sondern daß es sein eigener objektiver Wille und logischer Charakter ist, der durch jene empirischen Charaktermasken hindurch agiert.
Das in diesem Sinne als hypostatisch wohlverstandene Kapital rekurriert also auf den Staat als nichtbürgerliche, jedenfalls nicht dem Bürgertum vorbehaltlos überlassene Veranstaltung, weil es darin eine Vorkehrung und ein Apotropäon gegen die Sprengkraft erkennt, mit der ein rein bürgerlicher, auf Gedeih und Verderb dem liberalistischen Industriebürgertum ausgelieferter Staat die Gesellschaft bedroht. Weil es über die Weitsicht objektiven Geistes verfügt, eine in die Hypostase geworfene und zum perversen Sachverstand der Verhältnisse selbst erhobene Mannigfaltigkeit menschlicher Willenskraft verkörpert, ist das Kapital an der Verläßlichkeit und Kontinuität seiner ausbeuterischen Akkumulationsstrategie nicht weniger interessiert als an deren Ergiebigkeit und Durchsetzung, und deshalb ist es auch bereit, in scheinbarer Selbstverleugnung Abstriche an seinen kurzfristigen Gewinnmöglichkeiten hinzunehmen, um jene langfristige Erfolgsperspektive sicherzustellen. Das heißt, es ist bereit, auf einen Staat, der sich ganz und gar aus seiner, des Kapitals, Klientel rekrutiert und ihm hörig ist, dafür aber eine gesellschaftssprengende Konflikteskalation betreibt, zu verzichten und stattdessen einem Staat den Vorzug zu geben, der auf traditionell bewährte Weise oder auch in originell neuer Form Abstand gegenüber der ökonomischen Macht wahrt und eine relativ unabhängige Position behauptet, dafür aber in dem kraft ökonomischem Mechanismus ohnehin früher oder später eintretenden gesellschaftlichen Konfliktfall oder Klassenkampf als in der Eigenschaft einer klassenübergreifenden Macht mehr oder minder anerkannter Stabilisator der Ordnung und Garant der Kontinuität zur Verfügung steht.
Wie dieser nichtbürgerliche, vom Kapital gegen die politischen Machtansprüche der eigenen liberalbürgerlichen Klientel hochgehaltene Staat dann allerdings ausfällt, ist je nach den besonderen nationalen Bedingungen in Europa verschieden. Im wesentlichen lassen sich drei Modelle dieser für das 19. Jahrhundert so charakteristischen Rehabilitierung der Eigenmacht Staat und der Bewahrung des Staatswesens vor der Reduktion auf einen rein bürgerlichen, unmittelbar kapitalen Erfüllungsgehilfen erkennen: die englische, die französische und die deutsche Variante. In England bleibt die Etablierung eines nicht von der liberalen Industriebourgeoisie persönlich gestellten und direkt beherrschten, eigenständigen Staats insofern eine ebenso leicht lösbare wie quasi innerbürgerliche Angelegenheit, als in der Tory-Partei und ihrem als "landed gentry" firmierenden Anhang eine für die vorgesehene Aufgabe geeignete großbourgeoise Schicht zur Verfügung steht, die, weil sie traditionell ohnehin die Macht längst ausübt, in ihrer Funktion eigentlich nur bestätigt zu werden braucht, um dem als Korrektiv des krisenträchtigen kapitalen Expropriations- und Akkumulationsinteresses wirksamen Stabilitäts- und Kontinuitätsinteresse des Kapitals zu genügen. Im Zuge einer Anfang des 19. Jahrhunderts bereits zwei- bis dreihunderjährigen Akkumulationsgeschichte selber aus dem handelskapitalen Dritten Stand hervorgegangen und mit Hilfe des absolutistischen Königtums an die Stelle der hereditären Aristokratie getreten, steht diese sich auch weiterhin ständig neu aus der Bourgeoisie rekrutierende landbesitzende, provinzbeherrschende Gentryschicht dem industriekapitalistischen Entwicklungsprozeß fern, aber doch auch nahe genug, um ihm als staatstragende Gruppe mit der richtigen Mischung aus Sympathie, Laissez faire und restriktiver Interventionsbereitschaft zu begegnen. Quasi aus eigener Kraft und Mechanik bringt demnach das britische Bürgertum jenes zu ihm alternative Staatspersonal hervor, das ihm, dem liberalistischen Repräsentanten des industriellen Kapitals, aus allgemeiner konservativer Reserve ebensosehr wie aus spezifisch agrikulturell bestimmtem, handels- und zollpolitischem Eigeninteresse den Weg zur ungehemmten Durchsetzung industriekapitalistischer Interessen und freihändlerischer Ambitionen mittels des staatlichen Machtapparats verlegt und gleichzeitig dafür sorgt, daß dem Industriekapital jene – als gesellschaftliches Minimalerfordernis zur Abwendung eines Bürgerkriegs und zur Wahrung relativer politischer Stabilität unabdingbaren – industrie- und sozialgesetzgeberischen Zügel angelegt werden, die ihm seine eigene gesellschaftspolitische Klientel, eben das liberalistische Bürgertum, nie zu verpassen wagen würde.
Anders verhält sich die Sache in Frankreich, wo sich der Staat nach dem Zusammenbruch des Napoleonischen Imperiums und der Restauration der Bourbonen im inkompatibel-reaktionären Gegensatz zu allen liberalbürgerlichen, industriekapitalistischen Intentionen präsentiert. Nachdem die "Enrichissez vous"-Ära des "Bürgerkönigs" deutlich hat werden lassen, in welch sprengkräftige Spannungen eine ungehemmte liberalbürgerliche Herrschaft die Gesellschaft hineintreibt, beginnt dort das Kapital in Ermangelung eines nach Art der britischen Tory-Gentry historisch gegebenen Kandidaten für die auszufüllende Funktion einer als ehrlicher Makler über den Klassen stehenden – will heißen, die industriekapitalen Hauptinteressen mit den industrieproletarischen Mindestbedürfnissen vermittelnden – Staatsmacht, sich den gewünschten klassenenthobenen starken Staat quasi artifiziell zu schaffen beziehungsweise experimentell zurechtzuzimmern. Es nimmt sich dabei sein Vorbild an der napoleonischen Ära, jener im ersten Napoleon gestaltgewordenen Liquidation der Französischen Revolution, die durch den im Zuge der Revolution erstmals vehement aufbrechenden Klassengegensatz zwischen Drittem und Viertem Stand diktiert und durch das Bemühen des Dritten Stands charakterisiert ist, ein "Ausufern" oder "Entgleisen" der Revolution zu verhindern – eine Gefahr, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht so sehr von der objektiven, politisch-ökonomischen Situation ausgeht als vielmehr von der revolutionären, demokratisch-ideologischen Dynamik her droht. Das Ergebnis dieser am Vorbild der napoleonischen Staatsgründung sich orientierenden experimentellen Bemühungen sind der 18. Brumaire, der Staatsstreich des zweiten Napoleon mit der irreführenden Ziffer III, und das folgende zweite Kaiserreich. Hier wird zukunftsträchtig ein Kunstprodukt Staat, ein Regime von quasi eigenen Gnaden etabliert, das die Wahrnehmung der wesentlichen Ausbeutungsinteressen des Industriekapitals mit einer Parteinahme für den kleinen Mann und mit sozialreformerischen Absichten pro domo der Ausgebeuteten verknüpft und auf eben diesen amphibolischen Anspruch, zwei Herren zugleich zu dienen, seine Macht und in der Tat seine Legitimität stützt. Zukunftsträchtig ist allerdings auch die Tendenz dieses im zweiten Kaiserreich erstmals Wirklichkeit gewordenen staatlichen Kunstgebildes, es im Hinblick auf die sozialreformerischen Absichten beim Programm zu belassen und sich aus der ideologischen Schaumschlägerei auf innenpolitischem Gebiet in außenpolitische Unternehmungen und imperialistische Abenteuer zu stürzen, die teils dazu dienen, von den häuslichen Problemen abzulenken, teils die häuslichen Probleme durch die Abschöpfung "überschüssiger" Menschenkraft sowie durch Ankurbelung der Wirtschaft zu Rüstungszwecken beziehungsweise die kriegerische Aneignung fremden Reichtums lösen sollen. Diese Tendenz, die sich beim ersten Napoleon bereits in Reinkultur antreffen läßt, hat sich im Blick auf das 20. Jahrhundert tatsächlich als so zukunftsträchtig erwiesen, daß man fast annehmen möchte, es mit einem Wesensmerkmal jenes als artifizielles Gegengift gegen den Klassenkampf dem 19. Jahrhundert entsprungenen starken Staats zu tun zu haben, einer Struktureigentümlichkeit, die dessen eigentliche Aufgabe, seine soziale Friedenserhaltungs- und politische Ordnungsstitungsfunktion, einigermaßen zu konterkarieren geeignet ist. Jedenfalls erliegt auch das Kaiserreich des zweiten Napoleon dieser Tendenz und geht im deutsch-französischen Krieg an ihr zugrunde. Nicht mit dem Kaiserreich geht indes das Konzept des über den industriellen Klassen stehenden, starken Staats selbst zugrunde, der sich, wiewohl auf eine an den Napoleonismus angelehnte Präsidialverfassung gestützt, im folgenden doch aber eher nach englischem Vorbild an den Landadel und die Großbourgeoisie der Provinz hält, um aus diesem traditionellen Fundus die durch ihre Dominanz in Verwaltung und Militär staatstragende Schicht zu rekrutieren, – mit welch "opportunistischem" Rezept die Dritte Republik sich, ab der Jahrhundertwende noch durch das zur Partizipation am starken Staat bekehrte sozialistische Element ergänzt, mehr schlecht als recht durch alle sozialen Spannungen und imperialen Anfechtungen des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts hindurchmogelt.
Während sich in Großbritannien das von der höheren Vernunft des Kapitals diktierte Bedürfnis nach einem nicht umstandslos als liberalbürgerlicher Kapitalagent fungierenden starken, "überparteilichen" Staat durch die plane Fortsetzung der überkommenen "Tory-Herrschaft" der Gentry befriedigen läßt und während es in Frankreich das zukunftsträchtige Synthetikum eines populistischen "Staatsstreich-Staats" hervortreibt, scheint in Deutschland die Befriedigung dieses Bedürfnisses einfach deshalb noch ein leichtes, weil hier es selbst noch ebenso unentwickelt und ebenso wenig akut wirkt wie die Gefahr liberalbürgerlicher Machtergreifung, auf die es die Reaktion darstellt. Angesichts einer noch in den allerersten Anfängen steckenden Industrialisierung und einer entsprechend unterentwickelten kapitalen Klientel, einer entsprechend schwach ausgebildeten liberalbürgerlichen Klasse, präsentieren sich der deutsche Territorialstaat und sein gekröntes Haupt, der Landesfürst, als nach wie vor weitgehend unangefochtener Herr. Das deutsche Problem besteht nicht so sehr darin, gegen die bürgerliche Gesellschaft und ihre sprengkräftige Klassenherrschaft eine den sozialen Frieden und die politische Einheit sichernde nicht-bürgerliche Staatssouveränität zu behaupten, es liegt vielmehr darin, im Rahmen der traditionellen, quasi-absolutistischen staatlichen Herrschaft überhaupt Platz für die Entwicklung einer den britischen und französischen Verhältnissen vergleichbaren kapitalistischen Industrie- und antagonistischen Klassenstruktur zu lassen. Dieses Problem allerdings ist dringlich genug. Zwar fehlt in den deutschen Staaten die im Sinne einer politischen Repräsentanz kapitalbestimmte, liberalbürgerliche Klasse noch weitgehend, aber das Kapital selbst oder, genauer gesagt, die zur Kapitalisierung anstehende Wertmasse ist auch hier bereits vorhanden und drängt auf eine den Verhältnissen in Westeuropa vergleichbare industrielle Verwendung, Entwicklung und Verwertung. Wer aber, wenn nicht die weitgehend fehlende liberalbürgerliche Klasse, sollte dieses kapitale Drängen gesellschaftlich verkörpern und politisch vertreten? Wer, wenn nicht die praktisch nicht vorhandene industriebürgerliche Klasse, sollte dieses kapitale Bedürfnis nach Industrialisierung historisch in die Tat umsetzen? Und genau hier kommt der deutsche Staat ins Spiel. Anders als in den westeuropäischen Nationen ist es in den deutschen Fürstentümern, und insbesondere in der Hegemonialmacht Preußen, der traditionelle nicht-bürgerliche, junkerliche und absolutistisch-obrigkeitliche Staat, der die politische Vormundschaft für das in den Anfängen seiner ökonomischen Entwicklung stehende industrielle Kapital übernimmt. Er ist es, der sich mangels einer angemessen kapitaleigenen gesellschaftlichen Repräsentanz mit der nach Kapitalisierung und Selbstverwertung dürstenden Wertmasse und ihren unmittelbaren ökonomischen Agenten kurzschließt und in einer Art Neuauflage des französischen Merkantilismus – der jetzt allerdings nicht mehr auf die ökonomische Schöpfung einer Manufaktur in Staatsregie, sondern auf die Schaffung eines politischen Rahmens für die Industrialisierung ausgerichtet ist – die Entwicklung des Landes zu einem Industriestaat in die Hand nimmt. Unter dem Druck der industriellen Kapitalisierung der Nachbarstaaten und im Bemühen um die Erhaltung respektive Gewinnung seiner Konkurrenzfähigkeit im "Konzert der Nationen" springt der deutsche Fürstenstaat vorbürgerlicher Prägung für das säumige Bürgertum in die Bresche, spielt dessen Rolle und übernimmt, indem er sich in höchsteigener preußischer Person zum politischen Repräsentanten und ideologischen Promotor des Kapitals macht, eine nicht bloß regulative, sondern durchaus konstitutive ökonomische Funktion, die Funktion nicht bloß eines Korrektors und Zensors, sondern mehr noch eines Exekutors und Organisators. Dieser aus internationalem Selbstbehauptungsinteresse mit dem Kapital gemeinsame Sache machende Leviathan wird in all seiner anachronistischen Form und bürokratisch-militärischen Ursprünglichkeit jäh zum Träger und Sachwalter der modernsten technischen Tendenzen und fortschrittlichsten ökonomischen Strategien. Aber zugleich mit seiner konstitutiven Funktion nimmt er auch die dem starken Staat des 19. Jahrhunderts vorgeschriebenen regulativen Aufgaben wahr. Während er sich einerseits aktiv um den Aufbau einer modernen kapitalistischen Industriegesellschaft verdient macht und insofern den Part einer nicht oder nur ansatzweise vorhandenen Bourgeoisie übernimmt, bemüht er sich aber andererseits auch darum, die ihm als Staat, als politischem Wesen, eigentlich zufallende Aufgabe einer autoritativen Eindämmung beziehungsweise legislativen Beilegung der beim Aufbau dieser Gesellschaft auftretenden sozialen Spannungen und Klassenkonflikte zu erfüllen und also gewissermaßen sein eigenes konstitutiv ökonomisches Engagement im Sinne eines selbstregulierenden Systems unter Kuratel zu stellen und unter Kontrolle zu halten.