12. Die bürgerliche Familie als Konsumeinrichtung
Durch die dank permanenter Produktivkraftentwicklung ständig wachsende und in ihrem Wert immer schwerer zu realisierende industrielle Warenmenge sieht sich die kapitalistische Ökonomie gezwungen, eine nach außen imperialistisch und nach innen marktwirtschaftlich geprägte konsumtive Mobilmachung zu betreiben und den von ihr beherrschten Gemeinwesen jene massenkonsumgesellschaftliche Physiognomie zu verpassen, die Ausdruck des verzweifelten Bemühens ist, einen an Verwertung und Wertwachstum fatal gekoppelten Prozeß der materiellen gesellschaftlichen Reproduktion durch Beseitigung der überhandnehmenden materiellen Güter, in denen der Wert steckenzubleiben und als Motiv zugrunde zu gehen droht, am Leben zu erhalten und vor dem Kollaps zu bewahren. Diese wachsende Warenmenge ist es auch, aus der sich die qualitative und quantitative Verstärkung der gesellschaftlichen Konsumkraft durch berufstätige Frauen ebenso wie die fortgesetzte Rekrutierung dieser Frauen in ihrer traditionellen Rolle als Familienmütter erklärt. Wenn die kapitalistisch-demokratischen Gesellschaften als Hauptträgerinnen des konsumgesellschaftlichen Fortschritts an der bürgerlichen Familie festhalten und wenn sie die für die Familieninstitution traditionell zuständigen Frauen, die sie einerseits in den gesellschaftlichen Lohnarbeitsprozeß integrieren und an der in ihm bestehenden primären Sozialisierung teilhaben lassen, andererseits auch weiterhin darauf vereidigen, ihre überkommenen Funktionen als Ehefrau und Mutter wahrzunehmen und neben ihrer nunmehr der primären Sozialisierung entspringenden bürgerlichen Existenz die Lebensweisen weiterzupflegen, die Erscheinungsformen der traditionell den Frauen zugewiesenen sekundären Sozialisierung durch die als Privatsphäre des Mannes ausgewiesene Familie sind – dann deshalb, weil die Familie eine höchst effektive Konsumeinrichtung darstellt!Als eine im Normalfall aus einem Elternpaar und dessen natürlichem Nachwuchs bestehende soziale Einheit und monadisch geschlossene Zelle vereinnahmt die Familie in privativer Ausschließlichkeit eine Palette von Waren, deren gebrauchsgegenständliches Potential das aktuelle Bedürfnis der familiären Kleingruppe weit übersteigt und die durch eine weniger beschränkte Inanspruchnahme, einen kollektiveren Gebrauch weit wirksamer zu nutzen wären. Jeder Privathaushalt beansprucht seine vier Wände, sein Schlafzimmer und seine Sitzgarnitur, seine Kücheneinrichtung, seine Fahrzeuge, die vom Kinderwagen und vom Roller über Fahrräder bis zum Motorrad oder Auto reichen, seine elektrischen Großgeräte, Nähmaschine, Waschmaschine, Kühlschrank, Tiefkühltruhe, Geschirrspülmaschine, seine Zeitschriften und Bücher, seine Uhren und Schallplatten, seine Gardinen und Garderoben, seine Spielsachen und Hobbyutensilien, seinen Wandschmuck und seinen Nippes fürs Vertiko. Eine unabsehbare Palette von Gebrauchsgegenständen und Konsumartikeln, von denen jeder skuzessive oder simultan die Bedürfnisse einer Vielzahl von Personen befriedigen könnte, wird dank der bürgerlichen Familie und ihres privativen Anspruchs von einzelnen oder wenigen Individuen mit Beschlag belegt; um das gesellschaftsweite Bedürfnis nach ihnen befriedigen zu können, müssen all diese Gegenstände und Artikel in unendlich größeren Stückzahlen auf den Markt gebracht werden, als bei kollektiverer Nutzung erforderlich wäre.
So unökonomisch, nutzungspraktisch gesehen, diese Aufsplitterung der Gesellschaft in monadische Konsumeinheiten, die sich bei ihrer Bedürfnisbefriedigung in der Autarkie geschlossener Miniaturgesellschaften behaupten, offenbar ist, so schrecklich ökonomisch zeigt sie sich, betrachtet man sie verwertungstechnisch. Was kann einem mit immer umfänglicheren Warenströmen beziehungsweise mit immer größeren Produktionskapazitäten gesegneten oder geschlagenen Kapital Besseres widerfahren, als daß ihm die Gesellschaft, das Ensemble der Konsumenten, wenn schon nicht zertrümmert in atomare einzelne, so immerhin doch zersplittert in molekulare Kleingruppen entgegentritt, die in ihrer selbstherrlichen Isolation jeweils Anspruch auf den Besitz einer kompletten und ungeteilten Mustersammlung des kapitalistischen Warensortiments erheben, die mit anderen Worten ihre familiäre Existenz an die Forderung knüpfen, einen Konsumkosmos im Taschenformat ihr eigen zu nennen und ganz für sich allein zu haben? Dabei wird die Tauglichkeit der Familie für Zwecke eines gesteigerten Konsums noch dadurch entscheidend erhöht, daß eben die monadische Existenz der Familie und die darin beschlossene Konstruktion einer unendlichen Vielzahl konsumtiver Parallelwelten ein potentielles Konkurrenzverhältnis zwischen den vielen Welten impliziert, das sich unschwer aktualisieren und in den Dienst einer weiteren Intensivierung der Konsumtätigkeit stellen läßt. Weil im Prinzip mit jeder Familie der Anspruch auf eine vollständige Teilhabe an der konsumtiven Totalität, auf einen im Blick auf die Welt der Waren repräsentativen Miniaturkosmos verknüpft ist, genügt es, neue Bedürfnisse beziehungsweise Bedürfnisbefriedigungsmittel zu ersinnen und bei einigen der Familien mittels reklamatorischer Anstrengungen zu wecken beziehungsweise in Gebrauch zu bringen, um bei allen anderen ein Gefühl von Mangel und fehlender Vollständigkeit zu erzeugen, das zwangsläufig entsprechende konsumtive Kompensationsanstrengungen und Nachholbemühungen zur Folge hat. Das Ergebnis dieses Mechanismus ist eine Konsumspirale, die, durch ständige modische Neuerungen motiviert und durch nachbarschaftliche Konkurrenz in Gang gehalten, die Familie als regelrechten Moloch und Allverschlinger der ihr in Form von Waren präsentierten Opfergaben erweist.
Hauptfunktionärinnen und leitende Organisatorinnen dieses mittels bürgerlicher Familie veranstalteten und ebensosehr extensiv-topisch in der monadischen Existenz der vielen Familien fundierten wie intensiv-dynamisch durch die zwischenfamiliäre Konkurrenz auf die Spitze getriebenen konsumtiven Potlatch sind die Frauen. Sie sind es, die vor ihrer Integration in den gesellschaftlichen Arbeitsprozeß die den arbeitenden Männern als deren Privatsache überlassene doppelte Aufgabe der leiblich-seelischen Bedürfnisbefriedigung und der Aufzucht von Nachwuchs in Diensten der Männer und in arbeitsteiliger Abhängigkeit von ihnen erfüllen, und sie sind es, die nun, da die Privatsache Familie aus Gründen ihrer Nützlichkeit für massenkonsumgesellschaftliche Zwecke unverändert aufrechterhalten bleibt, trotz aller in ihrer neuen Berufstätigkeit beschlossenen prinzipiellen Aufhebung der alten Arbeitsteilung dieses Amt der familiären Versorgung quasi gewohnheitsmäßig und im Sinne einer bewährten Tradition weiter wahrnehmen.
Wie sie als treusorgende Ehefrauen und Mütter zuvor schon den Haushalt führen, so bleiben sie auch jetzt mit seiner Führung betraut, da er sich volkswirtschaftlich in die Pflicht genommen und in eine zentrale Einrichtung zur Sicherstellung des Konsums und des an diesen gefesselten kapitalistischen Verwertungsprozesses verwandelt zeigt. Vorzugsweise sie sind es, die in den sich erweiternden Grenzen, die das Einkommen steckt, für eine zeitgemäße Kücheneinrichtung und Möblierung, eine mit der Mode gehende Garderobe, eine dem ästhetischen Sinn Rechnung tragende Ausschmückung des Hauses und seiner Mitglieder, eine dem technischen Stand entsprechende maschinelle Ausrüstung und all die vielen und immer zahlreicher und vielfältiger werdenden Anschaffungen zu sorgen haben, die der krebsartig wuchernden Palette neuer Bildungs-, Unterhaltungs- und Freizeitbedürfnisse Genüge leisten sollen – auch wenn gerade in den letztgenannten beiden Hinsichten der technischen Ausrüstung und der Anschaffungen zur Freizeitgestaltung die Männer den Frauen brav zur Hand gehen beziehungsweise im Einklang mit ihrem geschlechterrollenspezifischen Selbstverständnis ihren originären und häufig sogar dominanten Beitrag leisten.
Daß die Frauen ihre leitende Funktion im Konsuminstitut Familie nicht mehr im Sinne einer ausschließlichen, sie an Haus und Herd fesselnden Okkupation, sondern zusätzlich zu ihrer Einbindung in den gesellschaftlichen Arbeitsprozeß, sprich, neben ihrer Berufstätigkeit, wahrnehmen, impliziert eine Lockerung beziehungsweise Abschaffung der früheren Dienstbarkeit gegenüber und Abhängigkeit von den Männern, die mit der Beschränkung auf die Privatsphäre verknüpft war. Weil die allmähliche Integration der Frauen ins Berufsleben mit ihrer ebenso allmählichen rechtlichen Gleichstellung und bürgerlichen Anerkennung Hand in Hand geht und ihnen vor allem ein gewisses Maß an ökonomischer Selbständigkeit verleiht, sind sie jetzt eher Partnerinnen als Angestellte ihrer Männer und nehmen in der Familie eher die Rolle von bevollmächtigten Managerinnen als von weisungsgebundenen Domestikinnen wahr – auch wenn traditionelle Unterordnungsgewohnheiten, die im Vergleich mit den Männern schlechtere berufliche Entlohnung der Frauen, das geringere soziale Prestige, das viele vorzugsweise von Frauen ausgeübte berufliche Tätigkeiten genießen, und nicht zuletzt die geminderten Karrierechancen, die Frauen dank der ihnen biologisch ohnehin zufallenden Gebär- und Stillfunktion und der ihnen gesellschaftlich auch weiterhin aufgebürdeten Haushalts- und Erziehungsaufgaben haben, dafür sorgen, daß es mit der Gleichstellung und völligen Partnerschaft nicht gar so weit her ist oder jedenfalls nicht sonderlich schnell vorangeht.
Der Preis, den Frauen für ihre im Prinzip effektuierte bürgerliche Emanzipation und innerfamiliäre Gleichstellung zahlen, ist die permanente Doppelbelastung, der sie sich ausgesetzt sehen, da sie ja nun zusätzlich zu den häuslichen Pflichten der neuen Berufstätigkeit nachgehen, zu der sie die entfaltete kapitalistische Gesellschaft rekrutiert und mit deren Wahrnehmung schließlich ihre bürgerliche Emanzipation und relative Gleichstellung im Geschlechterverhältnis steht und fällt. Logisch korrekter und – aller Suggestion von historischer Abfolge und empirischer Konsequenz zum Trotz – systematisch stimmiger gefaßt, ist Grund für die Doppelbelastung dies, daß die Frauen nunmehr zur Teilnahme am kapitalistisch organisierten gesellschaftlichen Arbeitsprozeß herangezogen werden und sich in ihrer gesellschaftlichen Funktion durch ihn neu bestimmt finden, gleichzeitig und zusätzlich aber gehalten sind, ihre traditionelle Sorge für die Familie und ihre hausfraulichen Pflichten zu kontinuieren – nicht etwa weil, wie die bürgerliche Anthropologie in ihrer bequemen Bornierung gern hätte, menschliche Gesellschaften ohne bürgerliche Familie ein Ding der Unmöglichkeit und nicht am heimischen Herd von Frauenhand zubereitete Mahlzeiten oder nicht von ihren leiblichen Eltern persönlich verkorkste Kinder eine Sünde wider die menschliche Natur wären, sondern weil eben jener gesellschaftliche Arbeitsprozeß, in den die Frauen sich integriert finden, eine Produktivität entfaltet, deren als Waren, als Gebrauchsgegenstände in Wertträgerfunktion erscheinendes Produkt ein so ungeheures Volumen und eine solch unüberschaubare Vielfalt erreicht, daß es, um diese ausufernde Gebrauchsgegenständlichkeit in ihrer Wertträgerfunktion einzulösen, in ihrem Wert zu realisieren, der Mobilisierung sämtlicher in der Gesellschaft vorhandener konsumtiver Kapazitäten bedarf, wozu auch und nicht zuletzt das Konsumpotential zählt, das in der bürgerlichen Familie dank der durch ihre monadische Existenzform gewährleisteten Zersplitterung und Vervielfachung der Bedürfnisse und miteinander wetteifernden Befriedigungsansprüche steckt.
Weit entfernt also, daß die Familie und die von den Frauen in ihr wahrgenommene häuslich-hausfrauliche Funktion eine in die Moderne hinein schlicht sich kontinuierende Naturgegebenheit wäre, zu der die Berufstätigkeit der Frauen, ihre durch die ökonomische Entwicklung erheischte Integration in den sich totalisierenden kapitalistischen Arbeitsprozeß, als Zusatzbestimmung hinzutritt, stellt vielmehr, systematisch gesehen, die durch die ökonomische Entwicklung gesetzte und zunehmend durchgesetzte Berufstätigkeit der Frauen die nunmehr im Prinzip auch für sie verbindliche Lebensform und gesellschaftliche Bestimmung dar. Die den Frauen zusätzlich aufgeladene Sorge für die Familie ist eine im Rahmen dieser neuen gesellschaftlichen Bestimmung revidierte Aufgabe, die sich nicht etwa aus der anthropologischen Unverzichtbarkeit der bürgerlichen Familie erklärt, sondern die ihren zureichenden Grund in der Massenproduktion jenes die Frauen integrierenden kapitalistischen Arbeitsprozesses und in der wichtigen Rolle hat, die bei der konsumtiven Bewältigung dieser Massenproduktion der bürgerlichen Familie und ergo auch den die letztere traditionell besorgenden Frauen zufällt.
So betrachtet, könnte man fast geneigt sein, von einer Dreifach- statt von einer Doppelbelastung der Frauen zu sprechen, da ja die konsumtive Aufgabe, die das eigentliche Motiv und Konstitutiv der in die Moderne hinein prolongierten bürgerlichen Familie darstellt, ein ganz eigenes, in der ständigen theoretischen und praktischen Beschäftigung mit dem Markt, einem ständigen warenkundlichen Engagement, einem ständigen reflexiven, komparativen und appropriativen Umgang mit Waren bestehendes Tätigkeitsfeld erschließt und beileibe nicht in den traditionellen hausfraulichen Verrichtungen, der Besorgung von Haushalt und Küche und der Betreuung und Erziehung der Kinder, aufgeht. Tatsächlich aber wäre solch eine Sicht irreführend, da sie traditionelle Verrichtungen und konsumtive Aktivitäten parallelisierte und als gleichrangig behandelte und dabei übersähe, wie sehr das eine, die konsumtive Rücksicht, als das für die Familie in ihrer modernen Form oder posthumen Existenz konstitutive Moment das übergeordnete Interesse darstellt und wie sehr das andere, die traditionelle Hausfrauenrolle, durch jenes übergeordnete Interesse einer Revision unterworfen wird und nur insoweit Geltung behält, wie es letzteres nicht stört oder, besser gesagt, sich entfalten läßt und in seiner Entfaltung stützt und befördert.
Nicht also neben den hausfraulichen Aktivitäten und parallel zu ihnen, sondern gegen sie und auf ihre Kosten entfaltet sich die konsumtive Funktion. Das heißt indes nicht, daß sie abstrakt von ihnen und ohne Rücksicht auf sie sich durchsetzt und in den Vordergrund spielt – Raum verschafft sie sich im Gegenteil und ein Übergewicht über die traditionellen Aktivitäten gewinnt sie durch sie hindurch und mit ihrer effektiven Hilfe. Die konsumtive Funktion macht mit anderen Worten die traditionellen häuslichen Verrichtungen zu ihrem Inhalt und Anliegen, versorgt sie mit neuen Techniken, neuen Materialien, neuen Gegenständen, neuen Instrumenten, aber indem sie das tut, vereinfacht und erleichtert, verkürzt und konzentriert sie diese Verrichtungen. In eben dem Maße, wie der Markt den familiären Haushalt als Absatzgebiet für seine Waren entdeckt und erschließt, technisiert und rationalisiert er ihn auch und drängt ihn in seinen traditionellen, nichtkonsumtiven Aspekten, seinen auf die eigene Herstellung, die individuelle Improvisation, die persönliche Zuwendung ausgerichteten Formen sowohl dem zeitlichen Umfang dieser traditionellen Präokkupationen als auch der mit ihnen verknüpften körperlichen Verausgabung und geistigen Beanspruchung nach sukzessive zurück. Während Waschmaschine, Staubsauger, Konserven und Papierwindeln einerseits die Haushalte beziehungsweise die ihnen vorstehenden Frauen zu immer neuen konsumtiven Anstrengungen anspornen und die Familie als Konsumeinrichtung immer weiter entfalten, sorgen sie andererseits für eine fortlaufende Reduzierung des Aufwands an Zeit und Kraft, den der Haushalt den Frauen abfordert, und ermöglichen so den letzteren, ihre konsumtiven Aktivitäten auf Kosten der rein häuslichen, arbeitsintensiven, auf Reproduktion, Versorgung, Erhaltung, Betreuung, Kommunikation gerichteten Funktionen zu erweitern und in den Vordergrund zu rücken.
Teils dadurch, daß sie die durch Technisierung und Rationalisierung des Haushalts eingesparte Zeit und Kraft nutzen, um sich im Haushalt selbst immer neue Bedürfnisse und immer vielfältigere Ansprüche nachweisen zu lassen und diese dann mit Hilfe des entsprechenden Warenangebots, sprich: mit dem entsprechenden konsumtiven Aufwand, zu befriedigen, teils dadurch, daß die Einsparungen an Zeit und Kraft ihnen erlauben, sich ganz neuen, konsumintensiven Tätigkeitsfeldern zuzuwenden und in Bereichen wie Schönerwohnen, Körperpflege, Bildung, Freizeit und Sport neue, marktvermittelte Verwirklichungs- und Erfüllungsperspektiven zu entfalten, profilieren die Frauen gleichermaßen sich selbst und die von ihnen geleiteten Familien als zentrale Stützen und wahre Nothelfer des dank steigender Produktivität um den Absatz seiner Waren, die Kontinuität seiner Verwertung bangenden Systems kapitalistischer Produktion. Maßgebend für die Gestaltung und Entwicklung des Haushalts, richtungweisend für die Veränderung und Neuordnung der Familie ist dabei einzig und allein der konsumtive Aspekt, das Kriterium, daß die neuen Tätigkeiten und Verrichtungen, die anstelle der alten in Haushalt und Familie eingeführt werden, konsumintensiver, sprich: weniger zeit- und kraftaufwendig in ihrer dem Konsumakt, der sie initiiert, folgenden Durchführung und mehr auf die rasche, möglichst mühelose Wiederholung des initiativen Konsumakts als solchen abgestellt sein müssen.
Ob die konsumtive Neuerung im Rahmen der traditionellen Verrichtung bleibt oder den Rahmen sprengt, ob in Fortsetzung gewohnter handarbeitlicher Tätigkeit die elektrische Näh- oder Strickmaschine in die Familie Einzug hält oder ob zum Konfektionskleid und zum Warenhauspullover gewechselt wird, ob Kühlschrank und Elektroherd die Essenszubereitung erleichtern oder ob Tiefkühlkost und Mikrowellenherd das Kochen ersetzen, ob an Stelle des Buches und des Theaters die Illustrierte und das Kino treten oder ob Fernsehinformation und Fernsehunterhaltungsserie das Lesen und das Kunsterlebnis abdanken – all das bleibt sekundär; was allein zählt, ist die Grundrichtung der Entwicklung, ist dies, daß rascher und häufiger, kontinuierlicher und vielseitiger konsumiert, daß der Markt frequentiert und um Waren erleichtert wird und daß die Konsumtätigkeit selbst, der, ökonomisch gesehen, als Auswahl- und Kaufakt auf dem Markt firmierende Verbrauch gegenüber den von Haus aus nichtkonsumtiv marktindifferenten oder postkonsumtiv in der Handlung des Verzehrs beziehungsweise im Zustand der Befriedigung sich erschöpfenden Verrichtungen immer weiter an Raum und Vorrang gewinnt. Das allein zählt als Vorgabe für die Entwicklung, daß der nicht unmittelbar aus dem Warenkauf abgeleitete beziehungsweise auf ihn abgestellte Umgang mit Dingen und Menschen, die nicht in der Marktperspektive verhaltene, nicht durch kommerzielle Transaktionen skandierte, nicht durch Konsumakte organisierte eigeninitiative oder selbstgenügsame Handlung, die persönliche Arbeit mit Materialien und Gegenständen, die private Beschäftigung mit Menschen und Reflexionen, zurückgedrängt und minimisiert wird und mehr und mehr einer Verbraucherhaltung weicht, der die haushälterischen Verrichtungen selbst beziehungsweise der Umgang der Familienangehörigen miteinander nurmehr als Intermezzi zwischen der konsumtiven Tätigkeit, als Platz und Bedarf für neue Kaufakte schaffende Übergangshandlungen gelten.
Wie sehr die konsumtive Tätigkeit der dominierende und alles bestimmende Aspekt ist und wie radikal das traditionelle häuslich-familiäre Geschehen der Revision sub specie dieses Aspekts unterliegt, zeigt der Prozeß, den die konsumtive Rücksicht der in der Aufzucht von Nachkommenschaft bestehenden einen der beiden traditionellen Hauptobliegenheiten des Familienlebens macht. Da sich die traditionelle mütterliche Aufgabe mitsamt den an sie geknüpften zahlreichen Verrichtungen wegen ihrer nur schwer oder gar nicht der Rationalität anderer Rücksichten subsumierbaren Zuwendungsformen, ihrer nicht oder kaum auf Objekte angewiesenen, weil im persönlichen Umgang selbst enthaltenen Befriedigungsmöglichkeiten und des irreduzibel zeit- und kraftaufwendigen Engagements, das der durch Vorbild, Indoktrination und Gewohnheit wirkende Pflege-, Erziehungs- und Bildungsprozeß verlangt, mit der Forderung nach größerer Effektivität im Dienste der Konsumtätigkeit nur begrenzt vermittelbar zeigt und sich in der Tat als die entscheidende pièce de résistence der traditionellen Hausfrauenrolle herausstellt, dringt das sich als Interesse an einer Steigerung des Konsums und einer Aktivierung der Konsumeinrichtung Familie artikulierende ökonomische Kalkül der kapitalistischen Gesellschaft auf eine Eindämmung und Reduktion der mütterlichen Aufgabe und der mit ihr verknüpften Funktionen.
Durchaus im Sinne der Frauen selbst und im Einklang teils negativ mit ihrer Unlust, die Doppelbelastung aus Berufstätigkeit und Haushalt auf Dauer zu ertragen, teils positiv mit ihrer Lust, der konsumtiven Funktion, die für sie wie die Berufstätigkeit selbst mit Konnotationen einer von der traditionellen Hausfrauenrolle emanzipierenden primären Vergesellschaftung und bürgerlichen Freiheit verknüpft ist, mehr Zeit und Aufmerksamkeit zuzuwenden, bewirkt das ökonomische Kalkül einen drastischen Rückgang in der Geburtenrate, der, soweit er nicht gleichbedeutend ist mit einer völligen Absage an die Fortpflanzung und alle mit ihr einhergehenden Verpflichtungen, die mütterliche Aufgabe auf die äußerstenfalls einfache Reproduktion, das heißt, auf die Aufzucht von einem oder höchstens zwei Kindern beschränkt.
Wie von ungefähr, tatsächlich aber wie zum Beweis der unwiderstehlichen Macht des auf die Ausschaltung aller Verrichtungen, die dem konsumtiven Einsatz im Wege stehen, dringenden ökonomischen Kalküls, machen just zu diesem Zeitpunkt Medizin und Chemie jene Fortschritte und Entdeckungen auf den Gebieten der Empfängnisverhütung, der Sterilisation und der Abtreibung, die wesentliche Bedingung für die unter dem Euphemismus Familienplanung durchgesetzte Senkung der Fortpflanzungsrate und Befreiung der Frauen von der konsumfeindlichen Last mütterlicher Aufgaben ist. Von der Last konsumfeindlich-kinderbezogener Zuwendungs-, Betreuungs-, Versorgungs-, Pflege-, Erziehungs-, Einübungs- und Kommunikationsaktivitäten zu einem Gutteil befreit, können die Frauen nunmehr ihre Zeit und Kraft vermehrt in Bereiche investieren, in denen sie die vom Markt offerierte, ebenso vielfältige wie massenhafte Palette von Befriedigungsmitteln und Dienstleistungen stärker, kontinuierlicher und häufiger zu nutzen und im vollen Doppelsinne des Wortes in ihrem Wert zu realisieren vermögen – nämlich da, wo die Männer vielfach bereits ihr Bestes an konsumtivem Einsatz geben: in Hobby- und Freizeitbeschäftigungen, Sport, Reisen, Bildung, Kunstgenuß, Unterhaltung, Gastronomie.
In der Konsumeinrichtung Familie selbst allerdings, mithin dort, wo die Frauen ihre sie nach wie vor als Hausfrauen reklamierende spezifische Konsumfunktion erfüllen, wirkt sich die Abnahme der Kinderzahl und die entsprechende Schrumpfung des Haushalts nachteilig auf die Konsumkraft aus. Den Rückgang im Verbrauch, den die abnehmende Zahl von Familienmitgliedern zur Folge hat, sucht der Markt dadurch aufzufangen und wettzumachen, daß er erstens die verbliebenen ein oder zwei Kinder zum Gegenstand der liebevollsten Fürsorge, zum Kultobjekt einer Versorgungs- und Ausstattungsorgie ohnegleichen macht, in deren Konsequenz Eltern und Verwandte den Nachwuchs, dessen Kostbarkeit in Korrelation zu seiner Seltenheit wächst, mit einem kindergerechten, aus der Kindheit eine ganz eigene Existenz, ein Leben sui generis machenden Ensemble aus Nahrung, Einrichtung, Garderobe, Spielzeug, Lernmaterial, Unterhaltung eindecken, und daß er zweitens in Ausnutzung des oben erwähnten wechselseitigen Konkurrenzverhältnisses, in das ihre monadische Existenz die vielen Familien verstrickt, Haus und Haushalt in einen fortlaufenden Prozeß der Umrüstung und Neuaustattung hineintreibt, dessen Tempo und Rhythmus die realen oder reklamatorisch behaupteten Innovationen der industriellen Produktion bestimmen.
Das Einfamilienhaus, in dem sich jede Familie, die etwas auf sich hält, breitzumachen strebt, die Motorfahrzeuge, die Erst-, Zweit- oder gar Dritttwagen, die mit dem unverhofften Resultat einer kollektiven Verstopfung der Verkehrswege tendenziell jedem Familienmitglied uneingeschränkte individuelle Bewegungsfreiheit sichern sollen, die Einbauküchen erster, zweiter, dritter Generation, die an die Stelle traditioneller Kücheneinrichtungen treten und deren Apparaturen und Energieleistungen ausreichten, eine ganze Kompanie zu verpflegen, die Batterien von elektronischen Geräten, die nicht nur jede einzelne Familie, sondern mehr noch jedes einzelne Mitglied der Familie zur Befriedigung der eigenen Unterhaltungs- und Kommunikationsbedürfnisse in Anspruch nimmt, der Swimmingpool, die Minibar, die automatisierten Licht- und Sicherheitsanlagen, die zahllosen, einander in rasendem Tempo verdrängenden Mode-, Sport- und Freizeitkreationen – das alles zeugt beredt davon, wie sehr sich unter dem Druck des auf Absatz um jeden Preis dringenden Marktes die auf das Minimum des "Tres faciunt consilium" reduzierte bürgerliche Familie, ihrer numerischen Kleinheit zum Trotz, zu einem gigantischen Warenauffangbecken, einem Konsumriesen erster Ordnung aufgebläht hat.