Vom Bismarckschen Sozialpakt zur nationalsozialistischen Volksgemeinschaft
Die nationalsozialistische Bewegung, die die Gunst der Stunde des wirtschaftlichen Kollapses nutzt, unterscheidet vom übrigen rechten beziehungsweise rechtsextremen Lager, dass sie nicht sowohl chauvinistisch-reaktionär disponiert als vielmehr romantisch-regressiv orientiert ist. Ihre romantische Regression aber verknüpft sie mehr noch mit einer radikalen Polemik und einer fundamentalen Revision, die auch den bismarckschen Sozialpakt umfasst und, wie ihn in seiner kaiserlich historischen Gestalt als bereits bürgerlich korrumpiert und sozialistisch degeneriert, so die republikanische Gesellschaftsordnung, die ihn verdrängt, als strikte Konsequenz und letzten Ausdruck dieser seiner Korrumpiertheit und Degeneration behauptet.
Genau hier schlägt nun also die Stunde der als Nationalsozialismus in die Geschichte eingegangenen oder vielmehr eingefallenen, um nicht zu sagen eingebrochenen, besonderen Spielart populistischer Initiative und Projektion, einer Initiative und Projektion, die ebenso hohl wie vollmundig jene für die Errettung aus der Depression und Erlösung vom Miserere vorgeblich nötige völkische Energie und bündische Hingabe aufzubringen und zu mobilisieren verspricht. Nicht anders als die generelle nationalkonservative Republikfeindlichkeit, die durch die wirtschafts- und währungspolitischen Probleme und Nöte, die der jungen Republik das Leben schwer machen, noch zementierte chauvinistisch-reaktionäre Oppositionshaltung und Obstruktionsneigung, in der beträchtliche Teile des Bürgertums verharren, ist auch diese als nationalsozialistische Bewegung jetzt ins Rampenlicht tretende und ihre dramaturgische Chance, sich in Szene zu setzen, witternde populistische Initiative und Projektion dem Schoß des bismarkschen Sozialpakts entsprungen oder, weniger pathetisch und exakter gefasst, auf dem Mist des diesen Sozialpakt sich kriegspolitikbedingt zur bündischen Schicksalsgemeinschaft verschwören lassenden Klassenkonsenses gewachsen, den wir oben als formative Besonderheit alias deviative Entstehungsbedingung der Industriegesellschaft deutscher Zunge und Kultur vorgestellt haben. Freilich ist diese als nationalsozialistische Bewegung figurierende populistische Initiative und Projektion anders als die Haltung des nationalkonservativen Lagers nicht sowohl chauvinistisch-reaktionär disponiert als vielmehr romantisch-regressiv orientiert.
Das nationalkonservative Lager bleibt, so sehr es in Opposition zum republikanischen Staatswesen stehen und ihm gegenüber obstruktiv eingestellt sein mag, doch aber an es als an den Fokus seiner Oppositionshaltung beziehungsweise den Magnetpol seiner obstruktiven Neigungen fixiert. Es mag zwar den besseren Tagen der Reichsgründungsherrlichkeit nachtrauern und auf die guten alten Zeiten vaterländischen Geistes alias Klassen verbindender, wo nicht gar Klassenschranken überwindender patriotischer Staatstreue schwören, aber im Grunde ist es bereits mit seinen sozialen Formationen, seiner realen Präsenz, in der neuen republikanischen Ordnung befangen und irreversibel von ihr infiziert, ist es mit seinen politischen Organisationen, seiner funktionalen Repräsentanz, irrevozibel in demokratische Mechanismen integriert und von parlamentarischen Prozeduren infiltriert, weshalb es denn auch über keine alternativen Optionen, keine die soziale Ordnung und politische Einrichtung des republikanischen Systems zu verdrängen und zu ersetzen prätendierende Alternative verfügt und nicht über die der Republik bezeigte obstruktive Renitenz beziehungsweise ihr bewiesene destruktive Sabotage hinauskommt, sich also mehr oder minder in Bekundungen des Argwohns erschöpft, mit dem es den demokratischen Institutionen der Republik, ungeachtet dessen, dass es in ihnen zu Hause und mit ihnen vertraut ist, begegnet, und sich auf Manifestationen des Widerwillens beschränkt, mit dem ihre parlamentarischen Prozeduren es erfüllen, unbeschadet dessen, dass es permanent auf sie baut und sie kompetent nutzt.
In diesem Punkte unterscheidet sich die romantisch-regressive Auseinandersetzung mit der Republik, zu der sich die nationalsozialistische Bewegung versteht, klar erkennbar von der chauvinistisch-reaktionären Verweigerungshaltung gegenüber der Republik, in der sich das nationalkonservative Lager gefällt. Anders als dessen quasi in republikanischen Bann geschlagene chauvinistische Reaktion mit ihrer die Republik bloß befeindenden, ihr refutativ das Existenzrecht absprechenden, offensiv die Legitimität bestreitenden dilemmatischen Negativität befleißigt sich die für die nationalsozialistische Bewegung richtungweisende romantische Regression einer die Republik ebenso initiativ zu überwinden wie definitiv zu transzendieren, kurz, sie effektiv zu beenden versprechenden programmatischen Positivität und macht sich nämlich anheischig, in der Konsequenz ihres sozialen Engagements und ihres politischen Agierens eine die Republik imaginativ ausblendende und projektiv von der Bildfläche verschwinden lassende Rückkehr zum früheren, per Gründung der Republik außer Kraft gesetzten klassenübergreifenden oder, wenn man so will, klassenunterlaufenden Sozialpakt des bismarckschen Kaiserreichs im Allgemeinen und seines wilhelminischen Kriegsregiments im Besonderen ins Werk zu setzen und also jene ebenso bündisch verschworene wie staatlich geschmiedete nationale Gemeinschaft erneut ins Leben zu rufen, die die Republik der von ihr retablierten und promovierten bürgerlichen Klassengesellschaft zum Opfer gebracht hat.
Hätte indes die nationalsozialistische Bewegung nichts anderes als diese romantisch-regressive Positivität auf- und anzubieten, sie stellte nichts weiter als eine ebenso überflüssige Spielart wie traurige Kolportage der politischen Romantik dar, die durchaus bereits Bestandteil des nationalkonservativen Spektrums ist, ihm sei's als unterschwellige Komponente, sei's als versprengtes Element je schon zugehört und deren offene Verfechter beziehungsweise erklärte Vertreter indes so eklatant des Realitätssinns ermangeln und sich so augenscheinlich in Illusionen verlieren, dass sie es über eine Nebenerscheinung des nationalkonservativen Lagers, einen mit ihm einhergehenden sektiererischen Spiegelreflex nicht hinausbringen und an seinen als Abseits ausgewiesenen Rändern ihr nicht weniger lächerliches als phantastisches Unwesen treiben. Gemeint sind die aus bürgerlichen und junkerlichen Loyalisten, mit anderen Worten aus den Restbeständen des Reichsbürgertums bismarckscher Rezeptur, bestehenden monarchistisch-legitimistischen Gruppen, die als vorgeblich probates Heilmittel beziehungsweise adäquates Operativ für die Gebrechen der Republik eine postwendende Wiederherstellung oder unvermittelte Erneuerung des die Vorkriegszeit prägenden und in seiner bündisch-notständischen Zuspitzung das Kriegsregiment tragenden bismarckschen Sozialpakts, kurz, eine ebenso stracke wie schlichte Restauration der durch die anstößige republikanisch-bürgerliche Gesellschaft verdrängten und ihr in romantischer Verklärung entgegengesetzten imperialistisch-staatsbürgerlichen Gemeinschaft ins Auge fassen.
Offensichtliches und ihr zum Offenbarungseid ihrer Unzurechnungsfähigkeit gereichendes Handikap dieser versprengten Fraktion des nationalkonservativen Lagers ist, dass sie ihrem ungebrochenen Glauben an beziehungsweise ihrer ungetrübten Begeisterung für die ebenso bündisch verschworene wie staatlich geschmiedete nationale Gemeinschaft des gewesenen Kaiserreichs nur frönen kann, sofern und solange sie sich jeglicher historischen Empirie verschließt und sich nämlich zur Kenntnis zu nehmen weigert, dass jene nicht weniger unbelehrt als unbeirrt von ihr hochgehaltene nationale Gemeinschaft sich ja im vernichtenden Effekt des von ihr, wenn auch nicht systematisch zu verantwortenden, so jedenfalls doch empirisch verschuldeten Weltkriegs quasi selber gerichtet, dass sie sich, mit anderen Worten, in den Hekatomben von Gefallenen, den mörderischen Verlusten an Menschenleben, die der Krieg gefordert hat, als eine ihren Mitgliedern das personale Leben und die soziale Sicherheit garantierende bündische Solidargemeinschaft ebenso gründlich Lügen gestraft wie in dem Potlatch von Sachwerten, den zerstörerischen Einbußen an Hab und Gut, mit denen der Krieg bezahlt wurde, als ein für das reale Dasein und den materialen Bestand ihrer Mitglieder Sorge tragender nationaler Zweckverband nachdrücklich ad absurdum geführt hat.
Genau dieses mit dem politischen Anspruch und dem ökonomischen Versprechen des bismarckschen Sozialpakts alias bündisch-staatsbürgerlichen Kontrakts des Kaiserreichs gänzlich unvereinbare und in der Tat den Anspruch ebenso gründlich Lügen strafende wie das Versprechen nachdrücklich ad absurdum führende Resultat ist es ja, was das Gros des nationalkonservativen Lagers, das über genug Realitätssinn verfügt, will heißen, eine hinlängliche Fähigkeit und Bereitschaft aufbringt, empirische Gegebenheiten gelten zu lassen und historische Konsequenzen zu ziehen – was also den Großteil des nationalkonservativen Lagers davon abhält, jenen Weg regressiver Ausblendung und romantischer Verklärung einzuschlagen, und was die Betreffenden damit freilich in die beschriebene missliche Lage bringt, die historische Konsequenz, die Ersetzung des bündischen Reichs durch den republikanischen Staat zwar registrieren und ins Kalkül zu ziehen, nicht aber akzeptieren und gutheißen zu können, und die empirischen Gegebenheiten, die republikanisch-demokratische Ordnung und Politik, zwar ablehnen und verwerfen zu müssen, nicht aber bestreiten und in Abrede stellen zu können. Durch seinen Mangel an romantischer Einbildungskraft, seine Unfähigkeit zum regressiven Realitätsverlust, wie man will, dazu veranlagt oder verurteilt, bleibt das Gros des nationalkonservativen Lagers zwar auf dem Boden der Tatsachen und harrt im Strom der Geschichte aus, erfährt aber, erfüllt von Ressentiment und Widerwillen, diesen Boden als einen Morast oder Treibsand, auf dem es weder Fuß zu fassen noch gar sich einzurichten disponiert ist, und erlebt, schiffbrüchig und abgetrieben, diesen Strom als eine reißende Flut, gegen die er er nicht weniger hartnäckig als verzweifelt anschwimmt und von der er sich doch aber ebenso unwiderstehlich mitgetragen wie unaufhaltsam fortgerissen findet.
Aus dieser Ambivalenz, in die sich das nationalkonservative Lager in seiner weit überwiegenden Mehrzahl verstrickt zeigt, aus diesem Zugleich von willentlicher Negation und unwillkürlicher Affirmation, von ideologischer Überwerfung mit dem republikanischen System und politischer Geworfenheit in es, von fraktioneller Sabotage an ihm und institutioneller Kollaboration mit ihm, beansprucht nun also die nationalsozialistische Bewegung einen gangbaren Ausweg zu weisen. Aber kann der von ihr propagierte und zum Programm erklärte romantisch-regressive Rekurs auf den als formative Besonderheit der deutschen Nation, quasi als ihr Alleinstellungsmerkmal, firmierenden bismarckschen Sozialpakt in der kontraktiven Endfassung als ebenso bündisch verschworener wie staatlich geschmiedeter Nationalverband, die ihm die wilhelminische Kriegspolitik vindiziert, dieser Ausweg eigentlich, geschweige denn ernstlich, sein? Führt solch romantisch-regressiver Rekurs die nationalsozialistische Bewegung nicht in die haargenau gleiche Falle beziehungsweise Sackgasse, in der, wie konstatiert, auch die monarchistisch-legitimistischen Gruppen sich wiederfinden, die sich als sektiererische Ein- beziehungsweise Absprengsel im Dunstkreis beziehungsweise in den Randzonen des konservativen Lagers umtreiben – in die Falle und Sackgasse nämlich eines nach Maßgabe der Abstraktion von empirischen Gegebenheiten und Ausblendung historischer Entwicklungen realitätsfremden Wunschdenkens und persspektivlosen Illusionismus?
Das wäre in der Tat auch der Fall, verbände der nationalsozialistische Bewegungsduktus nicht im Unterschied zum monarchistisch-legitimistischen Beschwörungsgestus diese seine auf den bismarckschen Sozialpakt gerichtete Romantik mit einer eben ihm den Prozess machenden radikalen Polemik und verknüpfte er nicht diese seine im bündischen Nationalverband die Antwort findende Regression mit einer eben ihn in Frage stellenden fundamentalen Revision. Anders als die alle empirische Evidenz ausblendende, sich über alle historische Erfahrung hinwegsetzende monarchistisch-legitimistische Borniertheit greift die nationalsozialistische Motion auf den bismarckschen Sozialpakt nur zurück, um mit ihm in seiner historisch vorliegenden Fassung existenziell ins Gericht zu gehen, greift sie den bündische Nationalverband bloß auf, um ihm in seiner empirisch gegebenen Gestalt substanziell am Zeug zu flicken.
Dabei sind, was sie in als Geniestreich erscheinender Engführung oder spiegelreflexhafter Verschränkung dem bismarckschen Sozialpakt alias wilhelminischen Nationalverband zum Vorwurf macht beziehungsweise woraus sie ihm einen Strick dreht, eben der sozialdemokratisch emanzipierte Wille und eben der liberalbürgerlich fraktionierte Geist, mit anderen Worten, eben der demokratische Libertinismus und parlamentarische Egoismus, die sie in dem als Weimarer Republik dem Krieg entsprungenen gemeinwesentlichen Unwesen an die Macht gelangt und, die nationale Gemeinschaft zersetzend, das bündische Corpus ins Chaos stürzend, zu Werke gehen sieht. Was in der Nachkriegsrepublik zum Zuge kommt und sich hemmungslos entfaltet, ins Kraut schießt und fiebrige Blüten treibt beziehungsweise giftige Früchte trägt, die zum Verrat am Vaterland entartende sozialdemokratische Emanzipation und die das Parlament zur Schwatzbude verkommen lassende liberalbürgerliche Fraktionierung – dies beides findet der Nationalsozialismus in der historischen Fassung des bismarckschen Sozialpakts beziehungsweise in der empirischen Zuspitzung zum bündischen Nationalverband, die ihm die wilhelminische Kriegspolitik verleiht, bereits unheildrohend angelegt und verderbenbringend auf der Lauer liegend. Aus dieser Sicht erweist sich tatsächlich die sozialdemokratischer Entgleisung und liberalbürgerlicher Zersetzung entsprungene Republik als bloße, per Krieg zutage geförderte Sturz- und Ausgeburt aus dem Schoße eben jenes in seiner historischen Fassung vom demokratischen Erreger längst angesteckten bismarckschen Sozialpakts, eben jenes in seiner empirischen Gestalt von der parlamentarischen Krankheit längst befallenen bündischen Nationalverbands.
So sehr prinzipiell und essenziell, seiner logischen Konstitution beziehungsweise systematischen Konstruktion nach, der den deutschen Sonderweg, die formative Besonderheit des Aufstiegs Deutschlands zur kapitalistischen Industriemacht, determinierende und unter dem Druck der ökonomischen Konkurrenz mit den anderen Industriemächten zum bündischen Nationalverband artikulierte bismarcksche Sozialpakt die Agende ist, auf die als der deutschen Nation einzig angemessene soziale Organisationsform und politische Lebensweise die nationalsozialistische Bewegung in romantischer Regression schwört und setzt, so sehr gewahrt sie ihn doch aber zugleich mit ebenso viel polemischer Unversöhnlichkeit wie revisionistischer Entschlossenheit in der historischen Erscheinung und empirischen Gestalt, in der er sich ihr präsentiert und sie ihn vor Augen hat, als gleichermaßen personell hoffnungslos diskreditiert und institutionell unheilbar korrumpiert, und nämlich bereits von ein und derselben sozialdemokratisch-irrgläubigen Desorientierung infiziert und von der exakt gleichen bürgerparlamentarisch-krankhaften Desintegration heimgesucht, die sie in der ihr als Ausgeburt sozialdemokratischer Häresie und als Wechselbalg bürgerparlamentarischer Pathologie verhassten Weimarer Republik am Werk oder vielmehr am Wüten sieht.
Was hieraus folgt ist klar: Will die nationalsozialistische Bewegung den von ihr im Unterschied zum nationalkonservativen Lager dezidiert betriebenen Bruch mit der Republik und Ausstieg aus dem republikanischen Unternehmen und die von ihr definitiv geplante Wiederherstellung des bismarckschen Sozialpakts beziehungsweise Erneuerung des bündischen Nationalvereins, zu dem die wilhelminische Kriegspolitik letzteren zuspitzt, wirklich ins Visier nehmen und ernstlich in die Tat umsetzen, so muss sie ihren romantisch-regressiven Restaurationsanspruch Hand in Hand gehen lassen mit einer polemisch-aggressiven Dekonstruktionsforderung und nämlich den Sozialpakt in der historischen Fassung, in der er sich vormals darbot, einer ebenso radikalen Kritik aussetzen wie den Nationalverein in der empirischen Gestalt, die er damals annahm, einer fundamentalen Revision unterwerfen. Wiederherstellen beziehungsweise erneuern lässt sich der bismarcksche Sozialpakt alias bündische Nationalverein nur, wenn es actu seiner Wiederherstellung und prospectu seiner Erneuerung gelingt, ihn von all den programmatisch-sozialdemokratischen Absichten und privatistisch-liberalbürgerlichen Rücksichten zu dispensieren und zu purgieren, von denen er in seiner historischen Fassung und empirischen Gestalt als von ihn heteronomisierenden Elementen und ihn korrumpierenden Faktoren je schon infiltriert und infiziert war und die ihn mit schicksalhafter Unentrinnbarkeit, mit fataler Folgerichtigkeit im demokratisch-parlamentarischen Drama der Republik seine als soziale Desintegration und politische Dissoziation wohlverstandene Auflösung finden ließ.
Dabei bedeutet die geforderte Dispensation und Purgierung nichts Geringeres als die Liquidation der sozialen Organisationen und Assoziationen beziehungsweise Exzision der politischen Institutionen und Fraktionen, die, wie sie mit ihren programmatischen Projekten und privativen Interessen jetzt ihr demokratisch-parlamentarisches Unwesen treiben und die Nation in den als republikanisches Blendwerk manifesten Abgrund reißen, so sich auch bereits im Rahmen des bündischen Sozialpakts wirtschaftsförderlich-bismarckscher Konstruktion beziehungsweise kriegstreiberisch-wilhelminischer Kontraktion zu dessen chronischem Schaden und schließlichem Verderben aktiv geltend machten und ihre Virulenz bewiesen. Soll der bündische Sozialpakt einer definitiven Restitution zugänglich und für eine effektive Novellierung verfügbar sein, dann nur unter der Bedingung, dass ihm alle ihn zu heteronomisieren disponierten sozialdemokratisch-programmatischen Intentionen wie auch alle ihn zu unterminieren geeigneten liberalbürgerlich-privativen Interessen mitsamt jeglichen sie zu repräsentieren beanspruchenden sozialen Organisationen beziehungsweise sie zu verkörpern dienenden politischen Institutionen ebenso gründlich ausgetrieben werden wie unwiderruflich von ihm ausgeschlossen bleiben.
Wenn so aber die sozialen Gruppen, die den vom Staat mit der bürgerlichen Gesellschaft geschlossenen Pakt beziehungsweise geschmiedeten Verein historisch-habituell als personelle Formation repräsentieren, und die politischen Parteien, die ihn empirisch-reell als institutionelle Funktion inkorporieren, sich mitsamt den arbeiterschaftlich-sozialistischen Intentionen, für die sie gewerklich-projektiv eintreten, und den bürgerlich-liberalistischen Interessen, für die sie gewerblich-privativ einstehen, als dem Pakt und Verein ebenso abträglich wie widerwärtig herausstellen, und dessen machbare Restitution und haltbare Novellierung deshalb mit der fundamentalen Auflösung jener sozialen Formationen und politischen Fraktionen der bürgerlichen Gesellschaft und mit der radikalen Ausmerzung der von ihnen vertretenen Absichten und Programme beziehungsweise geltend gemachten Interessen und Ansprüche steht und fällt – was bleibt dann als personelle Repräsentanz des Paktes beziehungsweise institutionelle Inkorporation des Vereins eigentlich übrig, was lässt sich anstelle der den Pakt in seiner historischen Fassung unterminierenden, den Verein in seiner empirischen Gestalt korrumpierenden und eben deshalb, soll letzterer nicht bloß Objekt der Begierde einer romantischen-Regression sein, sondern eine ernstliche Restitution und wirkliche Novellierung erfahren, fundamental zu liquidierenden, radikal zu eliminierenden sozialen Formationen und politischen Fraktionen überhaupt noch als soziale Repräsentanz des Paktes und politische Inkorporation des Vereins aufbieten und in Dienst nehmen?
Im militärischen Korpus findet der Nationalsozialismus die authentische Verkörperung des bismarckschen Sozialpakts. Mittels Dolchstoßlegende exkulpiert er es von aller Schuld an der Niederlage im Weltkrieg und denunziert gleichzeitig die zivilen Repräsentanten der bürgerlichen Gesellschaft als für die Niederlage verantwortlich, womit er den Grund für sein zentrales Projekt legt, das militärische Korpus an die Stelle der zivilen Repräsentanz der bürgerlichen Gesellschaft treten zu lassen und letztere zu einem personalen Reservoir und materialen Zeughaus für ersteres zu degradieren.
Die Antwort auf die für ihren Anspruch, nicht bloß romantisch-regressive Beschwörung zu praktizieren, sondern durchaus ein politisch-aggressives Programm zu verfolgen, mit anderen Worten, nicht bloß vergangenheitssüchtig, sondern zukunftsträchtig zu sein, entscheidende Frage, liefert der nationalsozialistischen Bewegung der Krieg, der sich hier einmal mehr als der Vater aller Dinge inszeniert, indem er nämlich mit der Streitmacht, die er mobilisiert, jenen doppelsinnig-sprichwörtlichen Speer ins Feld führt, der zwar zum einen durch das, was er tut und verübt oder vielmehr nicht verübt, der Nation ihre qua Republik schwärende Wunde schlägt, zum anderen aber auch mit dem was, er ist und verkörpert, sich als das Antidot offeriert, das die republikanische Wunde wieder zu schließen und zu heilen verspricht. Was der Staat aus den Reihen der bürgerlichen Gesellschaft egal rekrutiert, aus ihrem Fundus ohne Ansehung seiner Klassenstruktur, ohne Rücksicht auf Besitzstand und soziale Stellung, personell aushebt, um es nach seinem Gebot, unter seiner Befehlsgewalt institutionell zu formieren, es als Apparat für die kriegerische Auseinandersetzung mit seinesgleichen, als Instrument für die staatliche Selbstbehauptung, die Sicherung beziehungsweise Bekräftigung der eigenen Existenz, herzurichten und zur Verfügung zu haben – das ist laut nationalsozialistischem Befund exakt das als militärisches Korpus firmierende gesellschaftliche Organ, dessen es bedarf, um dem Sozialpakt alias Nationalbund deutscher Schmiedekunst und Zurüstung eine gegen arbeiterschaftlicher Unterminierung gefeite und von bürgerlicher Korrumpierung freie Vergegenständlichung und Verkörperung zu verleihen und ihm so eben die historische Haltbarkeit und empirische Gediegenheit zu sichern, die, solange er sich durch personelle Formationen und fraktionelle Institutionen der bürgerlichen Gesellschaft selbst repräsentiert beziehungsweise in ihnen inkorporiert findet, deren Infiltration mit sozialdemokratisch-programmatischen, kurz, abwegigen Intentionen und Infektion durch liberalbürgerlich-privative, kurz, widersetzliche Interessen ihm verweigern beziehungsweise entziehen.
Nicht die programmatischen Assoziationen und parteilichen Formationen, die im Normalfall staatlichen Waltens, unter zivilen Bedingungen, die wahlberechtigte und selbstbestimmte bürgerliche Gesellschaft als ihr eigenes Geschöpf und Abbild initiiert und organisiert, um mit ihnen Staatsämter zu bekleiden und zu besorgen, zu besetzen und auszufüllen und so dem als herrschaftliches Existenzial alias kategorisches Transzendental, mit anderen Worten als unaufhebbares Relikt und unverzichtbares Wahrzeichen kommunaler Verbundenheit und intentionalen Zusammenhalts firmierenden Staat demokratisch beizuspringen und republikanisch aufzuhelfen, sprich, seinem historisch spezifizierten Sein Leben einzuhauchen und seinem empirisch diversifizierten Tun Sinn zu verleihen – nicht also diese programmatischen Assoziationen und parteilichen Formationen aus dem Schoße der bürgerliche Gesellschaft, sondern die soldatischen Korps und militärischen Verbände, die für den Notfall staatlicher Bedrängnis, in Voraussicht beziehungsweise im Angesicht einer ihm als solchem drohenden funktionellen Ausschaltung oder strukturellen Auflösung, der Staat als wehrpflichtige Kontingente, will heißen, als ihm von der bürgerlichen Gesellschaft tribuierte und von ihm aus der bürgerlichen Gesellschaft extrahierte, will heißen, von ihm als sein ganz und gar eigenes Organ, als sein sprichwörtlich starker Arm appropriierte und adoptierte Streitmacht und Schutztruppe in Bereitschaft hält beziehungsweise ins Feld führt – diese soldatischen Korps und militärischen Verbände also sind es, die die nationalsozialistische Bewegung als geeignete Repräsentanten des wiederherzustellenden und haltbar zu machenden bismarckschen Sozialpakts ins Auge fasst und die sie als belastbare Garanten des zu erneuernden und womöglich zu verewigenden Nationalbunds vorsieht, den der als führerschaftliche Macht figurierende herrschaftliche Staat mit der von ihm als gefolgschaftliches Volk identifizierten bürgerlichen Gesellschaft schließt.
Aber können die vom Staat als seine Kreatur aus der bürgerlichen Gesellschaft ausgelesenen soldatischen Korps und militärischen Verbände tatsächlich besser und vor allem wirksamer den Bismarckschen Sozialpakt repräsentieren und den bündischen Nationalverein inkorporieren als die programmatischen Assoziationen und parteilichen Formationen, die die bürgerliche Gesellschaft selbst als ihre hauseigenen Geschöpfe ins Leben ruft, um sie zwecks Geltendmachung ihrer programmatischen Intentionen beziehungsweise Verteidigung ihrer privativen Interessen sich im Staat engagieren und ihm bei seinen Geschäften je nach Lage der Dinge beziehungsweise Verteilung der Kräfte zur Hand gehen oder die Hand führen zu lassen? Hat das als kreatürliche Ausgeburt des Staats firmierende diktatorisch-militärische Handeln und Entscheiden wirklich eher das Zeug dazu und ist es besser gerüstet, dem zwischen führerschaftlich-starkem Staat und gefolgschaftlich-bürgerlicher Gesellschaft geschlossenen Sozialpakt, dem aus beiden eine verschworenen Gemeinschaft schmiedenden Nationalverein, die Haltbarkeit zu verleihen und die bleibende Geltung zu sichern, die ihm, wie das Fiasko, in dem das deutsche Kaiserreich geendet hat, zur Genüge beweist, das als kreatives Geschöpf der bürgerlichen Gesellschaft fungierende demokratisch-parlamentarische Verhandeln und Vergleichen nicht hat verschaffen, geschweige denn erhalten können?
Ist die aus der bürgerlichen Gesellschaft rekrutierte militärische Kreatur des Staats nicht ebenso demoliert und diskreditiert aus dem verlorenen Weltkrieg hervorgegangen wie das qua parlamentarische Demokratie von der bürgerlichen Gesellschaft selbst generierte politische Geschöpf, und hat erstere sich nicht sogar noch stärker blamiert und entschiedener disqualifiziert als letzteres, da ja mit Ausbruch des Krieges ihr die alleinige Aufgabe zufiel und es ihre monopole Pflicht war, den völkischen Sozialpakt alias bündischen Nationalverein Bismarckschen Zuschnitts beziehungsweise wilhelminischen Gepräges lebendig und intakt zu erhalten und die auf ihn eingeschworene Gemeinschaft deutscher Zunge und Kultur gegen eine Welt von Feinden sich behaupten und mehr noch über ihre industriegesellschaftlichen Konkurrenten, die ihr als liberalistisch-republikanische Staatswesen im Wege stehenden kapitalistischen Widersacher triumphieren zu lassen? Wie sollte sich wohl von ihr, die sich ihrer Aufgabe so wenig gewachsen gezeigt, ihre Pflicht so wenig zu erfüllen vermocht hat, erhoffen, geschweige denn erwarten lassen, dass sie nun plötzlich die Eignung besitzt beziehungsweise Tauglichkeit beweist, den wiederherzustellenden Sozialpakt so effektiv, wie nötig, zu repräsentieren und in Erscheinung treten zu lassen, den zu erneuernden Nationalverein so adäquat, wie erforderlich, zu inkorporieren und in die Tat umzusetzen?
Aus diesem erfahrungspraktischen Dilemma, mit dem der verlorene Krieg sie unvermeidlich konfrontiert, wenn sie die Forderung erhebt, die durch die bürgerliche Gesellschaft generierte demokratisch-parlamentarische Öffentlichkeit durch die vom Staat aus der bürgerlichen Öffentlichkeit extrahierte soldatisch-militärische Streitmacht in der Bedeutung und Funktion einer effektiven Repräsentanz des bismarckschen Sozialpakts beziehungsweise adäquaten Verkörperung des wilhelminischen Nationalverbunds zu substituieren – aus diesem erfahrungspraktischen Dilemma befreit oder, wenn so will, eskamotiert sich die nationalsozialistische Bewegung durch den Rückgriff auf eine verschwörungstheoretische Auskunft, die als rationalisierende Rechtfertigung seiner Niederlage, als ausflüchtige Erklärung seines Scheiterns auf dem Schlachtfeld, das Militär selbst unmittelbar nach Kriegsende in die Welt setzt und die seitdem nicht nur in chauvinistisch-reaktionären, sondern durchaus auch in nationalkonservativen Kreisen als kommode und sich deshalb wachsender Beliebtheit erfreuende Begründung für den Kollaps des Kaiserreichs grassiert. Gemeint ist die sogenannte Dolchstoßlegende, die Moritat von der Behinderung und Entmutigung der militärischen Streitmacht durch die parlamentarische Öffentlichkeit, das Märchen davon, wie das demokratische Hin und Her der soldatischen Zielstrebigkeit in den Rücken gefallen sei und sie verraten, ihr, der an der Kriegsfront Operierenden, die Solidarität und Unterstützung der Heimatfront entzogen und sie so wie Delilah den Samson entscheidend geschwächt, sie von ihrem völkischen Kraftquell abgeschnitten, sie aus ihrer Verankerung im nationalen Kollektiv herausgerissen und so als eine Art fünfte Kolonne sie zu Fall gebracht und in die Kapitulation getrieben habe.
Dabei erweist sich die Dolchstoßlegende als gleichsam maßgeschneidert für die programmatische Geschichtsschreibung alias ideologische Zukunftsprojektion der nationalsozialistischen Bewegung, weil sie nicht nur besagtes erfahrungspraktisches Dilemma aus der Welt schafft und der Bewegung nämlich nicht nur erlaubt, die von ihr als effektive Repräsentanz des Sozialpakts beziehungsweise adäquate Verkörperung des Nationalvereins hochgehaltene militärische Streitmacht von allem Verdacht der Unzulänglichkeit freizusprechen und von jeglichem Vorwurf des Versagens zu exkulpieren, sondern uno actu dieser Reinwaschung der Streitmacht, dieses ihr ausgestellten Tauglichkeitsattests, die Rechtfertigung dafür liefert, ihre zivile Gegenspielerin, die als Wahrnehmerin des Sozialpakts, als Gewährleisterin des Nationalvereins, wenn nicht aktuell, so jedenfalls doch potenziell zur soldatisch-militärischen Macht alternative demokratisch-parlamentarische Öffentlichkeit, zu ostrazieren und im die Verbannung oder, besser gesagt, zum Teufel zu schicken. So gewiss die Dolchstoßlegende das Ungenügen der militärischen Aufführung der kaiserlichen Streitmacht und ihre schließliche Niederlage mit der Unzuverlässigkeit und Wankelmütigkeit beziehungsweise dem Verrat und Abfall der als demokratisch-parlamentarische Heimatfront letzterer doch eigentlich Rückhalt zu geben und Deckung zu bieten, kurz, hinter ihr zu stehen berufenen politischen Parteien und zivilen Verbände im eigenen Land begründet, so gewiss suggeriert die Legende, dass ohne jene Verweigerungshaltung beziehungsweise Abfallneigung der Heimatfront, metaphorisch gesprochen also, ohne deren Dolchstoß, die kaiserliche Streitmacht sich effektiver hätte zur Geltung bringen und mit Erfolg durchsetzen und also einen anderen und glücklicheren Ausgang des militärischen Ringens herbeiführen, sprich, den Sieg erringen können.
Und diese in der Dolchstoßlegende implizierte Suggestion oder vielmehr mit ihr artikulierte Proposition liefert nun der nationalsozialistischen Bewegung die Argumentationshilfe für ihre den bloß romantisch-regressiven Beschwörungsgestus in eine vielmehr polemisch-aggressive Handlungsanweisung übersetzende Forderung nach einer Wiederherstellung des bismarckschen Sozialpakts ohne Beteiligung der sozialen Parteien und zivilen Verbände beziehungsweise nach einer Erneuerung des wilhelminischen Nationalverbunds ohne Mitwirkung der als bürgerliche Öffentlichkeit das republikanische System bildenden demokratischen Formationen und parlamentarischen Institutionen, liefert mit anderen Worten der nationalsozialistischen Bewegung ihre zur dezisionistischen Entschlossenheit geratende fanatische Überzeugung, dass eine Wiederherstellung des Sozialpakts beziehungsweise Erneuerung des Nationalvereins nur gelingen und von Erfolg gekrönt sein kann, wenn zuvor oder zugleich die bürgerliche Öffentlichkeit aus der zwischen Gesellschaft und Staat aufgestellten Gleichung nicht nur als relevanter Faktor, sondern mehr noch als existentes Faktum getilgt ist, wenn mithin das demokratisch-parlamentarische Geschöpf der bürgerlichen Gesellschaft durch die soldatisch-militärische Kreatur des Staats nicht bloß abgelöst und abgesetzt, sondern mehr noch abgefertigt und abgestellt, die alte zivile Repräsentanz des Sozialpakts durch dessen neue militärische Inkorporation nicht bloß ersetzt und ausgebootet, sondern mehr noch verdrängt und ausgelöscht ist.
Dass diese fundamentale Revision des Verhältnisses zwischen bürgerlich-liberaler Gesellschaft und herrschaftlich-starkem Staat, diese Erklärung und Erhebung der militärischen Macht zur wahren Vermittlungsinstanz und in der Tat zum einzigen Verbindungsglied zwischen beiden, und die daraus folgende radikale Ablehnung und Bekämpfung der sich in Sachen Vermittlung und Verbindung als Alternative zur militärischen Macht gerierenden und aber letztere höchstens und nur zu unterminieren und in ihrer Effektivität zu korrumpieren geeigneten demokratischen Ordnung – dass diese fundamentale Proposition der militärischen Macht und radikale Refutation der demokratischen Ordnung die beiden miteinander vermittelten Körperschaften beziehungsweise verbundenen Organismen, die bürgerliche Gesellschaft und den herrschaftlichen Staat gleichermaßen, nicht minder fundamental tangieren und nicht weniger radikal alterieren muss, lässt sich unschwer einsehen.
Mit seiner militärischen Kreatur alleingelassen und nicht weniger in seinem Beginnen auf sie beschränkt und ausgerichtet, als in seinem Bestand nurmehr auf sie gestellt und angewiesen, begibt sich der Staat seiner der demokratischen Ordnung Rechnung zu tragen bestimmten zivilen Verfassung und seiner den parlamentarischen Ansprüchen Genüge zu leisten gehaltenen ministeriellen Verpflichtung und kehrt die bornierte Fasson und strikte Disziplin eines militärischen Führers alias Generals beziehungsweise soldatischen Ausbilders alias Korporals hervor, der bloß noch den Anforderungen und dem Bedarf der ihm als Reflexiv seiner soldatischen Bornierung die Hand reichenden oder vielmehr den Hitlergruß entbietenden Streitmacht gerecht zu werden strebt, sich bloß noch um das Wohl und Wehe des ihm als Objektiv seines disziplinarischen Regimes zu Gebote stehenden und zur Hand gehenden, sprich, unter dem falschen Etikett einer Wehrmacht angriffsbereiten, zur Offensive gerüsteten bewaffneten Aggressors besorgt zeigt.
Und diese zirkuläre Reflexion des Staats in sich als zur Gänze okkupierter Heger und Pfleger des von ihm als sein narzisstischer Inkubus ins Leben gerufenen soldatischen Kampfmittels, diese seine Objektivierung als vollberuflicher Ausbilder und Befehliger des von ihm als seine fetischistische Ausgeburt in die Welt gesetzten militärischen Korps – sie lässt nun eigentlich gar keine Aufgabe und Bestimmung mehr für die andere Seite der vermittels des letzteren aufgestellten Gleichung, nämlich für jenen als bürgerliche Gesellschaft fungierenden Term, den mit dem Term des herrschaftlichen Staates sozialpaktiert zusammenzuschließen beziehungsweise nationalvereint zusammenzuschmieden das soldatische Kampfmittel alias militärische Korps nach der fanatischen Überzeugung und dem dezisionistischen Willen der nationalsozialistischen Bewegung ausersehen ist. Vom reflexiven Narzissmus des um seine militärische Kreatur kreisenden Staates aller demokratischen Mitwirkung beraubt und um jegliche parlamentarische Einflussnahme gebracht und also vom objektiven Fetischismus des auf seine soldatische Ausgeburt fixierten Einheitswahrers und Hüters des Gemeinwesens organisatorisch marginalisiert und ins politische Abseits gedrängt, verliert die bürgerliche Gesellschaft, die in Klassen sortierte lohnarbeitende, Gehalt empfangende und Einkünfte beziehende Bevölkerung des als herrschaftliches Territorium definierten Staatsgebiets jegliche qualitative Bedeutung für diese in ihrer Streitmacht aufgehende Staatsmacht, büßt sie alle dieses Staatswesen, das sich zur Gänze in seinem Militärwesen wiederfindet, betreffende konstitutive Funktion und nimmt den Charakter oder vielmehr die Charakterlosigkeit eines schieren Haufens an, gewinnt die Physiognomie oder vielmehr Gesichtslosigkeit einer zur Volksmasse entmischten Menschenmenge.
Die einzige Aufgabe und Bestimmung, die der vom soldatisch-kreatürlichen Reflexiv, in das der Staat nationalsozialistischer Projektion versunken ist, als qualitatives Element verdrängten, vom militärisch-ausgeburtlichen Objektiv, an das er sich verloren hat, als konstitutiver Faktor verworfenen bürgerlichen Gesellschaft hiernach bleibt, ist die Rolle einer Rekrutierungsbasis, eines für Aushebungen zur Verfügung stehenden Reservoirs, ist mit anderen Worten die Aufgabe, das für die Herstellung und Erhaltung des soldatischen Kampfinstruments erforderliche Personal zu liefern, die für die Aufstellung und Auffüllung des militärischen Korps nötige Masse an Menschen beizusteuern.
Als all ihrer qualitativen Differenzierung und konstitutiven Klassifizierung entkleidete Volksmasse reduziert sich in der die romantische Regression auf die vaterländisch-staatsbürgerliche Gemeinschaft der Vorkriegszeit zu einer polemischen Aggression gegen die republikanisch-bürgerliche Gesellschaft der Nachkriegszeit aktualisierenden dezisionistischen Projektion der nationalsozialistischen Bewegung diese republikanisch-bürgerliche Gesellschaft auf die rudimentäre Funktion, als Flöz und Mine für den Abbau und die Gewinnung des zur Schaffung und Bestückung des soldatischen Apparats erforderlichen Rohstoffs Mensch beziehungsweise als Zeughaus und Bezugsquelle für die zur Einrichtung und zum Betrieb der militärischen Maschinerie nötigen personalen Bau- und Ersatzteile zu dienen.
Dass das nationalsozialistische Regime sie in der Rolle des staatstragenden Subjekts durch das militärische Korpus ersetzt, will es der bürgerlichen Gesellschaft dadurch schmackhaft machen, dass es ihr rassische Ursprünglichkeit und völkische Unverfälschtheit andichtet. Der Gesichts- und Charakterlosigkeit, der es sie damit überantwortet, sucht es damit begegnen, dass es sie nach dem Bilde des militärischen Korpus ummodelt, sie paramilitärisch umrüstet. Von ihrer paramilitärischen Reorganisation verspricht es sich in dreifacher Hinsicht, nämlich systematisch-strukturell, praktisch-intentional und ideologisch-dispositionell, Nutzen für sein historisches Projekt.
Dass solche Reduktion auf eine aller sozialen Qualifikation und Differenzierung entbehrende und um jegliche konstitutive Bedeutung für das Staatswesen, geschweige denn konstruktive Beteiligung an ihm, gebrachte Volksmasse, die ihr die nationalsozialistische Bewegung ansinnt, der republikanisch-bürgerlichen Gesellschaft nicht ohne weiteres schmackhaft zu machen ist und im Zweifelsfall, sprich, im Normalfall zivilgeschäftlicher Alltäglichkeit und friedenszeitlicher Auskömmlichkeit ihren Widerwillen erregen beziehungsweise ihr übel aufstoßen muss, lässt sich unschwer voraussehen. Um diesen naturgemäß zu erwartenden und nämlich als natürliche Reaktion auf den Verlust an Qualität und Realität, der ihr angesonnen wird, begreiflichen Widerwillen der republikanisch-bürgerlichen Gesellschaft zu überwinden und sie dennoch auf den Geschmack zu bringen, sucht ihr die nationalsozialistische Bewegung diese ihre sie als sozialen Organismus fundamental disqualifizierende Reduktion und sie als politischen Akteur radikal depotenzierende Demontage als uno actu historische Originalisierung und empirische Substantialisierung zu verkaufen. Die Gesichts- und Charakterlosigkeit, in der sie die als reine personale Rekrutierungsbasis, als bloßes menschliches Einzugsgebiet und Aushebungsreservoir für die staatliche Repräsentanz des Sozialpakts, die behördliche Inkorporation des Nationalverbunds, die Streitmacht, reklamierte bürgerliche Gesellschaft vorstellig werden lässt, bemüht sie sich, letzterer dadurch annehmlich oder jedenfalls hinnehmbar zu machen, dass sie dem Mangel an historischem Gesicht den Nimbus rassischer Ursprünglichkeit attestiert, dem Fehlen von empirischem Charakter die Bedeutung völkischer Unverfälschtheit zuspricht.
Den Mangel an Gesicht und Charakter, den sie der in einen Steinbruch für die Militärkaserne, in deren Aufführung und Unterhaltung sie den Staat seine zentrale Aufgabe und sein kapitales Geschäft finden lässt, mutierten bürgerlichen Gesellschaft zumutet, sucht die nationalsozialistische Bewegung dadurch zu kompensieren, dass sie jener anstelle ihres historischen Gesichts, ihrer zeitgemäßen Physiognomie, ein urtümliches Schema, einen archaischen Typus verpasst, ihr statt ihres empirischen Charakters, ihrer profanen Agenda, eine kultische Maske, eine sakrale Persona überstülpt. Freilich ist es damit, dass sie das historische Gesicht der bürgerlichen Gesellschaft hinter einer kultischen Maske verschwinden lässt, ihren empirischen Charakter durch eine sakrale Persona eskamotiert, nicht getan. Die Gesichts- und Charakterlosigkeit, deren sie in der Konsequenz der narzisstischen Fixierung des Staates auf seine soldatische Wehrhaftigkeit, seiner fetischistischen Objektivierung in seiner Streitmacht, die bürgerliche Gesellschaft überführt, erfüllt bei aller ihr attestierten Ursprünglichkeit und Archaik und bei aller für sie reklamierten Urtümlichkeit und Unverfälschtheit doch nur erst den Tatbestand eines ebenso abstrakten wie leeren Schematismus, einer nicht weniger fleisch- als geistlosen Stereotypie. Um die kultische Maske als täuschend echte Alternative zur historischen Physiognomie, die sakrale Persona als eskamotistisch wahres Wesen der profanen Agenda in Szene setzen zu können, muss deshalb die nationalsozialistische Bewegung dem maskenhaft-abstrakten Schema eine quasiorganische Konkretisierung vindizieren, dem inhaltslos-figuralen Typus eine quasilebendige Strukturierung verpassen.
Woher aber soll sie diese dem bei all seiner rassischen Archaisierung maskenhaft-inhaltslosen Abstraktum eine quasiorganische Gestalt zu vindizieren geeignete Konkretisierung nehmen? Worauf kann sie zurückgreifen, um diese dem bei all seiner völkischen Sakralisierung fleisch- und geistlosen Stereotyp eine quasilebendige Bestimmung zu verpassen taugliche Struktur ins Werk zu setzen? Was sonst steht ihr für solch quasiorganische Konkretisierung beziehungsweise quasilebendige Strukturierung der von ihr zum Steinbruch entorganisierten, zum Aushebungsreservoir amorphisierten bürgerlichen Gesellschaft zur Verfügung als eben die zum echten Repräsentanten des bismarckschen Sozialpakts, zur wahren Inkorporation des deutschen Nationalverbunds erkorene militärische Ausgeburt des Staats, eben die qua Wehrmacht staatlichem Narzissmus entspringende und staatlichem Fetischismus entsprechende Streitmacht, um derentwillen sie, die nationalsozialistische Bewegung, ihr, der bürgerlichen Gesellschaft, jegliche den Sozialpakt und Nationalverbund betreffende konstitutionelle Repräsentationsleistung und institutionelle Inkorporationsfunktion streitig zu machen und sie stattdessen ins Bockshorn eines rassischen Schematismus zu jagen und hinters Licht völkischer Stereotypie zu führen bereit ist?
Was bleibt mit anderen Worten der nationalsozialistischen Bewegung, will sie das rassische Schema, auf das sie die bürgerliche Gesellschaft reduziert, als eine Art von organischer Gestalt geltend machen beziehungsweise dem völkischen Stereotyp, zu dem sie die bürgerliche Gesellschaft eskamotiert, eine quasi lebendige Struktur vindizieren – was bleibt ihr da anderes übrig, als (ganz im Sinne des vielbemühten paradoxen Speers, der die Wunde, die er schlägt, auch wieder heilt) den Spieß kurzerhand umzudrehen und sie, die rassisch schematisierte bürgerliche Gesellschaft, nach dem Bilde eben des soldatischen Apparats zu formen und zu gestalten, um dessentwillen sie sich ihrer demokratischen Ordnung beraubt und jenem abstrakten Schematismus des Rassenkults preisgegeben findet, mit anderen Worten an ihr, der völkisch stereotypisierten bürgerlichen Gesellschaft, das als Maßnehmen wohlverstandene Exempel eben jener militärischen Maschinerie zu statuieren, der zuliebe sie sich um ihre zivile Verfassung gebracht und der leeren Stereotypie des völkischen Mythos preisgegeben zeigt?
Um der zur originalen Rasse ebenso sehr disqualifizierten wie homogenisierten beziehungsweise zum substanziellen Volk ebenso sehr amorphisierten wie nivellierten bürgerlichen Gesellschaft deutscher Zunge und Kultur eine Art von organischer Gestalt beziehungsweise lebendiger Struktur zu vindizieren, hat die nationalsozialistische Bewegung demnach gar keine andere Wahl, als an das rassische Schema die soldatische Schablone anzulegen, das völkische Stereotyp in die militärische Matrix zu pressen, kurz, die rassisch homogenisierte beziehungsweise völkisch nivellierte bürgerliche Gesellschaft einer kriegsdisziplinarischen Rekonstruktion zu unterziehen, sie paramilitärisch zu reorganisieren. Dabei gereicht diese paramilitärische Reorganisation, die die nationalsozialistische Bewegung der disqualifizierten und demontierten bürgerlichen Gesellschaft nach dem Bilde und Exempel der im Interesse einer Wiederherstellung des bismarckschen Sozialpakts beziehungsweise Erneuerung des wilhelminischen Nationalverbunds sie als demokratische Handreicherin beziehungsweise parlamentarische Handführerin des Staates ausschaltenden und verdrängenden eingeborenen Kreatur des Staats, der zur Wehrmacht existenzialisierten Streitmacht, angedeihen zu lassen beansprucht, der von der Bewegung auratisch in Aussicht gestellten oder jedenfalls blendend an die Wand gemalten rassischen Nation oder Volksgemeinschaft, zu der die bürgerliche Gesellschaft in der wundersamen Konsequenz ihrer Disqualifizierung und Demontage mutiert, unter mehrfachem Aspekt zum Vorteil und erweist sich nämlich als gleichermaßen in systematisch-struktureller, praktisch-intentionaler und ideologisch-dispositioneller Hinsicht von Nutzen.
Systematisch-strukturell kompensiert sie das zur Schieflage geratende Ungleichgewicht, in dem die narzisstische Konzentration des Staats auf seine eingeboren-soldatische Kreatur, seine fetischistische Fixierung auf seinen militärischen Inkubus insofern resultiert, als sie die Vertragspartnerin, mit der der Staat den Sozialpakt ja eigentlich schließt, die Sozialformation, mit der er sich ja eigentlich per Nationalverbund verschwört, eben die bürgerliche Gesellschaft, um ihr historisches Gesicht und ihren empirischen Charakter bringt, sie als eigenständigen Organismus demontiert, als lebendiges Subjekt disqualifiziert, um sie im Sinne der obigen Steinbruch-Metapher auf eine Art von Organspender für jene eingeboren-soldatische Kreatur des Staates zu reduzieren, sie quasi zu einem Ersatzteillager für jenen den Staat okkupierenden militärischen Inkubus zu degradieren. Aus einem bloß passiv Nachschub für das militärische Bauwerk liefernden, es bloß rohstofflich supplementierenden Steinbruch avanciert die paramilitärisch reorganisierte bürgerliche Gesellschaft zu einem das Bauwerk fertigungstechnisch materialisierenden und ihm so aktiv Vorschub leistenden Zeughaus. Statt dem staatlichen Fetisch, der als Wehrmacht in Staat sich werfenden Streitmacht, bloß als Organspender alias Ersatzteillager willenlos zur Verfügung zu stehen, dient sich die kriegsdisziplinarisch rekonstruierte bürgerliche Gesellschaft vielmehr dem Staat als seinen Fetisch freiwillig inkubierende Brutstätte, als seine Wehrmacht aus eigenen Stücken generierende Gebärmutter an.
Und wie ihre paramilitärische Reorganisation die zur nationalen Rasse abstrahierte, zur Volksgemeinschaft amorphisierte bürgerliche Gesellschaft mit dem wehrmächtigen, in seinem soldatischen Reflexiv narzisstisch kompletten, in seiner militärischen Fixierung fetischistisch totalen Staat systematisch-strukturell ins Lot und in Einklang bringt, ihr anstelle ihres verlorenen historischen Gesichts und ihres verworfenen empirischen Charakters eine staatlichen Ansprüchen korrespondierende Gestalt und eine mit staatlichen Vorhaben kompatible Konstitution verleiht, so lässt diese ihre kriegsdisziplinarische Rekonstruktion die bürgerliche Gesellschaft auch und mehr noch praktisch-intentional dem staatlichen Sinnen und Trachten, der Staatsraison, wie man will, entgegen- oder nachkommen und schwört sie nämlich ein beziehungsweise richtet sie ab auf den der soldatischen Kreatur eingeschriebenen strategischen Zweck, den machtpolitischen Sinn und Nutzen, den der Staat mit dem ihm am Herzen liegenden oder, besser gesagt, als sein Herz firmierenden militärischen Inkubus verknüpft. In dem Maße, wie es der nationalsozialistischen Bewegung gelingt, die bürgerliche Gesellschaft der rassischen Gesichts- und völkischen Charakterlosigkeit, in der sie sie erst einmal versinken lässt, gleich anschließend wieder zu entreißen und sie besagter paramilitärischer Reorganisation alias kriegsdisziplinarischer Rekonstruktion zu unterziehen, kann der von ihr zur soldatischen Fahne gerufene und in militärischen Harnisch gebrachte Staat auf dieses kriegsdisziplinarisch reklamierte und paramilitärisch rekrutierte Volk nicht bloß als auf ein sein Herzstück, die Wehrmacht, fundierendes und affirmierendes Passivum bauen, sondern mehr noch als auf ein diesem seinem Inkubus sekundierendes und ihn promovierendes Aktivum zählen und kann er mit anderen Worten die vormals bürgerliche Gesellschaft nicht nur als dem militärstrategischen Vorhaben und machtpolitischen Bestreben, das er mit seinem Inkubus verfolgt, nicht im Wege stehende und vielmehr Raum gebende Beiwohnerin und Mitläuferin systematisch-strukturell in Rechnung stellen, sondern darüber hinaus als diesem seinem Vorhaben Sukkurs gewährende und Vorschub leistende Teilhaberin und Mitstreiterin praktisch-intentional zum Tragen bringen.
Und zum Dritten und zu allem Überfluss erweist sich die paramilitärische Reorganisation der zur reinen Rasse abstrahierten beziehungsweise zur völkischen Gemeinschaft amorphisierten bürgerlichen Gesellschaft deutscher Zunge und Kultur auch noch unter ideologisch-dispositionellen Gesichtspunkten als von Nutzen. Mag die in der Logik und Konsequenz des Avancements der Streitmacht zur ebenso staatskreatürlich authentischen wie staatseigen alleinigen Repräsentantin des Sozialpakts und Verkörperung des Nationalverbunds gelegene Entbindung der bürgerlichen Gesellschaft von aller programmatisch-demokratischen Verantwortung und parteilich-parlamentarischen Mitwirkung und ihre nominale Demontage zu einem urtümlich-rassischen Agglomerat beziehungsweise ihre figurale Reduktion auf eine archaisch-völkische Masse zwar die chauvinistisch-reaktionären und romantisch-regressiven Gruppen des Bürgertums und im Zweifelsfall, im Falle ihrer zur panischen Verzweiflung sich auswachsenden chronischen Zweifel an der Republik, auch die nationalkonservativen und nationalliberalen bürgerlichen Kreise ansprechen und sich ihnen als ein Ausweg aus der ebenso Ressentiment erregenden wie Eigentum und Status gefährdenden republikanischen Misere suggerieren, den sozialdemokratischen und liberalreformerischen Bevölkerungsteilen sagt diese mit ihrer politischen Suspendierung und Abdankung einhergehende nominale Demontage und figurale Reduktion der bürgerlichen Gesellschaft deshalb noch lange nicht zu!
Als bloß nominal nämlich erweist sich die als historischer Gesichtsverlust erscheinende rassische Demontage der bürgerlichen Gesellschaft insofern, als sie deren ökonomisch-reale Struktur, das mit ihr gesetzte und von ihr geschützte private Eigentum an den natürlichen Unterhaltsquellen und gesellschaftlichen Ressourcen nicht nur unangetastet lässt, sondern mehr noch unter dem Deckmantel ihres fundamentalistischen Demontierens reproduziert und reaffirmiert. Und als bloß figural stellt sich die als empirische Nivellierung inszenierte völkische Reduktion der bürgerlichen Gesellschaft in dem Sinne heraus, dass sie deren ständisch-soziale Ordnung, den in jener ökonomisch-realen Struktur fundierten und durch sie determinierten persönlichen Anspruch der Bürger auf Geltung und Macht, Status und Einfluss, nicht nur bestehen lässt, sondern vielmehr hinter der Camouflage ihres revisionistischen Nivellierens gutsagt und festschreibt.
Für die auf Eigentumserhalt und Statussicherung, auf Erhaltung ihrer materialen Basis und Sicherung ihrer sozialen Stellung, pochende bürgerliche Klasse sind dieser unter dem Rassenwahn versteckte, die Eigentumsverhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft, ihre ökonomische Struktur, reaffirmierende Realismus und dieser hinter dem Volksmythos kaschierte, die Standesunterschiede in der bürgerlichen Gesellschaft, ihre klassengesellschaftliche Ordnung, fortschreibende Traditionalismus die unverzichtbare Bedingung dafür, dass ihre nationalliberalen, chauvinistisch-reaktionären und romantisch-regressiven Kreise jenem von der nationalsozialistischen Bewegung propagierten Konzept einer rassentypisch demontierten, volksgemeinschaftlich nivellierten bürgerlichen Gesellschaft überhaupt ihre Zustimmung geben beziehungsweise Gefolgschaft leisten können. Für die sozialdemokratische und sozialistische Arbeiterschaft sowie für die liberalreformerischen Gruppen aus dem Bürgertum hingegen stellt dieser bloße Nominalismus der rassischen Demontage der bürgerlichen Gesellschaft, dieser bloße Figuralismus ihrer völkischen Reduktion einen jede Einlassung auf das nationalsozialistische Konzept, geschweige denn Befreundung mit ihm verhindernden Stolperstein dar. Schließlich sind für sie die Umwälzung beziehungsweise Umgestaltung der wirtschaftlichen Eigentumsverhältnisse und die daraus folgende Revision beziehungsweise Neuordnung der gesellschaftlichen Machtverteilung grundlegendes Anliegen und maßgebendes Programm.
Und von daher bildet ein der bürgerlichen Gesellschaft gemachter Demontage- und Reduktionsprozess à la nationalsozialistische Bewegung, dessen einziger Sinn und Zweck die Verdrängung und Ersetzung der demokratisch-parlamentarischen Einrichtungen, des zivilen Organismus, durch die Wehrmacht, das soldatisch-militärische Korps, in der Rolle der dem Staat gleichermaßen die Hand reichenden, zur Hand gehenden und die Hand führenden Repräsentanz und Verkörperung des Gemeinwesens ist – von daher bildet also dieser die bürgerliche Gesellschaft rassisch-völkisch heimsuchende Demontage- und Reduktionsprozess, der ökonomisch-real alles beim Alten belässt und insofern den Tatbestand bloßer Nominalität erfüllt beziehungsweise ständisch-sozial den Status quo unangetastet lässt und sich insofern in reiner Figuralität erschöpft, schwerlich ein für jene Gruppen attraktives und sie gar zum Mitmachen verlockendes Strategem.
Und genau hier kann nun aber die paramilitärische Reorganisation alias kriegsdisziplinarische Rekonstruktion der bürgerlichen Gesellschaft für Abhilfe sorgen und kann sie nämlich, indem sie bei allem wirtschaftlichen Realismus beziehungsweise Zynismus, dem ihre nationalsozialistischen Initiatoren huldigen, und bei allem gesellschaftlichen Traditionalismus beziehungsweise Autoritarismus, dem sie frönen, doch aber die bürgerliche Gesellschaft einer sie eindrücklich prägenden quasiegalitaristischen Kosmetik unterzieht und ihr ein sie nachdrücklich okkupierendes quasikommunalistisches Erscheinungsbild verpasst, sich als eine jenen linken Gruppierungen, die das nationalsozialistische Konzept einer zur Volksgemeinschaft mutierten bürgerlichen Gesellschaft als nominalistische Augenwischerei beziehungsweise als figuralistischen trompe-l'½il ablehnen oder befehden, gemachte Konzession und Versöhnungsofferte präsentieren und so denn, ideologisch-dispositionell zumindest, die Kluft zwischen jenen linken, auf eine tatsächliche ökonomische und soziale Umgestaltung beziehungsweise Neuordnung dringenden Gruppierungen der bürgerlichen Gesellschaft und deren rechten Formationen zu überbrücken, wo nicht zu schließen dienen, die jegliche Umgestaltung beziehungsweise Neuordnung nur als nominalistischen Vorwand und figuralistische Camouflage für die Aufrechterhaltung beziehungsweise Befestigung der gegebenen wirtschaftlichen Eigentumsverhältnisse und bestehenden gesellschaftlichen Machtverteilung zu akzeptieren und mitzutragen bereit sind.
Als quasiegalitaristisch erscheint dabei die von der nationalsozialistischen Bewegung propagierte und nach der Machtergreifung betriebene paramilitärische Reorganisation in dem Maße, wie sie das in der Streitmacht herrschende Prinzip der Gleichheit unter soldatischer Disziplin auf die bürgerliche Gesellschaft überträgt und zur Erfindung und Begründung eigener, seiner Ausübung und Pflege gewidmeter Vereine und Verbände nutzt. Und als quasikommunalistisch inszeniert sie sich insofern, als sie in diesen der Ausübung und Pflege soldatischer Disziplin gewidmeten Vereinen und Verbänden dem Erlebnis der Gemeinschaftlichkeit in der militärischen Kasernierung Raum und Geltung verschafft. Freilich ist, genau besehen, solch kriegsdisziplinarische Rekonstruktion der rassisch nivellierten und völkisch amorphisierten bürgerlichen Gesellschaft weder ihrer lebenspraktischen Fassungskraft noch ihrer wesensspezifischen Beschaffenheit nach in der Lage, den programmatischen Ansprüchen jener linken Gruppierungen auf einen das Gemeinwesen als ganzes implizierenden egalitären Wandel und eine es im Kern involvierende kommunale Erneuerung ernstlich zu genügen.
Was die lebenspraktische Fassungskraft der als Simulacrum sozialistischer Egalität suggerierten paramilitärischen Gleichschaltung betrifft, so bleibt letztere doch allemal nur ein auf die rassische Maske beschränktes und diese vermeintlich attraktiv modellierendes, mitnichten aber das, was sich dahinter verbirgt, die bürgerliche Gesellschaft selbst, sie in ihrer ausbeuterisch-kapitalprozessualen Struktur, tangierendes oder gar alterierendes Unterfangen. Und was die wesensspezifische Beschaffenheit der als Konterfei solidarischer Kommunalität inszenierten kriegsdisziplinarischen Gemeinschaftsstiftung angeht, so erfüllt letztere doch allemal nur den Tatbestand eines um die völkische Persona kreisenden und sie vorgeblich ansprechend artikulierenden, keineswegs aber auf das, was diese zu kaschieren dient, auf die bürgerliche Gesellschaft als solche, auf sie in ihrer privateigentümlich-ständischen Ungleichheit, ausgreifenden und Anwendung findenden Vorhabens.
Tatsächlich gerät, solchermaßen borniert auf die ideologisch-dispositionelle Aufgabe, der rassisch reduzierten alias völkisch amorphisierten bürgerlichen Gesellschaft auf dem Boden ihrer unangetasteten Ökonomie ein alternatives, sozialistische Egalität simulierendes politisches Erscheinungsbild zu verpassen beziehungsweise sie vor dem Hintergrund ihrer unveränderten Physiognomie mit anderen, solidarische Kommunalität prätendierenden Gesichtszügen zu versehen, jene paramilitärische Reorganisation alias kriegsdisziplinarische Rekonstruktion zu einem regelrecht vexierbildlichen Unterfangen und kreiert einen geradezu zerrspiegelartigen Effekt. Statt der simulierten sozialistischen Egalität, kollektiver Gleichrichtung, erzeugt sie einzig und allein militaristische Uniformität, die konspiratorische Mentalität privativer Gleichschaltung. Und statt der prätendierten solidarischen Kommunalität schafft sie nichts weiter als fraternalistische Tribalität, den nach Maßgabe des Zwanges, dem er entspringt, als Ungeist offenbaren Korpsgeist einer rekrutierten Bande.
Dass die in der paramilitärischen Umrüstung der bürgerlichen Gesellschaft erkennbare vexierbildliche Übernahme und zerrspiegelartige Nachbildung egalitärer Programmatik und kommunalitärer Projektion die damit verfolgte ideologisch-dispositionelle Absicht, den linken Gruppierungen, die solcher Programmatik und Projektion mehr oder minder dezidiert und ausdrücklich anhangen, das nationalsozialistische Konzept einer als Verstaatlichungsakt zu begreifenden politisch-militärischen Entmachtung und Amorphisierung der bürgerlichen Gesellschaft verdaulich werden zu lassen und gar schmackhaft zu machen, unter normalen Umständen, will heißen, unter Bedingungen eines als Gemeinwesen auch nur halbwegs ökonomisch leistungsfähigen und politisch funktionstüchtigen bürgerlichen Staatswesens, schwerlich verfangen und von Erfolg gekrönt sein kann, liegt demnach auf der Hand. Zu befremdlich und anstößig ist jenen linken Gruppierungen das die soziale Egalisierung nur als personale Uniformierung Wirklichkeit werden und den kommunalen Zusammenhalt bloß als tribales Fraternisieren Gestalt annehmen lassende nationalsozialistische Unterfangen, als dass sie, sofern die ökonomische Situation noch halbwegs erträglich und die politische Szene noch nicht außer Rand und Band ist und ihnen, mit anderen Worten, ökonomische Not und politisches Chaos noch nicht allen Durchblick rauben und massiv den Sinn verwirren, in solchem Unterfangen ihre Hoffnungen auf eine sozialistische Gesellschaft alias solidarische Gemeinschaft erfüllt finden könnten und nicht vielmehr verhöhnt und zur Unkenntlichkeit entstellt sehen müssten.
So sehr demnach die von der nationalsozialistischen Bewegung geplante paramilitärische Reorganisation beziehungsweise kriegsdisziplinarische Rekonstruktion als eine Rezeptur erscheinen mag, die systematisch-strukturell und praktisch-intentional ihrem Zweck entspricht und nämlich dazu taugt, die durch den monadologischen Sozialpakt, den der Staat mit seiner uno actu als Partner und Makler, Kontrahent und Agent des Pakts firmierenden eingeborenen militärischen Kreatur schließt, marginalisierte, um nicht zu sagen, exkommunizierte bürgerliche Gesellschaft in den Pakt zu reintegrieren und als wenn nicht konstitutiven, so jedenfalls doch konstruktiven Bestandteil des Pakts zu rehabilitieren, hinsichtlich der dritten, mit solch paramilitärischer Umrüstung verfolgten Absicht, der ideologisch-dispositionellen Zielsetzung nämlich, die bürgerliche Gesellschaft als ganze für den Umrüstungsprozess zu interessieren und zu gewinnen, will heißen, auch und vor allem ihre linken Gruppierungen, ihre sozialdemokratischen, liberalbürgerlichen und gar sozialistischen Kontingente am Umrüstungsprozess Gefallen finden und Anteil nehmen zu lassen – hinsichtlich dieser ideologisch-dispositionellen Zielsetzung ist der Erfolg entschieden zweifelhafter und in der Tat denkbar unwahrscheinlich. Allzu vexierbildlich uniformistisch und zerrspiegelhaft burschenschaftlich fällt dieser kriegsdisziplinarische Versuch aus, dem Verlangen jener linken Gruppierungen nach sozialistischer Gleichheit und solidarischem Zusammenhalt Genüge zu leisten, als dass letztere im Normalfall mehr darin sehen könnten als die Absicht, sie ideologisch für dumm zu verkaufen und dispositionell in die Pfanne zu hauen.
Und diese Unglaubwürdigkeit und fehlende Anziehungskraft der qua paramilitärische Umrüstung den linken Gruppierungen vorgespielten oder, besser gesagt, vorgespiegelten Quasisozialisierung beziehungsweise Pseudosolidarisierung des Gemeinwesens ist kein geringes Manko, da das linke Spektrum im Farbenbild der bürgerlichen Gesellschaft einen gewichtigen und, rein quantitativ gesehen, sogar dominierenden Bestandteil bildet und deshalb, was die politische Perspektive der nationalsozialistischen Bewegung, ihr Streben nach der Macht im Staate, angeht, ohne eine hinlängliche Zustimmung oder zumindest ausreichende Duldung von Seiten jener Gruppierungen an eine Realisierung dieser Perspektive, die nationalsozialistische Machtergreifung, gar nicht zu denken ist. Eben deshalb hat das nationalsozialistische Konzept einer polemisch pointierten, die politischen Parteien und zivilen Verbände der bürgerlichen Gesellschaft verwerfenden romantischen Regression auf eine vielmehr als völkische Gemeinschaft gesetzte bürgerliche Gesellschaft, die, mit dem Staat unmittelbar sozialpaktiert, sprich, rein militärisch mit ihm vermittelt, sich auf der Basis ihrer unangetasteten ökonomischen Struktur und ihres unveränderten sozialen Status quo die Maske fundamentaler politischer Erneuerung aufsetzt beziehungsweise in die Persona einer radikalen institutionellen Umgestaltung hüllt – eben deshalb hat dies polemisch-aggressiv gewendete romantisch-regressive Konzept nur überhaupt Aussicht auf Erfolg, wenn es gelingt, jenen Gruppierungen die rassische Maske als ihren Vorstellungen von sozialistischer Egalisierung entgegenkommende Inszenierung anzudienen, ihnen die völkische Persona als ihrer Forderung nach solidarischer Kommunalisierung korrespondierende Artikulation zu verkaufen.
Dass sich die nationalsozialistische Bewegung dessen durchaus bewusst, sich darüber im Klaren ist, dass ihre politische Karriere, ihr Aufstieg zur nach Maßgabe der Militarisierung des Staates mit der Staatsmacht deckungsgleichen Macht im Staat mit solchem die linken Gruppierungen betreffenden und als sprichwörtlicher Bärendienst erkennbaren Verkaufserfolg steht und fällt, erhellt bereits aus dem Namen, den sie sich gibt und mit dem sie beansprucht, ihre eigene und eigentliche Absicht, ihre wahnhafter Realitätsverleugnung entspringende nationalistische Mission, nämlich die Schöpfung einer bürgerlichen Gesellschaft, die im bündisch-regressiven Sozialpakt bismarckscher Provenienz, dessen alleinige Repräsentanz und ausschließliche Verkörperung die Streitmacht bildet, ebenso sicher verwahrt wie strikt befangen ist, mit dem von ihr zwecks Proselytenmacherei simulierten, als sekundäres Motiv adoptierten sozialistischen Anliegen, nämlich der Schaffung einer bürgerlichen Gesellschaft zu verknüpfen, um nicht zu sagen zu verknoten, die im systematisch-genauen Gegenteil ihren Zusammenhalt und ihre Einheit weder in den den Sozialpakt demokratisch-parlamentarisch zu stiften und zu garantieren gedachten alten politischen Parteien und sozialen Verbänden noch auch in der ihn soldatisch-militärisch zu schmieden und zu forcieren ausersehenen staatskreatürlich-erneuerten Streitmacht findet, sondern vielmehr in der ihn überhaupt und als solchen erübrigenden, weil spontan selber darstellenden, in unvermittelt eigener Gestalt verkörpernden Assoziation ökonomisch egalitärer Artgenossen und klassenlos solidarischer Mitbürger Wirklichkeit werden lässt.
Und dieser von ihr als ideologisch-dispositionelle conditio sine qua non ihrer Machtergreifung erkannten und eigennamentlich anerkannten Berücksichtigung und Befriedigung der programmatisch-projektorischen Forderung der linken Gruppierungen nach sozialistischer Egalität und kommunaler Solidarität sucht nun also die nationalsozialistische Bewegung durch jene paramilitärische Reorganisation beziehungsweise kriegsdisziplinarische Rekonstruktion der bürgerlichen Gesellschaft Genüge zu leisten. So gewiss ihr freilich damit die soziale Egalisierung nur in der vexierbildlichen Form personaler Uniformierung zu simulieren und den kommunalen Zusammenhalt bloß in der Gestalt burschenschaftlichen Fraternisierens in Szene zu setzen gelingt, so gewiss ist ihre Aussicht auf Erfolg, die Aussicht, dass sie mit diesem ihrem Konzept einer völkisch-antidemokratischen Demontage und mobilisatorisch-paramilitärischen Umrüstung der bürgerlichen Gesellschaft die linken Gruppierungen ködern und zum Mitmachen oder auch nur zum Mitlaufen gewinnen kann, gering und tendiert im Normalfall, im Falle einer halbwegs erträglichen zivilgesellschaftlichen Alltäglichkeit und einigermaßen nachhaltigen friedenszeitlichen Auskömmlichkeit, gegen Null.
Und das gilt übrigens, was das politische Gesamtspektrum der Republik angeht, nicht nur für die Gruppen der sozialdemokratischen und liberalbürgerlichen Linken, sondern auch für die der nationalbürgerlichen und nationalkonservativen Rechten. Obwohl vom rassischen Beschwörungszauber alias völkischen Mummenschanz, weil der ja in der ökonomischen Hauptsache und im ständischen Prinzip alles beim alten und unangetastet lässt, weniger befremdet und abgestoßen als die linken Gruppierungen, die eben deshalb, weil alles beim alten belassen wird, Anstoß nehmen und sich widersetzen, und obwohl durchaus geneigt, solchen Beschwörungszauber und Mummenschanz als den politischen Preis und sozialen Tribut in Kauf zu nehmen, den eine Konsolidierung der republikanisch erschütterten Wirtschaftsstruktur und eine Stabilisierung der demokratisch zerrütteten Gesellschaftsordnung nun einmal erfordern – obwohl also im Unterschied zu den linken Gruppierungen zu solcher von der nationalsozialistischen Bewegung propagierten Schandtat einer die bürgerlichen Gesellschaft um ihr historisches Gesicht und ihren empirischen Charakter bringenden rassischen Maskerade und völkischen Personifikation durchaus bereit, tendieren doch im Normalfall auch die rechten Schichten eher dazu, sich gegen jene die rassische Maske gefällig zu modellieren und die völkische Persona ansprechend zu artikulieren bestimmte paramilitärisch-kriegsdisziplinarische Zurichtung der Gesellschaft zu sperren und sich ihr zu zu verweigern – nicht, weil sie wie die linken Gruppierungen darin eine Verhöhnung und Verzerrung ihrer eigenen Vorstellungen von und Forderungen nach einer Umverteilung politischer Macht und Neuordnung sozialer Geltung sähen, sondern vielmehr im Gegenteil, weil ihnen der in solcher Zurichtung implizierte Eingriff in die bestehenden politischen Machtverhältnisse und Zugriff auf das gegebene soziale Geltungsgefüge, so sehr er auch die ökonomische Struktur in der Hauptsache unangetastet lassen und den ständischen Status quo im Prinzip respektieren mag, doch aber bereits zu weit geht und als ein für die Wohlstandssicherung und den Klassenerhalt zu zahlender sozialdienstlicher Preis beziehungsweise zu entrichtender lebensartlicher Tribut entschieden zu hoch erscheint.
Wenngleich sie bereits bald nach dem Krieg Einzug ins republikanische Panoptikum hält, bleibt die nationalsozialistische Bewegung selbst in den ökonomischen und politischen Turbulenzen der Anfangsjahre eine periphere Erscheinung und marginale politische Kraft. Das ändert sich mit der Weltwirtschaftskrise. Und entscheidend ändert es sich auch nur dank der Unterstützung, die das Kapital angesichts des Zangengriffs, in den rechtes und linkes Lager das Parlament nehmen, der nationalsozialistischen Partei als dem vermeintlich kleineren Übel zuteilwerden lässt, und des Vorschubs, den der Präsident der Republik dem nationalsozialistischen Streben nach der Macht leistet.
Kein Wunder, dass angesichts solcher Ablehnung, auf die es, wenn auch aus diametral gegensätzlichen Gründen, in beiden gesellschaftlichen Lagern stößt, das ebenso reaktionär-regressiv einschneidende wie revolutionär-aggressiv auftrumpfende, die bürgerliche Gesellschaft ebenso sehr archaistisch auszuschalten und als zivilen Organismus in der Versenkung verschwinden zu lassen wie militaristisch zu reanimieren und als servile Staatsprothese in Szene zu setzen bestimmte Sozialpakt-Konzept der nationalsozialistischen Bewegung in den Anfangsjahren der Republik eher ein peripheres Hirngespinst oder abwegiges Gedankenspiel und die Bewegung, die ihm frönt, im politischen Spektrum weitgehend irrelevant bleibt, über die Rolle und Bedeutung einer sektiererischen Randerscheinung, einer mehr oder minder außerparlamentarischen Splittergruppe, nicht hinausgelangt.
Und daran ändert sich auch nichts Wesentliches, als im Jahr der großen Inflation die besagte, von der jungen Republik unter den widrigen Bedingungen ökonomischer Bedrängnis und politischer Anfeindung ohnehin nur mit Mühe aufrechterhaltene Normalität einer halbwegs erträglichen zivilgesellschaftlichen Alltäglichkeit und einigermaßen nachhaltigen friedenszeitlichen Auskömmlichkeit erstmals ernstlich unter Druck gerät und die mit der haltlosen Geldentwertung heraufbeschworene Vernichtung besitzbürgerlichen Eigentums und Bedrohung lohnarbeiterschaftlichen Unterhalts die Gesellschaft klassenübergreifend in Mitleidenschaft zieht. Zwar resultiert die Geldentwertungsorgie des Jahres 1923 bei den wenige Monate nach ihrem Scheitelpunkt abgehaltenen Reichstagswahlen in einer merklichen Stärkung des nationalkonservativen und nationalreaktionären Lagers, von der auch die nationalsozialistische Splittergruppe insofern profitiert, als sie erstmals parlamentarisch Fuß fassen kann, aber erstens bleibt ihre parlamentarische Präsenz so überschaubar, dass sie sich fast schon übersehen lässt, und zweitens führt, wie die ein halbes Jahr später wiederholten Reichstagswahlen zeigen, die durch die Rentenmark initiierte und mit der Wiedereinführung der Reichsmark besiegelte finanz- und wirtschaftspolitische Erholung der Republik dazu, dass sie selbst in dieser ihrer bescheidenen parlamentarischen Präsenz sich schon wieder in Frage gestellt und auf den Weg in ihr altes Splittergruppendasein, sprich, in die politische Bedeutungslosigkeit geschickt findet. Als im Mai 1928, nach vier Jahren wirtschaftlicher Erholung, erneut gewählt wird, scheint die nationalsozialistische Bewegung mit ihren nicht einmal drei Prozent Stimmenanteil des krud Hirngespinstigen ihres rassisch verfremdeten Sozialpaktkonzepts beziehungsweise des abstoßend Abwegigen ihrer als völkischer Aufbruch inszenierten Bemühungen um eine klassenlose bürgerliche Gesellschaft deutscher Art alias bismarckscher Rezeptur endgültig überführt.
In diese aus Sicht der Republik und ihres Strebens nach Normalität und Kontinuität beziehungsweise nach gesellschaftlicher Akzeptanz und staatsbürgerlicher Loyalität erfreuliche Entwicklung aber fährt nun, wie oben vermerkt, der Blitz der Ende des Jahres 1929 mit voller Wucht ausbrechenden Weltwirtschaftskrise, die die in dem halben Jahrzehnt zuvor geschöpfte Zuversicht der deutschen Gesellschaft, sich aus der sei's reaktionär bornierten, sei's revolutionär agitierten Notlage der Nachkriegsjahre zu guter Letzt doch noch herausarbeiten zu können, als in der Sackgasse des globalen ökonomischen Zusammenbruchs endenden Irrweg enthüllt, die mit anderen Worten ihr neu gewecktes Vertrauen auf eine konjunkturelle Erholung und wirtschaftliche Sanierung, die spreng- und schubkräftig genug ist, um sie aus dem ebenso konditional ihrer historischen Besonderung wie kausal ihrer empirischen Belastung geschuldeten Katzenjammertal jener Anfangsjahre herauszukatapultieren, als sie wenn schon nicht im Jammertal kurzerhand belassenden Blindgänger, so jedenfalls doch postwendend in es zurückbefördernden Rohrkrepierer erweist. Angesichts der qua ökonomischer Zusammenbruch sich aufdrängenden Vergeblichkeit und Sinnlosigkeit eines auf republikanischer Basis, sprich, unter demokratisch-parlamentarischen Bedingungen geführten gesellschaftlichen Lebens beziehungsweise gefristeten persönlichen Daseins und der Frustration und Existenzangst, die solches Scheitern und solcher Sinnverlust in Arbeiterschaft und Bürgertum gleichermaßen erzeugen, erhält nun die nationalsozialistische Bewegung unverhofft ihre zweite Chance. Bei den unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise abgehaltenen Wahlen zu Ende des Jahres 1930 erlebt die Nationalsozialistische Partei eine Art Wiederauferstehung und steigert ihren Stimmanteil von den nicht einmal drei auf nahezu zwanzig Prozent der Voten.
So eindrucksvoll beziehungsweise einschüchternd dieser parlamentarische Vormarsch des Nationalsozialismus aber auch sein und so sehr er die Bewegung, zumal im Verein mit den außerparlamentarischen Demonstrationen, paramilitärischen Aufmärschen und demagogischen Agitationen, mit denen sie die bürgerliche Öffentlichkeit traktiert und terrorisiert, als eine ante portas der Republik stehende Macht und drohende Gewalt erscheinen lassen mag, intra muros des wenn nicht über das Schicksal der Republik entscheidenden, so doch aber für ihre Beschaffenheit maßgebenden und insofern über ihre Existenz wachenden Parlaments verfügt die Partei damit doch nur erst über knapp ein Fünftel der Sitze und hat deshalb, solange die übrigen Gewalten im Staatswesen, Regierung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit, letzteres in seiner die Existenz der Republik als solcher sichernden legislativen Maßgabefunktion alias konstitutiven Bestandssicherungsaufgabe respektieren und gewähren lassen, schwerlich Aussicht darauf, die von ihr als kurzer Prozess zur Liquidation der Republik avisierte Machtergreifung in die Tat umzusetzen. Genau um diese Kautel, den Respekt der anderen Staatsgewalten vor dem parlamentarischen System und ihre Bereitschaft, es frei zur Entfaltung kommen und gewähren zu lassen, betreffend, steht es freilich schlecht.
Intra muros des von der bürgerlichen Gesellschaft als konstitutives Grundelement, legislatives Lenkungsinstrument und restriktives Kontrollorgan, das ihre Interessen und Intentionen gegenüber dem Staat repräsentieren und in ihm zur Geltung bringen soll, etablierten Parlaments, des Reichstags, lassen nämlich die unter dem Eindruck der sozialen Folgen der Weltwirtschaftskrise stehenden und von bürgerlicher Existenzangst und arbeiterschaftlicher Frustration geprägten Wahlen anfangs der dreißiger Jahre nicht nur die rechtsradikale, die Beseitigung der Republik pro domo eines militaristisch autoritären Staates betreibende nationalsozialistische Bewegung, sondern auch, wenngleich in bescheidenerem Maße und weniger dynamisch, die linksradikale, für die Abschaffung der Republik pro bono einer sozialistisch egalitären Gesellschaft eintretende kommunistische Partei erstarken und an ihrer Abgeordnetenzahl entspringendem parlamentarischem Gewicht alias politischem Einfluss gewinnen. Bei den Wahlen Ende des Jahres 1932 stellen die beiden radikalen Flügel bereits mehr als die Hälfte der Reichstagsabgeordneten und bilden mithin eine die parlamentarische Arbeit lähmende beziehungsweise zu strangulieren fähige Sperrmajorität.
Diese durch die Weltwirtschaftskrise und ihr chronisches Fortwirken heraufbeschworene Entwicklung einer progressiven Unterwanderung des parlamentarischen Systems ruft das Kapital, den industriellen und agrikulturellen Mehrwertschöpfungs- alias lohnarbeiterschaftlich-klassengesellschaftlichen Ausbeutungsmechanismus der bürgerlichen Klasse, auf den Plan. Angewiesen auf und gebunden an die staatliche Verfassung und Ordnung, gutgesagt und aufrechterhalten mit anderen Worten durch einen Staat, der die Ausbeutung durch Lohnarbeit als normales bürgerliches Vertragsverhältnis legitimiert und so die Klassengesellschaft als Gemeinwesen repräsentiert, das gespaltene soziale Corpus als gegliederten nationalen Organismus sanktioniert, erfährt der kapitale Mechanismus solche zangenförmige Lähmung beziehungsweise Strangulation des parlamentarischen Systems als akute Bedrohung seiner Funktionsfähigkeit und Geschäftstätigkeit.
Dabei unterliegt freilich der Bedrohungsgrad, den das Kapital den beiden extremistischen Flügeln alias parlamentarischen Zangen jeweils beimisst, einer entscheidenden Gewichtung. Wie oben expliziert, ist der auf eine Beseitigung der Republik gezielte militaristische Zugriff auf den Staat, den der rechtsradikale Flügel plant, verträglich und in der Tat im Einklang mit der Beibehaltung der ökonomischen Grundstruktur der bürgerlichen Gesellschaft und der Fortsetzung ihres diese Grundstruktur ebenso sehr reaffirmierenden wie aus ihr resultierenden ständischen Status quo. Hingegen ist der auf eine Abschaffung der Republik gerichtete sozialistische Angriff gegen den Staat, den der linksradikale Flügel projektiert, unvereinbar mit eben jener ökonomischen Grundstruktur der bürgerlichen Gesellschaft und steht tatsächlich in eklatantem Widerspruch zu ihrer Aufrechterhaltung und der Fortsetzung der uno actu von ihr getragenen und sie bekräftigenden klassengesellschaftlichen Verhältnisse.
Dies in Betracht gezogen, hält die sponsoristische Partei- beziehungsweise lobbyistische Einflussnahme, zu der sich das Kapital in Gestalt seiner bourgeoisen Funktionäre und Agenten entschließt, nicht schwer zu verstehen, hält mit anderen Worten nicht schwer einzusehen, warum die ökonomische Macht, die sich zwecks Erhaltung und Stabilisierung des parlamentarischen Systems als über das Sein oder Nichtsein des republikanischen Staates entscheidenden Grundelements politisch engagiert, ihr Engagement eindeutig fokussiert und nämlich in den Dienst einer sponsoristischen Begünstigung beziehungsweise lobbyistischen Förderung des rechtsradikalen Schenkels der parlamentarischen Zange, des nationalsozialistischen Flügels, stellt.
Strategisches Ziel oder – angesichts seines perspektivlos-zynischen Beweggrunds besser gesagt – taktisches Kalkül des politischen Einsatzes der ökonomischen Macht ist es, den ihr weniger bedrohlichen, weil, ungeachtet aller Umrüstungsansprüche und Neuformierungsforderungen, mit denen er ihr politisches Zuhause und ihr soziales Milieu konfrontiert, ihr als solcher durchaus nicht das Existenzrecht bestreitenden und im Gegenteil Bestand und Kontinuität zu sichern bereiten nationalsozialistischen Flügel so weit zu stärken und an Virulenz gewinnen zu lassen, dass er sein Gegenüber, den von ihr anathematisierten kommunistischen Flügel, auszustechen und zu neutralisieren vermag und so den extremistischen Zangengriff, der das parlamentarische System lähmt und in den Erstickungstod treibt, zu lockern und am Ende zu lösen dienen kann. Dies taktische Kalkül der Funktionäre und Agenten des Kapitals, den die bürgerliche Gesellschaft ökonomisch zu entwurzeln bestrebten sozialistischen Satan mit dem sie politisch zu verschneiden bereiten nationalsozialistischen Beelzebub auszutreiben und so das parlamentarische System vor der ihm drohenden Paralyse beziehungsweise dem es ereilenden Kollaps zu bewahren, zeigt durchaus Wirkung. Auch wenn aus den beiden Wahlen des Jahres 1932 beide extremistischen Flügel mit Stimmengewinnen hervorgehen, übertrifft doch aber der über die Zahl der Mandate entscheidende Stimmenanteil, den die nationalsozialistische Partei erringt, den von der kommunistischen Partei erzielten um mehr als das Doppelte.
Kernpunkt jenes taktischen Kalküls ist die Überzeugung oder jedenfalls Mutmaßung des Kapitals, den Beelzebub, den die bürgerliche Gesellschaft politisch umzurüsten bereiten Nationalsozialismus, leichter im Zaum halten und besser lenken zu können als den sie ökonomisch umzuwälzen bestrebten Satan, den Kommunismus. Diese Mutmaßung freilich erweist sich als Misskalkulation. Das Kapital nämlich hat die Rechnung ohne den Staat in persona, den als Wirt oder nomineller Geschäftsführer des bürgerlichen Etablissements, des Gemeinwesens, figurierenden und im republikanischen Kontext den geschassten Monarchen, wie man will, substituierenden oder simulierenden Präsidenten der Republik gemacht. Ihm, dem die Republik eigentlich nur zu personifizieren, das Gemeinwesen als lebendigen Organismus zu repräsentieren ausersehenen Staatsoberhaupt, fällt angesichts der drohenden Lähmung oder gar Strangulation des Parlaments eine aktive politische Rolle zu, die er auf Anraten und Betreiben des um die Republik oder vielmehr um seine Machtstellung in ihr besorgten nationalkonservativen Lagers auch eilfertig übernimmt. Weil das Parlament durch den Zangengriff der rechts- und linksradikalen Flügel sich generell um seine Entscheidungsfähigkeit und speziell um die Möglichkeit gebracht findet, eine handlungsfähige, weil von der Mehrheit der Abgeordneten getragene Regierung zu bilden, nimmt sich der Präsident der Republik die ihm in der Verfassung qua Notverordnungsrecht eingeräumte Freiheit, Präsidialkabinette zu bilden, will heißen, nicht auf parlamentarische Majoritäten angewiesene und also koalitionsunabhängige Kanzler zu berufen und Regierungen einzusetzen.
Im Blick auf dies in der Konsequenz der parlamentarischen Paralyse vom Reichspräsidenten wahrgenommene Notverordnungsrecht erweist sich die Mitte der zwanziger Jahre abgehaltene Präsidentenwahl, bei der die nationalkonservativen und chauvinistisch-reaktionären Parteien, mithin das in seltener Einigkeit gesammelte rechte Lager, anstelle des verstorbenen sozialdemokratischen Präsidenten eine Galionsfigur des Weltkrieges, einen in breiten Bevölkerungskreisen wegen seiner militärischen Erfolge nach wie vor populären beziehungsweise Ansehen genießenden ehemaligen General und Heeresleiter, ins Amt hieven, als äußerst folgenschwer. Die Bekleidung des Präsidentenamtes mit einem ebenso nationalkonservativ gesinnten wie monarchistisch geprägten Exmilitär, der als Oberbefehlshaber der Streitkräfte firmiert, verschafft und sichert der Führung der letzteren, der Generalität der nach Abrüstung und Auflösung der kaiserlichen Streitmacht aus deren Resten als Berufsheer und Kadertruppe formierten Reichswehr, die Möglichkeit zur direkten Einflussnahme auf und gezielten Einmischung in die republikanische Politik, den Machtpoker um parlamentarische Entscheidungen und Regierungsgewalt. Bislang unter der Vortäuschung politischer Neutralität als quasipolizeiliches Instrument vorwiegend dazu genutzt, Protest, Widerstand und Aufruhr von links zu unterdrücken und niederzuknüppeln, avanciert die Reichswehr in Gestalt ihrer Führung wenn nicht zu einem Mitspieler auf der politischen Bühne, so zumindest doch zu einem Drahtzieher hinter ihren Kulissen.
Und dieses durch das Präsidentenamt und dessen notverordnungsrechtliche Ermächtigung vermittelte Avancement des militärischen Managements zu einem offen politischen Machtfaktor verleiht nun aber der nationalsozialistischen Bewegung unverhofft neuen Schwung und stärkere Durchsetzungskraft. Anders als die Funktionäre und Agenten des industriellen und agrikulturellen Kapitals gewahrt nämlich die Führung der Reichswehr in der nationalsozialistischen Partei nicht nur einen dem Kommunismus Paroli zu bieten beziehungsweise den Schneid abzukaufen geeigneten nützlichen Idioten, keine bloße gegen den Erzfeind auf der Linken in Stellung zu bringende Schachfigur, sondern durchaus einen ernst und für voll zu nehmenden Gesinnungs- und Bundesgenossen, einen hinsichtlich seiner eigenen politischen Ambitionen und strategischen Projektionen ehrlicher Förderung und wirklicher Unterstützung würdigen Mitstreiter und Waffenbruder. Wie sollte wohl das Sozialpaktkonzept der nationalsozialistischen Bewegung, ihr in einer Paramilitarisierung der bürgerlichen Gesellschaft kulminierendes Bauen auf die Streitmacht als letztere vor dem Staat exklusiv zur Geltung bringende Repräsentanz und als seine eingeborene Kreatur, sein sichselbstgleiches Ebenbild, zu ihm aufhebende und ihm anverwandelnde Körperschaft, verfehlen, die militärische Führung der als Konkursmasse der kaiserlichen Streitkräfte in deren staatsloyalistischer Tradition verharrenden, sprich, sich gegen jede bürgerlich-zivile Relativierung und demokratisch-parlamentarische Novellierung verwahrenden, kurz, von Grund auf reaktionären Reichswehr anzusprechen und ihr ebenso sehr als Lösung für die Nöte und Gebrechen des von ihr als schieres Unwesen wahrgenommenen republikanischen Gemeinwesens einzuleuchten wie als konstruktiver Beitrag zur Neubegründung eines Gemeinwesens, das nach vaterländischem Herkommen und Brauch wesentlich und primär Staatswesen ist, zuzusagen?
Anders als die Funktionäre und Agenten des Kapitals pflegen die Offiziere und Lobbyisten des Militärs zur Nationalsozialistischen Partei keine zynische, sie als politisches Werkzeug betrachtende Beziehung, sondern unterhalten zu ihr ein solidarisches, sie als politischen Weggenossen gewahrendes Verhältnis, und deshalb erweist sich der politische Aufstieg, den in der von Präsidialkabinetten beherrschten Endphase der Republik das Militär dank präsidialer Protektion erlebt, die Übernahme der Regierungsgewalt, zu der ihm beziehungsweise seinen zivilen Chargen das die Lähmung des Parlaments kompensierende präsidiale Regime verhilft, als Türöffner für die nationalsozialistische Machtergreifung beziehungsweise Vorspiel zu ihr. Als Anfang des Jahres 1933 der Führer der Nationalsozialistischen Bewegung nach dem Scheitern zweier militärisch dominierter Minderheitenregierungen als Repräsentant der mittlerweile stärksten Partei im Parlament endlich an der Reihe ist und vom Präsidenten zum Kanzler ernannt und mit der Bildung eines rechten Koalitionskabinetts beauftragt wird, nutzt er die Gunst der Stunde, setzt unverzüglich Neuwahlen an, die unter dem bürokratischen, propagandistischen und terroristischen Druck stattfinden, den er mittels seiner neuerrungenen regierungsamtlichen Macht, seines mit ebenso viel psychologischer List und Tücke wie technischer Kompetenz und Finesse über Jahre hinweg entwickelten medialen Einflusses, und der aggressiv-öffentlichen Präsenz parteieigener Kampf- und Stoßtrupps zu erzeugen versteht, und lässt den nach Maßgabe dieses omnipräsenten Drucks nicht nur in einer weiteren Stärkung der nationalsozialistischen Fraktion resultierenden, sondern auch und vor allem mit einem Gros von eingeschüchterten und fügsamen Abgeordneten anderer Couleur aufwartenden neuen Reichstag ein ihn mit diktatorischen Vollmachten ausstattendes und damit das Ende der Republik besiegelndes Ermächtigungsgesetz beschließen.
Auf der Grundlage dieses seiner Liquidation der Republik ein Mäntelchen von Legalität umhängenden Ermächtigungsgesetzes macht das nationalsozialistische Regime kurzen Prozess mit den politischen Institutionen und zivilen Organisationen der Republik: Es löst die politischen Konkurrenten der nationalsozialistischen Partei, die anderen Parteien, auf und bietet deren freigesetzten Mitgliedern, sofern diese Anspruch auf staatliche Karrieren und öffentliche Ämter erheben, Aufnahme und Platz in einer Einheitspartei, die die Wahlen zum Reichstag fortan in ein nationalsozialistisches Schaulaufen und letzteren ökonomisch in eine Pfründenanstalt für verdiente Parteigenossen und politisch in ein Akklamationsinstitut für die Entscheidungen und Direktiven der Parteiführung verwandelt. Es zerschlägt Gewerkschaften, Berufsverbände, zivile Hilfsorganisationen und subsidiäre Einrichtungen und ersetzt sie durch dem Staatskorpus integrierte Organe beziehungsweise unterwirft sie als Institutionen bürgerlichen Rechts einer ebenso strikten wie direkten staatlichen Kontrolle. Und schließlich unterzieht das Regime den Verwaltungsapparat und das Rechtssystem einem ebenso umfassenden wie durchgreifenden personalen Entlassungs- und Neueinstellungsprozess, dessen zur Säuberungsaktion deklariertes Ziel es ist, Staat und Justiz von allen mit der nationalsozialistischen Diktatur unvereinbaren beziehungsweise ihm widerstreitenden demokratischen und jüdischen Elementen der bürgerlichen Gesellschaft zu befreien, will heißen, alle der Republik verhafteten beziehungsweise von ihr geprägten sozialdemokratischen und liberalbürgerlichen Gruppen aus dem Staatsapparat und dem Justizsystem zu entfernen und auf diese Weise letztere zu der Diktatur eng korrespondierenden und ihr zuverlässig zuarbeitenden Funktionszusammenhängen zu homogenisieren und zu transformieren.
In der vom nationalsozialistischen Regime betriebenen politischen Säuberungs- beziehungsweise völkischen Gleichschaltungsaktion kommt dem Antisemitismus eine besondere Bedeutung zu. Sie erklärt sich das den Rollen, die in der jüngeren deutschen Geschichte der Antisemitismus spielt – zuerst als antikapitalistischer Blitzableiter für die unteren Schichten, dann als funktionalistisches Disziplinierungsinstrument zur Sicherung staatsbürgerlichen Wohlverhaltens und schließlich als Siegel substanzialistisch-volksgemeinschaftlicher Verwahrung gegen republikanisch-liberalistische Verwahrlosung.
Dass von dieser Säuberungsaktion neben den republikanischen Feinden beziehungsweise Sündenböcken der nationalsozialistischen Bewegung beziehungsweise zusammen mit ihnen auch die Staatsbürger jüdischer Konfession oder auch nur genealogischer Herkunft aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft betroffen sind und ereilt werden, könnte auf den ersten Blick überraschen und so kontingent anmuten wie der Einschluss des römischen Statthalters Pontius Pilatus ins christliche Kredo. Der gute oder vielmehr böse Sinn dieser verfolgungspraktischen Konjunktion erschließt sich erst im Rekurs auf die exemplarische Bedeutung und didaktische Funktion, die im Laufe des von ökonomischen Krisen und sozialen Konflikten gebeutelten neunzehnten Jahrhunderts den Juden beigemessen und zugewiesen wird. In umfunktionierender Fortschreibung eines Jahrhunderte alten, dem ebenso konfliktscheuen wie ohnmächtigen Hass der geknechteten Untertanen auf ihre Unterdrückung und Ausplünderung durch die feudale Herrschaft ein Abreaktionsventil bietenden Antisemitismus müssen dort die Juden bei den proletarischen und kleinbürgerlichen Bevölkerungsschichten als zumeist verbaler, gelegentlich aber auch leibhaftiger Prügelknabe dafür herhalten, dass der industrielle und agrikulturelle Kapitalismus, die Ausbeutung durch das Lohnarbeitssystem der Bourgeoisie, der als Funktionäre und Agenten des Kapitals agierenden Teile der bürgerlichen Klasse, ihnen das Leben schwer macht und sie zunehmend an den Rand ökonomischer Not und sozialen Elends bringt.
Als solche dem antikapitalistischen Ressentiment der unteren Schichten zupass kommende Sündenböcke taugen die Juden, weil sie als bis dahin nach Maßgabe ihrer religiösen Diskriminierung bürgerrechtlich reprimierte Bevölkerungsgruppe im Zuge der Säkularisierung und Aufklärung, die das Kapital zwecks Beseitigung seiner Entfaltung entgegenstehender feudaler und klerikaler Schranken und Privilegien um die Wende vom achtzehnten zum neunzehnten Jahrhundert ins Werk setzt, in den Genuss einer unverhofften politischen Emanzipation und sozialen Rehabilitation gelangen, die, der für gesellschaftliche Minderheiten generell typischen Tendenz entsprechend, bei sich bietender Gelegenheit Behinderungen mit Erfindungsgabe zu begegnen und Benachteiligungen durch Leistungskraft zu kompensieren, ihre führenden Schichten zu einer raschen ökonomischen und sozialen Karriere, sprich, zum effektiven Aufbau eines bürgerlichen Besitzstands und einem demgemäß objektiven Aufstieg in die bourgeoisen Reihen nutzen. Und diese homines novi in den Reihen der Bourgeoisie, diese bürgerlichen Emporkömmlinge bieten sich nun also den durch das ökonomische System der bürgerlichen Gesellschaft ausgebeuteten und in Not und Elend gestürzten proletarischen und kleinbürgerlichen Gesellschaftsschichten an, um an ihnen das Ressentiment festzumachen und gegen sie die Verfolgungswut zu richten, die ihre ökonomische Ausbeutung und ihre soziale Verelendung in ihnen erwecken.
Dabei ist es zwangsläufige Konsequenz der Tatsache, dass sie aus Ohnmacht beziehungsweise Konfliktscheu den Sack schlagen, statt dem Esel zu Leibe zu rücken, liegt es mit anderen Worten in der Logik des Verschiebungsmechanismus alias projektiven Charakters ihres Ressentiments, dass sich dieses gegen die Juden insgesamt richtet, sich nicht vordringlich, geschweige denn allein, auf jene arrivierten, in die bourgeoisen Reihen aufsteigenden jüdischen Kontingente, sondern auf die gesamte, jüdischer Religion und Kultur sei's soziologisch verhafteter, sei's auch nur genealogisch verbundener Bevölkerungsgruppe erstreckt. Nur mit solch antisemitischer Pauschalisierung des Ressentiments ist ja gewährleistet, dass die Verschiebungsleistung gelingt und der von seinem eigentlichen Gegenstand abzulenkende und per Alibi abzureagierende antikapitalistische Affekt definitiv in die Irre geführt wird.
Beschränkte sich der Affekt nur auf diese Schicht von soziologisch-konfessionell oder auch nur genealogisch-traditionell der jüdischen Bevölkerungsgruppe zurechenbaren Arrivierten, deren auszeichnendes Merkmal als ökonomisch erfolgreiche und sozialen Status beanspruchende Mitbürger verhielte sie doch allemal in ebenso systematisch verfänglicher wie empirisch eindrücklicher Nähe zum generell bourgeoisen Gros der Funktionäre und Agenten des als kapitale Ausbeutungsapparatur firmierenden industriellen und agrikulturellen Produktionsmechanismus, erwiese sich deshalb als auf jenes Gros permanent hindeutender Indikator beziehungsweise insolent zu ihm hinführende Eselsbrücke und konterkarierte so die ihnen, den jüdischen Arrivierten, zugedachte Rolle, das das Gros vergessen machende Detail zu bilden oder, um die mit der Eselsbrücke evozierte vorherige Metapher zu bemühen, den dem Esel die Prügel ersparenden Sack abzugeben. Nur sofern es gelingt, den als Ressentiment und Verfolgungswut auf die arrivierten Juden verschobenen Affekt von deren ökonomischem und sozialem Arriviertsein abzukoppeln und ihrem soziologisch-konfessionellen beziehungsweise genealogisch-traditionellen Jüdischsein anzuhängen, ist sichergestellt, dass die Verschiebung ihren strategischen Zweck der klassengesellschaftsinternen Konfrontationsverhütung und Konfliktvermeidung erfüllt und nicht am Ende zu einer "selffulfilling prophecy“, einem eben das, was er zu bannen sucht, durch den Bannversuch herbeiführenden Bumerang gerät.
So weit verbreitet und in den proletarischen und kleinbürgerlichen Bevölkerungsschichten, die der von staatlichem Laissez-faire liberalistisch entfesselte industrielle und agrikulturelle Kapitalismus des neunzehnten Jahrhunderts in Not und Elend stürzt, allgegenwärtig dieser der Affektverschiebung dienende Antisemitismus aber auch sein mag, eine besondere und katastrophal zukunftsweisende Artikulation und Zuspitzung erhält er in dem aus dem Dornröschenschlaf mitteleuropäischer Kleinstaaterei erwachenden und sich als Einheitsstaat installierenden, sprich, sich als bürokratisch homogenes Hoheitsgebiet und als militärisch autonome Territorialmacht etablierenden Deutschen Reich. Angesichts der ökonomischen Rückständigkeit und des sozialen Hinterwäldlertums seiner Populationen findet sich der neu etablierte Einheitsstaat des Deutschen Reichs veranlasst, sich ökonomisch und sozial zu engagieren und mit dem Ziel des ökonomischen Aufschließens zu den industriegesellschaftlich avancierten Nachbarstaaten und sozialen Gleichziehens mit ihnen bei der hierfür erforderlichen Durchsetzung kapitalistischer Reproduktionsverhältnisse, Herstellung egalitaristischer Lebensbedingungen und Einübung rationalistischer Verhaltensweisen eine organisatorische Führungsrolle zu übernehmen und sich eine dispositorische Weisungsgewalt anzumaßen. Statt ökonomisch dem Laissez-faire zu huldigen und sozial dem Klassenkampf freien Lauf zu lassen, also jenem liberalistischen Wildwuchs Vorschub zu leisten, dem die Nachbarn ihre Entfaltung zu kapitalistisch-fortgeschrittenen Industrie- und Agrikulturgesellschaften schulden, greift der deutsche Staat mittels strategisch-initiativer Programme und bürokratisch-effektiver Maßnahmen ein, um die bürgerliche Gesellschaft eben jene andernorts liberalistisch-wildwüchsig betriebene ökonomische Entfaltung und soziale Umgestaltung in nach Maßgabe der staatlichen Vorgabe und behördlichen Anleitung geordneter und gezielter und dementsprechend geraffter und abgekürzter Form absolvieren zu lassen.
Mit dieser seiner Lenkung und Zähmung des liberalistischen Wildwuchses durch dessen autokratische Hege und bürokratische Pflege setzt sich freilich der Staat, da es sich bei ersterem um den geschichtlich bewährten modus procedendi der kapitalistischen Entwicklung, also um deren quasi natürliche Verlaufsform handelt, in offenkundigen Widerspruch zu und gerät gar in offenen Konflikt mit den Erwartungen und Ansprüchen der bürgerlichen Funktionäre und Agenten des Kapitals, die eben jenem Liberalismus frönen, auf eben jenen aller staatlich-heteronomen Planung und Lenkung abgeneigten und rein nur der Eigendynamik der Marktgesetze verpflichteten Kapitalismus setzen. Und genau hier bringt nun der Staat höchstselbst, bringt die den Staatsapparat personell bemannende und offiziell bestückende Ministerialität und Bürokratie den besagten, von den proletarischen und kleinbürgerlichen Schichten der Gesellschaft, den ökonomischen Opfern und sozialen Verlierern der kapitalistischen Entwicklung, als Übertragungs- alias Verschiebungsmechanismus gebrauchten Antisemitismus ins Spiel, um ihn als den bürgerlichen Funktionären und Agenten des Kapitals vorgehaltene Zuchtrute beziehungsweise angelegte Daumenschraube zu nutzen und den dadurch Eingeschüchterten und zur Räson Gebrachten ihren liberalistischen Eigensinn und ihre von Rücksichten auf staatliche Interessen und gemeinwesentliche Erfordernisse unbeschwerte Eigensucht auszutreiben, sie stattdessen zu bewegen beziehungsweise zu nötigen, sich der ordnungspolitischen Kontrolle und wirtschaftsstrategischen Lenkung, die der Staat ihrem arbeitgeberischen Tun und unternehmerischen Treiben angedeihen lässt, zu fügen.
Indem er sich den als Ersatzhandlung irreführenden Antisemitismus, der in der von kapitalistischer Ausbeutung und Bedrückung heimgesuchten Bevölkerung grassiert, zu eigen macht und ihn instrumentalisiert, um ihn seinen ökonomischen Kompagnons oder Komplizen, den bourgeoisen Funktionären und Agenten des Kapitals, als ostentative Mahnung beziehungsweise gezielte Warnung vor Augen zu führen und zu Bewusstsein zu bringen, bedroht sie der Staat stillschweigend mit der Option, die per Antisemitismus vollzogene Verschiebung des antikapitalistischen Affekts und Unwillens auf die Juden zu hinterfragen und gar rückgängig zu machen und sie, die bürgerlichen Funktionäre und Agenten des Kapitals, als die eigentlichen Adressaten des Affekts und Unwillens der Bevölkerung ins Blickfeld zu rücken und bloßzustellen, womit er sie unter unausgesprochener Androhung ihrer gesellschaftlichen Anschwärzung, wo nicht gar Ächtung, also erpresserischerweise, motiviert, ihren liberalistischen Eigensinn und ihre privatistische Eigensucht wenn nicht abzulegen und aufzugeben, so zumindest doch zu zügeln und hintanzustellen und sich der ihnen angesonnenen ordnungspolitischen Bevormundung und wirtschaftsstrategischen Leitung durch den Staat zu unterwerfen.
Mit der staatlichen Instrumentalisierung des Antisemitismus, seiner Funktionalisierung, die die Räson des in Wahrnehmung seiner ordnungspolitischen Kontrolle und wirtschaftsstrategischen Lenkung auf bürgerliche Disziplin und Folgsamkeit dringenden Deutschen Reichs ins Spiel bringt, hat es indes nicht sein Bewenden. In dem Maße, wie die Bemühungen des als ein eigener Typus von bürgerlicher Gesellschaft sich etablierenden Deutschen Reichs um Anschluss an das kapitalistisch-industrielle Avancement der Nachbarn und Aufschluss zum Stand ihrer imperialistisch-kommerziellen Entwicklung Früchte trägt und es sich zu einem in der ökonomischen Aufholjagd und Anpassung an deren soziale Erfordernisse und Desiderate seine wesentliche Bestimmung findenden, in Hommage an einen seiner wesentlichen Erfinder und Gestalter als bismarcksches Gemeinwesen zu bezeichnenden und unter staatlicher Regie bündisch-klassenübergreifenden Sozialpakt zusammenfindet – in dem Maße, wie das geschieht, substanzialisiert sich der von der Staatsräson lancierte funktionalistische Antisemitismus und wandelt sich nämlich der von Staats wegen zum Popanz erklärte Jude vom Bürgerschreck zum Volksfeind.
In nur scheinbarer Wiederaufnahme seiner ursprünglichen, von einem ebenso fehlleistungshaften wie breiten gesellschaftlichen Ressentiment generierten Stoßrichtung und Adressierung totalisiert sich der Antisemitismus, gleichermaßen autorisiert und normalisiert durch seine staatliche Funktionalisierung, durch den Einsatz, zu dem der Staat ihn bringt, und den Gebrauch, den er von ihm macht, zu einer weltanschaulichen Deklaration, um nicht zu sagen einer katechetischen Konfession, die den Juden die Bürde aufhalst, sie für die kruzifikatorische Aufgabe rekrutiert, die Grenze zwischen gemeinschaftlichem Einschluss und gesellschaftlichem Ausschluss zu definieren, mit anderen Worten, in eigener Person und leibhaftiger Gestalt den Ort zu markieren, an dem sich der kriegsbedingt die bürgerliche Klassengesellschaft zur klassenlos bündischen Volks- und Schicksalsgemeinschaft aufhebende deutsche Sozialpakt in seiner Geltung bestritten und in seiner Verbindlichkeit ausgesetzt findet und stattdessen der mit Vaterlandslosigkeit synonyme liberalistische Eigensinn beziehungsweise die zu asozialer Perfidie disponierende privatistische Eigensucht, die der deutsche Sozialpakt zum Anathema erklärt und gegen die er sich kategorisch verwahrt, Raum greift und fröhliche Urständ feiert.
Solche Substanzialisierung des Antisemitismus, die den Juden als Antipoden und Widersacher alles Deutschtums in Anspruch nimmt, ihn damit ebenso ironischer- wie paradoxerweise als den wie sehr auch un- oder widerwilligen Garanten, den quasi ex negativo wirksamen Gralshüter des die deutsche Nation in volksgemeinschaftlichen Bann schlagenden bündischen Sozialpakts dingfest macht, behält während des Krieges und in den frühen Jahren der Republik noch das ihm von seiner Rolle als antikapitalistischer Affektverschiebungsmechanismus her eigene Vage und Wabernde einer kulturalistisch-tribalistischen Ausgrenzung und Entgegensetzung. Zur Entfaltung seines vollen Potenzials, seiner Substanzialität sans phrase, verhilft ihm erst die nationalsozialistische Bewegung mit ihrer publizistischen Propaganda, wie sie exemplarisch "Der Stürmer“ zu seiner Aufgabe und Sache macht.
Ausgangspunkt beziehungsweise Grundlage dieser substanzialistischen Entfaltung des Antisemitismus ist die oben erläuterte Verklärung der Streitmacht zur einzigen Repräsentanz und wahren Verkörperung des zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft geschlossenen bündisch-regressiven Sozialpakts, die die von letzterer selbst als repräsentative Vermittlungsinstanzen und körperschaftliche Verbindungsagenturen gestellten und in Position gebrachten demokratisch-parlamentarischen Organe und Einrichtungen, die politischen Parteien und zivilen Verbände, verdrängt und ersetzt, damit freilich sie, die bürgerliche Gesellschaft, der Charakterlosigkeit eines allein noch für die Rekrutierung von Soldaten brauchbaren schieren Haufens, der Gesichtslosigkeit einer nurmehr als Steinbruch für die Militärkaserne tauglichen Menschenmenge ausliefert, welche fundamental disqualifizierende Reduktion und radikal depotenzierende Demontage die nationalsozialistische Bewegung wiederum sich beeilt, ihr, der bürgerlichen Gesellschaft, als historische Originalisierung und empirische Authentifizierung zu verkaufen, ihr mit obigen Worten anstelle ihres historischen Gesichts, ihrer zeitgemäßen Physiognomie, das urtümliche Schema, den archaischen Typus einer Rasse zu verpassen, ihr statt ihres empirischen Charakters, ihrer profanen Agenda, die kultische Maske, die sakrale Persona des Völkischen überzustülpen.
Und es ist nun diese kompensatorische Transsubstantiation, der die nationalsozialistische Bewegung die bürgerliche Gesellschaft unterzieht, diese Umdichtung des letzterer zugemuteten Mangels an historischer Physiognomie und Minus an empirischem Charakter ins Haben rassischer Ursprünglichkeit und Plus völkischer Unverfälschtheit, die den Aufhänger oder Kontrapunkt für die definitive Substanzialisierung alias Verdinglichung der den Juden aufgehalsten Sündenbockfunktion bildet und die aus einer ebenso wabernden wie vagen Separation des Jüdischen vom Deutschen, aus der kulturalistisch-tribalistisch fabrizierten Diskrepanz des neunzehnten Jahrhunderts, eine ebenso trennscharfe wie prägnante Distinktion zwischen jüdisch und deutsch, die biologistisch-rassistisch zementierte Dichotomie des zwanzigsten werden lässt. In dem Maße, wie der bürgerlichen Gesellschaft deutscher Besonderheit das ihr alle historische Physiognomie beraubende Schema eines rassischen Verbands aufgedrückt beziehungsweise die ihr allen empirischen Charakter verschlagende Persona einer völkischen Gemeinschaft übergestülpt wird, übernimmt die zuerst als Ersatzobjekt für das antikapitalistische Ressentiment arbeiterschaftlicher und kleinbürgerlicher Gruppen gebrauchte, dann als staatliches Disziplinierungsinstrument für liberalistisch-privatistisch über die Stränge staatlicher Kontrolle und Lenkung schlagender Bürger eingesetzte und jetzt von der nationalsozialistischen Bewegung zum Inbegriff asozialer Libertinage und Paradigma eigensüchtigen Privatisierens erklärte jüdische Minorität konfessioneller Dependenz oder auch nur genealogischer Provenienz zwangsläufig die vexierbildliche Bedeutung und kruzifikatorische Rolle eines das Anathema, den Liberalismus, ins Biologische wendenden rassischen Widersachers zum Deutschsein, eines das Übel par excellence, das Privatisieren, im Erbgut tragenden völkischen Antagonisten zum deutschen Wesen.