XIII.

Indes, diese pleromatische Zwangslage, in die das Kapital sich selbst manövriert hat und in der es das Bildungsbürgertum als seine letzte Rettung vor der Verstopfung hofiert, als seinen Nothelfer aus dem Hirsebrei umwirbt, stellt, wie einerseits den ökonomisch zureichenden Grund für den Größenwahn à la Nietzsche, so andererseits aber auch schon das Verdikt über seine Haltbarkeit dar. Das Kapital kann seine Zwangslage nicht auf Dauer akzeptieren, es muss erkennen, dass die Flucht in den Luxuskonsum einer vergleichsweise kleinen, mit hinreichend Wertäquivalent ausgestatteten gesellschaftlichen Schmarotzerschicht eine Sackgasse ist und nämlich daran scheitert, dass die konsumtive Aufnahmefähigkeit dieser Schicht ihre sei's natürlichen, sei's kulturellen Grenzen hat, die auch der Luxus nur partiell erweitern und zeitweilig hinausschieben kann, wohingegen die produktive Kapazität des Kapitals selbst, sein Vermögen, Wert in der unmittelbaren Gestalt von Gebrauchsgütern in die Welt zu setzen, den Eindruck eines unerschöpflichen Füllhorns oder unabsehbaren Automatismus macht. Von dem Gefühl der Unhaltbarkeit dieses Zustandes ist tatsächlich auch die nutznießende bildungsbürgerliche Schicht selbst durchdrungen, wie die Tatsache zeigt, dass Nietzsche und seine Adepten in ein und demselben Atemzug, in dem sie den von ihresgleichen gepflegten oder angestrebten luxurierend-ästhetischen oder freiflottierend-virtuosen Lebensstil als herrenmenschliche Großtat oder aristokratischen Gipfel menschlicher Möglichkeiten preisen, ihn zugleich der Nähe zu Verfall und Fäulnis zeihen und als dekadent, als todgeweiht erkennen. Man braucht sich nur das geschwätzige, unablässig um die Ästhetik von Tod und Vollendung zirkulierende Mythologisieren eines Thomas Mann anzuschauen, um einen Eindruck von der Krampfhaftigkeit und Albernheit der Bemühungen des Bildungsbürgertums à la Nietzsche zu bekommen, der allerflüchtigsten und von Verwesungsgestank umwitterten Scheinblüte des Fin de Siècle wenn schon keinen historischen Bestand, so jedenfalls doch einen bleibenden Wert abzugewinnen und aus dem perspektivlosen Luxusleben eine abgründige Geisteserfahrung, aus der Dekadenz die Décadence werden zu lassen.

Will das Kapital nicht an sich selbst in seiner materialen Warengestalt, in seiner Form als Reichtum, ersticken, muss es loskommen von der Fixierung auf seine unmittelbare Klientel, loskommen von der Gewohnheit, seine materialen Segnungen vornehmlich, wo nicht gar ausschließlich, der relativ beschränkten bildungsbürgerlichen Schicht zukommen zu lassen, und muss sich auf neue Käuferschichten, auf eine nachdrückliche Erweiterung des Konsumentenkreises einstellen. Ein Weg dazu scheint die Erschließung neuer Märkte in den außerhalb der Sphäre der industriekapitalistischen Nationen gelegenen Ländern der Dritten Welt. Da indes wegen der politischen Heterogenität und militärischen Schwäche eines Großteils dieser Länder die Erschließung nicht sowohl in der Form einer Entwicklung regulärer Handelsbeziehungen als vielmehr im Modus der imperialistischen Expansion und gewaltsamen Kolonialisierung vor sich geht und da hierdurch die Industrienationen die Möglichkeit gewinnen, auf den Weg über den Markt zu verzichten und sich Rohstoffe und als Wertäquivalent gebrauchte Edelmetalle, die beiden Dinge, die diese Länder im Austausch gegen Industriewaren zu bieten haben, mittels Raub und umstandsloser Ausplünderung zu verschaffen, bleiben die Warenabsatzmöglichkeiten in den kolonialen Gesellschaften gering und beschränken sich weitgehend auf die Lieferung von Luxusgütern an die auf Feudal- oder Grundrentenbasis existierenden oberen Schichten dieser Gesellschaften, das heißt auf eine angesichts der ungeheuren Produktivität der industriekapitalistischen Arbeit letztlich nicht sehr erhebliche Erweiterung des bildungsbürgerlich-inländischen Kundenstamms um kolonialbürgerlich-fremdländische Gruppen.

Bleibt demnach für eine ernsthafte Sanierung der Absatzchancen der industriekapitalistischen Produktion und für eine wirkliche Verbesserung der an den Absatz als an die zuverlässige Realisierung des Werts der Waren geknüpften langfristigen Entwicklungsperspektive des Industriekapitals nur die Erschließung neuer, wesentlich umfänglicherer Konsumentenschichten im eigenen Land! Woher aber sollen die kommen, wenn nicht aus den Reihen der in der industriekapitalistischen Produktion Ausgebeuteten, aus den breiten, im Lohnarbeitsverhältnis wertschaffenden Volksschichten, kurz, aus dem Proletariat? Und wie soll das Proletariat je in die Stellung einer ernstzunehmenden Konsumentenschicht einrücken können, wenn nicht der bis dahin verfolgten Strategie des Kapitals, durch extensive und intensive Ausbeutungsmechanismen die Proportion zwischen variablem Kapital und Kapitalgewinn, zwischen Lohn und Mehrwert immer weiter zugunsten des letzteren zu verschieben und also die relative Kaufkraft der Ausgebeuteten immer weiter zu schwächen, Einhalt geboten und in Umkehrung des Trends zur fortlaufenden Pauperisierung der proletarischen Volksschichten für deren relativ bessere Ausstattung mit Wertäquivalent Sorge getragen wird? Dieser Einsicht oder vielmehr bewusstlos realisierten Ratio gemäß denkt das Industriekapital um oder lässt, genauer gesagt, seinen politischen Agenten, den aus der traditionellen Staatsmacht hervorgegangenen und zum kapitalen Bundesgenossen funktionalisierten starken Staat, das Umdenken für sich besorgen. Teils dadurch, dass er mittels politischer und gesetzgeberischer Maßnahmen (Zulassung von Gewerkschaften und Arbeiterparteien, Arbeits- und Sozialgesetze) die Position der Arbeit gegenüber dem Kapital stärkt und den Lohnarbeitern auf diese Weise ermöglicht, sich einen größeren Anteil an dem von ihnen produzierten Mehrwert zu erstreiten, teils dadurch, dass er durch direkte und indirekte staatliche Unterstützung (Sozialversicherung, Sozialhilfe, steuerliche Entlastungen) die Lohnarbeiterschaft an dem mittels Besteuerung und wertzuwachsbedingter Geldschöpfung von ihm selbst mit Beschlag belegten Teil des industriekapitalistisch produzierten Mehrwerts teilhaben lässt, beginnt Ende des 19. Jahrhunderts der Staat mit einer allmählichen Umverteilung gesellschaftlichen Mehrwerts und erreicht mit dieser in ihrer sozialpolitischen Kehrtwendung geradezu revolutionären, neuen Strategie, die er ins 20. Jahrhundert hinein fortsetzt und als Trend über alle politischen und ökonomischen Krisen hinweg festhält, wie einerseits seine eigene Verwandlung aus dem nationalkonservativ-autokratischen Junkerstaat früherer Tage in den sozialliberal-bürokratischen Volksstaat moderner Prägung, so andererseits die Überführung der alten liberalbürgerlichen Klassenkampfgesellschaft in die heutige staatsbürgerlichen Massenkonsumgesellschaft.

Der Begriff des Massenkonsums registriert das als gegeben, was das Kapital seinen bevollmächtigten Vertreter, den Staat, zur Bewältigung seiner ausbeutungsbedingten Absatzprobleme, seiner pleromatischen Verstopfungskrise ins Werk setzen lässt: die Verbreiterung der Konsumentenbasis, und nämlich die Ergänzung der fürs Wertrealisierungsgeschäft hauptamtlich zuständigen bildungsbürgerlichen Schicht durch zunehmend größere Teile der lohnarbeitenden Bevölkerung, die durch die genannten direkten und indirekten staatlichen Interventionen in den Besitz von genügend Wertäquivalent gelangen, um nicht mehr nur ihr Dasein fristen, sondern auf dem Markt als ernstzunehmende Wertrealisierer in Erscheinung treten zu können. Diese tendenzielle Verwandlung der Gesellschaft in einen riesigen Konsumverein, der, unabhängig von der arbeits- oder funktionsbedingten Gruppenzugehörigkeit oder Klassendifferenz seiner Mitglieder, alle in der Teilhabe am Wertrealisierungsgeschäft übereinkommen und darin zunehmend ihr gesellschaftliches Solidaritätsgefühl und ihr staatsbürgerliches Selbstbewusstsein finden lässt – diese tendenzielle Überführung der liberalbürgerlichen Produktionsgesellschaft in eine sozialdemokratische Konsumgenossenschaft bezieht ihre für alle Beteiligten unwiderstehliche Verführungskraft daraus, dass sie sich ineins als ökonomisches Problemlösungskonzept und als politisches Konfliktbewältigungsprogramm anbietet. Sie löst das Problem der ökonomischen Verstopfung: sie sorgt dafür, dass genug kaufkräftige Konsumenten da sind, um die Realisierung der in ihren Naturhüllen versteckten Werte als Wert sans phrase, als Geld, das als Kapital für neue Produktionsprozesse verfügbar ist, sicherzustellen. Und sie bewältigt ganz nebenher auch noch das gesellschaftspolitische Konfliktpotenzial, das in einer pauperisierten und nach Maßgabe ihrer Notlage klassenkampfbewussten oder revolutionär gestimmten breiten Volksschicht steckt, indem sie dieser Volksschicht allmählich aus ihrer Notlage hilft und mit der zuverlässigen Befriedigung ihrer leiblich-seelischen Bedürfnisse und ihrer Ansprüche auf soziale Sicherheit ein Gefühl von Geborgenheit, von "Lebensqualität", wie der typisch sozialdemokratische Terminus lautet, vermittelt.

So sehr erscheint dem zum Volksstaat sich mausernden starken Staat diese in seiner Regie betriebene und ihn zum Umverteiler vom Dienst erhebende Stärkung der konsumtiven Kaufkraft als das Ei des Kolumbus, dass durch alle politischen Richtungskämpfe und ideologischen Anfechtungen hindurch er immer wieder auf dieses Patentrezept zurückkommt und alle politischen und ökonomischen Krisen, die beiden Weltkriege ebenso wie die Weltwirtschaftskrise oder auch den Konjunktureinbruch der sechziger Jahre, jeweils nur zum Anlass für einen neuen New Deal, eine verbesserte Neuauflage der gleichen Strategie nimmt. Möglich, dass diese seit mehr als hundert Jahren bewährte Strategie heute an ihre Grenzen stößt und nämlich vor den Fall einer mit Mitteln der staatlich organisierten nationalen Konsumsteigerung nicht mehr zu verhindernden, weil die Konsumfähigkeit der betroffenen Nationen hoffnungslos überfordernden funktionszerstörenden Hypertrophierung kommt. Und möglich auch, dass unter diesen Umständen die im unmittelbaren historischen Kontext ihres ersten Auftretens noch als "Betriebsunfall", als im Vergleich mit dem angelsächsisch-keynesianischen New Deal ungeschlachter, schachtianisch-deutscher Notbehelf erscheinende faschistische Lösung, die den Volksstaat zum Volksgemeinschaftsstaat eskalierende Bereitschaft des Staatsapparats, den Ausgleich zwischen Kapitalakkumulationsinteresse und gesellschaftlichen Konsumbedürfnissen direkt in die Hand zu nehmen und zur Chefsache einer staatskapitalistischen Konsumgesellschaft zu machen, die neue Aktualität eines Passepartout für die gegenwärtige Krise oder neuen Patentrezepts gewinnt. Einer solchen zerstörerischen Hypertrophierung ihrer Funktion und dem darin lauernden Schicksal der Faschisierung der Gesellschaft wehren könnte diese sozialdemokratische Strategie einer Sanierung der kapitalistischen Wirtschaft durch Verallgemeinerung und Steigerung des Konsums am Ende nur noch, wenn ihr die Ausdehnung aus ihrem nationalstaatlich beschränkten Wirkungskreis auf ein international umfassenderes Tätigkeitsfeld gelänge, wenn sie es also fertig brächte, den am nationalstaatlich eigenen Proletariat erfolgreich erprobten Umverteilungsmechanismus auf die Länder der Dritten Welt und das von ihnen gestellte internationale Proletariat zu übertragen. Für einen solchen Prozess indes, der ja auch nur gelingen könnte, wenn die Integration der Dritten Welt ins konsumtive Wertrealisierungsgeschäft sich schön allmählich vollzöge und von einer entsprechenden Investitionstätigkeit, von einer Umlenkung realisierten Werts in die (von Lohndrückerei möglichst freie) wirtschaftliche Entwicklung der Dritten Welt begleitet wäre – für einen solchen Prozess fehlen alle zwischenstaatlichen Voraussetzungen und internationalen Einrichtungen – und das ist vielleicht auch gut so, bedenkt man, welche ökologischen Verwüstungen, sozialanthropologischen Verheerungen und politisch-kulturellen Zerstörungen eine Ökonomie mit Sicherheit anrichten würde, der die Internationalisierung jener Umverteilungsstrategie die Möglichkeit eröffnete, ihr Grundprinzip einer Verankerung aller materiellen gesellschaftlichen Reproduktion im abstrakten Mechanismus industrieller Kapitalakkumulation auf unabsehbare Zeit weiter aufrechtzuerhalten.

Was jedenfalls (um diese Abschweifung in die unmittelbare Gegenwart und drohende Zukunft zu beenden und die Aufmerksamkeit wieder der Situation um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert zuzuwenden!) die Strategie der Krisenbewältigung durch Konsumsteigerung, die im europäischen nationalstaatlichen Bereich und speziell in dem durch seinen späten Einstieg in den industriekapitalistischen Prozess zu besonderen Reformanstrengungen gleichermaßen genötigten und befähigten Deutschland zum Zuge kommt – was diese Strategie einer Überführung der junkerstaatlichen Klassenkampfgesellschaft in die volksstaatliche Massenkonsumgesellschaft jedenfalls mit sich bringt, ist eine endgültige und unmissverständliche Klärung aller politisch-ökonomischen Zweideutigkeiten à la Nietzsche und nämlich die definitive Entscheidung darüber, wer in der industriekapitalistischen Gesellschaft wem und zu welchem Ende dienstbar und zu Willen ist. In dem Maß, wie die jener Strategie entspringende Erweiterung der Konsumentenbasis und Verwandlung der zirkulativen Wertrealisierung in ein von der breiten Volksmasse getragenes oder mindestens wesentlich mitgetragenes Geschäft die bildungsbürgerliche Kapitalklientel in ihrer im Fin de siècle per Luxuskonsum wahrgenommenen Nothelferfunktion entbehrlich werden lässt und also um jene monopolartige Schlüsselposition im kapitalen Wertbildungsprozess bringt, die ihr überhaupt nur den Gedanken eingeben konnte, aristokratisch letzter Zweck des gesellschaftlichen Corpus und zivilisatorisch höchstes Gut seiner Reproduktionstätigkeit, seines Stoffwechsels mit der Natur zu sein – in dem Maß, wie das geschieht, wird zugleich auch die Illusion einer reellen Abhängigkeit und Dienstbarkeit der vom Anspruch auf kapitale Verwertung bestimmten Produktion im Blick auf die durchs Bedürfnis nach materialer Befriedigung bedingte Konsumtion zerstört und die nüchterne Wahrheit offenbar, dass, politisch-ökonomisch gesehen, die im Konsum sich findende materiale Bedürfnisbefriedigung im Gegenteil nichts anderes ist als eine abhängige Funktion im Dienste des die Arbeit heimsuchenden kapitalen Verwertungsanspruchs.

Was bis dahin den bildungsbürgerlichen Meistbegünstigten der industriekapitalistischen Güterproduktion noch möglich war, sich einzubilden, dass nämlich die mittels solcher Güterproduktion verfolgte kapitalistische Verwertungsstrategie bei all ihrer intentionalen Selbstbestimmtheit und ökonomischen Eigendynamik doch aber in der Hervorbringung materialer Befriedigungsmittel für Menschen ihren sozialen Zweck habe und dementsprechend ihr politisches Regulativ finde – diese Illusion wird durch die Art und Weise zerstört, wie das Kapital mit den menschlichen Bedürfnissen und ihrer Befriedigung umspringt, wie es rein nach Gesichtspunkten seiner Verwertungslogik den Konsumentenkreis erweitert, alte Bedürfnisse entfaltet und eskaliert, neue Bedürfnisse schafft und inthronisiert. Was auf den ersten Blick Beweis für sozialpolitische Vernunft und humanökonomische Billigkeit scheinen könnte, das erweist sich bei näherem Zusehen, weil es offenbar rein aus der kapitalökonomischen Not und sozialpolitischen Zwangslage des Produktionssystems selbst hervorgeht, vielmehr als Beleg dafür, wie sehr das Erfordernis einer materialen Reproduktion der Gesellschaft mittlerweile mit dem Anspruch auf die kapitale Akkumulation von Wert steht und fällt, wie sehr also die als Befriedigung menschlicher Bedürfnisse scheinbar nicht weniger rationale als konkrete Konsumtionsnotwendigkeit inzwischen zur abhängigen Funktion und gleichermaßen zum Ausfluss und zum Spielball eines als Realisierung monetären Werts abstrakt und irrational fortlaufenden Zirkulationszwanges heruntergekommen ist.

Jene durch die industriekapitalistische Produktionsweise hervorgetriebenen, ebenso vielfältigen wie zahlreichen und ebenso wandlungsfähigen wie fix und fertigen Erscheinungen, auf die als auf eine unmittelbar aus den privaten Fabriken auf den offenen Markt geworfene und in zielstrebiger Abstraktion von allen ihren Entstehungsbedingungen quasi naturgegebene, gediegene Positivität das Bildungsbürgertum seit Schiller seinen in kritischer Distanz zur Abstraktheit und Konkurrenzhaftigkeit der bürgerlichen Gesellschaft erhobenen Anspruch auf eine alternative, ästhetische Lebensform gründete – jene Erscheinungen entpuppen sich nun fern aller Naturgegebenheit als Produkt und Manövriermasse exakt des Abstraktions- und Konkurrenzmechanismus, gegen den sie das fundamentum in re bilden und Halt gewähren sollen, während die Konsumtion selbst, der sei's als rezeptiv-sinnlicher Verzehr, sei's als kontemplativ-ästhetischer Genuss gepflegte Umgang mit ihnen mehr und mehr die Züge eines dem kapitalen Abstraktionsprozess aufs Haar korrespondierenden fieberhaft-effektiven Metabolismus und Tilgungsverfahrens annimmt. In der Tat stellt sich der mehr und mehr zum blindwütigen Metabolismus ausufernde Konsumzwang als das subjektive Pendant zur objektiven Prädominanz dar, die in den massenkonsumtiven Erscheinungen die Kapitalrücksicht gewinnt: Im gleichen Maß, wie im Massenkonsum der kapitale Verwertungsanspruch aus seiner relativen Verborgenheit hervortritt und in den Waren, den Erscheinungen, eine allem Anschein von Positivität oder phänomenaler Unmittelbarkeit Hohn sprechende Präsenz und zur konsumtiven Wertrealisierung disponierende Kraft gewinnt und wie also die objektive Verwertungsperspektive sich als ein die positiven Erscheinungen nicht sowohl heteronomisierender, als vielmehr in ihrer heimlichen Negativität und wesentlichen Fremdbestimmtheit freilegender und zur Kenntlichkeit entstellender Offenbarungseid zu erkennen gibt, im gleichen Maß gewinnt die Konsumtion zunehmend jenen zwischen Rausch und Zwang, zwischen sinnlicher Erregung und freudloser Routine changierenden Suchtcharakter, der erst in den westlichen Überflussgesellschaften nach dem Zweiten Weltkrieg zur vollen Entfaltung gelangt und dessen Wahrzeichen, je nachdem, ob man ihn sozialethnologisch oder individualpathologisch ins Auge fasst, das Potlatch oder die Bulimie ist. So wahr in der Massenkonsumgesellschaft die vom Kapital materialiter als Gebrauchsgegenstände und Befriedigungsmittel auf den Plan gerufenen Erscheinungen ganz unverhohlen und in aller Form als Erscheinungen des Kapitals, als Waren, als auf die Realisierung des in ihnen steckenden Werts dringende Durchgangsmomente oder Übergangsobjekte firmieren, so wahr erweist sich der Konsum selbst als wie immer lustvoll aufgeladene, rauschhaft überdeterminierte Arbeit im Dienste der Wertrealisierung, als eine aller eigenen konkreten Zweckmäßigkeit und leiblich-seelischen Intentionalität zum Trotz wesentlich um des abstrakten Mechanismus kapitaler Wertbildung willen geübte politisch-ökonomische Funktion.

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