IV.
Ganz verschieden und – entsprechend ihrer unterschiedlichen Bewertung des Willens und seines Machtkampfes – diametral gegensätzlich reagieren demnach Schopenhauer und Nietzsche auf die von ihnen diagnostizierte strukturelle Abhängigkeit des Geistes vom Willen und funktionelle Bestimmtheit durch ihn. Während der Intellektuelle Schopenhauer diese Abhängigkeit und Heteronomie der Intelligenz zwar als etwas unentrinnbar Naturgegebenes registriert, aber gleichzeitig als eine so unerträgliche Zumutung und krankmachende Kompromittierung, kurz, als eine solche narzisstische Kränkung erfährt, dass er, um sich aus ihr zu befreien, sogar zu einer als Totalverweigerung wohlverstandenen radikalen Absage ans willensbeherrschte Leben und rücksichtslosen Selbstverneinung bereit ist, gilt sechzig Jahre später dem Intellektuellen Nietzsche eben dieses gebrochene, von Abwehr und Verleugnung bestimmte Verhältnis des Geistes zum Willen als das eigentlich Krankmachende und widernatürlich Krankhafte und liegt für ihn die Lösung oder das Heil vielmehr darin, dass der Geist ja sagt zu seiner Willensbestimmtheit und durch diese emphatische Affirmation seiner naturgegebenen Verfassung nicht nur die vermeintliche Heteronomie eines qua Intelligenz mit sich zerfallenen Willens in die tatsächliche Autonomie einer sichselbstgleich von Willenskraft erfüllten Intelligenz ummünzt, sondern sich mehr noch dank seiner während der Krankheit erworbenen Disziplin, Raffinesse und sublimen Mischung aus Kraft und Feinsinn als ein ebenso ästhetisch hinreißender Artist des Machtkampfs wie politisch umwerfender Willensvirtuose zu erkennen gibt. Diametral verschieden also sind die theoretischen und praktischen Konsequenzen, die Schopenhauer und Nietzsche aus der Willensbestimmtheit der Intelligenz ziehen, und die Zukunftsperspektiven, die sie für den Willen und die Intelligenz daraus herleiten – aber gemeinsam ist und bleibt ihnen dabei der Ausgangspunkt selbst: die Überzeugung von der wesentlichen Willensbestimmtheit der Intelligenz, das Bewusstsein, dass im Rahmen und unter den Bedingungen dieser Welt die Abhängigkeit des Geistes vom Willen eine Naturgegebenheit, ein unentrinnbares Schicksal darstellt.
Und mit dieser gemeinsamen Überzeugung stehen Schopenhauer und Nietzsche in einem schroff ideologiekritischen Gegensatz zu der im 19. Jahrhundert sich ausbildenden universitären Wissenschaft und deren Glauben an die Möglichkeit eines von Willensregungen und persönlichen Bestrebungen, von Voreingenommenheiten und praktischen Interessen freien Erkennens. Kraft der oben bereits genannten beiden Strategien eines Objektivität gewährleistenden Quellenempirismus und eines Rationalität sicherstellenden Methodenfetischismus glaubt die Wissenschaft das Erkennen den heteronomisierenden Willensbestimmungen und interessierten Vorurteilen, von denen auch und gerade sie es bedroht und heimgesucht sieht, entziehen und ihm zur Stellung eines rein nur der Sache selbst dienstbaren und ganz nur der eigenen Logik verpflichteten Unternehmens verhelfen zu können. Wie dem Privatgelehrten Schopenhauer in specie ist auch der ordinarialen Disziplin in genere die Fremdbestimmung des theoretischen Geistes durch die Rücksicht auf leiblich-seelische Bedürfnisse und gesellschaftlich-historische Ansprüche ein Gräuel. Aber anders als der Privatgelehrte, der vor der anschaulichen Unausweichlichkeit der im eigenen Körper gestaltgewordenen Fremdbestimmung kapituliert und den Weg in den buddhistisch verbrämten Eskapismus einer Problemlösung durch Selbstauflösung wählt, glaubt die akademische Republik die heteronomen praktischen Interessen der Person, der Gesellschaft und der Geschichte dem erkennenden Geist dadurch – salopp formuliert – vom Leibe halten zu können, dass sie ihre Bürger, die Geistträger oder Intellektuellen, der Disziplin der genannten beiden Erkenntnisstrategien unterwirft. Gezwungen, sich ihre Einsichten durch eine als szientifische Methode ausgewiesene regelhafte Rationalität vermitteln und von einer als Quellenempirie ausgezeichneten autoritativen Objektivität bestätigen zu lassen, ist nach Überzeugung der auf der konstitutionellen Grundlage dieser beiden Kontrollmechanismen neugestifteten Gelehrtenrepublik die Intelligenz gegen die Heteronomie erkenntnisäußerer Interessen und sachfremder Rücksichten immunisiert und geschützt.
Sosehr die Wissenschaft diesen Glauben an die Möglichkeit einer dank Quelle und Methode ebenso objektiven wie autonomen Erkenntnis bis heute im Panier führt, sowenig hat sie ihn sich indes als ehrliche Überzeugung, geschweige denn als innere Gewissheit bewahren können. Wenn sie ihn kontinuiert, so mittlerweile wesentlich oder ausschließlich aus blankem institutionellem Zynismus, nämlich um der Aufrechterhaltung jener gesellschaftlichen Einrichtung Universität willen, die seit gut hundertfünfzig Jahre bevorzugt mit der Sanktionierung und Disqualifizierung von öffentlichem Wissen, kurz, mit kriterieller Erkenntnis- und Erkenntnisverhinderungskompetenz betraut ist. Weil zumindest in ihren sogenannten geisteswissenschaftlichen Sektionen, das heißt, in den Abteilungen, die das Wissen oder Nicht-Wissen der Gesellschaft von sich selbst kodifizieren und verwalten, die Institution Universität seit anderthalb Jahrhunderten auf diesen Glauben an Quellenempirie und Methodenreinheit gegründet ist, erhält sie den Glauben als hohle Versicherung aufrecht und kontinuiert ihn als knöchernes Dogma, obwohl sie ihn de facto längst verloren und mit der dem Zwang zu seiner Kontinuierung gemäßen Wendung ins Zynische sich der Schopenhauerschen oder Nietzscheschen Kritik an ihm angeschlossen hat. Verloren hat die universitäre Wissenschaft diesen Glauben angesichts der überwältigenden Beweise für seine Unhaltbarkeit, die sie selbst in anderthalb Jahrhunderten emsigen Wirkens geliefert hat, innerlich kapituliert hat sie angesichts der Permanenz, mit der sie den in diesem Glauben als Handlungsanweisung implizierten Objektivitätsvorsatz und Rationalitätsanspruch durch die eigene Arbeit permanent widerlegt und Lügen straft! Zu oft hat sie eigenhändig vorgeführt, wie perfekt methodische Strenge mit inhaltlicher Voreingenommenheit zusammenpasst und wie gut sich die begründende Quelle mit konstruierter Realität verträgt, als dass sie jene szientifische Methode, auf die sich am bitteren Ende keiner besser versteht als der ideologische Wahnsinn, und jene empirischen Quellen, die zu böser Letzt nirgends reichlicher springen als aus dem systematisch Bodenlosen, noch ernsthaft und mit innerer Überzeugung als Wahrheitsgaranten oder zumindest kriterielle Indikatoren des Falschen behaupten könnte. Durch ihre eigene Tätigkeit, ihre Erfahrung mit sich selbst, vom Spuk ihres Gründungsdogmas geheilt und zur Vernunft gebracht, frönt die Wissenschaft heute hinter der zynisch hochgehaltenen Objektivitätsfassade und Rationalitätsfiktion einem ebenso verstohlenen wie uneingeschränkten Relativismus, huldigt sie also der Überzeugung, dass gegen die Determination des Erkennens durch persönliche Überzeugungen, gesellschaftliche Interessen und geschichtliche Orientierungen kein Kraut und schon gar kein akademisches gewachsen ist.
Haben ihnen so aber die ihrem eigenen Wirken entspringenden erdrückenden Gegenbeweise den Star ihres Gründungsdogmas gestochen und dieses Dogma als eine veritable Wahnvorstellung deutlich werden lassen, müssten die vom feiertäglichen Glauben an die Möglichkeit eines absoluten Wahrheitsanspruchs gründlich geheilten und in den Alltag des historischen Relativismus zurückgekehrten Geisteswissenschaften sich eigentlich fragen, wie sie überhaupt je darauf verfallen konnten, ihr Tun mit einem so absonderlichen Offenbarungsanspruch zu verknüpfen. Das heißt, sie müssten sich, relativistisch ernüchtert, nach den Gründen jener um Methode und Quelle zentrierten Wahnidee fragen, die für ihre eigene Entstehung, Ausbildung und Institutionalisierung konstitutiv war. Sie müssten es, aber sie tun es nicht, eben weil sie vollauf damit beschäftigt sind, im zynischen Interesse an der Aufrechterhaltung ihrer universitären Existenz die jener fixen Idee entsprungene akademische Veranstaltung so, als sei nichts geschehen, fortzuführen und als eine ebenso blendend hohle Fassade wie täuschend echte Kulisse unermüdlich in Szene zu setzen. Wo materiell gut dotierte Pfründen und angesehene soziale Positionen auf dem Spiel stehen, hört auch bei Intellektuellen der Spaß am Denken auf und findet eine Reflexion, die an dem bequemen Ast zu sägen droht, auf dem der Reflektierende sitzt, wenig Anklang. Überlassen wir deshalb die Akademiker ihrem einträglichen Kulissenschiebergeschäft und fragen wir an ihrer Stelle nach dem Grund oder vielmehr Abgrund jenes für ihre Disziplin konstitutiven Wahrheitswahns, der seine Wünschelrute in der Methode und seinen Probierstein in der Quelle hat.
Wahnhaftes Verhalten zeugt vom Vorhandensein starker intentionaler und emotionaler Konflikte, die aus inneren oder äußeren Gründen nicht thematisiert und gelöst werden können oder dürfen und die eben deshalb durch Übertragungs- und Projektionsmechanismen verschoben und gleichermaßen am falschen Ort und in der falschen Form – eben wahnhaft – ausgetragen werden. So auch im Fall des für die universitäre Wissenschaft des 19. Jahrhunderts konstitutiven Wahrheitswahns. Der Konflikt, der diesem Wahn zugrunde liegt, ist der Widerspruch zwischen der Zielbestimmung und Selbstgewissheit, der sich der bürgerliche Intellektuelle bis zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert verpflichtet weiß, und der Umorientierung und Selbstverleugnung, zu der ihn als Intellektuellen das 19. Jahrhundert nötigt. Der Intellektuelle des 18. Jahrhunderts ist Sprachrohr und Vordenker einer aufstrebenden Klasse, die im Kampf gegen die herrschenden Schichten des Absolutismus ihr historisches Ziel der Herstellung einer warenproduzierenden allgemeinen Marktgesellschaft zum universalen Telos und verbindlichen Gattungsinteresse erklärt. Weil diese Klasse sich als das gesellschaftlich richtungweisende und dem Gemeininteresse dienende historische Subjekt sieht und fühlt, lässt sie zu und begünstigt sogar, dass ihr Sprachrohr das mit dem ökonomischen Ziel der warenproduzierenden Marktgesellschaft einhergehende Versprechen eines gegen das alte Regime der persönlichen Abhängigkeit, ständischen Privilegierung und hierarchischen Unterordnung durchgesetzten neuen Systems politischer Freiheit, sozialer Gleichheit und brüderlicher Solidarität als ein gesamtgesellschaftliches Programm entfaltet, ins Zentrum der geschichtsphilosophischen Perspektive rückt und als hochaktuelles Projekt auf die Tagesordnung setzt. Zugleich getragen vom ökonomischen Motivzusammenhang des aufkommenden, industriekapitalistisch warenproduzierenden Bürgertums und durch seine Generalisierung oder immanent logische Ausarbeitung halbwegs abgelöst von diesem Zusammenhang, wird das von den Intellektuellen vorgestellte Konzept einer – um es mit Kants Formulierung zu sagen – "allgemein das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft" zu einer Zukunftsprojektion, die nach Maßgabe ihres regulativen Anspruchs, die Entfaltung der ökonomischen Kräfte und Entwicklung der individuellen Anlagen in die klassenübergreifenden Bahnen eines politisch kontrollierten und sozialverantwortlichen Prozesses zu lenken, die Bedeutung einer Gattungsperspektive behauptet.
Diese von der bürgerlichen Klasse quasi mitgetragene und nicht weniger gesamtgesellschaftliche als universalhistorische Perspektive der bürgerlichen Intellektuellen, die als ein projektiver Reflexionspunkt, ein in die Zukunft verlegter archimedischer Angelpunkt nicht nur die ganze Vergangenheit in neuer Bestimmtheit erscheinen zu lassen, sondern mehr noch der Gegenwart selbst die Orientierung zu geben beansprucht, bleibt indes Episode. Kaum dass in der Französischen Revolution die bürgerliche Klasse den Sieg über den absolutistischen Gegner davongetragen und als Klasse die politische Macht erobert hat, entzieht sie jenem gesamtgesellschaftlich-universalhistorischen Prospekt die Unterstützung und gibt ihm als einem schieren Ideologem, das seine Funktion erfüllt hat und überflüssig geworden ist, den Abschied. In dem Maß, wie sich abzeichnet, dass im Zuge der industriekapitalistischen Ökonomie, auf die das Bürgertum seine politische Macht gründet, sich für große Teile der Gesellschaft die geforderte politische Freiheit auf ökonomische Vogelfreiheit, die erwartete soziale Gleichheit auf eine nivellierende Deklassierung und die erhoffte brüderliche Solidarität auf eine pauperistische Leidensgenossenschaft reduziert, verliert das Gros der bürgerlichen Klasse alles Interesse daran, die Erinnerung an jene ursprünglichen Zielvorstellungen wach und damit einen originalen Maßstab zur Beurteilung des Zerrbildcharakters des statt dessen Wirklichkeit Gewordenen am Leben zu erhalten.
Angesichts dieses Rückzugs der bürgerlichen Klasse aus der kurz zuvor noch von ihr mitgetragenen gesamtgesellschaftlichen Perspektive sind die Träger der Perspektive, die bürgerlichen Intellektuellen, übel daran. Sie vertreten plötzlich ein Programm, dem das handelnde Subjekt verloren gegangen, entwerfen eine Zukunft, der die historische Grundlage abhanden gekommen ist. Halten sie an den alten Zielvorstellungen fest, hängen sie einer Schimäre an. Lassen sie die Vorstellungen indes fahren, geben sie ihre bisherige Identität als Intellektuelle, ihre Funktion als progressive Vordenker der Gesellschaft auf. Besonders übel sind die Intellektuellen dort dran, wo, wie im rückständigen Deutschland, die empirischen Veränderungen noch gar nicht so gravierend sind, dass sie den Stellungs- und Orientierungswechsel, den die bürgerliche Klasse vollzieht, Plausibilität gewinnen lassen könnten. In England und mit Einschränkungen auch in Frankreich führt die rasche Entstehung industriekapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse und die Bildung eines Lohnarbeiterproletariats handgreiflich vor Augen, warum allgemeine politische Freiheit, umfassende soziale Gleichheit und verbindliche kommunale Solidarität für die Betreiber und Nutznießer der auf der Lohnarbeit basierenden neuen Ökonomie kein Thema mehr sein kann. Dort finden sich deshalb die bürgerlichen Intellektuellen vor eine klare Alternative gestellt: Entweder sie geben die unversalhistorische Zielprojektion auf, um ihr Denken den neuen liberalistisch interessierten und ökonomistisch beschränkten Optionen ihrer Klasse anzupassen und sich als Ideologen der Klasse in den Dienst der Propagation jener neuen Optionen zu stellen, oder aber sie geben sie auf, um sich der konservativen, absolutistisch-vorbürgerlichen oder traditionalistisch-gentrybürgerlichen Opposition gegen die an die Macht gekommene beziehungsweise zur Macht drängende industriekapitalistische Bourgeoisie anzuschließen. Im rückständigen Mitteleuropa hingegen, wo das Bürgertum eher unter dem Einfluss und in Imitation seiner westeuropäischen Klassengenossen als auf Grund selbsterzeugter Empirie und akut eigenen Interesses die gesamtgesellschaftliche Perspektive fallen lässt, wissen die Intellektuellen nicht, wie ihnen geschieht. Plötzlich sollen sie ihre Zukunftsprojektion aufgeben und ihre in die Projektion gesetzte intellektuelle Identität wechseln, ohne die Notwendigkeit dafür einer entsprechend gewandelten gesellschaftlichen Empirie und veränderten Klassenlage entnehmen zu können.
Sie verwahren sich gegen diese Zumutung, und das Ergebnis ihres Sträubens ist die deutsche Romantik. In der Romantik überlebt die auf Freiheit, Gleichheit, Solidarität gemünzte Gattungsperspektive, überlebt der klassenübergreifende Vergesellschaftungsanspruch, aber gekürzt um das handelnde historische Subjekt und um das aktuelle historische Programm. Von ihrer bislang in der bürgerlichen Klasse gewahrten gesellschaftlich-empirischen Grundlage ebenso abgeschnitten wie ihrer bis dahin in den Einheitsstiftungstendenzen des Weltmarkts am Werk gewahrten politisch-ökonomischen Zielgerichtetheit beraubt, hängt diese von den Intellektuellen der Romantik festgehaltene Gattungsperspektive in der Luft und sucht dadurch einen gesellschaftlich festen Boden und eine historisch haltbare Orientierung zurückzugewinnen, dass sie zum Ersatz für das Verlorene auf Gesellschaftsformationen und Zukunftsprojektionen der Vergangenheit regrediert. An die Stelle der empirischen Neuzeit tritt ein phantastisches Mittelalter, an die Stelle des durch materielle Interessen verbundenen dritten Stands oder bürgerlichen Lagers treten durch spirituelle Ideale vereinigte Geheimbünde, religiöse Orden oder sittliche Gemeinschaften, an die Stelle der realgeschichtlich-bürgerlichen Gesellschaftsbildung durch weltweiten Tausch tritt die heilsgeschichtlich-christliche Gemeinschaftsstiftung durch universale Liebe. Diese regressiven Ersatzgebilde bleiben indes anämische Schemen, deren einzige Funktion am Ende darin besteht, den romantischen Intellektuellen die für ihr intellektuelles Treiben charakteristische abstrakt negative Verwahrung gegen die bürgerliche Gegenwart oder unverbindlich ironische Distanzierung von ihr zu ermöglichen. Weil der nachrevolutionäre bürgerliche Klassenstandpunkt in seiner halbherzigen und eher durch imitativen Schein als durch initiatives Sein geprägten deutschen Form eine Haltung ist, zu der die Intellektuellen weder nein sagen dürfen, weil dies mit ihrer subsistenziellen Klassenrücksicht unvereinbar wäre, noch aber ja sagen können, weil sich das mit ihrer intellektuellen Selbstachtung oder Identität nicht vertrüge, bietet sich ihnen diese aus abstrakter Negativität gespeiste ironische Reserve als eine Überlebensstrategie in dem Maße an, wie sie ihnen erlaubt, gegen ihre faktische Dysfunktionalisierung durch die eigene Klasse zu protestieren, ohne sich in eine als bestimmte Negation ausgemachte wirkliche Frontstellung gegen die letztere hineinzumanövrieren. Distanzierung, die keinen wirklichen Abstand schafft, weil sie Kritik an den bestehenden Verhältnissen nicht kraft eines den Verhältnissen immanenten Potentialis, einer in ihnen angelegten relativ differenten Perspektive, sondern aufgrund eines den Verhältnissen transzendenten Irrealis, einer durch Revokation der Verhältnisse imaginierten absolut indifferenten Alternative übt – das ist das Betriebsgeheimnis der romantischen Ironie. Und die der ironischen Kritik als Basis dienende indifferente Alternative – sie finden die romantischen Intellektuellen in jener von ihnen ebenso formell festgehaltenen, wie materiell um ihr historisches Subjekt und ihre empirische Zielstrebigkeit gebrachten und ins regressive Ungefähr einer christlich-spirituellen Heilsgeschichte zurückgenommenen gesamtgesellschaftlichen Orientierung, von der die bürgerliche Klasse selbst nichts mehr wissen will.